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Urteil Verwaltungsgericht (GL - VG.2021.00042)

Zusammenfassung des Urteils VG.2021.00042: Verwaltungsgericht

Eine Person, die eine Invalidenrente aus der beruflichen Vorsorge beanspruchte, klagte gegen die Glarner Pensionskasse, da sie der Meinung war, dass der Gesundheitsvorbehalt rückwirkend und unzureichend konkretisiert war. Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus wies die Klage ab, da der Gesundheitsvorbehalt rechtzeitig angebracht und ausreichend spezifiziert wurde. Die Klägerin hatte keine Rechtsmittel gegen den Vorbehalt eingelegt, was darauf hindeutete, dass sie die betroffenen Krankheiten erkennen konnte. Die Klage wurde abgewiesen, die Gerichtskosten werden von der Staatskasse übernommen, und es wird keine Parteientschädigung gewährt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VG.2021.00042

Kanton:GL
Fallnummer:VG.2021.00042
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VG.2021.00042 vom 11.11.2021 (GL)
Datum:11.11.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Invalidenrente aus BVG: Rückwirkende Anbringung eines Gesundheitsvorbehalts
Schlagwörter: Gesundheitsvorbehalt; Vorsorge; Recht; Vorsorgeeinrichtung; Versicherung; Invaliden; Pensionskasse; Klage; Glarner; Invalidenrente; Gesundheitsvorbehalts; Urteil; Mitteilung; Abklärung; Anbringung; Bereich; Person; BVG-Versicherung; Verwaltungsgericht; Vorbehalts; Alter; BGer-Urteil; Gericht; Gesundheitsvorbehalte; Unklarheiten
Rechtsnorm: Art. 73 BV ;
Referenz BGE:130 V 103; 134 V 20;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2021.00042

Geschäftsnummer: VG.2021.00042 (VG.2021.1091)
Instanz: K2
Entscheiddatum: 11.11.2021
Publiziert am: 23.12.2021
Aktualisiert am: 23.12.2021
Titel: Sozialversicherung - Berufliche Vorsorge (Klage)

Resümee:

Invalidenrente aus BVG: Rückwirkende Anbringung eines Gesundheitsvorbehalts

Im Bereich der überobligatorischen beruflichen Vorsorge sind rückwirkende Gesundheitsvorbehalte unzulässig, wenn der Vorbehalt nach einer vorbehaltslosen Aufnahme in die Vorsorgeeinrichtung nach Verwirklichung des entsprechenden Risikos mitgeteilt wurde. Rechtsprechungsgemäss genügt die Anbringung eines Gesundheitsvorbehalts mit dem Ausstellen des Vorsorgeausweises. Die Vorsorgeeinrichtung trifft eine weitergehende Abklärungspflicht, falls sich aus den Antworten der versicherten Person Unklarheiten Widersprüche ergeben, ansonsten sie sich vorwerfen lassen müsste, dass sie verschwiegene Tatsachen hätte kennen müssen. Im vorliegenden Fall ist die Mitteilung des Gesundheitsvorbehalts nicht zu spät erfolgt (E. II/5.2). Der inhaltlich unbestritten gebliebene Gesundheitsvorbehalt ist im Rahmen der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip nicht als ungenügend konkretisiert zu qualifizieren (E. II/5.3).

Abweisung der Klage, soweit darauf eingetreten wird.
 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 11. November 2021

 

 

II. Kammer

 

 

Besetzung: Gerichtspräsident MLaw Colin Braun, Verwaltungsrichterin Sally Leuzinger, Verwaltungsrichter Patrik Noser und Gerichtsschreiberin i.V. MLaw Leonora Muji

 

 

in Sachen

VG.2021.00042

 

 

 

A.______

Klägerin

 

vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Gaby Meier

 

 

 

gegen

 

 

 

Glarner Pensionskasse

Beklagte

 

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Peter Rösler

 

 

betreffend

 

 

Invalidenrente aus BVG

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

1.1 Die am […] geborene A.______ nahm am 1. August 2011 eine Arbeitstätigkeit bei B.______ auf. In der Folge meldete sie Letztere bei der Glarner Pensionskasse zur Aufnahme in die BVG-Versicherung an.

 

1.2 Nachdem A.______ Angaben zu ihrem Gesundheitszustand getätigt hatte, zeigte ihr die Glarner Pensionskasse am 19. Januar 2012 die rückwirkende Aufnahme in die BVG-Versicherung per 1. Augst 2011 an und wies darauf hin, dass zwei Gesundheitsvorbehalte anzubringen seien, welche bis zum 31. Juli 2016 Geltung hätten. Die Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

 

1.3 Die IV-Stelle Glarus verfügte am 24. Oktober 2017 einen rückwirkenden Anspruch von A.______ auf eine ganze Invalidenrente ab dem 1. Mai 2017, da diese seit Mai 2016 in ihrer Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt sei.

 

1.4 Am 29. August 2018 sprach die Glarner Pensionskasse A.______ eine Invalidenrente der Pensionskasse in der Höhe von jährlich Fr. 15'870.- bzw. monatlich Fr. 1'322.50 zu. Dies unter Hinweis, dass der Versicherungsfall während der Vorbehaltsdauer und aufgrund einer Diagnose eingetreten sei, gegenüber der ein Vorbehalt geäussert worden sei. Die von A.______ am 5. Oktober 2018 dagegen erhobene Einsprache wies die Glarner Pensionskasse am 22. April 2021 ab.

 

2.

2.1 A.______ reichte gegen die Glarner Pensionskasse am 25. Mai 2021 beim Verwaltungsgericht Klage ein und beantragte, diese sei zu verpflichten, ihr mit Wirkung ab dem 3. Mai 2018 bis zum vollendeten 65. Altersjahr eine monatliche BVG-Invalidenrente in der Höhe von Fr. 3'927.75 nebst Zins zu 5 % seit mittlerem Verfall zu bezahlen. Eventualiter seien der Einspracheentscheid vom 22. April 2021 sowie die Verfügung vom 5. Oktober 2018 aufzuheben. Es sei festzustellen, dass kein gültiger Gesundheitsvorbehalt vorliege und ihr die Glarner Pensionskasse ab dem 3. Mai 2018 bis zum vollendeten 65. Altersjahr eine monatliche BVG-Invalidenrente in der Höhe von Fr. 3'927.75 auszurichten habe, wozu diese verpflichtet sei; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Glarner Pensionskasse. Letztere schloss am 3. September 2021 auf Abweisung der Klage.

 

2.2 Am 8. Oktober 2021 edierte das Verwaltungsgericht bei der IV-Stelle die Akten des invalidenversicherungsrechtlichen Verfahrens von A.______. Diese gingen am 12. Oktober 2021 beim Verwaltungsgericht ein.

 

II.

1.

1.1 Das Verwaltungsgericht ist gemäss Art. 109 lit. e des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Mai 1986 (VRG) i.V.m. Art. 73 Abs. 1 und 3 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 (BVG) zur Behandlung der vorliegenden Klage zuständig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Klage grundsätzlich einzutreten.

 

1.2 Nicht einzutreten ist hingegen auf das Begehren der Klägerin, wonach festzustellen sei, dass kein gültiger Gesundheitsvorbehalt vorliege. Das Verwaltungsgericht kann die Beklagte nämlich direkt dazu verpflichten, die von der Klägerin anbegehrten Mehrleistungen zu vergüten. Wenn die Klägerin wie vorliegend ein Gestaltungsurteil erwirken kann, besteht kein Feststellungsinteresse; in diesem Sinne ist der Feststellungsanspruch subsidiär (VGer-Urteil VG.2019.00033 vom 23. Mai 2019 E. II/1.2, VG.2018.00124 vom 25. April 2019 E. II/1.3, VG.2018.00065 vom 13. September 2018 E. II/1.2).

 

2.

2.1 Die Klägerin bringt vor, die Beklagte habe den Gesundheitsvorbehalt rückwirkend angebracht, was im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung unzulässig sei. Art. 331c des Obligationenrechts vom 30. März 1911 (OR) finde nur Anwendung auf Vorbehalte, welche von der Vorsorgeeinrichtung bei Eintritt formell angebracht worden seien, was vorliegend nicht zutreffe. Sodann könne es ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass B.______ die Anmeldung bei der Beklagten verspätet bzw. nach Beginn ihrer Arbeitstätigkeit vorgenommen habe und die Abklärung ihres Gesundheitszustands längere Zeit in Anspruch genommen habe. Darüber hinaus ändere der Umstand, dass sie den Gesundheitsvorbehalt nicht angefochten habe, nichts an der Tatsache, dass ein solcher rückwirkend unzulässig sei. Ferner sei der Gesundheitsvorbehalt im vorliegenden Fall nicht konkret ausformuliert worden. Vielmehr sei die Deckung der Risiken generell und unabhängig von der Gefahrentatsache, die zur bestehenden Gesundheitsschädigung geführt habe, ausgeschlossen worden. Dies sei ebenfalls unzulässig.

 

2.2 Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, dass zwar ein rückwirkender Gesundheitsvorbehalt vorliege. Dieser sei jedoch ohne Weiteres rechtmässig, da er innert nützlicher Frist vorgenommen und genügend konkretisiert worden sei. So könne ihr nicht angelastet werden, dass ihr B.______ den Eintritt in die Vorsorgeeinrichtung zu spät angezeigt habe, zumal sie danach jeden weiteren Schritt, namentlich die Abklärung des Gesundheitszustands, unverzüglich unternommen habe. Sodann umfasse der Gesundheitsvorbehalt exakt zwei Diagnosen, wobei eine genauere Bezeichnung des Vorbehalts nicht möglich sei. Einerseits werde ganz spezifisch der Rücken bezeichnet und auf eine frühere diesbezügliche Operation hingewiesen. Andererseits würden eine chronische Krankheit und der diesbezüglich behandelnde Arzt genannt. Insgesamt seien die Anforderungen an einen rechtsgültigen Gesundheitsvorbehalt damit erfüllt.

 

3.

3.1 Die obligatorische berufliche Vorsorge umfasst alle Massnahmen auf kollektiver Basis, die den Invaliden bei Eintritt des Versicherungsfalls (Alter, Tod Invalidität) zusammen mit den Leistungen der eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/IV) die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise erlauben (Art. 1 Abs. 1 BVG). Die obligatorische Versicherung beginnt mit Stellenantritt und endet grundsätzlich im Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses (Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b BVG).

 

3.2 Anspruch auf Invalidenleistungen der obligatorischen beruflichen Vorsorge haben Versicherte, die im Sinne der IV zu mindestens 40 % invalid sind und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert waren (Art. 23 lit. a BVG). Versicherte sind in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt, wenn sie ihr funktionelles Leistungsvermögen im bisherigen Beruf Aufgabenbereich eingebüsst haben. Kann vom einzelnen Versicherten vernünftigerweise verlangt werden, dass er die ihm verbliebene Arbeitsfähigkeit in einem anderen Berufszweig verwertet, ist er unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage und gegebenenfalls nach einer bestimmten Anpassungszeit nach der beruflichen Tätigkeit zu beurteilen, die er bei gutem Willen ausüben könnte (BGE 134 V 20 E. 3.2.2).

 

3.3

3.3.1 Im Bereich der weitergehenden Vorsorge wird das Rechtsverhältnis zwischen der Vorsorgeeinrichtung und dem Vorsorgenehmer durch einen privatrechtlichen Vorsorgevertrag begründet, der rechtsdogmatisch den Innominatverträgen zuzuordnen ist (BGE 130 V 103 E. 3.3, mit Hinweisen). Als solcher untersteht er in erster Linie den allgemeinen Bestimmungen des OR. Das Basisreglement stellt den vorformulierten Inhalt des Vorsorgevertrags bzw. dessen Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) dar, denen sich die versicherte Person ausdrücklich durch konkludentes Verhalten unterzieht (BGE 132 V 149 E. 5). Dies schliesst allerdings nicht aus, dass im Einzelfall vom Reglement abweichende Abreden getroffen werden können. Allerdings bedarf es hierfür einer entsprechenden Vereinbarung zwischen der Vorsorgeeinrichtung und dem versicherten Arbeitnehmer (BGE 131 V 27 E. 2.1).

 

3.2.2 Anders als im Bereich der obligatorischen Vorsorge sind die Vorsorgeeinrichtungen im Bereich der weitergehenden Vorsorge im Rahmen von Art. 49 Abs. 2 BVG und der verfassungsmässigen Schranken in der Vertragsgestaltung grundsätzlich frei und können insbesondere bei der Aufnahme in die Versicherung einen gesundheitlichen Vorbehalt anbringen (BGE 119 V 283 E. 2a, mit Hinweisen). Beim Vorbehalt handelt es sich um eine individuelle, konkrete und zeitlich begrenzte Einschränkung des Versicherungsschutzes in Einzelfällen (BGE 127 III 235 E. 2c). Der gesundheitliche Vorbehalt muss explizit ausformuliert und datumsmässig festgesetzt sein sowie der versicherten Person mit der Aufnahme in die Vorsorgeeinrichtung mitgeteilt werden. Damit wird auch sichergestellt, dass nach einem allfälligen Wechsel in eine neue Vorsorgeeinrichtung diese weiss, für welche Leiden sie infolge eines bereits abgelaufenen Vorbehalts keinen, für welche Leiden sie für die noch nicht verstrichene Zeit und für welche Leiden sie einen neuen, sich zeitlich nach ihrem Reglement richtenden Vorbehalt anbringen darf (BGer-Urteil B 110/01 und B 111/01 vom 24. November 2003 E. 4.3).

 

3.2.3 Die Auslegung der Vorsorgeverträge erfolgt nach dem Vertrauensprinzip. Es ist darauf abzustellen, wie die zur Streitigkeit Anlass gebende Willenserklärung vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durfte und musste. Dabei ist nicht auf den inneren Willen des Erklärenden abzustellen, sondern auf den objektiven Sinn seines Erklärungsverhaltens. Der Erklärende hat gegen sich gelten zu lassen, was ein vernünftiger und korrekter Mensch unter der Erklärung verstehen durfte. Weiter sind die besonderen Auslegungsregeln bei Allgemeinen Geschäfts- Versicherungsbedingungen zu beachten, insbesondere die Unklarheits- und die Ungewöhnlichkeitsregel (BGE 132 V 149 E. 5, 130 V 80 E. 3.2.2, 122 V 142 E. 4c).

 

3.3

3.3.1 Das Gericht hat seinen Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Der Richter und die Richterin haben jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die sie von allen möglichen Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigen (statt vieler: BGE 126 V 353 E. 5b, mit Hinweisen).

 

3.3.2 Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung sind die Beweise frei, das heisst ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, sowie umfassend und pflichtgemäss zu würdigen. Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass das Sozialversicherungsgericht alle Beweismittel, unabhängig davon, von wem sie stammen, objektiv zu prüfen und danach zu entscheiden hat, ob die verfügbaren Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Rechtsanspruchs gestatten. Insbesondere darf es bei einander widersprechenden Unterlagen den Prozess nicht erledigen, ohne das gesamte Beweismaterial zu würdigen und die Gründe anzugeben, warum es auf die eine und nicht auf die andere These abstellt. Hinsichtlich des Beweiswerts eines ärztlichen Berichts ist entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Darlegung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen in der Expertise begründet sind (BGE 125 V 351 E. 3a).

 

4.

Aus den Akten ergibt sich, dass B.______ die Beklagte um Aufnahme in die BVG-Versicherung ersuchte, nachdem die Klägerin am 1. August 2011 bereits mit ihrer Arbeitstätigkeit begonnen hatte. In der Folge forderte die Beklagte die Klägerin am 8. September 2011 dazu auf, einen Gesundheitsfragebogen auszufüllen. Dem kam die Klägerin am 20. September 2011 nach, worauf die Beklagte um ergänzende Angaben ersuchte und einen Bericht des behandelnden Arztes Dr. med. C.______ leitender Arzt im Spital D.______, einholte. Gestützt auf dessen Bericht vom 20. Dezember 2011 zeigte sie der Klägerin am 19. Januar 2012 die rückwirkende Aufnahme in die BVG-Versicherung per 1. August 2011 an und sprach einen Gesundheitsvorbehalt für zwei Diagnosen aus, nämlich für die Rückenbeschwerden nach einer Diskushernienoperation im Jahre 1996 sowie für eine chronische Krankheit, welche durch Dr. med. E.______, Facharzt für Infektiologie und Allgemeine Innere Medizin, behandelt werde. Gegen das Schreiben der Beklagten ergriff die Klägerin kein Rechtsmittel.

 

5.

5.1 Vorliegend steht ausser Frage, dass die Klägerin einen Anspruch auf eine Invalidenrente nach BVG hat. Ebenfalls wird zu Recht nicht bestritten, dass die diesbezüglich relevante Arbeitsunfähigkeit im Mai 2016 während der Vorbehaltsfrist eingetreten ist, eine Leistungspflicht vonseiten der Beklagten ab dem 3. Mai 2018 besteht und die relevante Diagnose, die letztendlich zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat, innerhalb des Gesundheitsvorbehalts liegt. Strittig und zu prüfen ist demgegenüber die Frage, ob der Klägerin Rentenleistungen aus der weitergehenden (überobligatorischen) Vorsorge zustehen und dabei insbesondere, ob der Gesundheitsvorbehalt vom 19. Januar 2012 gültig ist bzw. ob eine rückwirkende Anbringung des Vorbehalts zulässig war und ob der Vorbehalt genügend konkretisiert ist.

 

5.2 Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass eine rückwirkende Anbringung eines Gesundheitsvorbehalts grundsätzlich unrechtmässig ist. So hielt denn auch das Bundesgericht fest, dass im Bereich der überobligatorischen beruflichen Vorsorge rückwirkende Gesundheitsvorbehalte unzulässig sind, was selbst dann gilt, wenn die versicherte Person bei der Aufnahme in die Vorsorgeeinrichtung unrichtige Angaben zu ihrem Gesundheitszustand gemacht hat und die Pensionskasse im Nachhinein Kenntnis von dieser Anzeigepflichtverletzung erlangt (vgl. BGer-Urteil 9C_333/2017 vom 25. Januar 2018 E. 5.1). Dennoch trifft die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung nicht auf sämtliche Konstellationen zu, bei denen Gesundheitsvorbehalte nach Arbeitsbeginn formell angebracht wurden. Vielmehr ist diese dann einschlägig, wenn der Vorbehalt nach einer vorbehaltslosen Aufnahme in die Vorsorgeeinrichtung (vgl. BGer-Urteil 9C_333/2017 vom 25. Januar 2018 E. 5.2.2) nach Verwirklichung des entsprechenden Risikos mitgeteilt wurde (vgl. BGE 130 V 9 E. 4.4).

 

Im vorliegenden Fall verhält es sich indessen anders. So wurde das Aufnahmeverfahren erst nach Arbeitsbeginn durch die Anmeldung der B.______ eingeleitet, worauf die Beklagte der Klägerin umgehend einen Gesundheitsfragebogen zustellte. In der Folge vergingen aufgrund von weitergehenden Abklärungen und Unklarheiten etwa vier Monate seit Erhalt des Gesundheitsfragebogens am 20. September 2011, bis die Beklagte den Gesundheitsvorbehalt formell anbrachte und der Klägerin die rückwirkende Aufnahme in die BVG-Versicherung anzeigte. Rechtsprechungsgemäss genügt die Anbringung eines Gesundheitsvorbehalts mit dem Ausstellen des Vorsorgeausweises und ein Gesundheitsvorbehalt wurde bereits als zulässig erachtet, dessen Mitteilung ein fast einjähriges Aufnahmeverfahren vorausging (vgl. dazu BGer-Urteil 9C_255/2018 vom 31. Oktober 2018 E. 5.6, 9C_117/2007 vom 16. Mai 2008 E. 5). Vor diesem Hintergrund erscheint der streitbetroffene Gesundheitsvorbehalt nicht als verspätet, zumal die Beklagte die notwendigen Abklärungen ohne zeitliche Verzögerung an die Hand nahm, das Aufnahmeverfahren etwa vier Monate seit der Meldung der B.______ dauerte und die Klägerin gegen den am 19. Januar 2012 angebrachten Vorbehalt kein Rechtmittel ergriff. Anderweitiges würde nämlich dazu führen, dass eine verspätete Anmeldung vonseiten der Arbeitgeberin einen Gesundheitsvorbehalt stets ausschliessen würde, was nicht im Sinne des Gesetzgebers ist. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Vorsorgeeinrichtung eine weitergehende Abklärungspflicht trifft, falls sich aus den Antworten der versicherten Person Unklarheiten Widersprüche ergeben, ansonsten sie sich vorwerfen lassen müsste, dass sie verschwiegene Tatsachen hätte kennen müssen (vgl. dazu BGer-Urteil 5C.43/2004 vom 9. August 2004). Damit ist festzuhalten, dass die Mitteilung des Gesundheitsvorbehalts nicht zu spät erfolgt ist.

 

5.3 Soweit die Klägerin geltend macht, der streitbetroffene Gesundheitsvorbehalt sei zu wenig konkretisiert und lediglich in allgemeiner Weise gehalten, ist ihr ebenfalls nicht zu folgen. So nannte die Beklagte im Schreiben vom 19. Januar 2012 einerseits Rückenbeschwerden nach einer Diskushernienoperation im Jahre 1996, andererseits eine chronische Krankheit, welche durch Dr. E.______ behandelt werde. Hierbei ergibt eine Auslegung nach dem Vertrauensprinzip (vgl. dazu vorstehende E. II/3.2.3), dass aus objektiver Sicht ein Empfänger dieser Mitteilung ohne Weiteres in die Lage versetzt wird, zu erkennen, hinsichtlich welcher Krankheiten ein Vorbehalt besteht. So wird betreffend die Rückenbeschwerden nämlich spezifisch eine im Jahre 1996 durchgeführte Operation erwähnt und betreffend die chronischen Beschwerden auf die Behandlung durch einen spezifischen Facharzt verwiesen. Dies lässt keine Unklarheiten zu, wobei von der Klägerin denn auch nicht vorgebracht wird, inwiefern der inhaltlich unbestritten gebliebene Gesundheitsvorbehalt genauer zu fassen gewesen wäre. Im Übrigen spricht auch für eine genügende Konkretisierung, dass die Klägerin nach Erhalt der Mitteilung vom 19. Januar 2012 kein Rechtsmittel ergriff. Dies deutet darauf hin, dass sie in diesem Zeitpunkt ebenfalls erkennen konnte, welche Leiden vom Vorbehalt erfasst wurden.

 

6.

Zusammenfassend ist der inhaltlich unbestritten gebliebene Gesundheitsvorbehalt weder als verspätet noch als ungenügend konkretisiert zu qualifizieren. Überdies ergibt sich weder aus den Akten noch wird von der Klägerin vorgebracht, dass die Berechnung der Rente falsch erfolgt sei, womit es an dieser Stelle sein Bewenden hat.

 

Dies führt zur Abweisung der Klage, soweit darauf einzutreten ist.

 

III.

Gemäss Art. 73 Abs. 2 BVG sind die Gerichtskosten von Gesetzes wegen auf die Staatskasse zu nehmen. Mangels Obsiegens steht der Klägerin sodann keine Parteientschädigung zu (Art. 138 Abs. 2 VRG).

Demgemäss erkennt die Kammer:

1.

Die Klage wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.

Die Gerichtskosten werden auf die Staatskasse genommen.

3.

Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

 

[…]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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