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Urteil Verwaltungsgericht (GL - VG.2021.00040)

Zusammenfassung des Urteils VG.2021.00040: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus hat entschieden, dass die Beschwerde der A.______AG gegen das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Glarus betreffend Kurzarbeitsentschädigung gutgeheissen wird. Es wurde festgestellt, dass die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer nicht als Arbeit auf Abruf einzustufen sind. Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung für die Monate März bis Juli 2020. Die Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten zu tragen, während das Amt für Wirtschaft und Arbeit eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.- zahlen muss.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VG.2021.00040

Kanton:GL
Fallnummer:VG.2021.00040
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VG.2021.00040 vom 10.03.2022 (GL)
Datum:10.03.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Arbeitslosenversicherungsrecht: Kurzarbeitsentschädigung
Schlagwörter: Arbeit; Arbeitnehmer; Kurzarbeit; Arbeitnehmerin; Kurzarbeitsentschädigung; Beschwerdegegner; Arbeitnehmerinnen; Abruf; Tarbeit; Kurzarbeitsentschädigungen; Verfügung; Abrechnung; Recht; Arbeitszeit; Anspruch; Verfahren; Arbeitsvertrag; Arbeitslosenversicherung; Wirtschaft; Gehör; Teilzeitarbeit; Verwaltung; Arbeitsverhältnisse; Verordnung; Leistung; Arbeitseinsätze; Berechnung; Bezug
Rechtsnorm: Art. 17 ATSG ;Art. 25 ATSG ;Art. 26 ATSG ;Art. 32 AVIG;Art. 34 AVIG;Art. 53 ATSG ;
Referenz BGE:135 I 187; 140 I 99;
Kommentar:
Martin Bertschi, Alain Griffel, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2014

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2021.00040

Geschäftsnummer: VG.2021.00040 (VG.2022.1130)
Instanz: K2
Entscheiddatum: 10.03.2022
Publiziert am: 04.07.2022
Aktualisiert am: 04.07.2022
Titel: Sozialversicherung - Arbeitslosenversicherung

Resümee:

Arbeitslosenversicherungsrecht: Kurzarbeitsentschädigung

Nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens bildete die Kurzarbeitsentschädigungen für die Zeit ab August 2020 und der Erlass allfälliger Forderungen. Auf diesbezügliche Vorbringen ist somit nicht einzutreten (E. II/2.2).
Es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor (E. II/6.2).
Die Bestimmungen des streitbetroffenen Arbeitsvertrags sprechen gegen Arbeit auf Abruf. Es ist somit von keiner zweifellosen Unrichtigkeit des ursprünglichen Entscheids auszugehen und die Voraussetzungen einer Wiedererwägung sind nicht erfüllt (E. II/8.5).
Krankheitsbedingte Absenzen sind weder wirtschaftlich noch behördlich bedingt und dementsprechend nicht anrechenbar (E. II/9.2.1).
Der Beschwerdegegner hat die Kurzarbeitsentschädigungen für die Abrechnungsperioden März bis Juli 2020 vollständig und rechtzeitig entrichtet, weshalb hierfür keine Verzugszinsen geschuldet sind (E. II/10).

Gutheissung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten wird.
 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 10. März 2022

 

 

II. Kammer

 

 

Besetzung: Gerichtspräsident MLaw Colin Braun, Verwaltungsrichter Samuel Bisig, Verwaltungsrichter Patrik Noser und Gerichtsschreiberin MLaw Leonora Muji

 

 

in Sachen

VG.2021.00040

 

 

 

A.______AG

Beschwerdeführerin

 

vertreten durch lic. iur. Hansjürg Rhyner, Rechtsanwalt

 

 

 

gegen

 

 

 

Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Glarus

Beschwerdegegner

 

 

betreffend

 

 

Kurzarbeitsentschädigung

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

1.1 Die A.______AG ist ein in […] domiziliertes Unternehmen und bezweckt insbesondere die Investition, Verwaltung sowie Beratung von in- und ausländischen Unternehmen in der Nahrungsmittelbranche. Am 20. März 2020 reichte sie beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Glarus eine Voranmeldung von Kurzarbeit für die Zeit vom 20. März 2020 bis auf Weiteres ein. Von der Kurzarbeit seien sämtliche 46 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Betriebsabteilungen […] im Umfang von je 100 Stellenprozent betroffen.

 

1.2 Gegen die Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung für die Zeit vom 17. März 2020 bis zum 31. August 2020 erhob das Amt für Wirtschaft und Arbeit am 29. und 30. April 2020 keinen Einspruch und zahlte der A.______AG Kurzarbeitsentschädigungen für die Abrechnungsperioden März bis Juli 2020 in der Höhe von insgesamt Fr. 285'329.70 aus.

 

1.3 Am 1. Februar 2021 qualifizierte das Amt für Wirtschaft und Arbeit mehrere Arbeitsverhältnisse bei der A.______AG als Arbeit auf Abruf und liess Letzterer korrigierte Abrechnungen der Kurzarbeitsentschädigungen für die Monate März bis Juli 2020 zukommen. Die von der A.______AG dagegen erhobene Einsprache vom 4. März 2021 wies es am 7. April 2021 ab und forderte bereits ausbezahlte Beträge im Umfang von Fr. 49'523.65 zurück.

 

2.

2.1 Am 12. Mai 2021 gelangte die A.______AG mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung des Einspracheentscheids vom 7. April 2021. Es sei die Verletzung des rechtlichen Gehörs festzustellen, wobei keine Rückweisung an die Vorinstanz zu erfolgen habe. Sodann sei auf die Rückforderung bereits ausbezahlter Beträge zu verzichten, eventualiter seien diese zu erlassen. Darüber hinaus sei ihr für die Monate März bis Juni 2020 Fr. 53'370.55, mindestens jedoch Fr. 14'412.30, auszuzahlen. Eventualiter sei die Angelegenheit an das Amt für Wirtschaft und Arbeit zur erneuten Prüfung zurückzuweisen. Ferner seien ihr ab dem 1. Juli 2020 bis auf Weiteres ungeschmälert Kurzarbeitsentschädigungen auszurichten und die Kurzarbeitsentschädigungen für die Monate März bis Juni 2020, eventualiter von Juli bis Dezember 2020, seien nach Ablauf von 12 Monaten seit Einreichung der entsprechenden Gesuche zu einem Zinssatz von 5 % pro Monat zu verzinsen. Schliesslich sei die aufschiebende Wirkung der Einsprache festzustellen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Amts für Wirtschaft und Arbeit.

 

Das Amt für Wirtschaft und Arbeit schloss am 14. Juni 2021 auf Abweisung der Beschwerde; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der A.______AG.

 

2.2 Nachdem das Verwaltungsgericht der A.______AG am 4. Oktober 2021 Akteneinsicht gewährt hatte, reichte diese am 3. November 2021 verschiedene Beilagen sowie eine Replik ein, mit welcher sie an ihren Rechtsbegehren festhielt. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit bekräftigte ihre Rechtsbegehren am 3. Dezember 2021.

 

II.

1.

1.1 Das Verwaltungsgericht ist gemäss Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 25. Juni 1982 (AVIG) i.V.m. Art. 56 und Art. 57 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 6. Mai 1984 (EG AVIG) zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten (vgl. aber nachstehende E. II/2).

 

1.2 Da ein Entscheid in der Sache ergeht, ist über das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht zu befinden.

 

2.

2.1 Prozessthema eines Rechtsmittelverfahrens kann nur sein, was auch Gegenstand der erstinstanzlichen Verfügung war bzw. nach richtiger Gesetzesauslegung hätte sein sollen (Martin Bertschi, in Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. A., Zürich/Basel/Genf 2014, Vorbem. zu §§ 19-28a N. 45).

 

2.2 Anfechtungsobjekt im Einspracheverfahren vor dem Beschwerdegegner bildete die Verfügung vom 1. Februar 2021, mit welcher Letzterer die Kurzarbeitsentschädigungen für die Abrechnungsperioden März 2020 bis Juli 2020 neu berechnete und zu viel ausbezahlte Beträge zurückforderte. Damit hat sich das vorliegende Verfahren auf die Frage zu beschränken, ob der Beschwerdegegner diese Beträge zu Recht zurückgefordert hat. Nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens waren demgegenüber die Kurzarbeitsentschädigungen für die Zeit ab August 2020 und der von der Beschwerdeführerin beantragte Erlass allfälliger Forderungen. Auf diesbezügliche Vorbringen ist somit nicht einzutreten.

 

3.

3.1 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn der Arbeitsausfall anrechenbar, voraussichtlich vorübergehend ist und erwartet werden darf, dass durch Kurzarbeit die Arbeitsplätze erhalten werden können (Art. 31 Abs. 1 lit. b und d AVIG).

 

3.2 Nach Art. 17 Abs. 1 lit. e des Bundesgesetzes über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrats zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie vom 25. September 2020 (Covid-19-Gesetz) kann der Bundesrat abweichende Bestimmungen erlassen über Anspruch und Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Abruf in unbefristeten Arbeitsverhältnissen.

 

3.3 Art. 8f Abs. 1 der Verordnung über Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19) vom 20. März 2020 (Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung) bestimmt, dass in Abweichung von Art. 31 Abs. 3 lit. a f. AVIG Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Abruf, deren Beschäftigungsgrad starken Schwankungen unterliegt (mehr als 20 %), ebenfalls Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben, sofern sie seit mehr als sechs Monaten in dem Unternehmen arbeiten, welches Kurzarbeit anmeldet.

 

3.4 Der Arbeitsausfall wird auf der Basis der letzten sechs zwölf Monate vor Beginn der Kurzarbeit für die betroffene Arbeitnehmerin den betroffenen Arbeitnehmer auf Abruf berechnet, wobei für die Arbeitnehmerin den Arbeitnehmer der günstigste Arbeitsausfall berücksichtigt wird (Art. 8f Abs. 2 Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung). In Abweichung von Art. 34 Abs. 2 AVIG und Art. 38 Abs. 3 lit. b AVIG wird der anrechenbare Verdienstausfall im summarischen Verfahren berechnet und die Kurzarbeitsentschädigung wird als Pauschale ausgerichtet (Art. 8i Abs. 1 Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung).

 

4.

4.1 Nach Art. 25 Abs. 1 ATSG und Art. 2 Abs. 1 lit. a der Verordnung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 11. September 2002 (ATSV) sind Bezüger von unrechtmässig gewährten Leistungen rückerstattungspflichtig. Über den Umfang dieser Rückforderung wird eine Verfügung erlassen (Art. 3 Abs. 1 ATSV). Die Rückerstattung unrechtmässig gewährter Leistungen wird bei Vorliegen einer grossen Härte jedoch ganz teilweise erlassen, sofern der Bezüger diese in gutem Glauben empfangen hat (Art. 4 Abs. 1 ATSV).

 

Die Festlegung einer (allfälligen) Rückerstattung erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren. In einem ersten Schritt ist über die Frage der Unrechtsmässigkeit des Bezugs der Leistung zu befinden, wobei auf Art. 53 ATSG bzw. Art. 17 ATSG abzustellen ist. Daran schliesst sich der Entscheid über die Rückerstattung an, mit dem insbesondere zu beantworten ist, ob im Falle der festgestellten Unrechtmässigkeit des Leistungsbezugs eine rückwirkende Korrektur erfolgt nicht. Schliesslich ist gegebenenfalls über den Erlass der zurückzuerstattenden Leistung zu entscheiden (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 4. A., Zürich/Basel/Genf 2020, Art. 25 N. 17 ff.).

 

4.2 Art. 25 Abs. 1 ATSG knüpft die Rückerstattungspflicht an einen unrechtmässigen Bezug der Leistung an. Die Unrechtmässigkeit einer bereits bezogenen Leistung ergibt sich aufgrund einer Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 2 ATSG), aufgrund einer prozessualen Revision (Art. 53 Abs. 1 ATSG) aber aufgrund einer Anpassung der leistungszusprechenden Verfügung (Art. 17 Abs. 2 ATSG; vgl. VGer-Urteil VG.2019.00022 vom 13. Juni 2019 E. II/2.3).

 

Formell rechtskräftige Verfügungen müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war (Art. 53 Abs. 1 ATSG). Der Versicherungsträger kann auf formell rechtskräftige Verfügungen zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (Art. 53 Abs. 2 ATSG). Damit betreffen die in Art. 53 ATSG geregelte Revision und Wiedererwägung Fälle, in welchen der ursprünglich getroffene Entscheid anfänglich unrichtig war. Im Gegensatz dazu bezieht sich die in Art. 17 ATSG geregelte Anpassung auf eine nachträgliche Änderung des massgeblichen Sachverhalts (Kieser, Art. 17 N. 4 f., Art. 53 N. 11). Entsprechend ordnet Art. 17 Abs. 2 ATSG eine Erhöhung, Herabsetzung Aufhebung einer formell rechtskräftigen Dauerleistung an, wenn sich der ihr zugrunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert.

 

5.

5.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Beschwerdegegner habe ihr rechtliches Gehör verletzt, indem er einzelne Anträge nicht geprüft und relevante Ausführungen zum Sachverhalt sowie zu den rechtlichen Grundlagen nicht gewürdigt habe. Sodann werde eine Auseinandersetzung mit den von ihr vorgebrachten Argumenten bezüglich des Vorliegens von Teilzeitarbeitsverhältnissen vermisst. Den vereinbarten Arbeitspensa werde im Regelfall nämlich weitgehend entsprochen. Nur ausnahmsweise würden minimale Schwankungen auftreten, weshalb davon auszugehen sei, dass der Parteienwille klar auf den Abschluss von Teilzeitarbeitsverhältnissen gezielt habe. Ferner sei die Arbeit auf Abruf auf Arbeitseinsätze ausgelegt, die kurzfristig von der Arbeitgeberin vorgegeben würden. Die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhielten ihre Arbeitspläne jedoch bereits zwei Wochen vor ihrem Einsatz. Sie hätten überdies die Möglichkeit, zu den ihnen zugeteilten Einsätzen Stellung zu beziehen und ihre Schichten allenfalls abzutauschen. Es handle sich daher nicht um kurzfristige Arbeitseinsätze, welche einseitig von der Arbeitgeberin diktiert würden. Sodann habe sie, die Beschwerdeführerin, mit dem offiziellen Abrechnungsformular des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) gearbeitet, anhand dessen sie die Lohnzahlungen an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berechnet habe. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdegegner eigene Formulare und Tabellen zur Berechnung der Kurzarbeitsansprüche verwendet habe, zumal er ausschliesslich gestützt auf die Antrags- und Abrechnungsformulare des SECO Kurzarbeitsentschädigungen habe auszahlen dürfen. Die abweichenden Auszahlungen seien dabei zu ihren Ungunsten ausgefallen, was rechtswidrig sei. Schliesslich habe sie darauf hingewiesen, dass der Beschwerdegegner die Berechnung der Kurzarbeitsentschädigung nicht korrekt vorgenommen habe, da er in den errechneten Sollstunden Krankheitsabsenzen, welche Lohnbestandteile bilden würden, nicht berücksichtigt habe.

 

5.2 Der Beschwerdegegner bringt vor, im Monat September 2020 sei eine Korrektur notwendig gewesen, weil die Beschwerdeführerin Personen in der Kündigungsfrist als bezugsberechtigt aufgeführt habe. Im Rahmen einer Überprüfung der Arbeitsverträge habe sich herausgestellt, dass in den Abrechnungen März bis Juli 2020 nicht bezugsberechtigte Personen aufgeführt worden seien. Nachdem sämtliche Arbeitsverträge eingeholt worden seien, sei die Beschwerdeführerin über anstehende Korrekturen informiert worden, die aufgrund der Qualifizierung der Arbeitsverträge als auf Abruf notwendig gewesen seien. Grundsätzlich sei die Bezugsberechtigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Abruf im Rahmen des ordentlichen Verfahrens der Kurzarbeitsentschädigung nicht vorgesehen. Dennoch habe der Bundesrat im April 2020 den Kreis der Bezüger erweitert und auch solche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, welche seit sechs Monaten im Unternehmen tätig seien, zum Bezug von Kurzarbeitsentschädigungen zugelassen. Dieser Weisung sei man gefolgt. Die Korrektur der Perioden März 2020 bis Juli 2020 und die Rückforderung in der Höhe von insgesamt Fr. 50'459.70 seien deshalb zu Recht erfolgt. Aktuell seien keine Rückforderungen mehr ausstehend, weil diese mit den Folgeperioden verrechnet worden seien. Schliesslich sei festzuhalten, dass es sich bei der monierten Tabelle um eine Spiegelung des offiziellen Formulars des SECO handle, welches zu denselben rechnerischen Ergebnissen führe. Das von der Beschwerdeführerin angeführte Formular sei das offizielle Formular für das ordentliche Verfahren, welches ab dem 1. Januar 2022 wieder Geltung habe.

 

6.

6.1 Gemäss Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV) haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör, dessen Teilgehalte das Anhörungsrecht der von einer Verfügung betroffenen Person vor deren Erlass, das Mitwirkungsrecht der Parteien bei der Beweiserhebung, das Akteneinsichtsrecht, das Recht auf Vertretung Verbeiständung in einem Verfahren sowie der Anspruch auf die Begründung von Verfügungen sind (vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. A., Zürich/St. Gallen 2020, Rz. 1001 ff.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör dient einerseits der Sachaufklärung und stellt andererseits zugleich ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht der Parteien dar (BGE 140 I 99 E. 3.4, 135 II 286 E. 5.1). Er ist selbständiger Natur, weshalb die Verletzung des rechtlichen Gehörs ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung führt (BGE 135 I 187 E. 2.2, 124 V 180 E. 4a). Liegt jedoch eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, kann diese geheilt werden, sofern die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, welche sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann (BGer-Urteil 4A_453/2016 vom 16. Februar 2017 E. 2.4, mit Hinweisen).

 

6.2 Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beanstandet, indem der Beschwerdegegner auf einzelne Vorbringen nicht eingegangen sei und relevante Ausführungen zum Sachverhalt nicht gewürdigt habe, ist ihr nicht zu folgen. Zwar verpflichtet der Gehörsanspruch die Behörden, die Vorbringen tatsächlich zu hören, ernsthaft zu prüfen und in ihrer Entscheidfindung angemessen zu berücksichtigen. Dagegen wird nicht verlangt, dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (BGer-Urteil 8C_555/2021 vom 24. November 2021 E. 5.2.2, mit Hinweisen; Kaspar Plüss, in Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. A., Zürich/Basel/Genf 2014, § 10 N. 24 ff.). Sodann enthält der angefochtene Einspracheentscheid die relevanten Gesichtspunkte, womit die Beschwerdeführerin ohne Weiteres in der Lage war, sich über dessen Tragweite ein Bild zu machen und diesen sachgerecht anzufechten. Dies zeigt sich auch darin, dass sie eine ausführliche Beschwerde einreichen und auf die einzelnen Erwägungen eingehen konnte. Ferner äusserte sich der Beschwerdegegner rechtsgenüglich zur Berechnungsgrundlage der Kurzarbeitsentschädigung und liess der Beschwerdeführerin die Detailberechnungen für die Monate März bis Oktober 2020 zukommen. Daneben lud er sie am 20. Januar 2021 wegen weiterer Unklarheiten zu einer persönlichen Besprechung ein, an welcher dargelegt wurde, weshalb den Einwendungen nicht gefolgt werden könne. Eine Gehörsverletzung liegt somit insgesamt nicht vor.

 

7.

Vorliegend bleibt zu Recht unbestritten, dass die Verfügungen vom 29. und 30. April 2020 in formelle Rechtskraft erwachsen sind und ein allfälliges Zurückkommen auf diese nur im Rahmen einer Revision einer Wiedererwägung möglich ist (vgl. dazu vorstehende E. II/4.2). Sodann ist darauf hinzuweisen, dass sowohl eine Revision gestützt auf Art. 17 ATSG als auch eine solche gestützt auf Art. 53 Abs. 1 ATSG offensichtlich ausser Betracht fällt, da weder ersichtlich ist, dass sich der den streitbetroffenen Verfügungen zugrunde liegende Sachverhalt nachträglich geändert hätte (Art. 17 Abs. 2 ATSG), noch erkennbar ist, dass sich der Beschwerdegegner auf neue Tatsachen Beweismittel beruft, deren Beibringung vor Erlass der Verfügungen nicht möglich gewesen wäre (Art. 53 Abs. 1 ATSG). Damit gilt es zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Wiedererwägung im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG erfüllt sind bzw. ob die zugesprochenen Kurzarbeitsentschädigungen zweifellos unrichtig sind und deren Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist.

 

8.

8.1 Zunächst ist fraglich, wie die Arbeitsverhältnisse zwischen der Beschwerdeführerin und den vom Beschwerdegegner als nicht bezugsberechtigt qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern arbeitsvertraglich einzuordnen sind. Während der Beschwerdegegner Arbeiten auf Abruf annimmt, geht die Beschwerdeführerin von Teilzeitarbeitsverhältnissen aus.

 

8.2 Teilzeitarbeit liegt vor, wenn im Rahmen eines auf gewisse Dauer angelegten Arbeitsverhältnisses weniger als die betriebs- branchenübliche Arbeitszeit gearbeitet wird. Bei der eigentlichen Teilzeitarbeit erfolgt der reduzierte Arbeitseinsatz wiederholt und mit im Voraus bestimmten, wenn auch möglicherweise unregelmässigen, Arbeitszeiten. Art. 319 Abs. 2 des Obligationenrechts vom 30. März 1911 (OR) nennt beispielhaft regelmässige stunden-, halbtage- tageweise Arbeit als Teilzeitarbeit. Das Kriterium der Regelmässigkeit verlangt nicht nach einem festen, sich wiederholenden Stundenplan. Entscheidend ist vielmehr, dass die einzelnen Arbeitseinsätze aufgrund eines fortgesetzten, andauernden Vertragsverhältnisses geleistet werden (vgl. Thomas Pietruszak, in Heinrich Honsell [Hrsg.], Kurzkommentar zum Obligationenrecht, 1. A., Basel 2014, Art. 319 N. 10). Einen Sonderfall der uneigentlichen Teilzeitarbeit stellt die Arbeit auf Abruf dar (vgl. Hans-Peter Egli, Neue Tendenzen bei der Teilzeitarbeit, SJZ 96/2000, S. 208). Sie wird nicht aufgrund eines im Voraus festgelegten Arbeitsplans, sondern auf einseitigen Abruf durch die Arbeitgeberin nach im Belieben der Arbeitnehmerin des Arbeitnehmers stehenden Einsatzzeitpunkts geleistet. Bei der echten Arbeit auf Abruf trifft die Arbeitnehmerin den Arbeitnehmer eine Einsatzpflicht nach Anweisung der Arbeitgeberin. Kommt die Arbeitnehmerin der Arbeitnehmer aufgrund einer gegenseitigen Vereinbarung zum Einsatz, handelt es sich um unechte Arbeit auf Abruf. Bei der unechten Arbeit auf Abruf liegt den einzelnen Einsätzen oftmals ein Rahmenvertrag zugrunde, in dem die Arbeitsbedingungen einheitlich geregelt sind. Dieser stellt jedoch noch keinen Arbeitsvertrag dar, da sich die Arbeitnehmerin der Arbeitnehmer nicht zur Leistung von Arbeit verpflichtet hat (vgl. zum Ganzen: Ullin Streiff/Adrian von Kaenel/Roger Rudolph, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. A., Zürich/Basel/Genf 2012, Art. 319 N. 18).

 

8.3 Grundlage für die streitbetroffenen Arbeitsverhältnisse bildet der als Arbeitsvertrag für `Mitarbeiter/in mit unregelmässigem Pensum` bezeichnete Vertrag. Nach dessen Ziff. 5 kann das Arbeitspensum nach Arbeitsvolumen variieren und ist für die Arbeitgeberin nicht verbindlich. Sodann erfolgen die einzelnen Arbeitseinsätze jeweils nach gegenseitiger Absprache im gegenseitigen Einvernehmen. Die allgemeine Betriebsordnung wird zum Bestandteil der Arbeitsverträge erklärt (Ziff. 13). Darin ist geregelt, dass der Dienstplan zwei Wochen im Voraus bekannt gegeben wird und die geplanten Arbeitseinsätze verbindlich sind. Ferner sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Schichtänderung flexibel. Ein verbindliches Aufgebot wird erst dann ausgesprochen, wenn sich niemand freiwillig für die Schichtänderung zur Verfügung stellt.

 

8.4 Die im Arbeitsvertrag aufgeführten Bestimmungen und Formulierungen sprechen gegen eine echte Arbeit auf Abruf. Der Beschwerdeführerin steht es nämlich nicht zu, den Zeitpunkt und die Dauer der einzelnen Arbeitseinsätze einseitig zu bestimmen (vgl. Egli, S. 209). Vielmehr erfolgen diese jeweils nach gegenseitiger Absprache und im gegenseitigen Einvernehmen. Dem Vertrag lässt sich ferner nicht entnehmen, dass die Arbeitnehmerinnen Arbeitnehmer ausserhalb des Betriebs Rufbereitschaft zu leisten hätten (vgl. Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 319 N. 18). Überdies kann aus der Formulierung in Ziff. 5 des Arbeitsvertrags, wonach die einzelnen Einsätze nach gegenseitiger Absprache und im gegenseitigen Einvernehmen erfolgen, nicht unbesehen auf unechte Arbeit auf Abruf geschlossen werden. Der Arbeitsvertrag für `Mitarbeiter/in mit regelmässigem Pensum`, dem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Monatslohn unterstehen, enthält nämlich dieselbe Formulierung. Ferner ergibt sich aus dem streitbetroffenen Arbeitsvertrag nicht, dass dieser lediglich einen Rahmenvertrag darstellt. Einerseits fehlen Hinweise, dass in Bezug auf die einzelnen Einsätze zusätzliche Vereinbarungen abgeschlossen werden müssten. Andererseits kann die den Verträgen beigelegte Zusatzvereinbarung nicht als Arbeitsvertrag qualifiziert werden, da sie keine individuellen Bestimmungen über den Lohn enthält. Vielmehr finden sich darin Weisungen betreffend den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, die Ordnung des Betriebs sowie das Verhalten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Vor diesem Hintergrund liess die Beschwerdeführerin denn auch sämtlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Zusatzvereinbarung bei Vertragsschluss zukommen.

 

Entgegenhalten lassen muss sich die Beschwerdeführerin demgegenüber Ziff. 5 des streitbetroffenen Arbeitsvertrags, wonach das Arbeitspensum nach Arbeitsvolumen variieren kann und daher für die Arbeitgeberin nicht verbindlich ist. So sind in den jeweiligen Arbeitsverträgen entweder etwaige Arbeitspensa innerhalb einer Bandbreite von bis zu 20 % vorgesehen. Ein solcher Verweis deutet darauf hin, dass die Beschwerdeführerin die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur bei vorhandener Arbeit abzurufen bezweckt. Den Lohnjournalen lassen sich zwischen den einzelnen Arbeitseinsätzen zwar keine längeren Unterbrüche entnehmen, sodass die Arbeitsverträge als einheitliche, fortdauernde Vertragsverhältnisse zu qualifizieren wären. Indessen weisen die vor der Voranmeldung von Kurzarbeit geleisteten Stunden auf grössere Schwankungen des Umfangs einzelner Einsätze hin, wobei der Beschwerdegegner zutreffend festhält, dass sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht auf ein fixes Arbeitspensum berufen könnten. Deren schwankende Arbeitspensa sind jedoch vor dem Hintergrund zu sehen, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um ein in der Nahrungsmittelbranche tätiges Unternehmen handelt, welches täglich zwischen elf und fünfzehn Stunden geöffnet hat. Zudem leisten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von 00.00 bis 07.00 Uhr Nachtarbeit. Sie arbeiten daher in verschiedenen Schichten über den Tag verteilt, dies auch an den Wochenenden. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitseinsätze mittels entsprechender Dienstpläne jeweils zwei Wochen im Voraus festgelegt werden. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können zwar Arbeits- bzw. Ferienwünsche anbringen, nicht aber ihre Arbeitszeiten gänzlich frei gestalten. Die geplanten Arbeitseinsätze sind grundsätzlich verbindlich und sie unterliegen einer diesbezüglichen Befolgungspflicht.

 

8.5 Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass die Bestimmungen des streitbetroffenen Arbeitsvertrags gegen Arbeit auf Abruf sprechen und überwiegend wahrscheinlich von eigentlicher Teilzeitarbeit auszugehen ist. Gestützt auf die Auffassung des Beschwerdegegners, einzelne Arbeitsverhältnisse seien als Arbeit auf Abruf zu qualifizieren, folgt somit keine zweifellose Unrichtigkeit, weshalb die Voraussetzungen einer Wiedererwägung im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG nicht erfüllt sind. Damit bestand für den Beschwerdegegner kein Titel für ein Zurückkommen auf die Verfügungen vom 29. und 30. April 2020. Folglich hat die Beschwerdeführerin für die Monate März bis Juli 2020 für diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, deren Arbeitsverhältnisse der Beschwerdegegner zu Unrecht als auf Abruf eingestuft hat.

 

9.

9.1 Die Beschwerdeführerin rügt sodann die fehlerhafte Berechnung der Kurzarbeitsentschädigungen. Soweit sie dabei geltend macht, diese seien für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer einzeln zu berechnen, ist ihr jedoch nicht zu folgen. Zweck und Ziel der Einführung eines vereinfachten Verfahrens bei der Voranmeldung und eines summarischen Verfahrens für die Abrechnung waren nämlich die schnelle und unbürokratische Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigungen. Mit der summarischen Gesamtabrechnung pro Betrieb auf Basis der Lohnsumme aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. der Summe ihrer Ausfallstunden werden gewisse Unterschiede im resultierenden Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung gegenüber dem Normalverfahren bewusst in Kauf genommen. Nachdem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer individuell 80 % des Lohns in Bezug auf die Ausfallstunden erhalten, kann die Vergütung der Arbeitslosenkasse an die Arbeitgeberin von der auszurichtenden Lohnsumme abweichen. Damit wird auf die Lohnhöhe und die konkreten Ausfallstunden des Einzelnen nicht individuell eingegangen. So fällt die Entschädigung tiefer aus, wenn Arbeitnehmerinnen Arbeitnehmer mit einem tiefen Lohn tiefe Ausfallstunden und solche mit einem hohen Lohn hohe Ausfallstunden aufweisen. Dass diese Differenzen zur Erreichung des vorgenannten Ziels hingenommen werden müssen, ist nachvollziehbar. Sie sind dem summarischen Verfahren ohne Abrechnung pro Arbeitnehmerin Arbeitnehmer geschuldet und gehen mit dem auf Verordnungsstufe rechtlich verankerten Abrechnungsmodus einher (vgl. BGer-Urteil 8C_272/2021 vom 17. November 2021 E. 5.2.2, mit Hinweisen).

 

9.2 Die Beschwerdeführerin bringt ferner vor, in den vom Beschwerdegegner errechneten Sollstunden seien die krankheitsbedingten Absenzen sowie die effektiven Eintrittsdaten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu berücksichtigen.

 

9.2.1 Mit der Kurzarbeit zu entschädigen sind die wirtschaftlich bedingten Ausfallstunden, welche mindestens 10 % der von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern normalerweise insgesamt geleisteten Arbeitsstunden ausmachen (vgl. Art. 32 Abs. 1 AVIG) bzw. die Arbeitsausfälle, die auf behördliche Massnahmen auf andere von der Arbeitgeberin nicht zu vertretende Umstände zurückzuführen sind (vgl. Art. 32 Abs. 3 AVIG i.V.m. Art. 51 Abs. 1 der Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 31. August 1983 [AVIV]). Für die Ermittlung des anrechenbaren Arbeitsausfalls sind von der normalen Arbeitszeit die bezahlten nicht bezahlten Absenzen abzuziehen (vgl. Thomas Nussbaumer, in Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. XIV, Sozialversicherung, 3. A., Basel 2016, N. Rz. 475), wobei als normale Arbeitszeit die vertragliche Arbeitszeit der Arbeitnehmerin des Arbeitnehmers gilt, höchstens jedoch die ortsübliche Arbeitszeit im betreffenden Wirtschaftszweig. Für Arbeitnehmerinnen Arbeitnehmer mit flexiblem Arbeitszeitensystem gilt die vertraglich vereinbarte jahresdurchschnittliche Arbeitszeit als normale Arbeitszeit (Art. 46 Abs. 1 AVIV). Nicht anrechenbar ist daher ein Arbeitsausfall, wenn er aus anderen, die Auftragslage nicht betreffenden Gründen entstanden ist. Krankheitsbedingte Absenzen sind nicht wirtschaftlich behördlich bedingt und dementsprechend nicht anrechenbar (vgl. BGE 111 V 257; BGer-Urteil C 62/02 vom 7. August 2002 E. 2c; Weisung des SECO 07/2021 vom 20. April 2021, S. 17 f.; AVIG-Praxis, KAE, Januar 2014, Rz. D6).

 

Vor dem Hintergrund, dass bereits vor der COVID-Pandemie sämtliche bezahlten und unbezahlten Absenzen (einschliesslich Krankheit, Unfall anderer Absenzen [AVIG-Praxis, KAE, Januar 2014, Rz. C25 und M1]) von den Sollstunden abgezogen wurden, um den Mindestarbeitsausfall von 10 % zu ermitteln, hat der Beschwerdegegner die krankheitsbedingten Ausfälle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin in der Berechnung zu Recht unberücksichtigt gelassen. Der Umstand, dass die Ursache für die Einführung der Kurzarbeit auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist, vermag daran nichts zu ändern.

 

9.2.2 Art. 32 Abs. 5 AVIG i.V.m. Art. 53 Abs. 1 AVIV sehen weiter vor, dass als Abrechnungsperiode ein Zeitraum von einem Monat von vier zusammenhängenden Wochen gilt. Eine pro-rata-Berechnung für die Bestimmung des Mindestarbeitsausfalls gelangt allerdings dann zur Anwendung, wenn die Einführung von Kurzarbeit nicht auf den Beginn einer Abrechnungsperiode fällt und in der vorausgegangenen Abrechnungsperiode keine Kurzarbeit geleistet wurde. Diesfalls wird der Mindestarbeitsausfall von 10 % erst ab dem ersten Tag der Kurzarbeit bis zum Ende der Abrechnungsperiode errechnet (AVIG-Praxis, KAE, Januar 2014, Rz. C27). Zu beachten ist weiter, dass der Zweck der Kurzarbeit darin liegt, die arbeitsrechtliche Vertragsbeziehung aufrecht zu erhalten, wodurch Arbeitslosigkeit verhindert und Arbeitsplätze erhalten werden sollen (vgl. AVIG-Praxis, KAE, Januar 2014, Rz. A1 f.).

 

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sind die Sollstunden der während einem Monat neu eingetretenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht hochzurechnen. Im Gegensatz zu den bereits bei der Beschwerdeführerin tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern waren die neu eingetretenen Personen vor Arbeitsantritt nicht von kurzfristigen und unvermeidbaren Arbeitsausfällen betroffen, weshalb ihnen auch nicht ihre normale Arbeitszeit verkürzt bzw. ihre Arbeit ganz eingestellt wurde (vgl. Art. 31 Abs. 1 AVIG). Eine diesbezügliche Ungleichbehandlung liegt nicht vor.

 

9.3 Ferner ist nicht ersichtlich, inwiefern sich bei der Berechnung durch den Beschwerdegegner Erfassungsfehler eingeschlichen hätten. Weder bei der Lohnhöhe noch in Bezug auf die Sollstunden sind Unstimmigkeiten ersichtlich. Der von der Beschwerdeführerin vor der Voranmeldung von Kurzarbeit ausbezahlte Lohn ist den Lohnabrechnungen und den Lohnjournalen ohne Weiteres zu entnehmen. Anhand dieser Unterlagen war es dem Beschwerdegegner denn auch möglich, die Lohnsumme der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erfassen. Ferner hat er den anrechenbaren Arbeitsausfall in seinen Korrekturabrechnungen auf der Basis der letzten sechs bis zwölf Monate vor Beginn der Kurzarbeit berechnet, was bei Vorliegen von Arbeitsverhältnissen auf Abruf im Übrigen nicht zu beanstanden wäre (vgl. Art. 8f Abs. 2 Covid-19 Verordnung Arbeitslosenversicherung). Da vorliegend jedoch von Teilzeitarbeitsverhältnissen auszugehen ist, bleibt es bei der Berechnung der Kurzarbeitsentschädigungen, wie sie ursprünglich für die Abrechnungen der Monate März bis Juli 2020 vorgenommen wurde.

 

10.

Mit Blick auf die geltend gemachten Verzugszinsen ist der Beschwerdegegner gestützt auf Art. 26 Abs. 2 ATSG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 ATSV verpflichtet, für seine Leistungen nach Ablauf von 24 Monaten nach der Entstehung des Anspruchs, frühestens aber 12 Monate nach dessen Geltendmachung, Verzugszinsen von 5 % zu bezahlen, sofern die Beschwerdeführerin ihrer Mitwirkungspflicht vollumfänglich nachgekommen ist. Vorliegend sind 24 Monate seit der Entstehung des Kurzarbeitsentschädigungsanspruchs für die Monate März bis Juli 2020 noch nicht abgelaufen. Verzugszinse werden indessen frühestens 12 Monate nach Geltendmachung des Anspruchs ausgerichtet. Der Anspruch ist dann geltend gemacht, wenn die Anmeldung erfolgt ist (vgl. Art. 29 ATSG). Die Beschwerdeführerin hat sich am 20. März 2020 zum Bezug von Kurzarbeitsentschädigungen angemeldet, womit die Verzugszinsen 12 Monate später, d.h. frühestens am 21. März 2021 entstanden sind. Da der Beschwerdegegner die Kurzarbeitsentschädigungen für die Abrechnungsperioden März bis Juli 2020 vollständig und rechtzeitig entrichtet hat, sind hierfür keine Verzugszinsen geschuldet.

 

11.

Zusammenfassend ergibt sich, dass die Voraussetzungen einer Wiedererwägung nicht erfüllt sind, weshalb der Beschwerdegegner weder aus der Qualifizierung der Arbeitsverhältnisse als auf Abruf noch aus der Berechnung der Kurzarbeitsentschädigung einen Titel für ein Zurückkommen auf die Verfügungen vom 29. und 30. April 2020 hat. Damit erfolgte die Rückforderung der Kurzarbeitsentschädigung zu Unrecht, was zur Gutheissung der vorliegenden Beschwerde führt, soweit darauf einzutreten ist. Der Einspracheentscheid des Beschwerdegegners vom 7. April 2021 sowie dessen Verfügung vom 1. Februar 2021 sind aufzuheben.

 

III.

Die Gerichtskosten sind von Gesetzes wegen auf die Staatskasse zu nehmen (Art. 1 Abs. 1 AVIG i.V.m. Art. 61 lit. fbis e contrario ATSG). Der obsiegenden Beschwerdeführerin steht zu Lasten des Beschwerdegegners eine Parteientschädigung zu (Art. 1 Abs. 1 AVIG i.V.m. Art. 61 lit. g ATSG). Diese ist auf pauschal Fr. 2'000.- (inkl. Mehrwertsteuer) festzusetzen.

Demgemäss erkennt die Kammer:

1.

Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen, soweit darauf eingetreten wird. Der Einspracheentscheid des Beschwerdegegners vom 7. April 2021 sowie dessen Verfügung vom 1. Februar 2021 werden aufgehoben.

2.

Die Gerichtskosten werden auf die Staatskasse genommen.

3.

Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 2'000.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

 

[…]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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