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Urteil Verwaltungsgericht (GL - VG.2021.00023)

Zusammenfassung des Urteils VG.2021.00023: Verwaltungsgericht

Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf die beantragten Hilfsmittel, da das Gerichtsgutachten die Unfallkausalität bestätigt hat. Die Beschwerdegegnerin 1 muss die Kosten übernehmen. Die Beschwerdegegnerin 2 muss die Gerichtskosten tragen. Die Beschwerdeführerin erhält eine Parteientschädigung für das Einspracheverfahren und das verwaltungsgerichtliche Verfahren. Die Beschwerdegegnerinnen müssen die Kosten für das Gerichtsgutachten tragen. Die Beschwerdegegnerin 1 muss der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zahlen. Die Beschwerdeführerin erhält unentgeltliche Prozessführung und Rechtsbeistand. Das Gericht hat entschieden, dass die Beschwerdeführerin Anspruch auf die Hilfsmittel hat.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VG.2021.00023

Kanton:GL
Fallnummer:VG.2021.00023
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VG.2021.00023 vom 07.03.2024 (GL)
Datum:07.03.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Invaliden- und Unfallversicherungsrecht: Kostenübernahme für Hilfsmittel
Schlagwörter: Verfahren; Unfall; Recht; Verwaltung; Gericht; Verwaltungs; Parteien; Gutachten; Verwaltungsgericht; Hilfsmittel; IV-Stelle; Parteientschädigung; Unfallversicherung; Rollstuhl; Urteil; Leistung; Obergutachten; Einsprache; MEDAS; Apos; Gerichtsgutachten; Anspruch; Abklärung; Person; Höhe; Hinweisen; Zuggerät; Einspracheverfahren; Sozialversicherung
Rechtsnorm: Art. 52 ATSG ;
Referenz BGE:140 V 116;
Kommentar:
Kurt Pärli, Marti, Basler Kommentar zum Unfallversicherungsgesetz, Art. 11, 2020

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2021.00023

Geschäftsnummer: VG.2021.00023 (VG.2024.1336)
Instanz: K2
Entscheiddatum: 07.03.2024
Publiziert am: 23.05.2024
Aktualisiert am: 23.05.2024
Titel: Sozialversicherung - Unfallversicherung

Resümee:

Invaliden- und Unfallversicherungsrecht: Kostenübernahme für Hilfsmittel

Gestützt auf das vom Gericht eingeholte Obergutachten ist die Beschwerdeführerin aus rheumatologischer und orthopädischer Sicht auf einen Rollstuhl und ein elektromotorisches Zuggerät angewiesen. Der Stockgebrauch und die Rollstuhlbedürftigkeit hängen mit dem Unfall zusammen und die chronischen Schulter- und Ellbogenbeschwerden sind sekundäre Folgen bzw. Spätfolgen des Unfalls (E. II/4.2). Von der Einschätzung im Gerichtsgutachten ist nicht ohne zwingende Gründe abzuweichen (E. II/4.3).
Die Kosten des Gerichtsgutachtens sind nachvollziehbar und aufgrund der ungenügenden Abklärung durch die Versicherungsträger auf diese aufzuteilen (E. III/3).

Gutheissung der Beschwerde gegen den Unfallversicherer und Abweisung der Beschwerde gegen die IV-Stelle.
 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 7. März 2024

 

 

II. Kammer

 

 

Besetzung: Gerichtspräsident MLaw Colin Braun, Verwaltungsrichterin Olivia Lattmann, Verwaltungsrichter Fritz Jnglin und Gerichtsschreiberin MLaw Paula Brändli

 

 

in Sachen

VG.2021.00023

 

 

 

A.______

Beschwerdeführerin

 

vertreten durch lic. iur. Bettina Umhang, Rechtsanwältin

 

 

 

gegen

 

 

 

ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG

Beschwerdegegnerin 1

 

 

vertreten durch Dr. iur. Martin Schmid, Rechtsanwalt

 

 

betreffend

 

 

UVG-Leistungen

 

 

vereinigt mit

 

 

VG.2022.00002

 

 

 

A.______

Beschwerdeführerin

 

vertreten durch Prof. Dr. Hardy Landolt, Rechtsanwalt

 

 

gegen

 

 

 

IV-Stelle Glarus

Beschwerdegegnerin 2

 

 

betreffend

 

 

Hilfsmittel

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

1.1 A.______, geboren am […], arbeitete als Assistenzärztin im Spital B.______ und war in dieser Eigenschaft bei der ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG (nachfolgend: ÖKK bzw. Beschwerdegegnerin 1) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 17. Dezember 2010 erlitt sie einen Unfall, bei welchem sie auf der Strasse ausrutschte. In der Folge kam es zu mindestens einem weiteren Unfall, wobei die ÖKK die Kosten der Heilbehandlungen übernahm und A.______ Taggelder zusprach.

 

1.2 Die ÖKK stellte die Taggeldleistungen von A.______ am 30. August 2016 per 30. November 2016 ein und teilte ihr gleichzeitig mit, dass die Heilungskosten weiterhin übernommen würden. Nachdem Letztere dagegen Einsprache erhoben hatte, holte die ÖKK bei der Academy of Swiss Insurance Medicine (asim) ein polydisziplinäres Gutachten ein, welches am 31. Dezember 2018 (nachfolgend: asim-Gutachten) erstattet wurde. In der Folge hiess die ÖKK die Einsprache am 10. Januar 2020 teilweise gut. Eine von A.______ am 6. Februar 2020 dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht am 11. Juni 2020 ebenfalls teilweise gut, soweit es die Sache nicht als durch Vergleich erledigt abschrieb (Verfahren VG.2020.00013).

 

2.

2.1 A.______ beantragte bei der IV-Stelle Glarus am 1. November 2017 sodann die Kostenübernahme für ein Elektrozuggerät für ihren Rollstuhl (Swiss-Trac Typ SWT-1S). Darüber hinaus ersuchte sie ihre obligatorische Krankenpflegeversicherung, die Krankenversicherung AG (nachfolgend: SWICA), am 6. September 2018, dass sie die diesbezüglichen Kosten als Vorleistung zur obligatorischen Unfallversicherung übernehme. Sowohl die SWICA als auch die IV-Stelle wiesen die bei ihnen gestellten Leistungsbegehren in der Folge ab. Die von A.______ gegen die Verfügung der IV-Stelle vom 24. Januar 2019 eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht am 13. Juni 2019 ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren VG.2019.00021). Gleichentags wies es die gegen die Verfügung der SWICA vom 17. März 2019 erhobene Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren VG.2019.00029). Gegen die beiden Urteile des Verwaltungsgerichts vom 13. Juni 2019 erhob A.______ Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Letzteres wies die IV-Stelle am 11. Mai 2020 an, eine Vorleistungspflicht zur obligatorischen Unfallversicherung für den Swiss-Trac Typ SWT-1S zu prüfen. Im Übrigen wies es die Beschwerden ab (BGer-Urteil 9C_529/2019 und 9C_530/2019 vom 11. Mai 2020).

 

2.2 In Umsetzung der bundesgerichtlichen Vorgaben teilte die IV-Stelle A.______ am 2. Juli 2020 mit, dass sie die Kosten für den Swiss-Trac Typ SWT-1S vorläufig übernehme. In der Folge überwies sie die Sache zuständigkeitshalber an die ÖKK, welche ihrerseits eine Kostengutsprache für das anbegehrte Zuggerät am 3. Dezember 2020 abwies und die von A.______ dagegen erhobene Einsprache am 17. Februar 2021 abschlägig beantwortete. Hiergegen gelangte A.______ mit Beschwerde vom 18. März 2021 ans Verwaltungsgericht und beantragte dessen Aufhebung (Verfahren VG.2021.00023). Die ÖKK sei zu verpflichten, die Kosten für eine Rollstuhlversorgung sowie für einen Swiss-Trac SWT-1S zu übernehmen. Eventualiter sei die Sache zur ergänzenden medizinischen Abklärung an die ÖKK zurückzuweisen. Sodann sei ihr für das Einspracheverfahren eine Parteientschädigung zuzusprechen; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der ÖKK. Die ÖKK schloss am 4. Mai 2021 auf Abweisung der Beschwerde; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten von A.______. Am 12. Juli 2021 reichte die ÖKK mehrere Akten ein, woraufhin A.______ am 12. November 2021 Stellung nahm. Am 5. Januar 2022 hielt die ÖKK an ihrem Antrag auf Abweisung der Beschwerde fest.

 

2.3 Zur Klärung des invalidenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs von A.______ gab die IV-Stelle bei der Ärztlichen Begutachtungsinstitut GmbH (ABI) ein polydisziplinäres Gutachten in Auftrag, welches am 9. Mai 2021 erstattet wurde (nachfolgend: ABI-Gutachten). Nachdem die IV-Stelle die definitive Kostengutsprache für die anbegehrte Hilfsmittelversorgung am 2. Dezember 2021 abgelehnt hatte, gelangte A.______ mit Beschwerde vom 16. Januar 2022 abermals ans Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung dieser Verfügung (Verfahren VG.2022.00002). Eventualiter sei die Angelegenheit im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurückzuweisen; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der IV-Stelle. In prozessualer Hinsicht beantragte sie die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung sowie der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung. Darüber hinaus beantragte sie eine Vereinigung mit dem beim Verwaltungsgericht ebenfalls anhängigen unfallversicherungsrechtlichen Verfahren (VG.2021.00023). Die IV-Stelle schloss am 16. Februar 2022 auf Abweisung der Beschwerde.

 

3.

Am 11. Juli 2022 vereinigte das Verwaltungsgericht die bei ihm anhängigen Verfahren VG.2021.00023 sowie VG.2022.00002 und führte am 8. September 2022 eine Referentenaudienz durch, wobei die Einholung eines Obergutachtens in Aussicht gestellt wurde. Gleichentags wurde den Parteien Frist angesetzt, um zum geplanten Fragekatalog Stellung zu nehmen. In der Folge reichte die ÖKK am 14. September 2022 eine Ergänzungsfrage ein. Am 19. September 2022 äusserte sich die IV-Stelle dahingehend, dass sie weder ein Gerichtsgutachten noch eine Ausweitung des Fragekatalogs für notwendig erachte. A.______ nahm am 19. September 2022 sowie am 21. September 2022 Stellung und reichte mehrere Ergänzungsfragen ein. Am 29. September 2022 legte sie überdies ein Schreiben der IV-Stelle vom 26. September 2022 ins Recht und beantragte sinngemäss, die IV-Stelle für deren Verhalten bzw. deren Aussagen während der Referentenaudienz mit einer Ordnungsbusse zu belegen. Schliesslich reichte sie am 6. Oktober 2022 die vollständigen sowie nach Datum assortierten medizinischen Akten ein und ersuchte das Gericht, den geplanten Gutachtenspersonen weitere Dokumente für die Begutachtung vorzulegen.

 

4.

Am 21. Oktober 2022 gab das Verwaltungsgericht bei der MEDAS Zürich GmbH (nachfolgend: MEDAS) ein polydisziplinäres Gutachten in Auftrag, welches am 24. Oktober 2023 erstattet wurde (nachfolgend: Obergutachten bzw. Gerichtsgutachten). In der Folge anerkannte die ÖKK am 17. Januar 2024 ihre Leistungspflicht für die Rollstuhlversorgung und das Zuggerät; unter Kosten- und Entschädigungsfolge. A.______ beantragte am 17. bzw. 18. Januar 2024 die Gutheissung der Beschwerden. Die IV-Stelle hielt am 18. Januar 2024 an ihrem Antrag auf Abweisung der Beschwerde fest. Überdies ersuchte sie um eine Kürzung der Gutachtenskosten der MEDAS um Fr. 24'000.- sowie um Durchführung eines weiteren Schriftenwechsels.

 

II.

1.

1.1 Das Verwaltungsgericht ist gemäss Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung vom 20. März 1981 (UVG) i.V.m. Art. 56 ff. des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) i.V.m. Art. 1 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 3. Mai 2009 (EG UVG) und Art. 69 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 (IVG) zur Behandlung der vorliegenden Beschwerden zuständig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerden einzutreten.

 

1.2 Dem Antrag der Beschwerdeführerin auf eine mündliche Verhandlung wurde mit der durchgeführten Referentenaudienz hinreichend Genüge getan. Dies gilt umso mehr, als dass dieser Antrag im Nachgang derselben nicht erneuert wurde.

 

1.3 Die Beschwerdegegnerin 2 beantragte einen weiteren Schriftenwechsel sowie Rückfragen an die MEDAS-Gutachter betreffend die Kosten des Obergutachtens. Letztere können indessen direkt durch das Verwaltungsgericht beurteilt werden (vgl. untenstehende E. III/3), weshalb nicht zuletzt mit Blick auf die bereits sehr lange Verfahrensdauer auf weitere (allenfalls kostenpflichtige) Abklärungen zu verzichten ist. Da sich die Parteien überdies bereits mehrfach (unter anderem im Rahmen der Referentenaudienz) Stellung nehmen konnten, ist schliesslich auf einen weiteren Schriftenwechsel zu verzichten. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdegegnerin 2 nach Abschluss des Schriftenwechsels eine weitere Eingabe ohne Weiteres möglich gewesen wäre, worauf sie denn auch hingewiesen wurde.

 

2.

2.1 Die Leistungspflicht des Unfallversicherers setzt gemäss Art. 6 Abs. 1 UVG voraus, dass zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht. Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten nicht als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten gedacht werden kann. Entsprechend dieser Umschreibung ist für die Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht erforderlich, dass ein Unfall die alleinige und unmittelbare Ursache gesundheitlicher Störungen ist. Es genügt, dass das schädigende Ereignis zusammen mit anderen Bedingungen die körperliche geistige Integrität der versicherten Person beeinträchtigt hat, der Unfall mit anderen Worten nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass auch die eingetretene gesundheitliche Störung entfiele. Ob zwischen einem schädigenden Ereignis und einer gesundheitlichen Störung ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, ist eine Tatfrage, worüber die Verwaltung bzw. im Beschwerdefall das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden hat. Die blosse Möglichkeit eines Zusammenhangs genügt für die Begründung eines Leistungsanspruchs nicht (BGE 129 V 177 E. 3.1, 117 V 359 E. 4a, je mit Hinweisen). Entscheidend ist dabei die Würdigung der in den Akten liegenden medizinischen Berichte, wobei das Gericht bei der Beurteilung des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht ohne zwingenden Grund von der Einschätzung der medizinischen Experten abweicht (BGE 118 V 286 E. 1b).

 

2.2 Die Leistungspflicht der Unfallversicherung setzt im Weiteren voraus, dass zwischen dem Unfall und der dadurch verursachten Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Ein Ereignis hat dann als adäquate Ursache eines Erfolgs zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt dieses Erfolgs also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint (BGE 117 V 359 E. 5a, mit Hinweisen). Die Adäquanz spielt im Bereich organisch objektiv ausgewiesener Unfallfolgen praktisch keine Rolle, da sich hier die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt. Als objektivierbar gelten Untersuchungsergebnisse, die reproduzierbar und von der Person des Untersuchenden und den Angaben des Patienten unabhängig sind. Von organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolgen kann erst dann gesprochen werden, wenn die erhobenen Befunde mit apparativen/bildgebenden Abklärungen bestätigt werden (BGE 138 V 248 E. 5.1, mit Hinweisen).

 

2.3

2.3.1 Der Anspruch auf ein bestimmtes Hilfsmittel gegenüber der Unfallversicherung besteht, soweit es durch Unfall Berufskrankheit bedingte körperliche Schädigungen Funktionsausfälle ausgleicht (Art. 11 Abs. 1 UVG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Unfallversicherung vom 18. Oktober 1984 [HVUV]). Entsprechend hat eine gehunfähige versicherte Person Anspruch auf ein Zuggerät für den Rollstuhl, wenn sie, nebst den allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen der Unfallversicherung gemäss Art. 6 UVG, infolge von Lähmungen anderen Gebrechen der oberen Extremitäten einen gewöhnlichen Fahrstuhl nicht bedienen und sich nur dank elektromotorischem Antrieb selbständig fortbewegen kann (Ziff. 9.02 Anhang HVUV; Martina Filippo, in Ghislaine Frésard-Fellay/Susanne Leuzinger/Kurt Pärli [Hrsg.], Basler Kommentar zum Unfallversicherungsgesetz, 2020, Art. 11 N. 4).

 

2.3.2 Der Bundesrat erstellt die Liste der Hilfsmittel. Der Anspruch erstreckt sich auf die notwendigen und dem Gesundheitsschaden angepassten Hilfsmittel in einfacher und zweckmässiger Ausführung, das erforderliche Zubehör und die Anpassungen, die wegen des Gesundheitsschadens nötig sind. Ausstattungen und Anzahl der Hilfsmittel müssen den Anforderungen des privaten sowie des beruflichen Lebens entsprechen (Art. 1 Abs. 2 HVUV). Die Kriterien der Einfachheit und Zweckmässigkeit, die das Verhältnismässigkeitsprinzip konkretisieren, setzen zum einen voraus, dass die fragliche Leistung geeignet ist, den gesetzlichen Zweck zu erreichen, und dass diese dazu notwendig und erforderlich erscheint. Zum anderen verlangen sie, dass zwischen den Kosten des Hilfsmittels und seinem Nutzen ein vernünftiges Verhältnis besteht, wobei sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (BGE 141 V 30 E. 3.2.1; BGer-Urteil 8C_279/2014 vom 10. Juli 2015 E. 7.1, mit Hinweisen; Martina Filippo, in Ghislaine Frésard-Fellay/Susanne Leuzinger/Kurt Pärli [Hrsg.], Basler Kommentar, Unfallversicherungsgesetz, 2020, Art. 11 N. 4).

 

2.4 In invalidenversicherungsrechtlicher Hinsicht besteht Anspruch auf ein Hilfsmittel in einfacher, zweckmässiger und wirtschaftlicher Ausführung. Durch eine andere Ausführung bedingte zusätzliche Kosten hat der Versicherte selbst zu tragen (Art. 2 Abs. 3 HVI). Entsprechend hat eine gehunfähige versicherte Person Anspruch auf ein Zuggerät für den Rollstuhl, wenn sie infolge von Lähmungen anderen Gebrechen der oberen Extremitäten einen gewöhnlichen Fahrstuhl nicht bedienen und sich nur dank elektromotorischem Antrieb selbständig fortbewegen kann (Ziff. 9.02 Anhang HVI).

 

3.

Nach dem für das gesamte Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren geltenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung haben Versicherungsträger und Sozialversicherungsrichter die Beweise frei, d.h. ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, sowie umfassend und pflichtgemäss zu würdigen. Für das Beschwerdeverfahren bedeutet dies, dass das Gericht alle Beweismittel, unabhängig davon, von wem sie stammen, objektiv zu prüfen und danach zu entscheiden hat, ob die verfügbaren Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Rechtsanspruchs gestatten. Insbesondere darf es bei einander widersprechenden medizinischen Berichten den Prozess nicht erledigen, ohne das gesamte Beweismaterial zu würdigen und die Gründe anzugeben, warum es auf die eine und nicht auf die andere medizinische These abstellt. Hinsichtlich des Beweiswerts eines Arztberichts ist demnach entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und Situation der versicherten Person einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen begründet sind. Ausschlaggebend für den Beweiswert ist grundsätzlich weder die Herkunft eines Beweismittels noch die Bezeichnung der eingereichten in Auftrag gegebenen Stellungnahme als Bericht Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a). Dennoch hat es die Rechtsprechung mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung als vereinbar erachtet, in Bezug auf bestimmte Formen medizinischer Berichte und Gutachten Richtlinien für die Beweiswürdigung aufzustellen. Hinsichtlich Gerichtsgutachten gilt, dass das Gericht nicht ohne zwingende Gründe von der Einschätzung der medizinischen Expertinnen und Experten abzuweichen hat, zumal es deren Aufgabe ist, ihre Kenntnisse in den Dienst der Gerichtsbarkeit zu stellen (BGE 143 V 269 E. 6.2.3.2, 135 V 465 E. 4.4, 122 V 157 E. 1c, je mit Hinweisen).

 

4.

4.1 Das Verwaltungsgericht zog mit Zwischenentscheid vom 21. Oktober 2022 bereits in Betracht, dass der medizinische Sachverhalt nicht hinreichend erstellt sei. Insbesondere könnten Fragen im Zusammenhang mit den vorliegenden Diagnosen sowie deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit, der Unfallkausalität, der Behandlungsbedürftigkeit bzw. dem Endzustand sowie der Rollstuhlangewiesenheit anhand der im Recht liegenden Akten, insbesondere gestützt auf die Gutachten der asim und der ABI, nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit beantwortet werden. Es sei zur Beantwortung dieser Fragen ein polydisziplinäres Gutachten erforderlich, womit die MEDAS zu beauftragen sei. Letztere erstattete das Gutachten am 24. Oktober 2023, nachdem der Zwischenentscheid des Verwaltungsgerichts über die Einholung eines Obergutachtens in Rechtskraft erwachsen war.

 

4.2 Dr. med. C.______, Facharzt FMH für Rheumatologie und Innere Medizin, hielt im Obergutachten aus rheumatologischer Sicht fest, aufgrund erheblicher und unfallbedingter sekundärer manifester trikompartimentäre Gonarthrose und Arthrofibrose rechts liege eine klare Indikation für einen Rollstuhl ausser Haus vor. Zusätzlich bestehe eine Impingementsymptomatik der linken Schulter mit bildgebend nachgewiesener transmuraler Rotatorenmanschettenruptur sowie eingeengtem Subakromialraum infolge Humeruskopfhochstand und zusätzlicher akromialer Spornbildung und Begleitbursitis sowie Akromioklavikulargelenksarthrose und eine Epikondylopathie, weshalb eine Antriebshilfe für den Rollstuhl benötigt werde. Der Stockgebrauch und die Rollstuhlbedürftigkeit würden mit dem Knieunfall zusammenhängen und die chronischen Schulter- und Ellbogenbeschwerden seien sekundäre Folgen bzw. Spätfolgen des Unfalls im Jahr 2010. Ohne den repetitiven täglichen Stockgebrauch und Rollstuhltransfer wäre die vorliegende Schulter- und Ellbogensymptomatik überwiegend wahrscheinlich nicht in diesem Ausmass vorhanden (Obergutachten S. 113 f.). Dr. med. D.______, Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, gelangte im orthopädischen Teilgutachten zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin für Gehstrecken ab 50 Metern auf einen Rollstuhl angewiesen sei. Aufgrund Schulterbeschwerden in Form einer eingeschränkten Belastbarkeit des linken Schultergelenks bei bildgebend dokumentierter Ruptur der Rotatorenmanschette benötige die Beschwerdeführerin ein elektromotorisches Zuggerät (Obergutachten S. 151).

 

4.3 Von der Einschätzung der MEDAS ist nach dem oben Dargelegten (vgl. E. II/3) nicht ohne zwingende Gründe abzuweichen. Solche sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Gutachter legen ausführlich und nachvollziehbar dar, dass die Beschwerdeführerin auf einen Rollstuhl und ein elektromotorisches Zuggerät angewiesen ist und die zu Grunde liegenden Diagnosen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unfallbedingt sind. Sie setzten sich mit den davon abweichenden Meinungen auseinander und beantworteten die vom Verwaltungsgericht gestellten Fragen schlüssig. Die Parteien bringen gegen das Gutachten in Bezug auf die Hilfsmittelthematik nichts Anderes vor, wobei die Beschwerdegegnerin 1 denn auch ausdrücklich ihre diesbezügliche Leistungspflicht anerkennt. Im Ergebnis sind damit keine Indizien ersichtlich, welche in Bezug auf die Hilfsmittelthematik ein Abweichen vom Gutachten der MEDAS rechtfertigen würden.

 

4.4 Im Ergebnis hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf die beantragten Hilfsmittel, wobei aufgrund der im Obergutachten erstellten Unfallkausalität die Beschwerdegegnerin 1 hierfür leistungspflichtig ist. Die Beschwerde gegenüber der Beschwerdegegnerin 1 ist dementsprechend gutzuheissen. Der Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin 1 vom 17. Februar 2021 ist aufzuheben und Letztere ist anzuweisen, die Kosten der Beschwerdeführerin für die beantragten Hilfsmittel zu übernehmen. Da die Beschwerdegegnerin 1 leistungspflichtig ist, erübrigt sich die Beurteilung der Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin 2. Daraus folgt, dass die gegen sie gerichtete Beschwerde abzuweisen ist.

 

III.

1.

1.1 Die Gerichtskosten im Verfahren VG.2021.00023 sind von Gesetzes wegen auf die Staatskasse zu nehmen (Art. 1 Abs. 1 UVG i.V.m. Art. 61 lit. fbis ATSG e contrario).

 

1.2

1.2.1 Die Beschwerdeführerin beantragt eine Parteientschädigung für das Einspracheverfahren bei der Beschwerdegegnerin 1. Hierbei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Einspracheverfahren in der Regel keine Parteientschädigungen ausgerichtet werden (Art. 52 Abs. 3 ATSG). Davon ist abzuweichen, wenn die Beschwerde führende Partei im Falle des Unterliegens die unentgeltliche Rechtsverbeiständung hätte beanspruchen können (BGE 140 V 116 E. 3.3; BGer-Urteil 9C_877/2017 vom 28. Mai 2018 E. 8.1.1), aber wenn eine sachkundige Rechtsvertretung im Einspracheverfahren erforderlich war, wobei an die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung hohe Anforderungen zu stellen sind (BGer-Urteil 9C_485/2016 vom 21. März 2017 E. 4, 9C_740/2016 vom 31. Januar 2017 E. 3.1).

 

1.2.2 Vorliegend ist vom Grundsatz gemäss Art. 52 Abs. 3 ATSG abzuweichen. Die Voraussetzungen von Art. 37 Abs. 4 ATSG erscheinen im vorliegenden Fall erfüllt (vgl. BGE 132 V 200 E. 4.1, mit Hinweisen). Einerseits hat die Beschwerdeführerin als bedürftig zu gelten, andererseits kann ihr Rechtsmittel wegen des Obsiegens nicht als aussichtslos bezeichnet werden (vgl. auch untenstehende E. III/2 sowie VGer-Urteil VG.2019.00021 vom 19. Juni 2021 E. III/1.2). Darüber hinaus erweist sich das Verfahren als überdurchschnittlich komplex, was sich insbesondere in der Notwendigkeit zur Einholung eines Gerichtsgutachtens zeigt. Dementsprechend hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Parteientschädigung für das Einspracheverfahren, welche pauschal auf Fr. 2'000.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) festzusetzen und ausgangsgemäss der Beschwerdegegnerin 1 aufzuerlegen ist.

 

1.3

1.3.1 Da die Beschwerdeführerin im Verfahren VG.2021.00023 als obsiegend zu gelten hat, hat sie sodann auch hierfür Anspruch auf eine Parteientschädigung zu Lasten der Beschwerdegegnerin 1 (Art. 1 Abs. 1 UVG i.V.m. Art. 61 lit. g ATSG). Deren Höhe wird vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache sowie der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. Bei der Bemessung der Parteientschädigung ist dem Einzelfall gerecht zu werden. Der (tatsächliche und notwendige) zeitliche Aufwand der Rechtsvertretung wird zwar nicht ausdrücklich als Bemessungskriterium aufgeführt, ist aber ebenfalls mitzuberücksichtigen, soweit er, was regelmässig der Fall ist, von der Schwierigkeit des Prozesses mitbestimmt wird. Im Übrigen ist die Bemessung der Parteientschädigung für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren in Sozialversicherungsangelegenheiten dem kantonalen Recht überlassen (Art. 61 Ingress ATSG; BGer-Urteil 9C_787/2014 vom 7. Juli 2015 E. 4; vgl. zum Ganzen VGer-Urteil VG.2019.00766 vom 14. März 2019 E. III/2.1).

 

1.3.2 Nach welchen Kriterien die Parteientschädigung zuzusprechen ist, regelt das anwendbare kantonale Verwaltungsprozessrecht nicht. In der Regel dürfte es naheliegen, sinngemäss die Regeln über die Bemessung der Spruchgebühren heranzuziehen. Gemäss § 7 Abs. 2 der Verordnung über amtliche Kosten im Verwaltungsverfahren und in der Verwaltungsrechtspflege vom 24. Juni 1987 (KoV) bemessen sich diese nach dem Arbeits- und Zeitaufwand der entscheidenden Behörde (für die Parteientschädigung ist der Arbeits- und Zeitaufwand des Rechtsvertreters massgebend), der Bedeutung und Schwierigkeit der Sache sowie nach den für die Parteien auf dem Spiel stehenden Vermögens- sonstigen Interessen an der Angelegenheit. Dies entspricht den Vorgaben von Art. 61 lit. g ATSG (vgl. zum Ganzen VGer-Urteil VG.2019.00766 vom 14. März 2019 E. III/2.1, mit Hinweisen).

 

1.3.3 Reicht eine Rechtsvertreterin eine Honorarnote ein, folgt aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV, dass die Behörde verpflichtet ist, zu begründen, weshalb sie die Höhe der zugesprochenen Parteientschädigung als angemessen erachtet. Mit anderen Worten darf sie sich in einem derartigen Fall nicht damit begnügen, ohne nähere Begründung eine `angemessene Parteientschädigung` zuzusprechen. Im Gegensatz zur Bemessung der Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands müssen aber weder der Zeitaufwand noch der Stundenansatz genau beziffert werden, sondern es genügt, wenn die Parteientschädigung unter Berücksichtigung der dargelegten Kriterien in pflichtgemässer Ermessensausübung festgesetzt wird (vgl. zum Ganzen VGer-Urteil VG.2019.00766 vom 14. März 2019 E. III/2.1, mit Hinweisen).

 

1.3.4 Die Vertreterin der Beschwerdeführerin reichte eine Honorarnote über Fr. 32'624.90 ein, welche sich trotz des aufwändigen und komplexen Verfahrens als zu hoch angesetzt präsentiert. Dies einerseits aufgrund der Tatsache, dass die aufgeführten Aufwendungen nicht nur das Verfahren VG.2021.00023, sondern auch das Verfahren VG.2022.00035 betreffen, was insbesondere auf die Kosten für die Korrespondenz mit dem Verwaltungsgericht betreffend Obergutachten, die Referentenaudienz und die Gutachtensprüfung zutrifft. Der geltend gemachte Aufwand von 98 Stunden ist entsprechend zu kürzen bzw. ein Anteil davon entfällt auf das Verfahren VG.2022.00035. Andererseits ergeben sich aus der eingereichten Honorarnote diverse Aufwendungen, welche mangels weiterer Belege nicht nachvollziehbar erscheinen und dementsprechend nicht zu vergüten sind, was beispielsweise auf Telefonate und Korrespondenz mit nicht genannten Personen (X, R, S) zutrifft. Schliesslich gilt zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin bereits im Einspracheverfahren durch dieselbe Person vertreten wurde, wofür bereits eine Entschädigung von Fr. 2'000.- zugesprochen wurde. Im Übrigen gilt im Kanton Glarus praxisgemäss ein Stundenansatz in der Höhe von Fr. 240.- und nicht wie von der Beschwerdeführerin beantragt Fr. 300.- (VGer-Urteil VG.2017.00010 vom 7. Februar 2019 E. III/2.2), was sich ebenfalls reduzierend auswirkt. Im Ergebnis und mit Blick auf das soeben Dargelegte ist die Beschwerdegegnerin 1 zu verpflichten, der Beschwerdeführerin für das Verfahren VG.2021.00023 eine angemessene Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 8'000.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

 

2.

2.1 Betreffend das invalidenversicherungsrechtliche Verfahren (VG.2022.00002) hat die Partei, welche im Beschwerdeverfahren unterliegt, die amtlichen Kosten zu tragen (Art. 134 Abs. 1 lit. c VRG i.V.m. Art. 69 Abs. 1bis IVG). Da die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren als unterliegend zu gelten hat, sind die Gerichtskosten von pauschal Fr. 600.- somit ihr aufzuerlegen. Auf deren Erhebung ist indessen zufolge Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung einstweilen zu verzichten (vgl. nachfolgende E. III/2.2). Ausgangsgemäss ist ihr schliesslich keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 1 Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 61 lit. g ATSG e contrario).

 

2.2

2.2.1 Die Beschwerdeführerin beantragte im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren (VG.2022.00002) die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung. Gemäss Art. 139 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Mai 1986 (VRG) befreit die Behörde eine Partei, der die Mittel fehlen, um neben dem Lebensunterhalt für sich und ihre Familie die Verfahrenskosten aufzubringen, auf Gesuch hin ganz teilweise von der Kosten- und Vorschusspflicht, sofern das Verfahren nicht aussichtslos ist. Unter denselben Voraussetzungen weist sie der Partei auf Gesuch hin von Amtes wegen einen Anwalt als Rechtsbeistand zu, sofern ein solcher für die gehörige Interessenwahrung erforderlich ist (Art. 139 Abs. 2 VRG). Der Nachweis der Bedürftigkeit obliegt nach Art. 139 Abs. 3 VRG der gesuchstellenden Partei.

 

2.2.2 Die Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin erscheint aufgrund der Aktenlage als gegeben (vgl. auch VGer-Urteil VG.2019.00021 vom 13. Juni 2019 E. III/1.2). Zudem kann das vorliegende Verfahren nicht als aussichtslos bezeichnet werden, zumal für die Klärung des Leistungsanspruchs die Einholung eines Obergutachtens notwendig war. Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung ist deshalb gutzuheissen. Da die Beschwerdeführerin auf eine rechtliche Vertretung angewiesen war, ist auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung gutzuheissen und ihr ist in der Person von Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen. Dieser ist mit Fr. 4'000.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen.

 

2.2.3 Die Beschwerdeführerin ist darauf hinzuweisen, dass eine Partei, der die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt worden ist, für den Fall, dass sie später in günstige wirtschaftliche Verhältnisse gelangt, zur Nachzahlung der Verfahrenskosten verpflichtet werden kann (Art. 139a VRG).

 

3.

3.1 Gemäss Art. 45 Abs. 1 ATSG übernimmt der Versicherungsträger die Kosten der Abklärung, soweit er die Massnahmen angeordnet hat. Hat er keine Massnahmen angeordnet, so übernimmt er deren Kosten dennoch, wenn die Massnahmen für die Beurteilung des Anspruchs unerlässlich waren Bestandteil nachträglich zugesprochener Leistungen bilden. Diese Bestimmung bezüglich Übernahme von Abklärungskosten gilt nicht nur im Verwaltungsverfahren. Vielmehr bildet Art. 45 Abs. 1 ATSG auch eine genügende gesetzliche Grundlage dafür, dem Versicherungsträger die Kosten eines Gerichtsgutachtens aufzuerlegen (BGE 143 V 269 E. 6.2.1). Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein manifester Widerspruch zwischen den verschiedenen, aktenmässig belegten ärztlichen Auffassungen besteht, ohne dass die Verwaltung diesen durch objektiv begründete Argumente entkräftet hat, wenn die Verwaltung zur Klärung der medizinischen Situation notwendige Aspekte unbeantwortet gelassen auf eine Expertise abgestellt hat, welche die Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsgrundlage nicht erfüllt (BGE 140 V 70 E. 6.1; BGer-Urteil 8C_64/2019 vom 27. November 2019 E. 8.1).

 

3.2 Das Gutachten der MEDAS wurde unter anderem deshalb notwendig, weil die Beschwerdegegnerinnen die Hilfsmittelangewiesenheit sowie die Unfallkausalität ungenügend abgeklärt hatten (vgl. Verfügung des Verwaltungsgerichts VG.2021.00023 und VG.2022.00002 vom 21. Oktober 2022 E. 2.3.1). Den Parteien wurde mit dem Zwischenentscheid über die Einholung eines Obergutachtens und anhand der darin festgelegten Fragen an die MEDAS unmissverständlich aufgezeigt, dass ein Gerichtsgutachten zur Klärung aller vier anhängigen Verfahren (VG.2021.00023 und VG.2022.00002, VG.2022.00035, VG.2022.00044) notwendig ist und voraussichtlich hierauf abgestellt werden wird. Da der Zwischenentscheid unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, sind die Einwände der Beschwerdegegnerin 2 betreffend die Erfüllung ihrer Abklärungspflicht nicht mehr zu hören. Die Erkenntnisse aus dem Gerichtsgutachten führen denn auch zur Gutheissung der Beschwerde im Verfahren VG.2021.00023. Überdies wird selbst von den MEDAS-Gutachtern nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass den im Recht liegenden Gutachten der ABI und der asim nicht gefolgt werden könne, was die ungenügende Abklärung der Beschwerdegegnerinnen zusätzlich untermauert. Daraus folgt, dass die Kosten für das Gutachten der MEDAS auf die vier Verfahren (VG.2021.00023 und VG.2022.00002, VG.2022.00035, VG.2022.00044) aufzuteilen, und aufgrund der bereits festgestellten ungenügenden Abklärungen hälftig auf die Beschwerdegegnerinnen aufzuteilen sind.

 

3.3 Die Beschwerdegegnerin 2 macht geltend, die Kosten des Gerichtsgutachtens seien überhöht. Sie beantragt die Streichung einzelner Posten, wobei sie sich an den vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) hierzu festgelegten Tarifen orientiert. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass in der Konstellation eines durch ein kantonales Versicherungsgericht angeordneten Gutachtens keine Bindung an ebendiese Tarife besteht (BGE 143 V 269 E. 7.2). Sie können zwar als Richtschnur dienen. Dies jedoch lediglich, sofern sie eine dem Fall angepasste Lösung zulassen (BGE 143 V 269 E. 7.3). Mit Blick auf die vorliegend langwierigen und juristisch sowie medizinisch äusserst komplexen Verfahren, den durch die Gerichtsgutachter durchgeführten ausgiebigen Abklärungen, welche das umfangreiche Gutachten widerspiegelt, sind die von der MEDAS geltend gemachten Posten sowie die ausgewiesenen Kosten in der Höhe von insgesamt Fr. 71'050.10 sachlich vertretbar (BGE 143 V 269 E. 7.3). Dementsprechend sind die Beschwerdegegnerinnen zu verpflichten, dem Verwaltungsgericht für die vorliegenden Verfahren je Fr. 17'762.50 zu bezahlen, wobei die restlichen Kosten in den beiden übrigen Verfahren (VG.2022.00035, VG.2022.00044) aufzuerlegen sind.

Demgemäss beschliesst die Kammer:

1.

Die Gesuche der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung im Verfahren VG.2022.00002 werden gutgeheissen. Ihr wird in der Person von Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt.

 

2.

Der Rechtsbeistand wird zu Lasten der Gerichtskasse mit Fr. 4'000.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) entschädigt.

 

3.

Die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 139a VRG bleibt vorbehalten.

 

4.

Die Gerichtskasse wird beauftragt, spätestens im März 2029 zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Nachzahlung erfüllt sind.

 

 

und erkennt sodann:

 

1.

Die Beschwerde im Verfahren VG.2021.00023 wird gutgeheissen. Der Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin 1 vom 17. Februar 2021 wird aufgehoben und die Beschwerdegegnerin 1 wird verpflichtet, die Kosten für die beantragten Hilfsmittel zu übernehmen.

 

2.

Die Beschwerde im Verfahren VG.2022.00002 wird abgewiesen.

 

3.

Die Gerichtskosten im Verfahren VG.2021.00023 werden auf die Staatskasse genommen.

 

4.

Die Gerichtskosten im Verfahren VG.2022.00002 in der Höhe von Fr. 600.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Auf deren Erhebung wird infolge Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung jedoch einstweilen verzichtet.

 

5.

Die Beschwerdegegnerin 1 wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids eine Parteientschädigung für das Einspracheverfahren in der Höhe von Fr. 2'000.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

 

6.

Die Beschwerdegegnerin 1 wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids eine Parteientschädigung für das verwaltungsgerichtliche Verfahren in der Höhe von Fr. 8'000.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

 

7.

Die Beschwerdegegnerinnen werden verpflichtet, dem Verwaltungsgericht innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids die anteilsmässigen Kosten für das Gerichtsgutachten in der Höhe von je Fr. 17'762.50 zu bezahlen.

 

8.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

 

 

[…]

 

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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