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Urteil Verwaltungsgericht (GL - VG.2020.00057)

Zusammenfassung des Urteils VG.2020.00057: Verwaltungsgericht

Zusammenfassung: Die Klägerin forderte eine Invalidenrente von der Glarner Pensionskasse, nachdem sie aufgrund einer Operation arbeitsunfähig wurde. Das Versicherungsgericht stellte fest, dass die Klägerin ab dem 10. Dezember 2018 eine Invalidenrente erhalten sollte. Die Glarner Pensionskasse schloss die Klägerin rückwirkend von der obligatorischen Versicherung aus, was jedoch als unrechtmässig angesehen wurde. Es wurde festgestellt, dass die Klägerin Anspruch auf eine Invalidenrente ab dem 10. Dezember 2018 hatte. Die Beklagte wurde in Verzug erklärt und zur Zahlung der rückwirkenden Invalidenrente verpflichtet. Die Klage wurde teilweise gutgeheissen, die Gerichtskosten übernahm die Staatskasse. Die Klägerin erhielt eine Parteientschädigung und unentgeltliche Rechtsverbeiständung.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VG.2020.00057

Kanton:GL
Fallnummer:VG.2020.00057
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VG.2020.00057 vom 16.06.2022 (GL)
Datum:16.06.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Invalidenrente aus BVG: Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, zeitlicher und sachlicher Zusammenhang
Schlagwörter: ähig; Arbeit; Vorsorge; Invalidität; Invaliden; Rente; Arbeitsunfähigkeit; Versicherung; Leistung; Zusammenhang; Beklagten; Recht; Verfahren; Verzug; Klage; Versicherungsgericht; Operation; Pensionskasse; Gallen; Invalidenversicherung; Invalidenrente; Gesundheitsschaden; Urteil; Leistungen; Person; Renten; IV-Stelle
Rechtsnorm: Art. 10 BV ;Art. 102 OR ;Art. 23 BV ;Art. 26a BV ;Art. 34b BV ;
Referenz BGE:133 V 67; 144 V 58;
Kommentar:
Hans-Ulrich Stauffer, Marc Hürzeler, Kratz, Amstutz, Basler Kommentar zur beruflichen Vorsorge, Art. 10 OR BV BVG, 2021

Entscheid des Verwaltungsgerichts VG.2020.00057

Geschäftsnummer: VG.2020.00057 (VG.2022.1157)
Instanz: K2
Entscheiddatum: 16.06.2022
Publiziert am: 11.01.2023
Aktualisiert am: 08.08.2023
Titel: Sozialversicherung - Berufliche Vorsorge (Klage)

Resümee:

Invalidenrente aus BVG: Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, zeitlicher und sachlicher Zusammenhang

Die Beklagte wurde in das Verfahren vor Versicherungsgericht beigeladen und dessen Entscheid wurde ihr gehörig eröffnet. Damit war ihr dessen Anfechtung ohne Weiteres möglich und das darin Enthaltene entfaltet grundsätzlich Bindungswirkung (E. II/4.).
Die Beklagte hat die Klägerin zu Unrecht rückwirkend von der obligatorischen beruflichen Vorsorge ausgeschlossen und sie ist verpflichtet, die Klägerin ab Stellenantritt in die Versicherung aufzunehmen (E. II/5.).
Die Operation, welche letztlich zur vorliegend massgebenden Invalidität der Beschwerdeführerin geführt hat, war zwar in einem Rückfall begründet. Die Arbeitsunfähigkeit und die damit einhergehende Invalidität waren aber nicht auf die zu behandelnde Erkrankung zurückzuführen, sondern waren direkte Folge der während der Operation eingetretenen Verletzung der Arteria basilaris. Dies stellt ein neuer, separater Gesundheitsschaden dar. Damit wurde der sachliche Zusammenhang unterbrochen (E. II/6.2). Der zeitliche Zusammenhang wurde ebenfalls unterbrochen (E. II/6.3). Die invalidenversicherungsrechtlichen Feststellungen des Versicherungsgerichts zur Wartezeit sind im vorliegenden Verfahren nicht verbindlich (E. II/6.4.2).
Die Beklagte ist in Verzug geraten, weshalb sie Verzugszinsen zu leisten hat (E. II/8.).

Teilweise Gutheissung der Klage.

Eine von der Beklagten dagegen erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, wurde vom Bundesgericht am 19. Juli 2023 abgewiesen (9C_381/2022).
 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 16. Juni 2022

 

 

II. Kammer

 

 

Besetzung: Gerichtspräsident MLaw Colin Braun, Verwaltungsrichterin Sally Leuzinger, Verwaltungsrichter Samuel Bisig und Gerichtsschreiberin MLaw Sibylle Lehner

 

 

in Sachen

VG.2020.00057

 

 

 

A.______

Klägerin

 

vertreten durch Prof. Dr. Hardy Landolt, Rechtsanwalt

 

 

 

gegen

 

 

 

Glarner Pensionskasse

Beklagte

 

vertreten durch lic. iur. Peter Rösler, Rechtsanwalt

 

 

 

und

 

 

 

Pensionskasse Graubünden

Beigeladene

 

 

betreffend

 

 

BVG-Leistungen

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

1.1 Die am […] geborene A.______ meldete sich am 30. September 2016 bei der IV-Stelle St. Gallen zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Am 20. Januar 2017 erfolgte ein operativer Eingriff aufgrund eines Meningeoms. Die IV-Stelle sprach ihr ab dem 25. August 2017 berufliche Massnahmen zu und wies das Begehren betreffend weitere berufliche Massnahmen am 27. September 2018 ab. Am 10. Dezember 2018 erfolgte eine weitere Operation wegen eines Rezidiv-Meningeoms, anlässlich derer die Arteria basilaris verletzt wurde. In der Folge stellte die IV-Stelle A.______ mit Vorbescheid vom 19. August 2019 die Zusprache einer ganzen Rente ab dem 1. Juli 2018 in Aussicht, woran sie mit Verfügung vom 12. November 2019 festhielt.

 

1.2 Dagegen erhob A.______ am 6. Dezember 2019 Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und beantragte die Zusprache einer ganzen Invalidenrente bereits ab dem 1. September 2017. Letzteres lud sowohl die Pensionskasse Graubünden als auch die Glarner Pensionskasse ins Verfahren bei und hiess die Beschwerde am 16. August 2021 (Verfahren IV 2019/325) gut. Es sprach A.______ vom 1. Juli 2017 bis 30. September 2018 sowie ab dem 1. Dezember 2018 eine ganze Rente zu. Der Entscheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

 

2.

2.1 A.______ reichte am 28. Mai 2020 beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Glarner Pensionskasse ein. Sie beantragte, die Glarner Pensionskasse sei zu verpflichten, ihr mit Wirkung ab dem 10. Dezember 2018 eine jährliche Invalidenrente in der Höhe von Fr. 15'684.- zuzüglich einer Kinderrente von Fr. 3'137.- pro Kind, zuzüglich Zins zu 5 % bis zum Urteilszeitpunkt nach mittlerem Verfall, zu bezahlen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Glarner Pensionskasse sowie unter Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung.

 

2.2 Die Glarner Pensionskasse beantragte am 14. Juli 2020 die Sistierung des Verfahrens, bis ein rechtskräftiger Entscheid im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren vorliege. Das Verwaltungsgericht sistierte das Verfahren am 28. August 2020 und nahm es am 15. November 2021 wieder auf.

 

2.3 Am 10. Dezember 2021 schloss die Glarner Pensionskasse auf Abweisung der Klage. Nachdem das Verwaltungsgericht die Pensionskasse Graubünden ins Verfahren beigeladen hatte, nahm diese am 1. April 2022 Stellung und beantragte die Gutheissung der Klage, soweit als dass die Glarner Pensionskasse zu Leistungen der beruflichen Vorsorge zu verpflichten sei; ohne Kosten- und Entschädigungsfolgen zu ihren Lasten.

 

2.4 Das Verwaltungsgericht edierte am 21. April 2022 bei der IV-Stelle St. Gallen die invalidenversicherungsrechtlichen Akten. Diese wurden am 26. April 2022 zugestellt.

 

II.

1.

Das Verwaltungsgericht ist gemäss Art. 109 lit. e des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Mai 1986 (VRG) i.V.m. Art. 73 Abs. 1 und 3 des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 (BVG) zur Behandlung der vorliegenden Klage zuständig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Klage einzutreten.

 

2.

2.1

2.1.1 Die obligatorische berufliche Vorsorge umfasst alle Massnahmen auf kollektiver Basis, die älteren Menschen, den Hinterbliebenen und Invaliden beim Eintreten eines Versicherungsfalls (Alter, Tod Invalidität) zusammen mit den Leistungen der eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise erlauben (Art. 1 Abs. 1 BVG). Die obligatorische Versicherung beginnt mit Stellenantritt (Art. 10 Abs. 1 BVG). Davon ausgenommen sind unter anderem Personen, die im Sinne der Invalidenversicherung zu mindestens 70 % invalid sind, sowie Personen, die nach Art. 26a BVG provisorisch weiterversichert werden (Art. 1j Abs. 1 lit. d der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 18. April 1984 [BVV 2]). Wird die Rente der Invalidenversicherung nach Verminderung des Invaliditätsgrads herabgesetzt aufgehoben, so bleibt die versicherte Person während drei Jahren zu den gleichen Bedingungen bei der leistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung versichert, sofern sie vor der Herabsetzung Aufhebung der Rente an Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 (IVG) teilgenommen hat die Rente wegen der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit Erhöhung des Beschäftigungsgrads herabgesetzt aufgehoben wurde (Art. 26a BVG). Obligatorisch Versicherte bleiben für das Risiko der Invalidität zusätzlich während eines Monats nach Auflösung des Vorsorgeverhältnisses bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung versichert, sofern nicht vorher ein neues Vorsorgeverhältnis begründet wird (Art. 10 Abs. 3 BVG).

 

2.1.2 Anspruch auf Invalidenleistungen der obligatorischen beruflichen Vorsorge haben Versicherte, die im Sinne der Invalidenversicherung zu mindestens 40 % invalid sind und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert waren (Art. 23 lit. a BVG). Versicherte sind in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt, wenn sie ihr funktionelles Leistungsvermögen im bisherigen Beruf Aufgabenbereich eingebüsst haben. Die Arbeitsunfähigkeit nach Art. 23 lit. a BVG muss erheblich und dauerhaft sein. Als erheblich gilt eine Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im Umfang von mindestens 20 %. Als dauerhaft gilt sie, wenn es sich nicht bloss um kurzfristige Arbeitsplatzabsenzen von wenigen Tagen Wochen handelt (Marc Hürzeler/Jürg Brühwiler, in Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. XIV, Sozialversicherung, 3. A., Basel 2016, L. Rz. 148). Es muss arbeitsrechtlich in Erscheinung treten, dass die versicherte Person an Leistungsvermögen eingebüsst hat (BGer-Urteil 9C_517/2020 vom 28. Januar 2021 E. 3.2, mit Hinweisen). Dabei sind die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen, namentlich die Art des Gesundheitsschadens, dessen prognostische Beurteilung durch die Ärztinnen und Ärzte sowie die Beweggründe, welche die versicherte Person zur Wiederaufnahme Nichtwiederaufnahme einer Arbeit veranlasst haben (BGer-Urteil 9C_570/2021 vom 20. Dezember 2021 E. 4.3, mit Hinweis).

 

2.1.3 Ein Anspruch auf Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge setzt einen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der während der Dauer des Vorsorgeverhältnisses (einschliesslich der Nachdeckungsfrist nach Art. 10 Abs. 3 BVG) bestandenen Arbeitsunfähigkeit und der allenfalls erst später eingetretenen Invalidität voraus. Der Gesundheitsschaden, der zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat, muss daher von der Art her im Wesentlichen derselbe sein, der der Erwerbsunfähigkeit zu Grunde liegt (BGer-Urteil 9C_570/2021 vom 20. Dezember 2021 E. 2.1.2, mit Hinweisen).

 

2.2 Ein Entscheid einer IV-Stelle ist für eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge verbindlich, sofern sie in das invalidenversicherungsrechtliche Verfahren einbezogen wurde, die konkrete Fragestellung für die Beurteilung des Rentenanspruchs gegenüber der Invalidenversicherung entscheidend war und sich die invalidenversicherungsrechtliche Betrachtungsweise aufgrund einer gesamthaften Prüfung der Akten nicht als offensichtlich unhaltbar erweist. Die Bindungswirkung vermag sich indessen nicht auf Feststellungen zu erstrecken, welche für die Festlegung des Anspruchs auf eine Rente der Invalidenversicherung nicht entscheidend waren. Eine Bindungswirkung entfällt unter anderem dann, wenn die Rente der Invalidenversicherung aufgrund einer verspäteten Anmeldung ausgerichtet wird. Diesfalls besteht kein Anlass für die IV-Stelle, den Verlauf der Arbeitsunfähigkeit vor dem Zeitpunkt der Anmeldung zu prüfen, womit hinsichtlich weiter zurückliegender Zeiten eine Verbindlichkeit allfälliger Feststellungen und Beurteilungen der IV-Stelle für die Vorsorgeeinrichtung von vornherein ausser Betracht fällt (BGE 133 V 67 E. 4.3.2; BGer-Urteil 9C_464/2015 vom 31. Mai 2016 E. 2.4.1 f., mit Hinweisen).

 

2.3 Der Zeitpunkt des Eintritts der berufsvorsorgerechtlich relevanten Arbeitsunfähigkeit muss mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein (BGer-Urteil 9C_388/2021 vom 17. November 2021 E. 4.3, mit Hinweisen). Dabei gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, d.h. die Beweise sind frei, ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, sowie umfassend und pflichtgemäss vom Gericht zu würdigen (vgl. BGE 125 V 351 E. 3a).

 

3.

3.1 Die Klägerin macht geltend, die rückwirkende Stornierung des Vorsorgeverhältnisses durch die Beklagte sei unrechtmässig erfolgt. Sie sei während des streitbetroffenen Arbeitsverhältnisses bei der B.______ zu mindestens 70 % arbeitstätig gewesen, womit sie nicht als Vollinvalide habe gelten können. Damit sei der Anschluss an die Beklagte folgerichtig gewesen und sie habe, da der Leistungsfall während der Versicherungsdauer bei der Beklagten eingetreten sei, Anspruch auf Leistungen aus beruflicher Vorsorge. Sofern sie nicht dem Versichertenkreis unterstellt werden könne, erhalte sie nur eine BVG-Rente der Beigeladenen aufgrund ihrer Tätigkeit als […]. Der dort versicherte Lohn decke jedoch lediglich das Pensum von 20 % und nicht das zusätzlich ab Oktober 2018 bestehende Pensum von 40 % ab. Da erst der Operationsunfall im Dezember 2018 zu einer vollständigen Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit geführt habe, müsse sie von der Beklagten für den bei ihr versicherten Lohn eine Invalidenrente aus BVG erhalten. Die Beigeladene werde für eine allfällige Invalidität vor der Anstellung bei der B.______ einstehen müssen. Diese Invalidität könne aber nicht höher als 20 % sein. Weil sie, die Klägerin, ab dem 15. Oktober 2018 im Umfang von 40 % erwerbstätig und zudem im Haushalt tätig gewesen sei, sei die 70 %-Klausel gemäss Art. 1j Abs. 1 lit. d BVV 2 nicht anwendbar und müsste ohnehin auf die einzelnen Vorsorgeverhältnisse aufgeteilt werden. Diesfalls komme Art. 1j Abs. 1 lit. d BVV 2 nicht im vollem Umfang zum Tragen, was ebenfalls zur Leistungspflicht der Beklagten führe. Sodann sei Letztere zwar nicht an die Erkenntnisse aus dem IV-Verfahren gebunden. Es mute allerdings widersprüchlich an, wenn sich die Beklagte dabei gleichzeitig auf den Ausschlussgrund gemäss Art. 1j Abs. 1 lit. d BVV 2 berufe.

 

3.2 Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, das invalidenversicherungsrechtliche Urteil des Versicherungsgerichts St. Gallen sei für sie und die Beigeladene bindend. Darin sei festgehalten worden, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin, deren Ursache zur Invalidität geführt habe, am 8. Juli 2016 eingetreten sei und die im Dezember 2018 erneut aufgetretene Arbeitsunfähigkeit und Invalidität auf die gleiche Ursache zurückzuführen sei. Folglich sei bereits verbindlich festgehalten worden, dass die berufsvorsorgerechtlich relevante Arbeitsunfähigkeit während jener Zeit eingetreten sei, als die Klägerin bei der Beigeladenen versichert gewesen sei, und dass die im Dezember 2018 erneut aufgetretene Invalidität auf keine neue Ursache zurückzuführen sei. Nach Eintritt der ersten Arbeitsunfähigkeit habe die Klägerin von zahlreichen Massnahmen der IV-Stelle St. Gallen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG profitieren dürfen. Dies bewirke für die Klägerin das Privileg einer dreijährigen Weiterversicherung bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung zu den gleichen Konditionen (Art. 26a Abs. 1 BVG). Sie sei deshalb trotz der Herabsetzung des Invaliditätsgrads von Gesetzes wegen weiterhin bei der Beigeladenen zu den bisherigen Konditionen versichert geblieben und nicht bei ihr, der Beklagten, der obligatorischen Versicherung unterstellt gewesen (Art. 1j Abs. 1 lit. d BVV 2). Aus diesem Grund habe sie die Aufnahme der Klägerin rückwirkend aufheben und die für Oktober 2018 geleisteten Beiträge zurückfordern müssen. Es sei weder der enge zeitliche noch der sachliche Zusammenhang unterbrochen worden, da die Klägerin beim Eintritt in die Beklagte bereits zu 35 % invalid gewesen und die IV-Rente nur gerade während zwei Monaten ausgesetzt worden sei. Soweit dennoch von einer Leistungspflicht der Beklagten für die im Dezember 2018 eingetretene Invalidität ausgegangen werde, sei einerseits die Subrogation und Zession der weiteren Ansprüche an die Beklagte zu beachten, da abgeklärt werden müsse, ob die Unfallversicherung leistungspflichtig sei ob ein Dritter für den Vorsorgefall hafte. Andererseits sei die Höhe der beantragten Kinderrenten zu überprüfen. Schliesslich richte sich die Verzinsung von allfälligen Rentenzahlungen nach Art. 105 Abs. 1 des Obligationenrechts vom 30. März 1911 (OR), weshalb erst vom Tag der Klageanhebung an bzw. noch gar keine Verzugszinsen zu bezahlen seien, da die Beklagte bis zur Abtretung der Forderung gegen den haftpflichtigen Dritten nicht in Verzug geraten könne.

 

3.3 Die Beigeladene bringt vor, vorliegend handle es sich nicht um einen Fall von Art. 26a BVG. Art. 8a IVG und Art. 26a BVG seien im Rahmen der 6a-Revision eingeführt worden. Diese habe zum Ziel gehabt, auch bereits länger Rente beziehende Personen wiedereinzugliedern und sie hierbei bei Rückfällen zu schützen. Die Normen griffen lediglich dann, wenn jemand aus einer laufenden Rente wiedereingegliedert werden könne, worauf bereits der Titel von Art. 8a IVG hinweise. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Vielmehr gehe es um den Normalfall gemäss Art. 8 IVG, womit Art. 26a BVG nicht anwendbar und sie, die Beigeladene, dementsprechend nicht leistungspflichtig sei. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der bei ihr eingetretenen Arbeitsunfähigkeit und der Invalidität sei sodann unterbrochen worden. Ein solcher Unterbruch sei mit Blick auf die Rechtsprechung gegeben, wenn während mehr als drei Monaten eine Arbeitsfähigkeit von über 80 % in einer angepassten Erwerbstätigkeit gegeben sei und die Tätigkeit bezogen auf die angestammte Tätigkeit die Erzielung eines rentenausschliessenden Einkommens erlaube. Vorliegend habe ab 1. Juli 2018 bis 9. Dezember 2018 eine Arbeitsfähigkeit von 100 % bestanden, was der Arbeitgeber der Klägerin bestätigt habe. Überdies sei sie als […] voll leistungsfähig und an der Gründung einer Firma als Verwaltungsrätin massgeblich beteiligt gewesen. Die IV-Rente sei nur aufgrund der Dreimonatsfrist gemäss Art. 88a der Verordnung über die Invalidenversicherung vom 17. Januar 1961 (IVV) per 30. September 2018 eingestellt worden. Demgemäss sei die Klägerin während mehr als fünf Monaten in einer angepassten Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig gewesen, womit der zeitliche Konnex unterbrochen worden sei. Man habe auch aufgrund der Aufnahme des Masterstudiums von einer dauerhaften Wiederaufnahme der Arbeit ausgehen können und letztlich sei ein Arztfehler das invalidisierende Ereignis gewesen. Die Versicherte habe gemäss dem Urteil des Versicherungsgerichts St. Gallen bei der neuen Tätigkeit zudem ein rentenausschliessendes Einkommen generieren können. Bei dieser Ausganglage komme eine Leistungspflicht ihrerseits nicht in Frage.

 

4.

Im vorliegenden Fall wurde die Beklagte in das Verwaltungsverfahren bei der Invalidenversicherung nicht miteinbezogen. Ihr wurden weder der Vorbescheid noch die daraufhin ergangene Verfügung zugestellt. In das Verfahren vor dem Versicherungsgericht St. Gallen wurde sie demgegenüber beigeladen und der Entscheid vom 16. August 2021 wurde ihr mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gehörig eröffnet. Damit war ihr dessen Anfechtung ohne Weiteres möglich, weshalb das darin Enthaltene grundsätzlich Bindungswirkung entfaltet (vgl. aber nachstehende E. II/6.4 f.).

 

5.

5.1 Zunächst ist zu prüfen, ob die Beklagte die Klägerin am 22. November 2019 zu Recht rückwirkend von der obligatorischen Versicherung ausschloss. Die Klägerin begann ihre Anstellung bei der B.______ am 15. Oktober 2018, womit ab diesem Zeitpunkt ein diesbezügliches Versicherungsverhältnis zur Diskussion steht (Art. 10 Abs. 1 BVG). Dabei sind gemäss Art. 1j Abs. 1 lit. d BVV 2 diejenigen Arbeitnehmerinnen nicht obligatorisch versichert, welche im Sinne der Invalidenversicherung entweder zu 70 % invalid sind, nach Art. 26a BVG bei einer anderen Vorsorgeeinrichtung provisorisch weiterversichert sind.

 

5.2 Am 16. August 2021 hielt das Versicherungsgericht St. Gallen verbindlich fest, dass ab dem 1. Oktober 2018 (und damit vor Stellenantritt bei der B.______) ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 35 % bestanden habe. Folglich fällt die Ausschlussvariante gemäss Art. 1j Abs. 1 lit. d BVV 2 von vornherein ausser Betracht.

 

5.3 Sodann handelt es sich vorliegend auch um keine Konstellation im Sinne von Art. 26a BVG. Diese Bestimmung wurde im Rahmen der IV-Revision 6a eingeführt und betrifft Personen, deren IV-Rentenanspruch revisionsweise reduziert aufgehoben wurde (Markus Moser, in Marc Hürzeler/Hans-Ulrich Stauffer [Hrsg.], Basler Kommentar zur beruflichen Vorsorge, Basel 2021, Art. 26a BVG N. 18). Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall, zumal sie von der IV-Stelle eine durchgehende Rente und vom Versicherungsgericht St. Gallen eine befristete sowie nach einem kurzen Unterbruch eine unbefristete ganze Rente zugesprochen erhalten hat. Ihr wurden überdies auch keine Wiedereingliederungsmassnahmen gemäss Art. 8a IVG zugesprochen. Solche gelten nämlich, worauf bereits der Titel der Bestimmung hinweist, für Rentenbezügerinnen mit Eingliederungspotenzial, was die Klägerin zum massgebenden Zeitpunkt nicht war. Sinn und Zweck von Art. 26a BVG ist überdies die Unterstützung der Wiedereingliederung von Rentenbezügerinnen auch aus berufsvorsorgerechtlicher Sicht. Die Klägerin wurde nicht wiedereingegliedert aus einer Rentensituation. Vielmehr wurde versucht, sie auf dem Arbeitsmarkt zu unterstützen, damit gar nicht erst lediglich ein reduzierter Rentenanspruch entsteht.

 

Damit findet Art. 1j Abs. 1 lit. d BVV 2 i.V.m. Art. 26a BVG vorliegend keine Anwendung, weshalb die Beklagte die Klägerin im Ergebnis zu Unrecht ausgeschlossen hat. Die Beklagte ist somit verpflichtet, die Klägerin ab Stellenantritt bzw. am 15. Oktober 2018 obligatorisch zu versichern (vgl. Esther Amstutz/Aline Kratz-Ulmer, in Marc Hürzeler/Hans-Ulrich Stauffer [Hrsg.], Basler Kommentar zur beruflichen Vorsorge, Basel 2021, Art. 10 BVG N. 10 ff.).

 

6.

6.1 Weiter ist unbestritten und wurde vom Versicherungsgericht St. Gallen für das vorliegende Verfahren verbindlich festgestellt, dass bei der Klägerin eine andauernde Invalidität besteht. Sodann bestand ab der Operation vom 10. Dezember 2018 eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit, was von den Parteien zu Recht nicht bestritten wird. Da im vorliegenden Fall Arbeitsunfähigkeit und Invalidität zeitgleich eingetreten sind, erweist sich der enge sachliche und zeitliche Zusammenhang überdies als offensichtlich. Fraglich und zu prüfen bleibt jedoch, ob die Invalidität – wie von der Beklagten geltend gemacht – auf eine frühere Arbeitsunfähigkeit zurückzuführen bzw. vorbestehend ist.

 

6.2

6.2.1 Die Operation der Klägerin vom 10. Dezember 2018 war in einem erneuten Hirntumor begründet, wobei es sich gemäss medizinischen Unterlagen um einen Rückfall handelte. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Zusammenhang des erneut aufgetretenen Tumors mit den 2017 bestehenden Beschwerden und der damit zusammenhängenden Arbeitsunfähigkeit überwiegend wahrscheinlich. Indessen ist die Arbeitsunfähigkeit ab der Operation vom 10. Dezember 2018 entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf den Hirntumor zurückzuführen. Die im Recht liegenden medizinischen Akten erhellen nämlich, dass die Arbeitsunfähigkeit bzw. die Invalidität auf die während der Operation eingetretene Verletzung der Arteria basilaris zurückzuführen ist. Dies stellt einen neuen, separaten Gesundheitsschaden dar, welcher losgelöst von der Tumorerkrankung und den daraus folgenden Sehbeschwerden zu betrachten ist. Die Verletzung hat dabei eigenständige, völlig neue Beschwerden (u.a. Lähmung, fehlende Kommunikationsfähigkeiten) und letztlich eine intensive Pflegebedürftigkeit hervorgerufen. Dies ist keine reguläre ohne Weiteres vorhersehbare Folge einer solchen Operation und damit vom zu operierenden Gesundheitsschaden unabhängig, worauf letztlich zusätzlich hinweist, dass die erste, ähnliche Operation komplikationslos verlaufen ist.

 

6.2.2 Im Ergebnis bestand ab dem 10. Dezember 2018 somit ein neuer Gesundheitsschaden, welcher zu einer neuen Arbeitsunfähigkeit und Invalidität geführt hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist darin keine Verschlechterung einer bei Versicherungsbeginn vorbestandenen Beeinträchtigung der Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit zu sehen. Vielmehr ist die Arbeitsunfähigkeit und die Invalidität auf eine neu hinzutretende medizinische Schadensursache zurückzuführen (vgl. Moser, Art. 23 BVG N. 7). Schliesslich erwähnt die Beklagte in ihrer Klageantwort selbst, dass die im Dezember 2018 erneut eingetretene Invalidität der Klägerin gemäss medizinischer Unterlagen auf eine Läsion der Arteria basilaris während der erneuten Operation des Hirntumors zurückzuführen sei. Sie hält überdies fest, dass eine schwerwiegende Abweichung zwischen dem gewünschten und dem erreichten Ergebnis der Operation bestehe. Insgesamt wurde der sachliche Zusammenhang der Invalidität mit dem vorbestehenden Gesundheitsschaden des früheren Hirntumors und der Sehbeschwerden unterbrochen.

 

6.3 Des Weiteren wurde aber auch der zeitliche Zusammenhang durch den Operationsvorfall am 10. Dezember 2018 unterbrochen, wobei diesbezüglich die Arbeitsfähigkeit und nicht die Invalidität massgebend ist (vgl. Hürzeler/Brühwiler, L. Rz. 156). Die Unterbrechung des zeitlichen Zusammenhangs ist gegeben, wenn die versicherte Person während mindestens drei Monaten zu mindestens 80 % arbeitsfähig ist und eine dauerhafte Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit als objektiv wahrscheinlich erscheint (vgl. BGE 144 V 58 E. 4.4, mit Hinweisen; Moser, Art. 23 BVG N. 64). Die Klägerin war vom 1. August 2018 bis zum 9. Dezember 2018 zu 100 % arbeitsfähig, was das Versicherungsgericht St. Gallen verbindlich festgehalten hat. Mit einer mehr als viermonatigen vollen Arbeitsfähigkeit ist damit eine Unterbrechung des zeitlichen Zusammenhangs überwiegend wahrscheinlich. Sowohl die IV-Stelle, die verschiedenen Arbeitgeber als auch die Hochschule, bei welcher die Klägerin eine Weiterbildung begonnen hatte, gingen von einer hohen gar vollen Leistungsfähigkeit vor der Operation aus, was ebenfalls für eine zeitweise Arbeitsfähigkeit von über 80 % und objektiv für eine dauerhafte Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit spricht.

 

6.4

6.4.1 Die Beklagte macht schliesslich sinngemäss geltend, der sachliche Zusammenhang des vorbestehenden Gesundheitsschadens mit der später eingetretenen Invalidität sei vom Versicherungsgericht St. Gallen im IV-Verfahren verbindlich festgehalten worden. Letzteres erwog, dass die Klägerin gestützt auf Art. 29bis IVV trotz zwischenzeitlicher Renteneinstellung das Wartejahr im Sinne von Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG nicht erneut zu erfüllen habe. Die im Dezember 2018 aufgrund des Tumor-Rezidivs bzw. dessen operativer Entfernung erneut eingetretene Arbeitsunfähigkeit sei ausreichend auf dasselbe Leiden wie die vorher eingetretenen Arbeitsunfähigkeiten zurückzuführen.

 

6.4.2 Hierbei ist zunächst auf den unterschiedlichen Zweck von Art. 29bis IVV und Art. 23 BVG hinzuweisen. Im Rahmen des Invalidenversicherungsrechts ist zu prüfen, ob die versicherte Person Anspruch auf eine Invalidenrente hat. Zweck von Art. 29bis IVV ist dabei unter anderem, erneute Wartezeiten zu vermeiden und zumindest indirekt die Wiedereingliederung zu fördern. Im Rahmen der beruflichen Vorsorge ist demgegenüber nicht nur zu prüfen, ob jemand ein Anrecht auf eine Rente hat, sondern auch gegenüber welcher Vorsorgeeinrichtung ein solcher Anspruch besteht. Art. 23 BVG bildet damit die Abgrenzung der Zuständigkeit bei mehreren Vorsorgeeinrichtungen. Dies bedeutet, dass auch wenn das Versicherungsgericht im IV-Verfahren einen sachlichen Zusammenhang zwischen den vorbestehenden und den danach eingetretenen Arbeitsunfähigkeiten annahm, dies nicht ohne Weiteres auf die berufliche Vorsorge übertragen werden kann, wobei im vorliegenden Fall aufgrund des oben Dargelegten weiterhin von einer Unterbrechung des sachlichen Zusammenhangs auszugehen ist. Hinzuweisen ist immerhin darauf, dass in der beruflichen Vorsorge der sachliche und zeitliche Zusammenhang kumulativ vorliegen müssen, weshalb selbst bei verbindlichen Feststellungen des Versicherungsgerichts zum sachlichen Zusammenhang der dargelegte fehlende zeitliche Zusammenhang des vorbestehenden Gesundheitsschadens zu einer Zuständigkeit der Beklagten führen würde (vgl. Moser, Art. 23 BVG N. 49 ff.).

 

6.5 Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass die Beklagte die ab dem 15. Oktober 2018 zuständige Vorsorgeeinrichtung war und nicht berechtigt war, das Vorsorgeverhältnis rückwirkend aufzulösen. Während des streitbetroffenen Vorsorgeverhältnisses entstand sodann der relevante Gesundheitsschaden, die entsprechende Arbeitsunfähigkeit und somit auch die vorliegend massgebende Invalidität. Die Arbeitsunfähigkeit steht mit der Invalidität in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang. Der vorbestehende Gesundheitsschaden und die dazugehörige Arbeitsunfähigkeit stehen demgegenüber nicht überwiegend wahrscheinlich in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der im Dezember 2018 eingetretenen Invalidität. Da der Beklagten das Urteil des Versicherungsgerichts St. Gallen gehörig eröffnet wurde, ist sie an das darin Enthaltene grundsätzlich gebunden (vgl. vorstehende E. II/4). Demgemäss hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf eine BVG-Rente in gleichem Umfang zur IV-Rente, bzw. auf eine ganze Invalidenrente ab dem 10. Dezember 2018. Auf die weiteren Vorbringen der Beklagten ist sodann nicht weiter einzugehen, da diese nicht durch das Verwaltungsgericht als Berufsvorsorgegericht zu klären sind. Darüber hinaus ist ein allfälliger Rentenanspruch gegenüber der Beigeladenen für die Invalidität vom 1. Juli 2017 bis zum 30. September 2018 nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Beklagte hat die Klägerin somit rückwirkend ab dem 15. Oktober 2018 in die Versicherung aufzunehmen, die Berechnung der Renten inklusive Kinderrenten vorzunehmen und allfällige Abtretungen und Regressansprüche zu prüfen (vgl. auch nachstehende E. II/7).

 

7.

7.1 Im Bereich der beruflichen Vorsorge ist die Pflicht zur Entrichtung von Verzugszinsen bei einer verspäteten Überweisung von Freizügigkeitsleistungen sowie bei verspäteter Auszahlung eines Alterskapitals bei Invalidenrenten anerkannt (BGer-Urteil 9C_588/2020 vom 18. Mai 2021 E. 5.1.1 f., mit Hinweis). Die Beklagte macht geltend, aufgrund der fehlenden Abtretungserklärung der Klägerin habe sie mit ihrer Leistungspflicht noch nicht in Verzug geraten können. Dem ist nicht zu folgen. Zunächst müsste die Klägerin eine allfällige Abtretungserklärung gemäss Art. 18 Abs. 2 des Basisreglements der Beklagten vom 25. September 2014 (BR) bloss betreffend der Leistungen aus Überobligatorium abgeben, da bezüglich der obligatorischen Leistungen mit Art. 34b BVG eine gesetzliche Subrogation im Zeitpunkt des haftpflichtauslösenden Ereignisses eintritt (Max B. Berger, in Marc Hürzeler/Hans-Ulrich Stauffer [Hrsg.], Basler Kommentar zur beruflichen Vorsorge, Basel 2021, Art. 34b BVG N. 23, 29). Da der Klägerin keine fehlende Handlung vorgeworfen werden kann, ist die Beklagte bezüglich der obligatorischen Leistungen in Verzug geraten.

 

7.2 Des Weiteren ist die Beklagte aber auch bezüglich der Leistungen aus Überobligatorium in Verzug geraten. Art. 18 Abs. 2 BR sieht vor, dass eine Abtretung nur insoweit verlangt wird, als dass die Leistungen der Pensionskasse zusammen mit dem vom Dritten für den gleichen Zeitpunkt geschuldeten Ersatz den entsprechenden Schaden übersteigen. Wenn noch gar keine Leistungen der Pensionskasse existieren, beispielsweise, weil diese wie im vorliegenden Fall ihre Leistungspflicht bestreitet, ist eine Abtretungserklärung noch nicht möglich. Die Klägerin muss ihre Forderung nur insoweit abtreten, als sie überentschädigt würde. Solange nicht klar ist, welche Entschädigung bzw. welche Leistung sie überhaupt erhält, ist sie nicht zur Abtretung verpflichtet und ihr kann dies nicht zum Nachteil gereichen. Damit ist die Beklagte mit ihrer Leistung in Verzug geraten und hat entsprechend Verzugszins zu leisten.

 

7.3 Enthält das Basisreglement keine Bestimmungen über die Höhe des Verzugszinses, beträgt dieser 5 % gemäss Art. 104 Abs. 1 OR. Damit richtet sich der Beginn der Zinspflicht nach Art. 105 Abs. 1 OR, wonach ein Schuldner, der mit der Entrichtung von Renten im Verzug ist, vom Tag der Anhebung der Betreibung der gerichtlichen Klage an Verzugszins zu bezahlen hat (Hans-Ulrich Stauffer, in Hans-Ulrich Stauffer/Basile Cardinaux [Hrsg.], Rechtsprechung des Bundesgerichts zur beruflichen Vorsorge, 4. A., Zürich/Basel/Genf 2019, S. 108). Mangels einer Bestimmung im Basisreglement der Beklagten richtet sich die Verzugszinspflicht für fällige Invalidenrenten vorliegend nach Art. 102 ff. OR. Die Klägerin reichte die zu beurteilende Klage am 28. Mai 2020 ein, weshalb von diesem Zeitpunkt an Zinsen von 5 % geschuldet sind.

 

Im vorliegenden Fall gilt seit dem 1. Januar 2021 indessen eine neue Regelung im Basisreglement der Beklagten, wonach nachzuzahlende Vorsorgeleistungen ab dem Tag der gerichtlichen Klage mit Verzugszins gemäss Art. 7 der Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 3. Oktober 1994 (FZV) verzinst werden. Gemäss Art. 7 FZV entspricht der Verzugszinssatz dem BVG-Mindestzinssatz plus einem Prozent. Für das Jahr 2021 und 2022 entspricht der BVG-Mindestzinssatz jeweils 1 %. Damit sind ab dem 1. Januar 2021 Zins von 2 % geschuldet.

 

Dies führt zur teilweisen Gutheissung der Klage. Die Klägerin hat zu Lasten der Beklagten ab dem 10. Dezember 2018 Anspruch auf eine auf einem Invaliditätsgrad von 100 % basierende Invalidenrente, zuzüglich Zins von 5 % ab dem 28. Mai 2020 bis zum 31. Dezember 2020, zuzüglich Zins von 2 % ab dem 1. Januar 2021. Die Sache ist an die Beklagte zur betragsmässigen Festsetzung der Invalidenrente aus BVG sowie allfälliger Kinderrenten zu überweisen.

 

III.

1.

Die Gerichtskosten sind von Gesetzes wegen auf die Staatskasse zu nehmen (Art. 73 Abs. 2 BVG). Ausgangsgemäss hat die Klägerin gemäss Art. 138 Abs. 2 VRG zu Lasten der Beklagten Anspruch auf eine Parteientschädigung in der Höhe von pauschal Fr. 2'000.- (inkl. Mehrwertsteuer).

 

2.

2.1 Die Klägerin beantragt die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung sowie der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung. Gemäss Art. 139 Abs. 1 VRG befreit die Behörde eine Partei, der die Mittel fehlen, um neben dem Lebensunterhalt für sich und ihre Familie die Verfahrenskosten aufzubringen, auf Gesuch hin ganz teilweise von der Kosten- und Vorschusspflicht, sofern das Verfahren nicht aussichtslos ist. Unter denselben Voraussetzungen weisen die kantonalen Behörden der Partei auf Gesuch hin von Amtes wegen einen Anwalt als Rechtsbeistand zu, sofern ein solcher für die gehörige Interessenwahrung erforderlich ist (Art. 139 Abs. 2 VRG). Der Nachweis der Bedürftigkeit obliegt der gesuchstellenden Partei (Art. 139 Abs. 3 VRG).

 

2.2 Da die Gerichtskosten auf die Staatskasse zunehmen sind, ist das Gesuch der Klägerin um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung als gegenstandslos geworden abzuschreiben.

 

2.3 Die Mittellosigkeit der Klägerin erscheint aufgrund der Aktenlage als gegeben. Zudem obsiegt sie teilweise im vorliegenden Verfahren, womit dieses nicht als aussichtslos bezeichnet werden kann. Da die Klägerin auf eine rechtliche Vertretung angewiesen war, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung gutzuheissen und ihr ist in der Person von Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen. Dieser ist mit Fr. 2'000.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen, woran die Parteientschädigung seitens der Beklagten anzurechnen ist.

Demgemäss beschliesst die Kammer:

1.

Das Gesuch der Klägerin um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben.

2.

Das Gesuch der Klägerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung wird gutgeheissen. Ihr wird in der Person von Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt.

3.

Der Rechtsbeistand wird zu Lasten der Gerichtskasse mit Fr. 2'000.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) entschädigt. Daran angerechnet wird die Parteientschädigung seitens der Beklagten in gleicher Höhe.

und erkennt sodann:

1.

Die Klage wird teilweise gutgeheissen. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin ab dem 10. Dezember 2018 eine auf einem Invaliditätsgrad von 100 % basierende Invalidenrente aus BVG, zuzüglich Zins von 5 % seit dem 28. Mai 2020 bis zum 31. Dezember 2020, zuzüglich Zins von 2 % ab dem 1. Januar 2021 zu bezahlen. Zur betragsmässigen Festsetzung der Invalidenrente aus BVG sowie der Kinderrenten wird die Sache an die Beklagte überwiesen.

2.

Die Gerichtskosten werden auf die Staatskasse genommen.

3.

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

 

[…]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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