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Urteil Verwaltungsgericht (GL - OG.2022.00083)

Zusammenfassung des Urteils OG.2022.00083: Verwaltungsgericht

Die Berufungsklägerin und der Beschuldigte hatten eine aussereheliche Beziehung, die von der Berufungsklägerin als belastend dargestellt wurde. Es gab widersprüchliche Aussagen über den Beginn, die Dauer und den Umgang in dieser Beziehung. Die Berufungsklägerin behauptete, mehrmals vergewaltigt worden zu sein, während der Beschuldigte angab, dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich war. Es gab auch Aussagen von anderen Personen, die die Beziehung und die Vorgänge bestätigten oder widersprachen. Letztendlich gab es keine klare Einigkeit über die Geschehnisse, was zu einem Gerichtsverfahren führte.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts OG.2022.00083

Kanton:GL
Fallnummer:OG.2022.00083
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid OG.2022.00083 vom 28.07.2023 (GL)
Datum:28.07.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Berufung; Beschuldigte; Berufungskläger; Berufungsklägerin; Beschuldigten; Richt; Aussage; Vergewaltigung; Aussagen; Ehemann; Recht; Einvernahme; Wohnung; Apos; Beziehung; Verfahren; Gericht; Kanton; Drohung; Geschlechtsverkehr; Verfahren; Kantons; Messer; Beschimpfung; Urteil
Rechtsnorm: Art. 180 StGB ;Art. 427 StPO ;Art. 428 StPO ;
Referenz BGE:143 IV 154; 145 IV 90;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts OG.2022.00083

Geschäftsnummer: OG.2022.00083 (OGS.2023.157)
Instanz: OG2
Entscheiddatum: 28.07.2023
Publiziert am: 09.11.2023
Aktualisiert am: 09.11.2023
Titel: Vergewaltigung, Nötigung etc.

Resümee:

 

 

Kanton Glarus

 

Obergericht

 

 

Es wirken mit: Obergerichtspräsidentin Dr. iur. Petra Hauser, Oberrichterin Monika Trümpi, Oberrichterin Brigitte Müller, Oberrichter MLaw Mario Marti und Oberrichter Martin Ilg sowie Gerichtsschreiber Dr. iur. Alfonso Hophan.

 

 

Urteil vom 28. Juli 2023

 

Verfahren OG.2022.00083

 

1. A.______

Geschädigte Person,

Privatklägerin und

Berufungsklägerin

 

vertreten durch MLaw Jacques Marti, Rechtsanwalt,

Gerichtshausstrasse 34, Postfach 1622, 8750 Glarus

 

2. Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus

Postgasse 29, 8750 Glarus

Anklägerin

 

gegen

 

B.______

Beschuldigter,

Berufungsbeklagter und

Anschlussberufungskläger

 

verteidigt durch lic. iur. Philipp Langlotz, Rechtsanwalt,

Spielhof 14A, 8750 Glarus

 

betreffend

 

 

Vergewaltigung, Nötigung etc.

 

 

Rechtsbegehren der Berufungsklägerin (gemäss Eingabe vom 24. November 2022 [act. 77, S. 1–2] und mündlich angepasst anlässlich der Berufungsverhandlung vom 23. Juni 2023 [act. 96, S. 3], sinngemäss):

 

1.

Es sei die Ziff. 1 des Urteils des Kantonsgerichts des Kantons Glarus vom 2. November 2022 im Verfahren SG.2021.00058 vollumfänglich aufzuheben.

 

 

2.

Es sei die Ziff. 2 des Urteils des Kantonsgerichts des Kantons Glarus vom 2. November 2022 im Verfahren SG.2021.00058 vollumfänglich aufzuheben.

 

 

3.

Entfällt.

 

 

4.

Es sei die Ziff. 4 des Urteils des Kantonsgerichts des Kantons Glarus vom 2. November 2022 im Verfahren SG.2021.00058 vollumfänglich aufzuheben.

 

 

5.

Es sei die Ziff. 5 des Urteils des Kantonsgerichts des Kantons Glarus vom 2. November 2022 im Verfahren SG.2021.00058 vollumfänglich aufzuheben.

 

 

6.

Es sei die beschuldigte Person der Vergewaltigung im Sinne von Art. 190 Abs. 1 StGB, der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB, der Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 StGB und der Beschimpfung im Sinne von Art. 177 StGB schuldig zu sprechen.

 

 

7.

Es sei der Beschuldigte gemäss Anklage angemessen zu bestrafen.

 

 

8.

Es sei der Beschuldigte zu verpflichten, der Berufungsklägerin den Betrag von CHF 13'170.30 nebst Zins von 5 % seit dem 10. November 2019 als Schadenersatz zu bezahlen.

 

 

9.

Es sei der Beschuldigte zu verpflichten, der Berufungsklägerin eine Genugtuung von CHF 15'000.– nebst Zins von 5 % seit dem 10. November 2019 zu bezahlen.

 

 

10.

Unter gesetzlicher Kosten- und Entschädigungsfolge.

 

 

11.

Es sei der Berufungsklägerin die unentgeltliche Prozessführung und Rechtsvertretung zu bewilligen und Rechtsanwalt MLaw Jacques Marti als unentgeltlicher Rechtsvertreter einzusetzen.

 

Antrag der Staatsanwaltschaft (gemäss Protokoll der Berufungsverhandlung vom 23. Juni 2023 [act. 96, S. 3] und Plädoyernotizen vom 23. Juni 2023 [act. 102, S. 1], sinngemäss):

 

1.

Es sei das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Glarus vom 2. November 2022 zu bestätigen.

 

 

2.

Unter gesetzlicher Kosten- und Entschädigungsfolge.

 

Antrag des Berufungsbeklagten (vom 19. Dezember 2022 [act. 79, S. 2], bestätigt anlässlich der Berufungsverhandlung vom 23. Juni 2023 [act. 96, S. 3], sinngemäss):

 

1.

Das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Glarus vom 2. November 2022 sei in Dispositivziffer 5 aufzuheben und ansonsten vollumfänglich zu bestätigen.

 

 

2.

In Abänderung von Dispositivziffer 5 des Urteils sei der beschuldigten Person eine Entschädigung in der Höhe von CHF 4'763.– zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 28. Januar 2020 sowie eine Genugtuung in der Höhe von CHF 13'600.– zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 17. Februar 2020 auszurichten.

 

 

3.

Alles unter gesetzlicher Kostenfolge.

____________________

 

Das Gericht zieht in Betracht:

 

I. Prozessgeschichte

1.  

Das vorliegende Berufungsverfahren beruht auf den folgenden drei strittigen und in ihrem Sachverhalt nachfolgend noch zu klärenden Vorfällen (vgl. hinten Ziff. IV .):

 

1.1. Gemäss Anklagesachverhalt habe B.______ an einem nicht mehr genauer bestimmbaren Wochentag im Juni 2015 sich in die Familienwohnung von A.______ und C.______ begeben, wo sich A.______ alleine aufgehalten habe. B.______ habe ein Gespräch mit ihr begonnen und darin den Willen geäussert, mit ihr Geschlechtsverkehr haben zu wollen, was sie jedoch verbal abgelehnt habe. Darauf habe B.______ A.______ auf ein Sofa geworfen, das von ihr getragene Kleid hochgeschoben und sich so auf sie gelegt, dass sie ihm nicht entweichen und ihm auch keine physische Gegenwehr habe leisten können. Hierbei habe er zumindest zeitweise ihre Hände seitlich am Körper festgehalten. Nachdem B.______ seine Hose und Unterhose etwas nach unten gezogen und den Slip von A.______ zur Seite geschoben habe, habe er sie mit seinem erigierten Penis vaginal penetriert, bis er zum Samenerguss in ihrer Vagina gekommen sei (act. 1, S. 2, Ziff. 1). Dadurch habe sich B.______ der Vergewaltigung im Sinne von Art. 190 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

 

1.2. Zu nicht mehr genauer bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum von ca. Januar 2019 bis ca. Oktober 2019 habe B.______ in einer nicht mehr genauer bestimmbaren Vielzahl von Fällen von A.______ verbal verlangt, dass diese ihren Ehemann C.______ verlasse und in eine Wohnung mit ihm und zumindest auch ihrem gemeinsamen Sohn D.______ (geb. [...]) zusammenziehen soll. Dabei habe er jeweils zu A.______ gesagt, dass er sie ihre Familie umbringen werde, falls sie seiner Aufforderung nicht nachkommen würde. Diese Äusserungen habe er einerseits in  und andernorts in der Schweiz direkt gegenüber A.______ getätigt, welche sich dabei jeweils in , insbesondere an ihrem Wohnort [...] andernorts in der Schweiz aufgehalten habe, wobei er sich während dieser Gespräche an nicht mehr genauer bestimmbaren Orten in der Schweiz im Ausland befand. Aufgrund dieser Äusserungen sei A.______ in ihrem Sicherheitsgefühl erheblich beeinträchtigt worden, so dass sie aus Furcht um ihr eigenes Wohlergehen und jenes ihrer Familie anfangs Oktober 2019 eine eigene Wohnung gemietet habe, um sich von ihrem Ehemann zu trennen und zumindest in diesem Punkt den Forderungen von B.______ nachzukommen (act. 1, S. 2–3, Ziff. 2). Dadurch habe sich B.______ der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB schuldig gemacht.

 

1.3. Am Samstag, Sonntag Montag, den 9.–11. November 2019 hätten B.______ und A.______ um ca. 21.00 Uhr in , an der [...], in der Küche der dort von A.______ gemieteten Wohnung ein Gespräch geführt, wobei es zu Meinungsverschiedenheiten gekommen sei. Im Verlaufe dieses Gesprächs, bei welchem auch der gemeinsame Sohn D.______ (nachfolgend: gemeinsamer Sohn) anwesend gewesen sei, habe B.______ aus einer Küchenschublade ein Rüstmesser hervorgenommen und dieses mit der Spitze die Kleidung berührend voran gegen den Bauch von A.______ gehalten, wobei er gleichzeitig gesagt habe, er würde sie töten. Zudem habe er auch die Worte `Nutte` und `Prostituierte` an sie gerichtet. A.______, welche diese Äusserungen wahrgenommen habe, sei dadurch in ihrem Sicherheitsgefühl erheblich beeinträchtigt worden und habe zu zittern begonnen, weil sie befürchtet habe, B.______ würde sie töten (act. 1, S. 3, Ziff. 3). Dadurch habe sich B.______ der Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 StGB und der Beschimpfung im Sinne von Art. 177 StGB schuldig gemacht.

 

2.  

2.1. Am 16. Juli 2021 erhob die Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) Anklage gegen B.______ wegen der soeben genannten Tatbestände (act. 1).

 

2.2. Zwei weitere von A.______ behauptete Vergewaltigungen durch B.______ vom Juli 2015 und Juli 2016 2017 (hierbei bestehen Unklarheiten) haben sich ihren Aussagen zufolge in der [...] ereignet. Sie fallen damit ausserhalb des räumlichen Geltungsbereiches des Schweizerischen Strafgesetzbuches und der Schweizerischen Strafprozessordnung (Art. 3 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 StPO), weshalb hierzu keine Anklage erfolgte.

 

3.  

Die Hauptverhandlung vor der Vorinstanz fand am 15. Dezember 2021 (vgl. act. 37 ff.) und am 4. Mai 2022 statt (act. 58 ff.). A.______ und B.______ wurden am 15. Dezember 2021 in separaten Zimmern befragt (act. 38, 41). Mit Urteil vom 2. November 2022 sprach die II. Kammer des Kantonsgerichts Glarus B.______ frei von den Vorwürfen der Vergewaltigung, der Nötigung, der Drohung und der Beschimpfung (act. 73, S. 41, Dispositivziffer 1).

 

4.  

4.1. Gegen dieses Urteil des Kantonsgerichts erhob A.______ (nachfolgend: Berufungsklägerin) mit Eingabe vom 24. November 2022 (act. 77) beim Obergericht rechtzeitig Berufung mit den eingangs wiedergegebenen Anträgen. Mit Eingabe vom 19. Dezember 2022 (act. 79) erhob B.______ (nachfolgend: Beschuldigter) Anschlussberufung mit den eingangs wiedergegebenen Anträgen. Die Vorladung zur Berufungsverhandlung erging am 29. März 2023 (act. 82), wobei der im Ausland wohnhafte Beschuldigte in Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ohne Säumnisfolgen eingeladen wurde (BGE 140 IV 86 E. 2). Mit Eingabe vom 31. Mai 2023 gab der Beschuldigte an, nicht zur Berufungsverhandlung zu erscheinen (act. 90). Mit Eingabe vom 31. Mai 2023 beantragte die Berufungsklägerin den Ausschluss der Öffentlichkeit im Sinne von Art. 70 Abs. 1 lit. a StPO (act. 91), welcher Antrag vom Obergericht mit Schreiben vom 2. Juni 2023 gutgeheissen wurde (act. 93). Die Berufungsverhandlung vor Obergericht fand am 23. Juni 2023 statt (act. 95 ff.).

 

 

II. Formelles

1.  

Das Urteil des Kantonsgerichts vom 2. November 2022 stellt ein taugliches Anfechtungsobjekt dar (Art. 398 Abs. 1 StPO). Die Berufungsklägerin ist als Privatklägerin (Art. 118 Abs. 1 StPO; vgl. act. 2/3.1.01, S. 2 und act. 2/3.1.03, S. 2) zur Berufung legitimiert (Art. 382 Abs. 1 StPO), hat die Rechtsmittelfrist gewahrt und erhebt zulässige Rügen (Art. 398 Abs. 3 StPO; vgl. act. 73, S. 42 [Versand am 4. November 2022], act. 75 [Zustellung am 5. November 2022] und act. 77 [Berufung vom 24. November 2022]). Das Obergericht ist Rechtsmittelinstanz in Strafsachen für die Behandlung von Berufungen (Art. 17 Abs. 1 lit. a des Gerichtsorganisationsgesetzes vom 5. September 2021 [GOG; GS III A/2]). Auf die Berufung ist einzutreten (Art. 398 ff. StPO).

 

2.  

Nach Art. 398 Abs. 3 StPO können mit der Berufung Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerungen und Rechtsverzögerungen (lit. a), die unvollständige unrichtige Feststellung des Sachverhalts (lit. b) sowie Unangemessenheit (lit. c) gerügt werden.

 

3.  

3.1. Die Berufung hat im Umfang der Anfechtung des vorinstanzlichen Urteils aufschiebende Wirkung (Art. 402 StPO). Vorliegend wendet sich die Berufungsklägerin gegen den erstinstanzlich erfolgten Freispruch, gegen die Verweisung der Zivilforderung auf den Zivilweg sowie die Kosten- und Entschädigungsfolge (vgl. die eingangs wiedergegebenen Anträge). Somit hat das Obergericht das vorinstanzliche Urteil im Schuld- und Strafpunkt zu überprüfen (Art. 404 Abs. 1 StPO), wobei es am Ende ein neues Urteil fällt (Art. 408 StPO).

 

3.2. Das Obergericht ist nur für den angeklagten und von der Vorinstanz bereits behandelten Sachverhalt zuständig (act. 97, S. 5). Nachfolgend wird nur insoweit auf die anderen behaupteten Vorfälle ausserhalb der Schweiz (vgl. vorne Ziff. I.2.2.) Bezug genommen, als sie Rückschlüsse auf den vorliegend angeklagten Sachverhalt erlauben.

 

4.  

Die Akten des vorinstanzlichen Verfahrens SG.2021.00058 (act. 1–76) wurden beigezogen. Die Strafuntersuchungsakten des Verfahrens SA.2020.00013 bilden integrierenden Bestandteil der vorinstanzlichen Akten (act. 2).

 

 

III. Vorfrage

1.  

Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 23. Juni 2023 reichte die Berufungsklägerin fünf Tonaufnahmen von Telefongesprächen mit dem Beschuldigten ein und beantragte, diese als Beweismittel ins Recht zu nehmen (act. 101; vgl. act. 96, S. 4). Die Staatsanwaltschaft widersetzte sich diesem Antrag nicht (act. 96, S. 5), wohl aber der Beschuldigte, welcher auf den unbestrittenen Umstand hinwies, dass die Aufnahmen ohne sein Einverständnis erfolgt seien (act. 96, S. 6). Das Obergericht entschied, dass die Tonaufnahmen vorläufig ins Recht genommen und summarisch auf ihren Inhalt überprüft würden (act. 96, S. 7).

 

2.  

Die Dolmetscherin konnte aus der kurzen Sequenz, welche von der Berufungsklägerin anlässlich der Berufungsverhandlung abgespielt wurde, keinen klaren Eindruck geben, da sie nicht alles verstanden habe. Sie sagte lediglich aus, dass es in der abgespielten Sequenz um Geld gehe. Die Berufungsklägerin bestätigte dies und fügte an, dass der Bruder des Beschuldigten im Hintergrund sagen würde, er würde sie umbringen. Kurz vor Ende der Sequenz werde sie vom Beschuldigten als `Hure` bezeichnet und der Beschuldigte sage ihr auch noch, dass er ihre Mutter ficken werde (wobei es sich um eine grobe Beschimpfung und nicht etwa um eine Drohung handelt). Diese letzten Aussagen wurden von der Dolmetscherin bestätigt (vgl. zum Ganzen act. 96, S. 5). Eine weitere summarische Prüfung der Aufnahmen durch eine [...] sprechende Mitarbeiterin der Gerichte des Kantons Glarus ergab, dass die Aufnahmen zwar tatsächlich mehrere Beschimpfungen seitens des Beschuldigten umfassen, jedoch gegenüber den sich widersprechenden Sachverhaltsdarstellungen der Parteien keinen weiteren Erkenntnisgewinn liefern. Die Vergewaltigung werde nur einmal erwähnt und zwar, als der Beschuldigte behauptet, er habe sie nicht vergewaltigt (vgl. act. 101/1). Nichts anderes legt die Berufungsklägerin selber dar (vgl. act. 96, S. 4: `Es sind Beschimpfungen zu hören, Drohungen, sowohl direkte als auch indirekte. Diese Audiodateien werden bestätigen, was die Berufungsklägerin heute den ganzen Vormittag versucht hat zu erklären: Dass es von 2017–2019 eine latente Bedrohungssituation gegeben hat`). Bezüglich dem Zeitpunkt ihrer Entstehung ergibt sich aus dem elektronischen Datum der fünf Dateien, dass zwei davon vom 9. Dezember 2019 und drei davon vom 10. Dezember 2019 stammen, also zeitlich nach den vorliegend angeklagten Vorwürfen aufgenommen worden sind (act. 101). Nach diesen Einschätzungen ist diesen Aufnahmen keine Beweiskraft für die angeklagte und vorliegend zu beurteilende Vergewaltigung, Drohung und Nötigung zuzumessen. Damit sind diese Aufnahmen für das vorliegende Verfahren von keiner Relevanz und erübrigt sich eine weitere Auseinandersetzung mit der Frage der Verwertbarkeit. Die Ausnahmen sind aus dem Recht zu weisen.

 

IV. Sachverhalt

1.  

1.1. Zur Feststellung des massgeblichen Sachverhalts hat das Gericht zunächst sämtliche prozessual zulässigen Beweismittel zu erfassen, welche zur Feststellung des tatbestandserheblichen Sachverhalts beitragen können. Anschliessend hat das Gericht die als relevant erkannten Beweise frei und umfassend zu würdigen (Art. 10 Abs. 2 StPO) und seine Erkenntnis als Beweisergebnis festzustellen. Dieses Beweisergebnis kann je nach Würdigung als gesichert erscheinen, sofern vorhandene Widersprüche bereinigt werden konnten, aber mit Unsicherheiten behaftet bleiben (vgl. zum Ganzen BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.2).

 

1.2. Bestehen nach der Feststellung des Beweisergebnisses unüberwindliche Zweifel an der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat, geht das Gericht in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo (`im Zweifel für den Angeklagten`) von der für die beschuldigte Person günstigeren Sachlage aus (Art. 10 Abs. 3 StPO). Denn der angeklagte Sachverhalt kann der beschuldigten Person nur dann zur Last gelegt werden, wenn er nach Überzeugung des Gerichts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erstellt ist. Eine entsprechende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn die richterliche Überzeugung, dass sich ein Sachverhalt in bestimmter Weise verwirklicht hat, auf einem jeden vernünftigen Zweifel ausschliessenden Urteil eines besonnenen und lebenserfahrenen Beobachters beruht. Abstrakte und theoretische Zweifel sind nicht massgebend, weil solche immer möglich sind; absolute Gewissheit kann nicht verlangt werden (vgl. zum Ganzen BGE 144 IV 345 E. 2.2.1, E. 2.2.3.2 und E. 2.2.3.3).

 

1.3. Liegen für einen eingeklagten Sachverhalt keine direkten Beweise vor, ist auch der sog. indirekte Beweis gestützt auf Indizien zulässig. Hierbei wird aus bestimmten Tatsachen, die nicht unmittelbar rechtserheblich, aber bewiesen sind (Indizien), auf die zu beweisende, unmittelbar rechtserhebliche Tatsache geschlossen. Eine Mehrzahl von Indizien, welche für sich alleine nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die Täterschaft die Tat hinweisen und einzeln betrachtet die Möglichkeit des Andersseins offenlassen, können einen Anfangsverdacht verstärken und in ihrer Gesamtheit ein Bild erzeugen, das bei objektiver Betrachtung keine Zweifel bestehen lässt, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Beim Indizienbeweis gelangt der Grundsatz in dubio pro reo nicht bereits bei der Würdigung der einzelnen Indizien zur Anwendung, sondern kommt erst zum Tragen, wenn das von den Indizien geprägte Gesamtbild steht (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.4; Urteil des Bundesgerichts 6B_1302/2020 vom 3. Februar 2021 E. 1.2.3, je m.w.H.).

 

1.4. Steht zudem Aussage gegen Aussage, ist anhand sämtlicher Umstände, die sich aus den Akten ergeben, zu untersuchen, welche Sachverhaltsdarstellung überzeugend ist, wobei es vorwiegend auf den inneren Gehalt der Aussagen ankommt, verbunden mit der Art und Weise, wie die Angaben erfolgen. Es zählt dabei nicht primär die Persönlichkeit die allgemeine Glaubwürdigkeit der aussagenden Person, sondern die Glaubhaftigkeit der konkreten, im Prozess relevanten Aussagen. Diese sind einer kritischen Würdigung zu unterziehen, wobei auf das Vorhandensein von sogenannten Realitätskriterien wie etwa die logische Konsistenz, Konstanz und Folgerichtigkeit in der Darstellung des Geschehensablaufes, die konkrete und anschauliche Wiedergabe des Erlebnisses sowie eine unvorteilhafte Darstellung der eigenen Rolle Gewicht zu legen ist. Als Hinweis für unglaubhafte Aussagen gelten hingegen etwa Strukturbrüche in den Schilderungen, laufende Anpassungen der Aussagen wenn Aussagen unstimmig widersprüchlich sind (BGE 133 I 33 E. 4.3 S. 45; BGE 129 I 49 E. 5 S. 58; BGE 128 I 81 E. 2 S. 85–86, je m.w.H.; BSK StPO-Hauri/Venetz, N 22 zu Art. 343 StPO).

 

2. Zur Vorgeschichte

2.1. Zur ausserehelichen Beziehung

Der nachfolgend darzustellende Sachverhalt spielte sich vor dem Hintergrund der unbestrittenen ausserehelichen Beziehung zwischen der verheirateten Berufungsklägerin und dem Beschuldigten ab. Obschon diese aussereheliche Beziehung nicht an und für sich strafrechtlich relevant ist, erscheint eine Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Aussagen und Indizien für das nachfolgende Verständnis unumgänglich.

 

2.1.1. Aussagen der Berufungsklägerin

Wie dies sowohl von der Vorinstanz (act. 73, E. IV./3.4., S. 23–24) wie auch von der Verteidigung (act. 96, S. 10–11; act. 102, S. 2) festgestellt wurde, erfuhren die Aussagen der Berufungsklägerin bezüglich ihrer ausserehelichen Beziehung mit dem Beschuldigten signifikante Veränderungen ins Negative.

 

2.1.1.1.   Beginn der ausserehelichen Beziehung

Die Berufungsklägerin bezeichnete in ihrer ersten polizeilichen Einvernahme vom 7. Januar 2020 den Beschuldigten als einen `Kollegen` von ihr, welcher zu einer Zeit, als sie eine Krise mit ihrem Ehemann gehabt habe, zu einer Affäre geworden sei (act. 2/8.1.01, F. 9). Anlässlich ihrer zweiten polizeilichen Einvernahme vom 8. Januar 2020 wiederholte sie, dass aufgrund der Krise mit ihrem Ehemann aus Freundschaft eine Beziehung geworden sei und sie verliebt gewesen sei (act. 2/8.1.03, F. 14). Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 13. Februar 2020 bestätigte sie den Teil von der Ehekrise und dass der Beschuldigte zunächst als guter Kollege in ihr Leben getreten sei, fügte nun aber an, dass er diese Gelegenheit `ausgenutzt` habe (act. 2/10.2.01, Rz. 879–880). Diese Bemerkung, wonach sie gewissermassen schon zu Beginn der ausserehelichen Beziehung ein Opfer des Beschuldigten war, betonte die Berufungsklägerin noch einmal anlässlich der Berufungsverhandlung vom 23. Juni 2023 (act. 97, F. 28: `In dem Moment hatte ich einen Schwachpunkt und der Beschuldigte hat diesen schlechten Punkt bei mir gefunden`).

 

Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf den Beginn der Beziehung eine weitgehend übereinstimmende Aussage feststellen, wobei die Berufungsklägerin immer mehr den zunächst freiwilligen und amourösen Aspekt der ausserehelichen Beziehung infrage zu stellen scheint.

 

2.1.1.2.   Dauer der ausserehelichen Beziehung

Anlässlich ihrer ersten polizeilichen Einvernahme vom 7. Januar 2020 sagte die Berufungsklägerin, sie kenne den Beschuldigten seit zehn Jahren. Sie habe ihn im Internet kennengelernt (act. 2/8.1.01, F. 10–11). Sie habe mit ihm eine Affäre gehabt, die `über zehn Jahre lang` gelaufen sei (act. 2/8.1.01, F. 9). Allerdings hätten die Probleme mit dem Beschuldigten schon seit ca. fünf bis sieben Jahren bestanden, schon lange bevor der gemeinsame Sohn gezeugt worden sei (act. 2/8.1.01, F. 39). Im Oktober 2019 habe ihr der Beschuldigte aber mit der Renovation der neuen Wohnung geholfen (act. 2/8.1.01, F. 30). Der letzte persönliche Kontakt zwischen ihr und dem Beschuldigten sei gewesen, als er sie mit dem Messer bedroht habe (act. 2/8.1.01, F. 14). Derzeit sei sie nicht mehr in einer Beziehung mit ihm (act. 2/8.1.01, F. 12).

 

In ihrer zweiten polizeilichen Einvernahme vom 8. Januar 2020 begann sie, diese ersten Aussagen zu relativieren: Es sei zu Beginn mehr eine Freundschaft gewesen, sie seien nicht immer zusammen gewesen, hätten sich dann wieder verstritten und seien wieder zusammengekommen. Es sei daher keine langanhaltende Beziehung gewesen (act. 2/8.1.03, F. 12). Namentlich seien sie das erste Jahr nur Freunde gewesen und erst etwa ab 2011 zusammengekommen (act. 2/8.1.03, F. 13). Diese anfängliche Fernbeziehung habe drei bis vier Jahre (also ca. bis 2013–2014) gedauert (act. 2/8.1.03, F. 15), wobei sie vor allem Internetkontakt gehabt und sich in den Ferien kurz getroffen hätten, nicht aber jeden Tag (act. 2/8.1.03, F. 15).

 

Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 13. Februar 2020 bestätigte sie, dass sie sich seit zehn Jahren kennen würden (act. 2/10.2.01, Rz. 615). Sie stellte jedoch klar, dass sie nie zusammen gewesen seien und nie zusammen gewohnt hätten. Sie hätten sich vielleicht alle drei Monate gesehen (act. 2/10.2.01, Rz. 875–876). Sie habe überdies mit dem Beschuldigten keinen Kontakt mehr gehabt, bis sie in die neuen Wohnung an der [...] gezogen sei (act. 2/10.2.01, Rz. 616). Dennoch bestätigt sie, über die App Messenger mehr als acht Jahre lang mit dem Beschuldigten kommuniziert zu haben (act. 2/10.2.01, Rz. 901).

 

Anlässlich der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021 gab die Berufungsklägerin an, dass sie lediglich von 2009 an während etwa zwei, drei Jahren (also bis ca. 2011–2012) eine Beziehung zum Beschuldigten gehabt habe (act. 38, F. 21). Drei bis vier Jahre vor dem Juni 2015 (also ca. 2011–2012) hätten sie sich gestritten und im Juni 2015 hätten sie keine Beziehung mehr gehabt (act. 38, F. 22–23). Sodann versuchte sie die in früheren Einvernahmen angegebenen zehn Jahre herunterzuspielen: Zehn Jahre seien `viel`, sie fände diese zehn Jahre viel, denn sie hätten nicht nonstop Kontakt gehabt, so habe sie ihn bspw. in den Ferien [...] nie getroffen und wenn der Beschuldigte von [...] aus in die Schweiz gekommen sei, dann sei dies etwa alle drei Wochen gewesen auch nicht. Überdies hätten sie sich ja auch eineinhalb Jahre gar nicht gesprochen (act. 38, F. 44).

 

Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 23. Juni 2023 gab die Berufungsklägerin an, den Beschuldigten seit dreizehn Jahren (also ca. 2009–2010) zu kennen (act. 97, F. 25). Er habe sie damals auf der App Messenger angeschrieben und das erste Jahr sei der Kontakt nur schriftlich gewesen (act. 97, F. 26, 30). Getroffen hätten sie sich zum ersten Mal in [...], etwa im Jahr 2011 2012 (act. 97, F. 30). Da sie damals in einer `Krise` mit ihrem Ehemann gewesen sei, seien sie ein Paar geworden (act. 97, 28, 31–32, 37: `Liebesbeziehung`). Am Anfang sei es ein, zwei Jahre lang gut gegangen (act. 97, F. 67). Sie seien aber nie `zusammen` gewesen (act. 97, F. 35–36), womit scheinbar gemeint ist, dass sie nicht zusammen gewohnt hätten. Sodann relativierte sie die Dauer der Beziehung um die tatsächlich gemeinsam verbrachte Zeit: `Also in diesen zehn Jahren, in denen wir zusammen waren, kann man sagen, dass wir insgesamt nicht einmal zwei Jahre 'zusammen' waren` (act. 97, F. 36). In der Zeit zwischen 2012–2015 hätten sie sich maximal zwei- dreimal gesehen (act. 97, F. 39).

 

Zusammenfassend kann also eine zunehmende Relativierung der anfänglich mit zehn Jahren angegebene Dauer der ausserehelichen Beziehung festgestellt werden, wobei die Berufungsklägerin unter anderem durch ein sehr enges Verständnis des `Zusammenseins` bemüht scheint, die aussereheliche Beziehung nur in ihrem Anfang und für eine kurze Zeit zu anerkennen.

 

2.1.1.3.   Umgang in der ausserehelichen Beziehung

Anlässlich der ersten polizeilichen Einvernahme vom 7. Januar 2020 beschrieb die Berufungsklägerin die Drohung (vgl. hinten Ziff. IV./3.3.) und die Berufungsklägerin gab an, dass sie alles nur zugelassen habe, weil sie sich und ihre Familie habe schützen wollen (act. 2/8.1.01, F. 31). Sie habe seinen Erwartungen jeweils entsprochen, da sie nicht gewollt habe, dass ihr und ihrer Familie etwas passiere (act. 2/8.1.01, F. 32). Gleichwohl habe sie dem Beschuldigten immer wieder gesagt, dass – selbst wenn sie sich von ihrem Ehemann trennen würde – sie niemals mit ihm zusammenkommen mit ihm zusammenleben werde resp. wolle (act. 2/8.1.01, F. 32). Sie habe über solch einen langen Zeitraum immer wieder mit dem Beschuldigten Kontakt gehabt, weil sie Angst vor ihm gehabt und seinem Willen entsprochen habe (act. 2/8.1.01, F. 49).

 

Merklich positiver fielen die Aussagen anlässlich der zweiten polizeilichen Einvernahme vom 8. Januar 2020 aus. Von Anfang an habe der Beschuldigte gewollt, dass sie sich von ihrem Ehemann trenne und mit ihm lebe (act. 2/8.1.03, F. 15). Obwohl die Berufungsklägerin diesen Wunsch des Beschuldigten immer verneint habe, gab sie dies gleichzeitig auch als Grund an, warum sie immer wieder mit ihm zusammengekommen sei (act. 2/8.1.03, F. 48). Sie hätten `immer wieder eine gute Beziehung` gehabt und sich wegen ihrem gemeinsamen Sohn `immer wieder um eine gute Beziehung bemüht` (act. 2/8.1.03, F. 49). Obschon sie dem Beschuldigten den gemeinsamen Sohn immer wieder vorenthalten habe, hätte ihr der gemeinsame Sohn leidgetan, von dem sie gewollt hätte, dass er Kontakt mit seinem leiblichen Vater habe (act. 2/8.1.03, F. 49). Überdies habe sich der Beschuldigte jeweils für die Vergewaltigungen entschuldigt, sodass sie wieder zusammengekommen seien (act. 2/8.1.03, F. 46).

 

Wiederum negativ schilderte die Berufungsklägerin den Umgang anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 13. Februar 2020. Sie habe mit dem Beschuldigten über den Vorfall der behaupteten Vergewaltigung vom Juni 2015 zu sprechen versucht, dabei hätten sie diskutiert und es sei dann zum Streit gekommen (act. 2/10.2.01, Rz. 233). Im Widerspruch zu ihrer früheren Aussage bestand die Berufungsklägerin nunmehr darauf, dass sich der Beschuldigte nie entschuldigt habe, ja sich zu entschuldigen überhaupt nie im Sinn gehabt habe (act. 2/10.2.01, Rz. 239–240). Im Gegenteil habe der Beschuldigte sie immer bedroht, er habe ihr immer gesagt, sie solle sich von ihrem Mann trennen, um mit ihm zusammenzukommen. Er habe ihr auch gedroht, mit ihrem Mann darüber zu reden (act. 2/10.2.01, Rz. 235–236). Nach der Vergewaltigung habe sie lange Zeit keinen Kontakt mehr mit dem Beschuldigten gehabt (act. 2/10.2.01, Rz. 261–262), dieser sei erst dadurch wiederaufgenommen worden, dass er mit dem gemeinsamen Sohn habe Kontakt haben wollen (act. 2/10.2.01, Rz. 266). Sie habe den Kontakt abgebrochen, nachdem er sie mit dem Messer bedroht habe (act. 2/10.2.01, Rz. 460).

 

An der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2020 gab die Berufungsklägerin an, nicht zu wissen und sich nicht erinnern zu können, ob es nach dem Juni 2015 je wieder zärtliche Gesten wie Küsse und Umarmungen gegeben habe. Alles, was sie in ihrer Erinnerung behalten habe, seien die Vergewaltigungen. Sonst könne sie sich an nichts erinnern, namentlich auch nicht, dass sie den Beschuldigten umarmt hätte (act. 38, F. 90). Der Beschuldigte habe sich nie für die Vergewaltigungen entschuldigt (act. 38, F. 101). Dennoch habe sie ihm schon in der alten Wohnung zwei, drei Male erlaubt, während der Abwesenheit ihres Ehemannes vorbeizukommen, um ihren gemeinsamen Sohn zu sehen (act. 38, F. 103: `[…] und ich sagte ok, er kann kommen`). Die Fotos, auf denen sie einigermassen glücklich aussehe und Wange an Wange mit dem Beschuldigten abgebildet sei, habe sie ihn wegen dem gemeinsamen Sohn machen lassen und auch nur, weil er sie bedroht habe (act. 38, F. 103).

 

An der Berufungsverhandlung vom 23. Juni 2023 gab die Berufungsklägerin an, dass es am Anfang ein, zwei Jahre lang gut gegangen sei, bis die Missverständnisse und Krisen begonnen hätten (act. 97, F. 67). Sie habe schon vor der behaupteten Vergewaltigung vom Juni 2015 keinen Kontakt mit dem Beschuldigten gewollt, aber er habe sie `immer bedroht und vergewaltigt` und sie sei `dauernd unter seinen Drohungen` gestanden (act. 97, F. 47). Dennoch gab sie an, dass sie ihn nach dem eineinhalbjährigen Unterbruch ihrer ausserehelichen Beziehung kontaktiert habe, um ihm ein Bild von ihrem gemeinsamen Sohn zu schicken (act. 97, F. 50). Sie sei aber ständig bedroht gewesen, auch wenn der Beschuldigte den gemeinsamen Sohn besuchen ging. Und selbst wenn sie Bilder gemacht habe, die glücklich aussehen mögen, so sei sie nicht glücklich mit ihm gewesen und habe diese Bilder nur unter dem Eindruck seiner Drohung gemacht (act. 97, F. 52). Wenn der Beschuldigte unangemeldet gekommen sei, dann habe er sie bedroht, sie sei immer unter seinen Drohungen gewesen und er habe sie immer unter Druck gesetzt (act. 97, F. 67). Auch den Vaterschaftstest habe er durch massive Drohungen erwirkt und sie gezwungen, vor seinen Augen dem Arzt anzurufen und einen Termin zu machen (act. 97, F. 68). Erstmals sagte die Berufungsklägerin an der Berufungsverhandlung, dass der Beschuldigte in seinen Chatnachrichten anders geschrieben, als er beispielsweise am Telefon gesprochen habe:

`Er hat zwei Gesichter. Zuerst hat er mich bedroht, dann war er wieder lieb zu mir. Wenn er bei mir war, hat er mich beschimpft, hat mir auch eine Ohrfeige gegeben` (act. 97, F. 60).

Zusammenfassend lässt sich in auch Bezug auf den Umgang weder eine konstante noch widerspruchsfreie Aussagenfolge erkennen. Angesichts der langen Dauer der ausserehelichen Beziehung und des immer wieder aufgenommenen Kontaktes erscheint indes ein derart ausschliesslich negativer, auf Drohung und Nötigung begründeter Umgang wie er in den späteren Einvernahmen dargestellt wird, zwar nicht ausgeschlossen, doch aber zweifelhaft. Viel lebensnaher und glaubhafter erscheinen die Aussagen, wonach es sich um eine Beziehung mit Hochs und Tiefs gehandelt habe, um welche sich beide immer wieder bemüht hätten. In der Absolutheit ihrer Aussagen widerspricht sich jedoch die Berufungsklägerin, was auch mit dem erst spät erfolgten Hinweis auf die `zwei Gesichter` nicht plausibel dargelegt werden kann.

 

2.1.1.4.   Einvernehmlichkeit des Geschlechtsverkehrs

Anlässlich ihrer ersten polizeilichen Einvernahme vom 7. Januar 2020 erwähnte die Berufungsklägerin den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit dem Beschuldigten implizit, insofern sie aussagte, dass aus der langjährigen Affäre mit ihm der gemeinsame Sohn entstanden sei (act. 2/8.1.01, F. 13). Selbigentags gab sie – nach der erstmaligen Erwähnung der Vergewaltigung (vgl. hierzu hinten Ziff. IV./2.2.) – gegenüber der Abteilung Migration des Kantons Glarus an, dass sie `zwischendurch auch einvernehmlichen Geschlechtsverkehr` mit dem Beschuldigten gehabt habe (act. 2/9.1.02, S. 1). Bei diesen einvernehmlichen sexuellen Kontakten habe sie sich nicht gewehrt, sie habe `das Ganze mehr einfach über sich` ergehen lassen (act. 2/9.1.02, S. 2).

 

Anlässlich ihrer zweiten polizeilichen Einvernahme vom 8. Januar 2020, gab sie an, es sei abgesehen von den drei behaupteten Vergewaltigungen in dieser ausserehelichen Beziehung mehrfach zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr zwischen ihr und dem Beschuldigten gekommen (act. 2/8.1.03, F. 16). Dies auch nach zwischen den behaupteten Vergewaltigungen, da der Beschuldigte sich jeweils für die Vergewaltigungen entschuldigt habe (act. 2/8.1.03, F. 46). Der letzte einvernehmliche Geschlechtsverkehr sei anfangs November 2019 in der neuen Wohnung gewesen (act. 2/8.1.03, F. 47).

 

Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 13. Februar 2020 änderte die Aussage; zwar gab die Berufungsklägerin noch immer an, vor der behaupteten Vergewaltigung vom Juni 2015 unregelmässig, etwa alle drei vier Monate mit dem Beschuldigten einvernehmlichen geschlechtlichen Verkehr gehabt zu haben (act. 2/10.2.01, Rz. 213), doch sei die Initiative dazu immer vom Beschuldigten ausgegangen (act. 2/10.2.01, Rz. 223, 225) und dieser habe sie dazu eigentlich immer gezwungen und bedroht, etwa, indem er gesagt habe, dass er es ihrem Mann erzählen würde. Sie habe sich also immer gezwungen gefühlt (act. 2/10.2.01, Rz. 227–229). Nach der behaupteten Vergewaltigung vom Juni 2015 sei der nächste Geschlechtsverkehr erneut nicht einvernehmlich gewesen (act. 2/10.2.01, Rz. 216, 218 [es habe sich hier um die behauptete, vorliegend nicht angeklagte Vergewaltigung vom Juli 2015 gehandelt]). Danach habe sie mit dem Beschuldigten die Beziehung fortgesetzt und weiterhin mit ihm sexuell verkehrt, weil er den Sohn habe sehen wollen. Nach der Vergewaltigung aber habe sie lange Zeit keinen Kontakt mit ihm gehabt (act. 2/10.2.01, Rz. 261–262). Sie könne sich nicht mehr mit Datum an den letzten einvernehmlichen Geschlechtsverkehr erinnern (act. 2/10.2.01, Rz. 210). Es sei aber nicht so, dass sie den Geschlechtsverkehr gerne gemacht habe. Sie sei zu diesem gezwungen worden, namentlich, indem der Beschuldigte sie immer damit bedroht habe, zu ihrem Mann zu gehen. Sie habe diesen Geschlechtsverkehr über sich ergehen lassen, weil sie sich letztlich dazu gezwungen gefühlt habe (act. 2/10.2.01, Rz. 384–396).

 

An der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021 wollte die Berufungsklägerin nichts von mehrjährigem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr wissen, schliesslich sei der Beschuldigte [...] gewesen und sie hätten sich nur unregelmässig gesehen. Einvernehmlich sei der Geschlechtsverkehr `nur am Anfang` gewesen, etwa von 2009 an während zwei bis drei Jahren (act. 38, F. 21, 24). Sie hätten sich damals etwa alle drei Wochen getroffen (act. 38, F. 21). Drei vier Jahre vor der behaupteten Vergewaltigung vom Juni 2015 hätten sie sich gestritten und seither hätten sie keinen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mehr gehabt, wobei sie das Datum des letzten einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs vor dem Juni 2015 nicht nennen könne (act. 38, F. 23–24). Zwischen Juni 2015 und Juli 2016 habe sie ausser den behaupteten Vergewaltigungen keinen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mehr mit dem Beschuldigten gehabt (act. 38, F. 31) und seit den Vergewaltigungen habe sie nie wieder Geschlechtsverkehr Kontakt sonst etwas mit ihm gewollt (act. 38, F. 49, 68). Darauf angesprochen, dass sie in einer früheren Einvernahme ausgesagt habe, noch bis im November 2019 Geschlechtsverkehr mit dem Beschuldigten gehabt zu haben, meint sie, sich nicht an eine solche Aussage erinnern zu können (act. 38, F. 50, 89). Es stimme nicht, dass sie ausgesagt habe, sie hätte auch nach 2015 einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehabt (act. 38, F. 89). Sie habe auch schon vor der Vergewaltigung nicht `aus freien Stücken` etwas mit dem Beschuldigten gehabt (act. 38, F. 51). Der gemeinsame Sohn sei aus der Vergewaltigung heraus entstanden (act. 38, F. 56).

 

An der Berufungsverhandlung vom 23. Juni 2023 sagte die Berufungsklägerin lediglich aus, dass sie beim ersten Treffen in [...] im Jahr 2011 2012 einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehabt hätten (act. 97, F. 33–34).

 

Zusammenfassend lässt sich auch in Bezug auf den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr weder eine konstante noch widerspruchsfreie Aussagenfolge erkennen. Mit jeder Einvernahme werden die anfänglichen Aussagen zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr (anfänglich bis November 2019) entweder zeitlich an die immer kürzer eingestandene Dauer der ausserehelichen Beziehung angepasst dahingehend relativiert, dass das Einvernehmen aufgrund der Drohungs- und Nötigungssituation im Grunde nicht gegeben gewesen sei.

 

2.1.2. Aussagen des Beschuldigten

Im Gegensatz zu den Aussagen der Berufungsklägerin sind – wie die Vorinstanz zutreffend festhält (act. 73, E. IV./3.4., S. 23) – die Aussagen des Beschuldigten gesamthaft betrachtet als gleichbleibend und übereinstimmend zu werten. Sie ergeben über mehrere Jahre ein Gesamtbild, das nicht nachträglich korrigiert wird.

 

Der Beschuldigte gab an, die Berufungsklägerin per Chat im Jahr 2009 2010 kennengelernt zu haben (act. 2/8.1.02, F. 15; act. 2/8.1.04, F. 7; act. 41, F. 12). Sie habe zunächst ihre Ehe und Mutterschaft verschwiegen, dann aber eingestanden, dass sie verheiratet sei, aber Probleme mit ihrem Ehemann habe, der gewalttätig zu ihr sei (act. 41, F. 12). Schon bei ihrem ersten Treffen im August hätten sie sexuellen Kontakt gehabt (act. 2/8.1.04, F. 7). Seit dem Jahr 2010 hätten sie eine Beziehung miteinander gehabt, auch eine regelmässige sexuelle Beziehung (act. 2/8.1.02, F. 18–19; act. 41, F. 16). Sie hätten sich während dieser Zeit im Urlaub getroffen und Sex miteinander gehabt, meistens aber und die letzten zwei Jahre ausschliesslich in [...] (act. 2/8.1.04, F. 9, 13). Verhütung sei nie ein Thema gewesen, sie hätten immer bewusst ungeschützten Verkehr gehabt (act. 2/8.1.04, F. 12; act. 41, F. 39). Es sei unwahr, wenn die Berufungsklägerin behaupte, dass sie sich einmal in drei Monaten getroffen hätten, wo sie sich in Wahrheit fast jede Woche gesehen hätten und er Chats und Fotos habe, die das beweisen könnten (act. 2/10.1.02, Rz. 176–180). Er sei im Schnitt alle zehn Tage von [...] nach Zürich geflogen und nach [...] gekommen (act. 41, F. 11). Im Jahr 2016 hätten sie einen eineinhalbjährigen Unterbruch ihrer Beziehung gehabt (act. 2/8.1.02, F. 14; act. 41, F. 13), die einzige Zeit, während welcher sie keinen sexuellen Kontakt gehabt hätten (act. 41, F. 16). Der Grund für diesen Unterbruch sei gewesen, dass die Berufungsklägerin sich nie von ihrem Ehemann getrennt und ihn immer wieder vertröstet habe. Als er jedoch gesehen habe, dass sie erneut schwanger sei, habe er sich von ihr getrennt (act. 2/8.1.02, F. 21), da sie ihm – nachdem sie ihn längere Zeit mit widersprüchlichen Aussagen darüber im Unklaren belassen habe (act. 2/10.1.01, Rz. 146–149) – gesagt habe, dass das Kind von ihrem Mann sei und sie bei ihrem Mann bleiben wolle (act. 2/8.1.04, F. 8; act. 41, F. 23). Nach der Trennung habe er eine andere Frau kennengelernt und sich mit dieser verlobt (act. 2/8.1.02, F. 14; act. 2/8.1.04, F. 8; act. 2/10.1.01, Rz. 152). Nach diesen eineinhalb Jahren habe ihn die Berufungsklägerin aber wieder kontaktiert und ihm eröffnet, dass er der Vater ihres jüngsten Sohnes sei (act. 2/8.1.02, F. 19, 21; act. 2/10.1.01, Rz. 156–159: `[S]chäme dich, dass du dich verlobt hast, und du hast nicht an mich und an den Sohn gedacht`; act. 2/10.1.02, Rz. 102–109). Auf Bildern habe er gesehen, wie sehr der jüngste Sohn der Berufungsklägerin ihm gleiche (act. 2/8.1.04, F. 8). Es sei zu einem Treffen mit der Berufungsklägerin und ihrer Freundin E.______ in [...] gekommen (act. 2/10.1.02, Rz. 111–121; act. 41, F. 24), wobei er später in [...] zum ersten Mal seinen Sohn gesehen habe (act. 2/10.1.02, Rz. 122). Da er aber der Berufungsklägerin nicht vertraut habe, hätten sie in [...] bei ihrem Arzt einen DNA-Test gemacht, für welchen sie CHF 1'200.– bezahlt habe (act. 2/10.1.01, Rz. 160–164; act. 2/10.1.02, Rz. 127–137). Nachdem er das Ergebnis des DNA-Tests nach [...] zugeschickt bekommen habe, sei er nach [...] gefahren und habe – da der Ehemann der Berufungsklägerin gerade in [...] gewesen sei – mit der Berufungsklägerin einige Tage zusammengewohnt (act. 2/10.1.02, Rz. 141–147). Da habe sie von ihm verlangt, dass er seine Verlobung auflöse (act. 2/10.1.01, Rz. 166–167; act. 2/10.1.02, Rz. 149). Der Beschuldigte habe die Berufungsklägerin geliebt und ihr das auch gesagt (act. 2/8.1.02, F. 20; act. 2/10.1.01, Rz. 168). Da die Berufungsklägerin zu diesem Zeitpunkt wieder Probleme mit ihrem Ehemann gehabt habe, habe sie dem Beschuldigten gesagt, dass sie sich von ihrem Ehemann trennen wolle (act. 2/8.1.04, F. 8). Dies habe sie auch vor dem Arzt wiederholt, bei dem sie den DNA-Test durchgeführt hätten (act. 2/8.1.04, F. 8). Da seine Familie jedoch nach Wegen gesucht habe, um seine Verlobung aufrecht zu erhalten, sei er nach [...] geflogen und habe offiziell die Verlobung aufgelöst (act. 2/8.1.02, F. 6, 14; act. 2/10.1.01, Rz. 143–188; act. 2/10.1.02, Rz. 156–165).

 

Er sei noch im November 2019, ca. 12. bis 14. November 2019, in der neuen Wohnung mit ihr gewesen und da hätten sie das letzte Mal Geschlechtsverkehr miteinander gehabt (act. 2/10.1.02, Rz. 223–233). Die zeitlichen Angaben zum Ende der Beziehung sind etwas wirr: Einerseits gibt er an, ihre Beziehung habe etwa bis zum 14. Dezember 2019 gedauert (act. 2/10.1.01, Rz. 171), doch kann es sich hierbei um einen Übersetzungs- Verständnisfehler handeln, denn in einer späteren Einvernahme korrigierte er, die Berufungsklägerin habe ihm am 14. November 2019 gesagt, dass sie wieder zurück zu ihrem Ehemann gehe und dass er gehen müsse (act. 2/10.1.02, Rz. 229, 277: `Nein, ich meine das war November 2019. Das war nicht Dezember`). Anlässlich der Hauptverhandlung nannte er erneut `Mitte Dezember 2019` als den letzten einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit der Berufungsklägerin, bezog sich jedoch auch hier auf den Tag, als ihr Ehemann in die neue Wohnung gekommen sei (act. 41, F. 38), auch der behauptete Vorfall mit dem Messer sei im Dezember gewesen (act. 41, F. 36), was somit auch wieder ein Irrtum sein könnte.

 

2.1.3. Weitere Aussagen von Auskunftspersonen zur ausserehelichen Beziehung

2.1.3.1.    Gemäss den am 9. Januar 2020 gemachten Aussagen von C.______, dem Ehemann der Berufungsklägerin, sei die Berufungsklägerin seit etwa drei bis vier Jahren anders, nicht mehr zufrieden, immer traurig und sehr komisch zu ihm gewesen (act. 2/8.1.05, F. 8, 10). Sie hätten Eheprobleme gehabt (act. 2/8.1.05, F. 10), seit ca. vier Jahren keinen Sex mehr und er habe gemerkt, dass etwas nicht stimme (act. 2/8.1.05, F. 19), ja er habe das Gefühl gehabt, dass sie einen anderen Mann habe (act. 2/8.1.05, F. 8). Er habe nichts von der Affäre mitbekommen, wäre damit auch nicht einverstanden gewesen und hätte das sicherlich nicht zugelassen (act. 2/8.1.05, F. 18). Die Berufungsklägerin habe sich von ihm trennen wollen, ohne dass er etwas davon gewusst habe, sie sei auch ohne sein Wissen ausgezogen (act. 2/8.1.05, F. 11). Er sei eines Tages nach Hause gekommen und es seien die Berufungsklägerin sowie die Kinder weggewesen (act. 2/8.1.05, F. 4). Seit dem 20. Dezember 2019 wisse er von der `Dame vom Sozialamt`, dass er nicht der Vater des jüngsten Sohnes der Berufungsklägerin sei (act. 2/8.1.05, F. 12–13). Die Berufungsklägerin habe ihm nach der Sitzung erzählt, dass sie vom Beschuldigten drei Mal vergewaltigt worden sein soll, wobei sie nicht gesagt habe, dass sie diesen Mann näher kenne (act. 2/8.1.05, F. 15). Persönlich könne er sich nicht erklären, dass der Beschuldigte sie hier in [...] und dann noch zweimal im Urlaub vergewaltigt haben soll (act. 2/8.1.05, F. 16, 34). Es sei für ihn nicht logisch, dass die Berufungsklägerin seit der Schwangerschaft mit ihrem jüngsten Sohn vom Beschuldigten bedroht worden sein soll, aber erst jetzt mit alledem rauskomme (act. 2/8.1.05, F. 37).

 

2.1.3.2.   Gemäss den am 16. Juni 2020 gemachten Aussagen von E.______, einer (ehemaligen) Freundin der Berufungsklägerin, war ihr die wahre Vaterschaft des jüngsten Sohnes der Berufungsklägerin klar, als sie diesen gesehen habe. Sie habe gewusst, dass die Berufungsklägerin mit dem Beschuldigten `immer wieder Sex` gehabt habe (act. 2/10.2.02, F. 32). An ihrer Einvernahme vom 16. Dezember 2020 fügte sie an, die Berufungsklägerin habe ihr selber gesagt, dass sie ein Kind mit dem Beschuldigten habe (act. 2/10.2.06, Rz. 125, 128, 136). Ihrer Ansicht nach hätten die Berufungsklägerin und der Beschuldigte eine `normale Beziehung, wie […] normale Menschen` gehabt (act. 2/10.2.06, Rz. 114), sie seien in ihren Augen `zusammen gute Menschen` gewesen (act. 2/10.2.06, Rz. 131). Beide hätten sie mehrere Male mit ihrem gemeinsamen Sohn zusammen in ihrem Wohnzimmer übernachtet, obwohl die Berufungsklägerin auch bei ihr im Zimmer hätte schlafen können (act. 2/10.2.06, Rz. 222, 224, 226, 228).

 

2.1.3.3.   Gemäss den am 2. Juli 2020 gemachten Aussagen von F.______, einer Freundin der Berufungsklägerin, habe die Berufungsklägerin eine Krise in ihrer Ehe gehabt und ihr Ehemann habe sie geschlagen, weshalb sie sich etwas voneinander entfernt hätten (act. 2/10.2.04, F. 13). Ihrer Ansicht nach wolle die Berufungsklägerin nur wegen den Papieren, den Kindern und ihrer Kultur bei ihrem Ehemann bleiben (act. 2/10.2.04, F. 15–16). Nach der Anzeigeerstattung am 6. Januar 2020 sei sie mit der Berufungsklägerin zu ihr nach Hause, da sie Angst gehabt habe, dass ihr Ehemann ihr etwas antun könnte (act. 2/10.2.04, F. 21). Von der Kultur her sei es nämlich so, dass man die Berufungsklägerin aufgrund ihres unehelichen Kindes umbringen könne (act. 2/10.2.04, F. 22). Mit dem Beschuldigten habe die Berufungsklägerin keine Beziehung geführt (act. 2/10.2.04, F. 40). Die Berufungsklägerin habe ihr erzählt, dass der Sex `eigentlich nicht freiwillig` gewesen sei (act. 2/10.2.04, F. 41).

 

2.1.3.4.   Gemäss den am 2. Juli 2020 gemachten Aussagen von G.______, einer entfernten Bekannten der Berufungsklägerin, wisse sie, dass die Berufungsklägerin Streit mit ihrem Ehemann gehabt habe, obwohl es wieder gut zu sein scheine (act. 2/10.2.05, F. 11, 13–14). Sie habe einmal die Berufungsklägerin zur Amtsstelle begleitet, bei der es um die Scheidung und um ihre finanzielle Situation gegangen sei (act. 2/10.2.05, F. 34).

 

2.1.4. Indizien

2.1.4.1.   Der behandelnde Arzt, welcher den Vaterschaftstest am 10. Juli 2017 durchführte, schrieb in seiner Eingabe vom 29. April 2020, dass die DNA-Analysen `absolut freiwillig und einvernehmlich gemäss ausdrücklichem Wunsch und Auftrag von A.______ und B.______ im Rahmen eines gemeinsamen Termins` erfolgt seien (act. 2/3.1.11). Mit Schreiben vom 11. August 2018 teilte das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich der Berufungsklägerin und dem Beschuldigten das Ergebnis der DNA-Analyse mit, wonach der Beschuldigte zu 99.99 % der Vater des jüngsten Sohnes der Berufungsklägerin sei (act. 2/9.1.14-1).

 

2.1.4.2.   Im Recht liegen verschiedene Bilder vom Estrich der alten Wohnung der Berufungsklägerin (act. 64/1), worin gemäss Aussagen der Beschuldigte sich bei Anwesenheit des Ehemannes der Berufungsklägerin versteckt und auch übernachtet haben soll (vgl. bspw. act. 2/10.1.02, Rz. 86–88). Die Bilder zeigen einen über eine erste Tür sowie eine zweite, nicht verschliessbare Holzgittertür zugänglichen Raum, der sich unmittelbar unter dem Dach befindet. Aufgrund der Dachschräge verliert er gegen hinten kontinuierlich an Höhe. Der Raum ist mit diversen Gegenständen verstellt (vgl. act. 64/1). Die Berufungsklägerin behauptete vor der Vorinstanz, dass aus den Bildern klar ersichtlich sei, dass `an einem solchen Ort nicht mehrere Tage verbracht werden kann, zumal der Beschuldigte angeblich im Monat Juni, also nota bene zu der fast wärmsten Zeit im Jahr, in diesem Raum lebte`. Hierbei verwies die Berufungsklägerin darauf, dass es sich um ein Dach aus Eternit handle, welches weder vor Kälte noch vor Wärme isoliere (vgl. act. 62, Rz. 14). Anlässlich der Berufungsverhandlung rügte die Berufungsklägerin, dass sich die Vorinstanz nicht mit diesem Argument auseinandergesetzt habe (act. 96, S. 15), weshalb dies nachfolgend in der gebotenen Kürze zu geschehen hat: Zunächst ist zu bemerken, dass der Beschuldigte nicht angegeben hat, mehrere Tage in diesem tatsächlich ungastlichen Raum verbracht zu haben. Gemäss seinen Aussagen habe die Berufungsklägerin, wenn ihr Ehemann zuhause gewesen sei, ihm `abends die Türe geöffnet` und `in einem Art Dachgeschoss (Estrich)` habe er dann `die Nacht verbracht bis am Morgen` (act. 41, F. 41). Wenn der Ehemann der Beschuldigten dann morgens um sechs Uhr arbeiten gegangen sei, sei die Berufungsklägerin hochgegangen und habe ihn in die Wohnung geholt. Dort sei er geblieben, bis der Ehemann nachmittags um 14.00 Uhr von seiner Schicht zurückgekommen sei. Den Tag habe er draussen verbracht, bis ihn um 22.00 Uhr die Berufungsklägerin wieder eingelassen und zum Estrich geführt habe (act. 2/10.1.02, Rz. 90–95). Überdies scheint aus den Chatnachrichten vom 23. September 2019 hervorzugehen, dass der Beschuldigte nur ungern dort übernachtet habe (act. 43/1: `Und ich auf dem Estrich (Dachboden)?`). All dies lässt die Behauptung, dass der Beschuldigte während der ausserehelichen Beziehung zeitweise auch im Estrich schlafen musste, plausibel erscheinen.

 

2.1.4.3.   Im Recht liegen verschiedene, zwischen dem 1. Januar und dem 6. Oktober 2019 datierte Bilder, welche die Berufungsklägerin mit dem Beschuldigten und (teilweise) ihrem gemeinsamen Sohn zeigen (vgl. act. 43/8). Die Bilder zeigen zahlreiche Zärtlichkeitsbekundungen wie Umarmungen zwischen den lächelnden und gelöst wirkenden Berufungsklägerin und Beschuldigten. Weiter liegen nicht datierte Bilder im Recht, welche Entblössungen und Zärtlichkeiten zwischen der Berufungsklägerin und dem Beschuldigten zeigen (vgl. act. 43/11).

 

2.1.4.4.   Im Recht liegen sodann verschiedene Chatnachrichten, welche sich die Berufungsklägerin und der Beschuldigte im Jahr 2019 schickten. Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass aus den Textnachrichten grundsätzlich kein eindeutiges Bild hervorgeht (act. 73, E. IV./3.9., S. 28). So finden sich mehrere Nachrichten darunter, welche ein sehr angespanntes Verhältnis zwischen der Berufungsklägerin und dem Beschuldigten zeigen, wobei es um die neue Wohnung, die Anerkennung des gemeinsamen Sohnes sowie die gegen den Beschuldigten vorgebrachten Vorwürfe geht. Verschiedene Nachrichten aber legen durchaus nahe, dass noch im Jahr 2019 die Berufungsklägerin dem Beschuldigten Nachrichten verschickte, die als liebevoll bezeichnet werden können. So schrieb sie etwa am 7. November 2019 (zit. in act. 2/10.2.01, Rz. 666, 669–670, 678–679, 685):

`[01:46] Meine ganze Familie weiss, dass ich ihn nicht liebe`

`[01:47] Ich habe keine Gefühle`

`[01:47] Für […]`

`[01:55] Sehr gut dass ich dich liebe`

`[01:55] Du weisst ganz genau, dass ich nur für Dich Gefühle habe […]`

Hierzu bemerkte die Berufungsklägerin, dies habe sie ihm nur wegen des gemeinsamen Sohnes so geschrieben (act. 2/10.2.01, Rz. 681), sie habe aber keine Gefühle mehr für den Beschuldigten gehabt (act. 2/10.2.01, Rz. 683). Noch am 24. November 2019 schrieb sie dem Beschuldigten aber folgende Nachrichten (zit. in act. 108/5 und act. 43/12):

`[22.27] Ich bereue gar nichts.`

`[22.27] Ich habe dich immer geliebt`

`[22.27] Und ich werde dich immer lieben`

`[22.27] Denn ich liebe dich`

 

2.1.4.5.   Gemäss der Aktennotiz der Sozialen Dienste vom 23. Februar 2020 gab die Berufungsklägerin in einem Erstgespräch vom 18. September 2019 lediglich Probleme mit ihrem Ehemann an (act. 2/18.1, Aktennotiz `Diverse Typen`, S. 7). Ab dem 14. Oktober 2019 war H.______ von der Opferberatungsstelle involviert (act. 2/18.1, Aktennotiz `Diverse Typen`, S. 6). Am 25. Oktober habe sie gegenüber I.______ der Sozialen Dienste gesagt, dass sie noch mit ihren Eltern und ihrem Bruder sowie auch mit ihrem Ehemann sprechen müsse `wegen der Scheidung`, sie wolle ihr die Situation erklären, wenn sie mit allen geredet habe, es sei sehr kompliziert und sie habe grosse Angst (act. 2/18.1, Aktennotiz `Diverse Typen`, S. 5). Am 3. Dezember 2019 habe sich die Berufungsklägerin mit I.______ wegen `Eheschutz einreichen` besprochen (act. 2/18.1, Aktennotiz `Diverse Typen`, S. 4). Am 10. Dezember 2019 habe die Berufungsklägerin gegenüber I.______ bekanntgegeben, dass ihr Ehemann sie zurück haben wolle und auf ihren Entscheid warte, wobei I.______ ihr ein gemeinsames Gespräch anbot. Mit dem Eheschutz solle abgewartet werden, bis alle Infos geflossen seien, es sei eine sehr schwierige Situation der Berufungsklägerin (act. 2/18.1, Aktennotiz `Diverse Typen`, S. 2). H.______ äusserte gegenüber der Abteilung Migration des Kantons Glarus, dass sie die Berufungsklägerin davon habe überzeugen müssen, ihrem Ehemann die Wahrheit über die Vaterschaft von ihrem jüngsten Sohn zu erzählen, denn anfänglich habe die Berufungsklägerin verheimlichen wollen, `da sie auch Angst vor der Reaktion des Ehemannes gehabt habe` und es `früher in der Ehe auch häusliche Gewalt` gegeben habe (act. 2/9.1.02, S. 1). Am 16. Dezember 2019 wurde ein runder Tisch zwischen der Berufungsklägerin und ihrem Ehemann vereinbart (act. 2/18.1, Aktennotiz `Diverse Typen`, S. 1). Am 20. Dezember 2019 fand das Gespräch mit I.______, der Berufungsklägerin und ihrem Ehepartner statt und es kam zur `Eröffnung des Hauptproblems` (act. 2/18.1, Aktennotiz `Diverse Typen`, S. 1), womit die wahre Vaterschaft des jüngsten Sohnes der Berufungsklägerin gemeint war (act. 2/8.1.01a, S. 6). Nach dieser Sitzung solle die Berufungsklägerin ihrem Ehemann erzählt haben, dass ihr jüngster Sohn aus einer Vergewaltigung entstanden sei (act. 2/8.1.01a, S. 6).

 

2.1.5. Zwischenfazit

In einer Gesamtbetrachtung ergibt sich in Gegenüberstellung der geradezu konträren Aussagen der Berufungsklägerin und des Beschuldigten das dramatische Bild einer vor dem Hintergrund einer kriselnden Ehe eingegangenen, jahrelangen ausserehelichen Beziehung, aus welcher der gemeinsame Sohn hervorgegangen ist. Über dieses emotional an sich schon schwierige Verhältnis legt sich zudem – schwer greifbar und doch alles erschwerend – der Druck gewisser kultureller Normen und Erwartungen, die sowohl auf der Berufungsklägerin und ihrem Ehemann als Ehepartner und dem Beschuldigten als Vater des gemeinsamen Sohnes lagen.

 

Die laufende Anpassung zentraler Aussagen durch die Berufungsklägerin, durch welche sie selber in besserem und der Beschuldigte in schlechterem Licht dargestellt werden, lassen ihre Aussagen zunehmend unglaubhaft erscheinen. Wie die Vorinstanz richtig festhält, kann die Berufungsklägerin in ihrer ersten Einvernahme noch das Ende der ausserehelichen Beziehung und auch den letzten einvernehmlichen Geschlechtsverkehr bestimmen, wozu sie in späteren Einvernahmen nicht mehr fähig ist (vgl. act. 73, E. IV./3.10.2., S. 31). Nur ihre erste Einvernahme deckt sich mit den Aussagen von E.______, welche ihrerseits klar von einer Beziehung spricht, den Eindrücken des behandelnden Arztes, welcher von absoluter Freiwillig- und Einvernehmlichkeit sprach, sowie den ins Recht gelegten Bildern und Chatnachrichten, welche den Eindruck eines teilweise zwar diskutierenden, teilweise aber durchaus liebevollen und glücklichen Paares geben. In einer Gesamtbetrachtung drängt sich eine tatsächlich bis ca. November 2019 dauernde aussereheliche Beziehung auf, in welcher es immer mehr um die Frage zu gehen schien, ob und wann die Berufungsklägerin ihren Ehemann zugunsten des Beschuldigten verlassen und dieser seinen Sohn als solchen anerkennen würde. Es liegt auf der Hand, dass diese Situation für die Berufungsklägerin einen grossen psychologischen Druck bedeutete. Jedenfalls geht aus den Notizen der Sozialen Dienste hervor, dass bis zum November 2019 ihre Sorgen der Reaktion ihres Ehemannes und nicht dem Beschuldigen galten. Diese Einschätzung wurde auch von den anderen Auskunftspersonen geteilt, während der Ehemann der Berufungsklägerin sowohl über die aussereheliche Beziehung, die Vaterschaft des gemeinsamen Sohns und den Umzug in die neue Wohnung in Unkenntnis belassen wurde. Das so zusammengesetzte Gesamtbild erscheint plausibel. Damit muss die erste Einvernahme der Berufungsklägerin als die glaubhafteste gewürdigt werden und ist in der nachfolgenden Sachverhaltserstellung hauptsächlich auf diese abzustellen.

 

2.2. Zur Anzeigeerstattung

2.2.1. Sozialdienst

In der Aktennotiz der Sozialen Dienste vom 23. Februar 2020 wird der Beschuldigte am 10. Dezember 2019 erstmals erwähnt (`Bedrohung durch ihn[,] weiteres Vorgehen besprechen – O[pfer]H[ilfe], Anzeige etc.`). Notiert wird auch, dass ihr jüngster Sohn am Wochenende `eine Bedrohungssituation` mitbekommen haben soll (act. 2/18.1, Aktennotiz `Diverse Typen`, S. 2). Am 23. Dezember 2019 meldete sich H.______ von der Opferberatungsstelle beim Polizeistützpunkt [...] und verlangte nach einem Termin für eine ihrer Klientinnen – deren Namen sie noch nicht bekannt gab – wegen einer Anzeigeerstattung betreffend Drohung im Zusammenhang mit einer Waffe. Aufgrund der Feiertage sei es jedoch nicht möglich gewesen, kurzfristig einen Termin zu vereinbaren (act. 2/8.1.01a, S. 5).

 

2.2.2. Strafanträge

2.2.2.1.   Am Montag, den 6. Januar 2020 meldete sich H.______ um 16.00 Uhr telefonisch bei der Opferberatungsstelle und gab an, dass sie zur Berufungsklägerin nach [...] fahren würde, da diese vom Beschuldigten bedroht würde. Sie würde die Berufungsklägerin zum Polizeistützpunkt [...] begleiten, wo diese dann eine Anzeige erstatten werde (act. 2/8.1.01a, S. 4). Gemeinsam erreichten sie um 16.50 Uhr den Polizeistützpunkt [...] und gaben an, dass die Berufungsklägerin vom Beschuldigten bedroht werde (act. 2/9.1.10, S. 2). Im Beisein von H.______ unterzeichnete die Berufungsklägerin den Strafantrag gegen den Beschuldigten (act. 2/8.1.01a, S. 5; act. 2/3.1.01). Kurz darauf, um 17.41 Uhr, wurde der Beschuldigte in [...] verhaftet und in Polizeihaft versetzt (act. 2/8.1.01a, S. 4).

 

2.2.2.2.   Am Dienstag, den 7. Januar 2020, nach der ersten Einvernahme des Beschuldigten, wurde die Berufungsklägerin darüber informiert, dass der Beschuldigte noch am gleichen Tag entlassen werden würde. Damit seien weder die Berufungsklägerin noch H.______ einverstanden gewesen (act. 2/8.1.01a, S. 5). Am frühen Nachmittag des 7. Januars 2020 kontaktierte H.______ daher die Abteilung Migration des Kantons Glarus und erklärte, dass eine von ihr betreute Frau massiv von einem Mann bedroht werde und grosse Angst habe. Der Mann sei derzeit in Polizeigewahrsam, werde aber voraussichtlich am Abend entlassen, weshalb sie sich erkundigen wolle, `ob das Migrationsamt in diesem Fall bezüglich dem Mann etwas machen könne` (act. 2/9.1.02, S. 1). Als während des Gesprächs die aussereheliche Vaterschaft ihres jüngsten Sohnes aufkam, fragte der Leiter der Abteilung Migration des Kantons Glarus, (nachfolgend: Abteilungsleiter), die Berufungsklägerin, `warum sie denn so sicher sei, dass AX.______ nicht das Kind ihres Ehemannes sei`. Hierauf habe die Berufungsklägerin geantwortet, dass sie vom Beschuldigten vergewaltigt worden sei (act. 2/9.1.02, S. 1). H.______ hörte in diesem Augenblick zum ersten Mal von den Vergewaltigungen, was die Berufungsklägerin mit Schamgefühlen begründete (act. 2/9.1.02, S. 2). Im Anschluss wurde der Beschuldigte `nach längerem Hin und Her zwischen der Staatsanwaltschaft Glarus, der Abteilung Migration und der Kantonspolizei Glarus` (act. 2/8.1.01a, S. 5) – welche zu diesem Zeitpunkt ebenfalls erstmals etwas von der Vergewaltigung erfuhr – in Ausschaffungshaft gesetzt (act. 2/9.1.02, S. 5).

 

2.2.2.3.   Am 8. Januar 2020 erstattete die Berufungsklägerin im Beisein von H.______ eine Strafanzeige wegen Vergewaltigung (act. 2/3.1.03). Am 10. Januar 2020 eröffnete die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung gegen den Beschuldigten (act. 2/9.1.01).

 

3. Zu den angeklagten Vorwürfen

3.1. Zum Vorwurf der Vergewaltigung

3.1.1. Vorbemerkung

Anlässlich ihrer ersten Einvernahme am Vormittag des 7. Januars 2020 sagte die Berufungsklägerin – trotz der ansonsten sehr ausführlichen Schilderung – nichts über eine Vergewaltigung. Allem Anschein nach erwähnte die sie begleitende Vertrauensperson, F.______, dass der Beschuldigte sie einmal `festgehalten` habe, doch ist unklar (und fraglich), ob damit die Vergewaltigung gemeint gewesen sein konnte (act. 2/9.1.10, S. 2). In jedwedem Fall verneinte die Berufungsklägerin die Frage, ob sie der Einvernahme etwas hinzufügen wolle (act. 2/8.1.01, F. 48, 53). Erstmals äusserte die Berufungsklägerin den Vorwurf der Vergewaltigung in der Abteilung Migration des Kantons Glarus gegenüber dem Abteilungsleiter am Nachmittag des 7. Januar 2020 (siehe vorne Ziff. IV./2.2.2.2.). Hierbei sagte sie, dass sie drei Mal vom Beschuldigten vergewaltigt worden sei, einmal in ihrer Wohnung in [...] und zweimal in [...] in den Ferien am Meer (act. 2/9.1.02, S. 1).

 

3.1.2. Aussagen der Berufungsklägerin

3.1.2.1.   Zur Strafanzeige

Anlässlich ihrer ersten polizeilichen Einvernahme vom 7. Januar 2020 äusserte die Berufungsklägerin den Wunsch, dass sich der Beschuldigte nicht mehr in der Schweiz aufhalte, denn sie habe Angst, egal, wohin sie gehe. Sie möchte mit ihrer Familie zusammenbleiben und in Ruhe leben, ihr Ehemann auch (act. 2/8.1.01, F. 44).

 

Anlässlich ihrer zweiten polizeilichen Einvernahme vom 8. Januar 2020 gab die Berufungsklägerin an, sie hätte sich erst jetzt zur Anzeigeerstattung entschieden, weil sie immer wieder eine gute Beziehung gehabt hätten (act. 2/8.1.03, F. 49). Von der Vergewaltigung habe sie H.______ und tags zuvor der Kantonspolizei nichts gesagt, weil sie sich geschämt habe und ihren Sohn nicht in die Sache habe miteinbeziehen wollen (act. 2/8.1.03, F. 50). Sie habe in der Abteilung Migration des Kantons Glarus von den Vergewaltigungen gesprochen, weil sie der Abteilungsleiter `einfach sehr direkt` gefragt habe (act. 2/8.1.03, F. 49), er habe sie `einfach direkt darauf an[gesprochen]` (act. 2/8.1.03, F. 50). Sie sage aber die Wahrheit, sie habe nicht gelogen, sie würde sich besser fühlen, wenn der Beschuldigte nicht mehr in die Schweiz kommen dürfe, dann wäre sie ruhiger, denn sie habe Angst, dass er sie wieder aufsuche, sie fühle sich aber erleichtert (act. 2/8.1.03, F. 51).

 

Anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 13. Februar 2020 erklärte die Berufungsklägerin den Umstand, dass sie erstmals mehr als vier Jahre nach der behaupteten Vergewaltigung Anzeige erstattet habe, damit, dass sie zunächst alles in sich behalten habe. Irgendwann habe sie gedacht, sie könne nicht mehr (act. 2/10.2.01, Rz. 243–244). Unmittelbarer Anlass für die Anzeigeerstattung im Januar 2020 sei gewesen, dass sie, nachdem der Beschuldigte sie mit dem Messer bedroht habe, gewusst habe, dass das so nicht weitergehe. Sie habe damals dem Beschuldigten gesagt, dass sie das ein weiteres Mal nicht mehr gelten lasse und warnte ihn, dass sie zur Polizei gehen würde (act. 2/10.2.01, Rz. 247–249). Es stimme nicht, dass sie an ihrer ersten Einvernahme nichts zur Vergewaltigung gesagt habe: Sie habe ganz bestimmt schon am 7. Januar 2020 etwas zur Vergewaltigung gesagt, sie habe eine Kollegin bei sich gehabt (act. 2/10.2.01, Rz. 258). Sie habe gegenüber der damals rapportierenden Polizeifunktionärin [...] (nachfolgend: Polizeifunktionärin), die Vergewaltigung erwähnt, aber diese habe keine Fragen dazu gestellt, erst der Abteilungsleiter habe sie direkt nach der Vergewaltigung gefragt, die Polizeifunktionärin nicht (act. 2/10.2.01, Rz. 253–255; zur Stellungnahme der Polizeifunktionärin hierzu vgl. act. 2/9.1.10). Die Berufungsklägerin ist somit der Ansicht, dass sie anlässlich der ersten Anzeige wegen Drohung auch die zweite Anzeige wegen Vergewaltigung gemacht habe. Natürlich habe sie Angst gehabt, dass der Beschuldigte wieder herauskomme, er habe sie ja immer wieder bedroht. Angst habe daher sicher einer Rolle gespielt, dass sie dem Abteilungsleiter über die Vergewaltigung erzählt habe. Doch er habe sie direkt gefragt, er sei offener gewesen als die Polizeifunktionärin (act. 2/10.2.01, Rz. 324–331). Auf die Frage, ob sie mit der Anzeige wegen Vergewaltigung einfach verhindern wolle, dass der Beschuldigte auf freien Fuss komme, meint die Berufungsklägerin, sie habe gesagt, was passiert sei, es interessiere sie nicht, was mit dem Beschuldigten passiere, ob er freikomme nicht (act. 2/10.2.01, Rz. 334–336). Auf die Frage, ob sie mit dem Gespräch bei der Migrationsbehörde habe bezwecken wollen, dass der Beschuldigte die Schweiz verlassen müsse, sagte die Berufungsklägerin, sie habe einfach ihre Ruhe haben wollen, er habe sie immer bedroht, er habe gewollt, dass sie sich von ihrem Mann trenne und mit ihm gehe, sie aber wolle ihre Ruhe in der Schweiz, sie wolle ruhig leben, sie sei nirgends sicher vor ihm gewesen (act. 2/10.2.01, Rz. 345–348). Gleichzeitig gesteht sie die Möglichkeit ein, dass sie ihm am 18. November 2019, 21.42 Uhr die Nachricht geschrieben habe: `Freue dich, falls du wieder in die Schweiz einreisen darfst` (act. 2/10.2.01, Rz. 352–353)

 

3.1.2.2.   Zur Vergewaltigung

Traumatische Erlebnisse werden gemäss wissenschaftlichen Erkenntnissen anders verarbeitet als alltägliche Vorkommnisse. Einerseits können Erinnerungsverzerrungen und Gedächtnisausfälle auftreten, namentlich hervorgerufen durch Verdrängungsbestrebungen, andererseits bleibt bei gewissen Opfern eine grosse Anzahl von Einzelheiten des traumatischen Erlebnisses im Gedächtnis haften resp. wird dieses praktisch vollständig erinnert. Detailreichtum, insbesondere wenn er Nebenschauplätze betrifft, stellt denn auch ein gängiges, bei der Aussageanalyse zu beachtendes Realitätskennzeichen dar (vgl. zum Ganzen BGE 147 IV 409 E. 5.4.2 S. 421–422 m.w.H.).

 

Die Berufungsklägerin konnte die Vergewaltigung lediglich auf den Juni 2015 eingrenzen, nicht jedoch eine genaue Tagesangabe machen (act. 2/8.1.03, F. 10; act. 2/10.2.01, Rz. 849: `Ende Mai, anfangs Juni`; act. 97, F. 16). Es sei Vormittag gewesen, etwas nach 09.00 Uhr, nachdem sie ihre Kinder zur Schule begleitet hatte und zurück in ihrer Wohnung gewesen sei (act. 2/10.2.01, Rz. 138–142; act. 38, F. 12; act. 97, F. 16). Da es ein heisser Tag gewesen sei, habe sie ein Kleid getragen (act. 2/8.1.03, F. 17; act. 2/10.2.01, Rz. 144; act. 38, F. 12), wobei der Rock bis unter die Knie gegangen und auf den Seiten offen gewesen sei (act. 97, F. 16). Die Eingangstüre des Blocks, in dem sich ihre Wohnung befunden habe, sei wie immer offengelassen worden, damit die Kinder am Mittag wieder hereinkommen können, ebenso sei die Wohnungstüre nicht verschlossen gewesen (act. 38, F. 12; act. 97, F. 16). Durch diese offenen Türen sei der Beschuldigte ungehindert in ihre Wohnung eingetreten, wobei sie – wie immer – nicht gewusst habe, dass er kommen würde (act. 2/8.1.03, F. 17; act. 2/10.2.01, Rz. 138–142; act. 38, F. 12). Hier besteht immerhin ein kleiner Widerspruch mit der ebenfalls gemachten Aussage, dass der Beschuldigte sonst jeweils geläutet sich sonstwie bemerkbar gemacht habe (vgl. act. 38, F. 15: `Er ist immer an die Türe gekommen, hat geläutet, hat auf das Fixnetztelefon angerufen, hat mich angerufen, hat mir auf Viber geschrieben, auf das normale Telefon`).

 

Das nachfolgenden Aussagen wurden in unterschiedlicher Genauigkeit, gesamthaft betrachtet aber übereinstimmend geschildert: An der Einvernahme vom 8. Januar 2020 sagte die Berufungsklägerin kurz und knapp aus, der Beschuldigte habe mit ihr Geschlechtsverkehr haben wollen, sie aber nicht (act. 2/8.1.03, F. 17). Etwas genauer sagte die Berufungsklägerin am 13. Februar 2020 aus, sie hätten zunächst zu reden begonnen und er habe dann von ihr Geschlechtsverkehr gewollt, was sie aber abgelehnt habe (act. 2/10.2.01, Rz. 141–142). Auf diese Ablehnung hin habe er geschrien, worauf sie ihm gesagt habe, er solle gehen (act. 2/10.2.01, Rz. 188) und er ihr wiederum geantwortet habe, er wolle das tun und er werde das tun (act. 2/10.2.01, Rz. 192). Die Bemerkung, dass der Beschuldigte geschrien habe, welche als ein Realitätskennzeichen zu würdigen ist, wird in der Folge nicht mehr erwähnt. Anlässlich der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021 beschrieb sie, wie er in den Gang ihrer Wohnung getreten sei, während sie in der Küche Kaffee getrunken habe. Sie habe ihn gefragt: `Wieso bist du hineingekommen, ohne dich anzumelden?` Worauf er geantwortet habe: `Ich habe dich beobachtet`, und sie gepackt habe. Sie seien von der Küche in den Korridor gegangen und sie habe ihm gesagt: `Gehe raus!` Da habe er sie gepackt und auf das nahestehende, von der Tür des Korridors nicht einmal einen Meter entfernte Sofa geworfen (act. 38, F. 12–13). Als die Berufungsklägerin noch einmal auf den Inhalt des Gesprächs befragt wurde, sagte sie, sie habe nur gefragt: `Wieso bist du gekommen?` Sonst hätten sie nichts diskutiert, sie habe ihm einfach gesagt, er solle gehen, sie wolle keinen Kontakt mit ihm (act. 38, F. 14). Auf die Frage, wie der Beschuldigte denn seinen Wunsch nach Geschlechtsverkehr mit ihr geäussert habe, antwortete sie, er habe sie bedroht im Sinne von: `Wenn du mich nicht diese Sache mit dir machen lässt, werde ich es deinem Mann sagen!` Das sage er immer und das habe er auch an diesem Vormittag gesagt (act. 38, F. 15). Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 23. Juni 2023 beschrieb sie, dass sie in der Küche gewesen sei und, als sie jemanden eintreten gehört habe, in den Korridor getreten sei. Dann aber gibt sie die Diskussion und die darauffolgende Gewalt anders wieder. Sie habe ihn gefragt: `Warum bist du gekommen?`, worauf er sie gepackt habe. Dann habe sie ihm gesagt: `Geh, ich möchte mit dir nichts haben!` und er habe erwidert, er werde mit ihr machen, was er möchte. Dann habe er sie auf das Sofa in der Ecke geworfen (act. 97, F. 16).

 

Auch die nachfolgende Vergewaltigung wurde in unterschiedlicher Genauigkeit und mit kleineren Abweichungen, gesamthaft betrachtet aber ebenfalls übereinstimmend geschildert: An der Einvernahme vom 8. Januar 2020 sagte die Berufungsklägerin aus, der Beschuldigte habe ihr Kleid hochgezogen und sie aufs Sofa geworfen, dann habe er angefangen, wobei er ihre Hände und ihre Arme festgehalten habe, damit sie sich nicht habe wehren können. Er sei auf ihr gelegen, das Ganze habe so lange gedauert, bis er fertig gewesen sei und seine Lust befriedigt habe (act. 2/8.1.03, F. 17). Sie habe ihm mit Worten zu verstehen gegeben, dass sie keinen Geschlechtsverkehr möchte (act. 2/8.1.03, F. 18), er aber habe zu ihr gesagt, ob sie wolle nicht, das interessiere ihn nicht (act. 2/8.1.03, F. 19). Sie habe sich gewehrt, aber er habe sie fest an den Armen gehalten (act. 2/8.1.03, F. 18). In dieser Einvernahme erscheint die Ursache dafür, dass sie keinen Widerstand leisten konnte, die äussere Krafteinwirkung des Beschuldigten gewesen zu sein. Bei der Einvernahme vom 13. Februar 2020 kam indes ein weiteres Argument hinzu. Zunächst sagte sie auch hier aus, dass der Beschuldigte ihre Hände gehalten und sie auf das Sofa geworfen habe, wobei er ihr Kleid hoch- (act. 2/10.2.01, Rz. 146–147) und ihren Slip auf die Seite geschoben habe (act. 2/10.2.01, Rz. 154, 156). Sie habe versucht, sich zu wehren, aber es sei ihr nicht gelungen, weil er ihre Hände seitlich von ihrem Körper und Kopf festgehalten habe und auf ihr gelegen sei (act. 2/10.2.01, Rz. 146–147, 149–150, 152). Dann aber erklärte sie ergänzend zu dieser äusseren Krafteinwirkung, dass sie nicht um Hilfe gerufen habe, da sie wie blockiert gewesen sei, wie wenn ihr jemand die Kehle zugedrückt und sie nicht habe schreien lassen (act. 2/10.2.01, Rz. 182–183). Sie habe probiert, sich zu bewegen, sei aber blockiert gewesen (act. 2/10.2.01, Rz. 200, 203). Diese äussere und innere Ursache ihrer Wehrlosigkeit wiederholte sie an der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021, indem sie beschrieb, wie der Beschuldigte auf dem Sofa ihre Hände gepackt und nicht mehr losgelassen habe (act. 38, F. 12), ohne welchen Griff sie sich hätte bewegen können (act. 38, F. 13). Unabhängig von diesem Griff aber sei sie blockiert gewesen und hätte nicht reagieren können (act. 38, F. 12, 15). Sie habe versucht, ihre Hände zu bewegen, habe aber nicht gekonnt, sie sei blockiert gewesen und ihr sei schlecht geworden (act. 38, F. 17). Auf den Widerspruch zwischen der zunächst rein äusserlichen und erst später auch inneren Ursache ihres vereitelten Widerstandes angesprochen, erklärte sie, es gäbe keinen Widerspruch zwischen ihren Aussagen, sie sei blockiert gewesen, da könne man nicht reagieren, es tue einem Leid, man könne aber auch nicht um Hilfe rufen. Es stimme aber auch, dass er sie gehalten habe und auf ihr gewesen sei, er habe beide Hände gehalten und sie nicht losgelassen (act. 38, F. 18). Sie habe ihm auf dem Sofa zudem auch mit Worten gesagt, dass sie keinen Geschlechtsverkehr wolle, sie habe ihm gesagt: `Fass mich nicht an, ich möchte nicht!` Er aber habe gesagt, er mache, was er wolle (act. 38, F. 16). Der Beschuldigte habe daher gewusst, dass der Geschlechtsverkehr nicht einvernehmlich gewesen sei (act. 38, F. 18).

 

Mehrheitlich übereinstimmend sind sodann die Aussagen der Berufungsklägerin zum Geschlechtsverkehr: Dieser habe vaginal stattgefunden (act. 2/8.1.03, F. 21), wobei der Beschuldigte kein Kondom verwendet habe (act. 2/8.1.03, F. 24; act. 38, F. 72) und in ihr zum Samenerguss gekommen sei (act. 2/8.1.03, F. 23; act. 2/10.2.01, Rz. 171, 173, 175). Die Dauer des Geschlechtsverkehrs könne sie nicht genau bestimmen (act. 2/8.1.03, F. 26). Andere sexuelle Handlungen habe sie nicht vornehmen müssen (act. 2/8.1.03, F. 25). Während sie aber in der Einvernahme vom 8. Januar 2020 angab, durch Geschlechtsverkehr nicht verletzt worden zu sein, der Beschuldigte habe sie einfach festgehalten und man habe nichts gesehen (act. 2/8.1.03, F. 20) und namentlich erwähnte, sie habe keine Gefühle gehabt, als er seinen Penis in ihre Scheide eingeführt habe, sie sei nicht verletzt worden, obwohl dies ohne ihren Willen geschehen sei (act. 2/8.1.03, F. 22), sagte sie in späteren Einvernahmen, sie habe Schmerzen verspürt, als er in sie eingedrungen sei (act. 2/10.2.01, Rz. 158, 160, 163, 205; act. 38, F. 72). Es kann hierin ein Widerspruch gesehen werden. Möglich ist indes, das die Berufungsklägerin das Wort `Gefühl` nicht im Sinne einer (durch Nerven vermittelte) Empfindung, sondern im Sinne einer psychischen Regung gebrauchte (vgl. hierzu die verschiedenen Definitionen von Gefühl, Quelle: https://www.duden.de/rechtschreibung/Gefuehl, zuletzt besucht am 28. Juli 2023); in diesem Falle hätte sie damit zum Ausdruck bringen wollen, dass sie keine Gefühle der Zuneigung der Lust gefühlt habe, wohl aber Schmerzen verspürt habe. Die abschliessende Bedeutung bleibt unklar. Auf jeden Fall habe nach dem sexuellen Übergriff der Beschuldigte nur gelacht und nichts mehr dazu gesagt (act. 2/8.1.03, F. 30; act. 38, F. 20). Nach ihrer Aussage vom 8. Januar 2020 habe sie ihn noch gefragt, weshalb er dies ohne ihren Willen mache (act. 2/8.1.03, F. 31), nach ihrer Aussage der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021 habe sie ihm lediglich gesagt, er solle gehen und nie wiederkommen (act. 38, F 20). Dann sei sie duschen gegangen (act. 2/8.1.03, F. 31; act. 38, F 20), wobei sein Ejakulat aus ihrem Leib getropft habe (act. 38, F. 74). Ausser mit dem Beschuldigten habe sie mit niemandem darüber gesprochen (act. 2/8.1.03, F. 32; act. 2/10.2.01, Rz. 231).

 

3.1.3. Aussagen des Beschuldigten

3.1.3.1.   Zur Strafanzeige

An seiner ersten polizeilichen Einvernahme vom 7. Januar 2020 konnte der Beschuldigte nicht fassen, was gerade geschehe (act. 2/8.1.02, F. 28), er verstehe die Situation nicht (act. 2/8.1.02, F. 32). Er habe mit der Berufungsklägerin im Dezember 2019 abgemacht gehabt, dass sie die Sache mit ihrem gemeinsamen Sohn im neuen Jahr, also im Januar 2020, `amtlich` machen würden, darum habe er die Berufungsklägerin an ihrer alten Wohnadresse aufgesucht (act. 2/8.1.02, F. 32). Eine Erklärung für diese Anzeige sah er in ihrer (gemeinsamen) Kultur, welche `sehr schwierig` sei und viel mit Stolz zu tun habe (act. 2/8.1.02, F. 36). Der Beschuldigte äusserte die Überzeugung, dass die Berufungsklägerin Angst vor ihrem Ehemann und ihrer Familie habe, weshalb sie jetzt sämtliche Probleme auf ihn lenke. Ihr Ziel sei wohl, dass er eine Einreisesperre erhalte, denn das habe sie ihm schon einige Male angedroht (act. 2/8.1.02, F. 32). Er könne garantieren, dass er sich in Zukunft von der Berufungsklägerin fernhalten werde, doch habe er ein menschliches und amtliches Recht, Kontakt zu seinem Sohn zu haben (act. 2/8.1.02, F. 34). Er habe Angst, dass es seinem Sohn nicht gut gehe (act. 2/8.1.02, F. 36).

 

Übereinstimmend äusserte sich der Beschuldigte auch anlässlich seiner zweiten Einvernahme vom 8. Januar 2020: Er glaube, dass die Berufungsklägerin nun, da er sich um seinen Sohn kümmern wolle, Angst habe, dass ihr Ehemann alles erfahre. Bisher wisse er es wohl nicht und es wäre auch nicht gut, wenn er es erfahren würde, da er dies aus kulturellen Gründen sicherlich nicht akzeptieren würde (act. 2/8.1.04, F. 37). In ihrer (gemeinsamen) Kultur könnte diese aussereheliche Beziehung und die Vaterschaft ihres gemeinsamen Sohnes Auswirkungen für alle Beteiligten und deren Familien haben (act. 2/8.1.04, F. 39). Ihm sei jetzt klar, dass die Berufungsklägerin aus Angst, dass ihr Ehemann alles erfahre, versuche, sich und ihre Familie zu schützen, indem sie ihn so und auf diese falsche Art und Weise loswerde (act. 2/8.1.04, F. 47). Er sei völlig erschüttert, dass die Berufungsklägerin solche Lügen erfinde, nur um ihn loszuwerden. Sie beiden hätten gewusst, dass ihre aussereheliche Beziehung zu Problemen führen würde, falls sie bekannt würde. Sie versuche sich nun auf diese Art und Weise zu retten und beschuldige ihn hier mit Anschuldigungen, die nie stattgefunden hätten. Der Beschuldigte fragt, wieso sie ihn denn nicht schon gestern bei der Polizei wegen Vergewaltigung angezeigt habe? Seiner Ansicht nach habe der Sinneswandel bei der Berufungsklägerin eingesetzt, als er ihr nach dem DNA-Test erklärt habe, dass er sich um den gemeinsamen Sohn kümmern wolle (act. 2/8.1.04, F. 48).

 

In seiner staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 17. Februar 2020 äusserte der Beschuldigte die Auffassung, dass die Familie der Berufungsklägerin sowie das Sozialamt sie gegen ihn angestiftet hätten (act. 2/10.1.02, Rz. 240–241). Die Berufungsklägerin habe ihm nun eine Falle gestellt und ihm ein Messer in den Rücken gesteckt (act. 2/10.1.02, Rz. 253–257).

 

Er blieb bei dieser Unschuldsbekundung anlässlich der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021 (act. 41, F. 11). Er habe zehn Jahre auf die Berufungsklägerin gewartet und im Jahre 2019 höre er plötzlich, dass er sie vergewaltigt hätte (act. 41, F. 27). Die Berufungsklägerin habe nach seinem Dafürhalten schlicht Angst gehabt, ihren Ehemann zu verlassen, und Angst auch vor ihrer Familie (act. 41, F. 30). Bei ihnen gebe es eben Traditionen und die Berufungsklägerin habe sich aufgrund ihrer Familie irgendwie beschützen wollen, sie habe es ihrer Familie nicht antun wollen, dass sie ihren Ehemann verlasse und mit ihm zusammenkomme. Ihre Familie in [...] sei immer dagegen gewesen und deshalb habe sie das getan (act. 41, F. 46).

 

3.1.3.2.   Zur Vergewaltigung

Der Beschuldigte sagte aus, er könne sich die Vorwürfe der Vergewaltigung nicht erklären, seien sie doch immerhin zehn Jahre zusammen gewesen (act. 2/8.1.04, F. 6) und habe er während dieser Zeit weder Gewalt gegen sie ausgeübt noch sie jemals vergewaltigt (act. 2/10.1.01, Rz. 93–94; act. 2/2.1.02-1, S. 1 resp. act. 2/8.1.14, S. 1). Während dieser Zeit hätten sie per Internet vereinbart, wann und wo sie sich treffen würden, wobei er sich aufgrund ihres Ehemannes nach ihr gerichtet habe und somit sie eigentlich immer bestimmt habe, wann sie ihn habe treffen wollen (act. 2/8.1.04, F. 8, 10, 14, 19; act. 2/2.1.02-1, S. 2 resp. act. 2/8.1.14, S. 2), er habe auch nie einen Schlüssel gehabt (act. 41, F. 42). Es habe daher nie eine Situation gegeben, in der sie Sex gehabt hätten, ohne dass sie es gewollt habe (act. 2/8.1.04, F. 19). Er wisse nicht mehr, wo er im Juni 2015 gewesen sei, es sei durchaus möglich, dass er die Berufungsklägerin in [...] getroffen und sie miteinander geschlafen hätten, er habe sie aber gewiss nicht vergewaltigt (act. 2/8.1.04, F. 16–18). An seiner Einvernahme vom 17. Februar 2020 gab er an, er sei die ersten zehn Tage im Juni 2015 in [...] gewesen, wobei er jeweils im Estrich geschlafen habe, bis sie ihn in die Wohnung gelassen habe (act. 2/10.1.02, Rz. 83–98). Anlässlich der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021 gab er an, er sei im Juni 2015 etwa zehn Tage in [...] bei der Berufungsklägerin gewesen, etwa vom 6. bis zum 16. oder 17. Juni (act. 41, F. 48). Man könne sagen, dass sie in dieser Zeit täglich Sex gehabt hätten (act. 41, F. 49), in der Wohnung, im Schlafzimmer, aber auch im Estrich wo sie halt gewollt habe, wo es am besten gepasst habe, meistens aber im Schlafzimmer (act. 41, F. 50). Es stimme nicht, dass er sie vergewaltigt habe (act. 2/8.1.04, F. 20; act. 2/10.1.02, Rz. 182–187). Sie habe das alles erfunden, es stimme nicht, er verstehe nicht, warum sie jetzt mit solchen Vorwürfen komme, sie wolle ihn jetzt einfach nur noch schlechtmachen (act. 2/8.1.04, F. 18). Der Beschuldigte fragt, warum sie ihn denn nach dem Juni 2015 wieder getroffen und wieder mit ihm geschlafen habe? Denn wenn diese Anschuldigung stimmen würde, dann hätte sie ihn nicht mehr treffen und gewiss nicht mehr mit ihm schlafen wollen (act. 2/8.1.04, F. 19, 29). Sie hätten immer wieder Sex gehabt, aber nie, ohne dass sie es gewollt habe (act. 2/8.1.04, F. 29–30).

 

3.1.4. Indizien

3.1.4.1.   Im Recht liegen verschiedene Chatnachrichten, welche sich die Berufungsklägerin und der Beschuldigte am 7. November 2019 schickten. Darin schreibt ihr der Beschuldigte unter anderem die folgenden Nachrichten:

`Ich habe Dich vergewaltigt? und bedroht` (zit. in act. 2/10.2.01, Rz. 688) `Du hast ihr gesagt, du hast mir eine Falle gestellt` (zit. in act. 2/10.2.01, Rz. 737)

`OK sage ihnen, ich habe dich vergewaltigt / und habe dich bedroht, dich beim Sozialamt anzumelden` (zit. in act. 2/10.2.01, Rz. 744–745)

`Ja ich habe es ihr erzählt, weil ich deine Intrigen entdeckt habe` (zit. in act. 2/10.2.01, Rz. 767)

Diese Chatnachrichten stehe in Zusammenhang mit der Überzeugung des Beschuldigten, die Berufungsklägerin habe mit ihrer Freundin zusammen einen `Vergewaltigungsplan` ausgeheckt (act. 41, F. 36); mit der Freundin ist wohl F.______ gemeint, welche als einzige Auskunftsperson zur Vergewaltigung aussagt (siehe sogleich Ziff. IV./3.1.4.2). Im Chat habe die Berufungsklägerin auch schon geschrieben, er habe sie vergewaltigt, doch warum sei denn mit ihm zehn Jahre zusammen gewesen, wenn er sie vergewaltigt hätte (act. 41, F. 44)?

 

3.1.4.2.   Gemäss der Aussage von F.______, einer Freundin der Berufungsklägerin, habe sie ihr die ganze Geschichte erzählt und gesagt, dass sie vom Beschuldigten in den Ferien vergewaltigt worden sei. Sie habe ihr auch erzählt, dass sie vom Beschuldigten ein Kind habe (act. 2/10.2.04, F. 13). Obwohl die Berufungsklägerin den Beschuldigten immer nur als Freund aber nicht als mehr betrachtet habe, habe er mehr von ihr wollen, daher auch angefangen, sie zu verfolgen. Am Meer in [...] sei sie daher vom Beschuldigten vergewaltigt worden (act. 2/10.2.04, F. 36, 39). Von der Vergewaltigung habe ihr die Berufungsklägerin erzählt, nachdem sie den Beschuldigten angezeigt hatte (act. 2/10.2.04, F. 58). Nach dem Dafürhalten von F.______ habe die Berufungsklägerin schon anlässlich ihrer ersten Einvernahme vom 7. Januar 2020 (bei welcher F.______ übersetzt hatte) die Vergewaltigungsvorwürfe geschildert (act. 2/10.2.04, F. 49). Sie könne sich nicht erklären, warum dies nicht im Protokoll vermerkt worden sei (act. 2/10.2.04, F. 50), sie habe das Protokoll jedoch nicht gelesen, ehe sie es unterschrieben habe (act. 2/10.2.04, F. 51).

 

3.1.4.3.   Gemäss der Aussage von E.______, einer (ehemaligen) Freundin der Berufungsklägerin, habe die Berufungsklägerin ihr gegenüber nie geltend gemacht, dass sie vergewaltigt worden sei (act. 2/10.2.06, Rz. 109, 149).

 

3.1.4.4.   Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, geben die Ein- und Ausreisestempel im Reisepass des Beschuldigten keine grossen Hinweise. Sie belegen lediglich, dass er am 24. März 2014 per Flugzeug in Zürich einreiste und am 17. Juni 2015 ebenfalls per Flugzeug von Zürich nach [...] reiste (act. 2/8.1.07; act. 73, E. IV./3.8., S. 28).

 

3.1.5. Würdigung

3.1.5.1.   Zunächst ist auf die zeitlich gestaffelte Anzeigeerstattung einzugehen (siehe vorne Ziff. IV./2.2.). Es mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, dass die Berufungsklägerin zunächst von sich aus eine Drohung angezeigt und erst auf Rückfrage durch die Abteilung Migration des Kantons Glarus die Vergewaltigung erwähnte. Tatsächlich kann jedoch als gerichtsnotorisch und von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt gelten, dass Opfer von Sexualdelikten aus verschiedenen Gründen, namentlich aus Angst und Scham, oftmals auf eine Anzeigeerstattung verzichten. Oftmals befinden sich Betroffene nach einem traumatischen Erlebnis wie etwa einer Vergewaltigung nicht selten in einem Zustand des Schocks und der Erstarrung. In diesem Zustand kommt es zu Verdrängungs- resp. Verleugnungsbestrebungen, welche dazu führen, dass sich das Opfer (in einer ersten Phase) niemandem anvertraut und sich – wenn überhaupt – erst nach Tagen, Monaten gar Jahren mitteilt (vgl. BGE 147 IV 409 E. 5.4.1. S. 419–420 m.w.H.). Allein aus dem Umstand der zeitlich gestaffelten Anzeige lässt sich grundsätzlich nichts ableiten, was gegen die Aussagen der Berufungsklägerin sprechen würde. Anders freilich verhält es sich mit ihren Aussagen, die eingestehen, dass sie mit der Anzeige eine migrationsrechtliche Wegweisung des Beschuldigten bezweckte. Zusammen mit der Chronologie der Anzeigeerstattung stellt dies ein starkes Indiz dar, dass die Berufungsklägerin weniger auf eine Frage des Abteilungsleiters antwortete (der sie nicht auf eine Vergewaltigung, sondern auf ihre Gewissheit in Bezug auf die Vaterschaft ihres Sohnes ansprach) als vielmehr auf die Aussicht reagierte, dass der Beschuldigte noch selbigentags freigelassen werden könnte. Und diese Angst wiederum fügt sich in das oben bereits beschriebene Bild der verfahrenen Situation, in welcher sich die Berufungsklägerin anfangs Januar 2020 befand. Sodann kann nicht verkannt werden, dass die Behauptung einer Vergewaltigung gewissermassen das einzige Argument darstellt, welches die aussereheliche Vaterschaft ihres Sohnes in ihrem eigenen Kulturkreis rechtfertigen würde. Aus ihren eigenen Aussagen ergibt sich, dass die Berufungsklägerin sich dieses Argumentes zumindest gegenüber F.______ bewusst bedient hat:

`Von Vergewaltigung habe ich ihr erzählt, sie fragte ob es wahr sei, dass wir Sex hatten miteinander und ob [der] Besch[uldigte] [der] Vater von AX.______ sei. Dann habe ich es ihr erzählt` (act. 38, F. 87).

Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass die Berufungsklägerin und F.______ die aktenwidrigen und offensichtlich unwahren Behauptungen machten, wonach sie schon anlässlich der ersten Einvernahme die Vergewaltigung erwähnt haben sollen.

 

3.1.5.2.   Weiter sind die Aussagen der Berufungsklägerin zur Vergewaltigung selber zu würdigen. In einer Gesamtbetrachtung escheinen diese im Wesentlichen übereinstimmend, wobei sich kleinere Widersprüche ausmachen lassen. Dies kann dort, wo es um Finessen des gesprochenen Wortes und der damals geführten Diskussion geht – nach so vielen Jahren und über die immer auch verändernde Wiedergabe einer übersetzten Aussage – nicht massgeblich ins Gewicht fallen. Anders verhält es sich indes mit Aussagen, welche zentrale und besonders einprägsame Aspekte der damals (physisch) empfundenen Situation betreffen. So etwa die unterschiedlichen Aussagen in Bezug auf das Festhalten durch den Beschuldigen ihre innere Blockierung. Das Obergericht zweifelt nicht daran, dass Opfer von sexualisierter Gewalt zuweilen ihre Ablehnung nicht zum Ausdruck bringen können, wenn sie sich in einer Art Schockzustand (sog. `freezing`) befinden (vgl. BGE 147 IV 409 E. 5.1. S. 414; vgl. sodann das [aufgrund der Referendumsfrist bis am 5. Oktober 2023 noch nicht in Kraft stehende] Bundesgesetz über eine Revision des Sexualstrafrechts vom 16. Juni 2023 [BBl 2023 1521 ff.], worin das `freezing` vom Gesetzgeber anerkannt und das Ausnützen des `Schockzustands einer Person` als Novelle in die Art. 189 und 190 StGB aufgenommen wird). Jedoch wirft die diesbezügliche Änderung der Aussage von einer rein äusserlichen zu einer innerlichen (und äusserlichen) Blockierung Fragen auf. Sodann äusserte die Berufungsklägerin (möglicherweise) widersprüchliche Aussagen zum Schmerzempfinden bei der Penetration durch den Beschuldigten. Die restlichen Aussagen erscheinen zwar, wie gesagt, grossmehrheitlich übereinstimmend, doch enthalten sie – wie dies die Verteidigung anschaulich aufgezeigt hat (vgl. act. 102, S. 1) – nur sehr wenige Realitätskennzeichen. Wo solche vorkommen, wie etwa bei der Aussage, dass der Beschuldigte zu Beginn geschrien habe, werden sie in späteren Einvernahmen nicht mehr erwähnt. Letztlich beziehen sich diejenigen Stellen, die besonders anschaulich beschrieben werden, bspw. auf den Grundriss der damaligen Wohnung, die Form und Entfernung des Sofas etc. (vgl. bspw. act. 100/1) – Punkte also, die auch aus dem Alltag her und ohne Bezug auf die behauptete Vergewaltigung genau erinnert werden könnten.

 

3.1.5.3.   Im Gegenzug bestreitet der Beschuldigte nicht, im Juni 2015 in [...] in der Wohnung der Berufungsklägerin gewesen zu sein. Doch stellt er dies in den Kontext der bereits dargestellten ausserehelichen Beziehung und den damit einhergehenden, regelmässigen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. Ebenso stellt er aber die Anzeigeerstattung in den Kontext des Endes ihrer ausserehelichen Beziehung im November und Dezember 2019 und der entsprechenden auch kulturell bedingten Angst der Berufungsklägerin, Repressalien durch ihren Ehemann zu erfahren. Seine Aussagen enthalten keine Widersprüche, fügen sich in die von ihm in ihrer gesamten Dauer einheitlich beschriebenen ausserehelichen Beziehung. Sodann indizieren die Chatnachrichten vom November 2019, dass er ungläubig auf den offenbar bereits geäusserten Vorwurf der Vergewaltigung reagierte und diesen der Berufungsklägerin gegenüber als `Intrige` bezeichnete.

 

3.1.5.4.   Im Ergebnis besteht für das Obergericht kein Zweifel, dass die Berufungsklägerin und der Beschuldigte in einer mehrjährigen, ausserehelichen Beziehung standen, welche von Beginn zu grossen Schwierigkeiten führte und in den letzten Monaten des Jahres 2019 zu einem schwierigen und äusserst konfliktgeladenen Verhältnis führte. Mit Bezug auf die für den Juni 2015 behauptete Vergewaltigung stehen vorliegend zwei Sachverhaltsversionen von Personen im Raum, die beide ein manifestes Interesse am Ausgang des Strafverfahrens haben. Allein direkte Drittbeweise, die überzeugend für die eine andere Version sprechen würden, gibt es keine. Zur Wahrheitsfindung stehen dem Obergericht letztlich nur die Aussagen der Berufungsklägerin und des Beschuldigten zur Verfügung, da die anderen Auskunftspersonen entweder nichts von der behaupteten Vergewaltigung wissen [...] aber sich nur auf die vorliegend nicht in Betracht fallende, behauptete Vergewaltigung in [...] beziehen [...]. Aber auch nach Würdigung und Gegenüberstellung der relevanten Aussagen bleibt letztlich unklar, was sich an einem nicht genauer bestimmten Junitag des Jahres 2015, etwa nach 09:00 Uhr in [...] ereignete. Die Aussagen der Berufungsklägerin werden nicht nur von den Indizien, sondern auch aufgrund ihrer in Bezug auf die aussereheliche Beziehung stark angepassten Aussagen sowie ihr damals augenscheinliches Interesse an einer migrationsrechtlichen Wegweisung des Beschuldigten infrage gestellt, wenngleich auch nicht widerlegt. Es könnte sich – allen Unstimmigkeiten und Widersprüchen zum Trotz – tatsächlich so abgespielt haben, wie die Berufungsklägerin dies dem Beschuldigten zum Vorwurf macht. Doch eine blosse Möglichkeit vermag nicht die hohen Anforderungen an den strafrechtlichen Beweis für die angezeigte Vergewaltigung und damit einen Schuldspruch zu begründen. Da letztlich und nach dem Gesagten nicht ohne unüberwindliche Zweifel feststeht, was zwischen der Berufungsklägerin und dem Beschuldigten vorgefallen ist, kommt der den Beschuldigten begünstigende Grundsatz in dubio pro reo zur Anwendung. Es ist daher zu seinen Gunsten von der für ihn günstigeren Sachlage auszugehen (Art. 10 Abs. 3 StPO). Der für die angeklagte Vergewaltigung erforderliche Sachverhalt kann demnach nicht erstellt werden. Der Beschuldigte ist entsprechend vom Vorwurf der Vergewaltigung freizusprechen, da ihm die vorgeworfene Tat in strafprozessualer Hinsicht nicht rechtsgenüglich bewiesen werden kann.

 

3.2. Zum Vorwurf der Nötigung

3.2.1. Aussagen der Berufungsklägerin

In Bezug auf den Vorwurf der Nötigung häufen sich seitens der Berufungsklägerin verschiedene Sachverhaltselemente zu einem Gesamtkomplex. Im Kern gehe es darum, dass der Beschuldigte gewollt habe, dass sie sich von ihrem Ehemann trenne und mit ihr als Familie lebe, weshalb er sie die ganze Zeit bedroht habe (act. 2/8.1.01, F. 13; act. 2/10.2.01, Rz. 550–552). Die Drohungen hätten jeweils persönlich per Telefon stattgefunden, es habe auch schriftliche Nachrichten gegeben (act. 2/8.1.01, F. 37). Der Beschuldigte habe von ihr verlangt, dass sie mit ihm zusammen in die neue Wohnung ziehe und habe dabei jeweils gesagt, dass wenn sie dies nicht tue, er sie ihre Familie umbringen würde (act. 2/8.1.01, F. 31; act. 2/10.2.01, Rz. 571–572). Hier aber verstrickt sich die Berufungsklägerin in ein Hin und Her widersprüchlicher Aussagen: An der Einvernahme vom 7. Januar 2020 sagte sie aus, sie habe alleine mit ihren vier Kindern in die neue Wohnung einziehen wollen (act. 2/8.1.01, F 35). Am 13. Februar 2021 sagte sie sowohl aus, dass sie gezwungen gewesen sei, eine Wohnung zu nehmen, nur damit ihr nichts passiere (act. 2/10.2.01, Rz. 586–587), wie auch, dass sie so so vorgehabt habe, ihre alte Wohnung zu wechseln (act. 2/10.2.01, Rz. 590) und der Beschuldigte habe sie nur insofern genötigt, als dass es sein Ziel gewesen sei, dass sie alleine wohne, was zunächst auch geschehen sei (act. 2/10.2.01, Rz. 595). An der Berufungsverhandlung vom 23. Juni 2023 sagte sie wiederum aus, sie habe ursprünglich alleine mit ihren Kindern in der neuen Wohnung wohnen wollen (act. 97, F. 53), der Beschuldigte habe überhaupt erst von der neuen Wohnung erfahren, als sie ihm gesagt habe, sie würde die Wohnung nehmen `ohne ihn und ohne meinen Mann` (act. 97, F. 55). Darauf habe er ihr gedroht, er würde sie umbringen, ihr ihren Sohn nehmen und alles Mögliche antun (act. 97, F. 55). Auch weitere Drohungen gab die Berufungsklägerin an: Der Beschuldigte habe ihr gesagt, dass sie nicht mit ihrem Ehemann schlafen könne, ansonsten er sie töten würde (act. 2/8.1.01, F. 36; act. 97, F. 58). Sie habe seinen Erwartungen jeweils entsprochen, da sie nicht gewollt habe, dass ihr und ihrer Familie etwas passiere (act. 2/8.1.01, F 32).

 

An ihrer Einvernahme vom 7. Januar 2020 sagte sie weiter aus, er habe ihr angekündigt, dass er ihr bei der Renovation helfe und dafür ihr und ihrer Familie nichts antun werde (act. 2/8.1.01, F. 30–31). Sie habe dies nur zugelassen, weil sie sich und ihre Familie habe schützen wollen (act. 2/8.1.01, F. 31). An verschiedenen Stellen versucht die Berufungsklägerin – wenngleich widersprüchlich – nahezulegen, dass sich der Beschuldigte gegen ihren Willen Einlass verschafft habe: Einerseits erklärte sie an der Einvernahme vom 7. Januar 2020, die Türe sei irgendwie kaputt gewesen und habe ohne Gewalt geöffnet werden können (act. 2/8.1.01, F. 41), andererseits sagte sie anlässlich der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021, der Beschuldigte habe ihr einen Schlüssel zur neuen Wohnung gestohlen, weshalb sie die Schlösser habe wechseln müssen (act. 38, F. 62). Jedoch sprach sie an der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021 auch wesentlich harmloser davon, dass sie bereits mit einer Kollegin mit der Renovation angefangen habe und er dann später gekommen sei und gesagt habe, er könne helfen (act. 38, F. 67). Sie habe ausser ihrer Freundin niemanden sonst gehabt, der ihr hätte helfen können (act. 97, F. 58). Jedenfalls sei er selber gekommen, sie habe ihn weder geholt noch gezwungen (act. 38, F. 64; act. 97, F. 58). Entsprechend habe er ihr beim Verlegen des Bodens geholfen (act. 2/10.2.01, Rz. 575–576). Hingegen sei sie nie mit dem Beschuldigten Möbel einkaufen gegangen (act. 2/10.2.01, Rz. 928; vgl. hierzu die verschiedenen Quittungen act. 100/3–8).

 

Danach gefragt, warum sie dem Beschuldigten erlaubt habe, bei der Renovation zu helfen und warum sie die Polizei nicht gerufen habe, antwortete sie am 7. Januar 2020, sie habe zu diesem Zeitpunkt gerade keinen Streit mit ihm gehabt, einzig `vor und nach der Renovation` hätten sie Probleme gehabt (act. 2/8.1.01, F. 43). Gleichzeitig gab sie an, er habe sie während der Renovation aber auch geschlagen (act. 2/8.1.01, F. 40). An der Berufungsverhandlung vom 23. Juni 2023 sagte sie aus, sie hätten sich sehr wohl während der Renovation gestritten, sie hätten immer Missverständnisse gehabt und er habe sie immer bedroht (act. 97, F. 58). Dennoch habe sich der Beschuldigte während der Renovation mehrere Tage in der neuen Wohnung aufgehalten und auch dort übernachtet (act. 2/8.1.01, F. 40, 42). Er habe jeweils auf einer kleinen Matratze geschlafen, weil er nicht ins Hotel habe gehen wollen und sonst nirgendwo habe schlafen können (act. 2/8.1.01, F. 40; act. 38, F. 64–65; act. 97, F. 56).

 

Bezüglich ihres Mannes verstrickte sich die Berufungsklägerin in weitere Widersprüche: Zunächst gab sie an der ersten polizeilichen Einvernahme vom 7. Januar 2020 an, dass ihr Ehemann nichts von der Renovation und vom Umzug gewusst habe (act. 2/8.1.01, F 34). Dann sagte sie an der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 13. Februar 2020, sie habe ihrem Mann gesagt, dass sie gehe, als das Sozialamt die Wohnung bewilligt habe (act. 2/10.2.01, Rz. 554–555). An der Berufungsverhandlung bestätigte sie, dass ihr Mann nichts von ihrem Wegzug gewusst habe, weil sie der Beschuldigte jedes Mal bedroht habe (act. 97, F. 53).

 

3.2.2. Aussagen des Beschuldigten

Der Beschuldigte bestreitet den Vorwurf der Nötigung (act. 2/8.1.02, F. 6; act. 2/10.1.02, Rz. 182–187). Er habe nie gesagt, dass er die Berufungsklägerin ihre Familie umbringen würde (act. 2/10.1.01, Rz. 140; act. 41, F. 25) und es stimme nicht, dass er sie dazu gedrängt habe, ihren Ehemann zu verlassen (act. 41, F. 24). Namentlich aber habe er sie nicht durch Drohungen genötigt, die neue Wohnung zu mieten (act. 2/8.1.02, F. 25). Hierbei fragte er, wie man überhaupt jemanden zwingen könne, eine neue Wohnung zu mieten? Sodann fragte er, warum sie ihn denn nicht schon damals – also vor dem Umzug in die neue Wohnung – angezeigt habe (act. 2/8.1.02, F. 26). Er habe sie nicht gezwungen, eine neue Wohnung zu nehmen, sie habe diese Wohnung selber genommen (act. 2/10.1.02, Rz. 195–213). Es sei die Berufungsklägerin gewesen, die ihm von der neuen Wohnung erzählt habe, wobei der Boden und die Wände nicht gut seien. Ohne ihren Hinweis hätte er nichts von dieser Wohnung gewusst. Daraufhin habe er ihr seine Hilfe angeboten und mit ihr zusammen die Wohnung renoviert (act. 2/8.1.02, F. 26). Er habe zunächst € 1'000.– zusammen mit seiner Bankkarte in ein Taschentuch gewickelt und ihr in den Briefkasten gelegt, den PIN habe er ihr anschliessend per Chat geschickt (act. 2/10.1.02, Rz. 195–213). Später sei er persönlich mit dem Auto gekommen, um die Wohnung zu renovieren (act. 2/10.1.02, Rz. 195–213). Weil die Sozialbehörde das nicht habe zahlen wollen, habe er insgesamt etwa € 10'000.– bezahlt, um ihre Wohnung zu renovieren, er habe alles gekauft, drei Zimmer mit neuem Laminat belegt, die Möbel und die Dekoration besorgt und hineingebracht (act. 2/10.1.01, Rz. 143–188). Zwar habe die Berufungsklägerin gezahlt, damit es so aussehe, als kaufe sie die Sachen ein, aber in Wahrheit habe er alle Bauutensilien und Möbel finanziert (act. 2/10.1.02, Rz. 279–285).

 

3.2.3. Indizien

3.2.3.1.   Aus der Aktennotiz der Sozialen Dienste vom 23. Februar 2020 geht hervor, dass die Berufungsklägerin am Erstgespräch vom 18. September 2019 angab, sich von ihrem Ehemann trennen zu wollen (act. 2/18.1, Aktennotiz `Diverse Typen`, S. 7: `Da ihr Mann oft zu ihr sagt, sie soll endlich gehen, weil sie nicht mehr auszuhalten sei, wird sie, sobald sie die Whg hat, eines ums andere zügeln und ihn dann vor Tatsachen stellen`). Am 14. Oktober 2019 habe die Berufungsklägerin mitgeteilt, dass sie in die neue Wohnung per Anfang November 2019 einziehen werde, da sie noch einige Reparaturen machen wolle (act. 2/18.1, Aktennotiz `Diverse Typen`, S. 6). Per 1. Dezember 2019 schliesslich habe die Berufungsklägerin gegenüber den Sozialen Diensten angegeben, in die neue Wohnung an der [...] einzuziehen (act. 2/18.1, Aktennotiz `Diverse Typen`, S. 4).

 

3.2.3.2.   Gemäss den Aussagen von K.______, einem Bekannten der Berufungsklägerin, sei er einmal mit dem Beschuldigten im Bauhaus einkaufen gegangen. Dort hätten Sie Material für die neue Wohnung der Berufungsklägerin eingekauft (act. 2/10.2.03, F. 16). Er glaube, es habe nur der Beschuldigte der Berufungsklägerin bei der Renovation geholfen (act. 2/10.2.03, F. 22), während diese geputzt und etwas mitgeholfen habe (act. 2/10.2.03, F. 28). Sie hätten ganz normal miteinander gesprochen und zum Beispiel besprochen, was für ein Boden verlegt werden sollte und dass sie dazu zwei Autos brauchen würden (act. 2/10.2.03, F. 29).

 

3.2.3.3.   Gemäss den Aussagen von G.______, einer Bekannten der Berufungsklägerin, begleitete sie der Beschuldigte, um für die Renovation Baumaterial zu kaufen (act. 2/10.2.05, F. 24). Ebenso gab sie an, dass der Beschuldigte der Berufungsklägerin bei den Renovationsarbeiten geholfen habe (act. 2/10.2.05, F. 23).

 

3.2.3.4.   Gemäss den Aussagen von F.______, einer Freundin der Berufungsklägerin, sei der Beschuldigte der Grund, warum die Berufungsklägerin überhaupt ihren Ehemann verlassen und eine neue Wohnung gesucht habe, da er sie dazu gezwungen habe (act. 2/10.2.04, F. 27, 29). Zwar habe der Beschuldigte der Berufungsklägerin bei der Renovation der Wohnung geholfen (act. 2/10.2.04, F. 23, 30), doch habe sie während der Renovationsarbeiten mehrmals laute Gespräche zwischen den beiden mitbekommen, in denen er ihr jeweils gesagt habe, was sie zu machen habe, da in [...] ihre Familien alles wissen würden (act. 2/10.2.04, F. 62, 64–65).

 

3.2.4. Würdigung

In Anbetracht der bereits geschilderten ausserehelichen Beziehung (siehe vorne Ziff. IV./2.1.) und Anzeigeerstattung (siehe vorne Ziff. IV./2.2.) liegt auf der Hand, dass sich die Ereignisse im Herbst 2019 zuzuspitzen begannen. Die Aktennotiz der Sozialen Dienste lässt keinen Zweifel darüber, dass die Berufungsklägerin im Sinne hatte, ihren Ehemann zu verlassen. Von einer Bedrohungssituation seitens des Beschuldigten war zu diesem Zeitpunkt nicht Rede. Unklar ist, ob die Berufungsklägerin ihren Mann mit Blick auf einen Zusammenzug mit dem Beschuldigten verliess, wobei der Umstand, dass er ihr unbestrittenermassen bei den Renovationsarbeiten half, ein starkes Indiz dafür ist, dass er selbst davon ausging. Dies sagt die Berufungsklägerin selbst:

`Und die Hilfe, die er mir mit der Renovation gegeben hat, das hat er nicht für mich getan. Das hat er für AX.______ getan. und er hat gedacht, er würde mit mir leben` (act. 97, F. 57).

Der Beschuldigte hatte denn auch ein grosses Interesse daran, dass die Privatklägerin ihre gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann aufhebt, denn nur in diesem Fall kann im Namen des Kindes die rechtliche Vaterschaft des Ehemanns angefochten werden (Art. 255 Abs.1 ZGB i.V.m. Art. 256 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB). Eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung wiederum ist die Voraussetzung für die Anerkennung der Vaterschaft durch den Beschuldigten (Art. 260 Abs. 1 ZGB), was dem Beschuldigten sehr wichtig zu sein scheint. Es ist denn auch davon auszugehen, dass der Beschuldigte aus diesem Grund seinerseits einen grossen Druck auf die Berufungsklägerin auszuüben begann.

 

Zu prüfen bleibt, ob dieser Druck ein strafrechtlich relevantes Mass erreicht hat. Zunächst fallen die Widersprüche in den Aussagen der Berufungsklägerin auf. So wird die von ihr behauptete massive Bedrohungssituation durch die allem Anschein nach freiwillig und dankbar angenommene Unterstützung durch den Beschuldigten im Rahmen der Renovationsarbeiten ebenso in Zweifel gezogen, wie von ihrer anfänglichen Aussage, dass sie während der Renovation gerade keine Probleme mit ihm gehabt habe. Sie scheint auch keine Probleme damit gehabt zu haben, ihn in der neuen Wohnung übernachten zu lassen. Der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen weiter abträglich sind die offensichtlichen Unwahrheiten in ihren Aussagen: So ist aktenwidrig, dass sie ihren Ehemann über den Umzug informierte, ebenso wie es den Aussagen zweier Auskunftspersonen widerspricht, dass die Berufungsklägerin niemals mit dem Beschuldigten einkaufen ging. Schliesslich ist aber auch hier zu beobachten, wie die Berufungsklägerin beständig ihre Aussagen verändert und sich selber in einem möglichst positiven Licht, den Beschuldigten aber in einem möglichst negativen Licht darstellt. Die zum Schluss gemachten, nur noch negativen Aussagen erscheinen überrissen und unglaubhaft. Gerade diese Einseitigkeit entspricht so gar nicht diesem insgesamt schillernden Sachverhaltskomplex. Sodann deckt sich diese konstante und massive Bedrohungssituation weder mit der Wahrnehmung der Auskunftspersonen. Selbst wenn also nicht ausgeschlossen bleibt, dass der Beschuldigte einen grossen Druck auf die Berufungsklägerin ausübte, so vermag doch die derart uneinheitliche und in ihrer letzten Version derart überrissene Sachverhaltsdarstellung in Bezug auf den Vorwurf der Nötigung schlichtweg nicht zu überzeugen. Der Beschuldigte ist daher vom Vorwurf der Nötigung freizusprechen.

 

3.3. Zum Vorwurf der Drohung

3.3.1. Aussagen der Berufungsklägerin

Die Berufungsklägerin gab hierzu an, der Beschuldigte sei etwa am 10. November 2019 zu ihr an die [...] gekommen und habe über den gemeinsamen Sohn und ihre Zukunft sprechen wollen (act. 2/8.1.01, F. 16–17; act. 2/10.2.01, Rz. 482–489). Der Inhalt dieser Diskussion wird unterschiedlich wiedergegeben: An der Einvernahme vom 13. Februar 2020 sagte die Berufungsklägerin, der Beschuldigte sei mit der am Vortag getroffenen Abmachung darüber, dass er sie in Ruhe lassen und den gemeinsamen Sohn nur ab und zu besuchen werde, nicht einverstanden gewesen (act. 2/10.2.01, Rz. 486). An der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021 sagte sie hingegen, sie habe ihm gesagt, sie möchte nicht mit ihm zusammen sein, egal ob er sie umbringe was auch immer er tue, er solle die Wohnung verlassen sie rufe die Polizei (act. 38, F. 35).

 

Einheitlich ist wiederum die Beschreibung, dass sie zusammen mit ihrem gemeinsamen Sohn in der Küche gewesen seien, als der Beschuldigte eine Schublade geöffnet und ein Messer herausgenommen habe (act. 2/8.1.01, F. 16–17; act. 2/10.2.01, Rz. 489–490; act. 38, F. 35). Es habe sich um ein kleines Rüstmesser gehandelt (act. 35, F. 36: `Kleines Küchenmesser, die schwarzen. So ein Sägemesser zum Tomatenschälen`) und mit diesem Messer habe er sie bedroht (act. 2/8.1.01, F. 24). An der Einvernahme vom 7. Januar 2020 sagte sie, er habe sie am Arm festgehalten, sich auf ihre linke Körperseite gestellt (act. 2/8.1.01, F. 25), an der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021 hingegen, er habe sie zwar am Arm gehalten, sie dann aber zwei Schritte in den Korridor gezerrt, damit ihr gemeinsamer Sohn es nicht sehe (act. 38, F. 35).

 

Zur nachfolgenden Szene mit dem Messer bestehen auch unterschiedliche Aussagen: An der Einvernahme vom 7. Januar 2020 sagte sie zunächst aus, dass der Beschuldigte ihr das Messer vor den Bauch gehalten habe, dass das Messer den Bauch jedoch nicht berührt habe (act. 2/8.1.01, F. 25). Schon in der nächsten Frage aber berichtigte sie, der Beschuldigte habe mit dem Messer ihren Bauch berührt, jedoch nicht zugestochen, er habe ihr einfach Angst damit machen wollen (act. 2/8.1.01, F. 26). An der Einvernahme vom 13. Februar 2020 sagte sie ebenfalls zunächst, dass er ihr das Messer `vor den Bauch` gehalten habe (act. 2/10.2.01, Rz. 490) und dann, auf Rückfrage, dass die Spitze des Messers den Bauch berührt habe, so als wolle er zustechen, und dass sie die Spitze zwar gespürt habe, jedoch keinen Kratzer davongetragen habe, da sie einen Pulli angehabt habe (act. 2/10.2.01, Rz. 513, 515, 517–518). An der Hauptverhandlung sagte sie, der Beschuldigte habe das Messer `an meinen Bauch gehalten` (act. 38, F. 35).

 

Sodann schilderte die Berufungsklägerin in allen Einvernahmen übereinstimmend, der Beschuldigte habe gesagt, dass er der Polizei sagen werde, dass sie das Messer in die Hand genommen habe und ihn damit bedroht hätte, sodass er ihr das Messer aus der Hand habe nehmen müssen, weshalb seine Fingerabdrücke drauf seien (act. 2/8.1.01, F. 25; act. 2/10.2.01, Rz. 502–503; act. 38, F. 35).

 

Als Wortlaut der Drohung gab sie am 7. Januar 2020 an, dass er sie töten und den gemeinsamen Sohn mitnehmen werde (act. 2/8.1.01, F. 18), am 13. Februar 2020, dass er sie umbringen werde (act. 2/10.2.01, Rz. 491) und an der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021, dass er sie jetzt umbringen würde (act. 38, F. 35). An der Einvernahme vom 13. Februar 2020 und an der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2021 gab sie an, ihm darauf geantwortet zu haben, er solle tun, was er wolle, sie sei auf die Welt gekommen und sie müsse auch sterben (act. 2/10.2.01, Rz. 491–492; act. 38, F. 35). Der gemeinsame Sohn sei zuhause gewesen, habe alles gesehen und geschrien (act. 2/8.1.01, F. 16–17, 27; act. 38, F. 35), er habe geweint und gezittert (act. 2/10.2.01, Rz. 493; act. 38, F. 35). Am 13. Februar 2020 schilderte sie einen weiteren Wortwechsel, wonach der gemeinsame Sohn dem Beschuldigen gesagt habe, er solle `das Mami nicht mit dem Messer töten`, worauf der Beschuldigte sie angewiesen habe, dem gemeinsamen Sohn zu erklären dass er `nur Spass mache`, doch dieser habe geantwortet `du hast das Messer noch in der Hand` und da erst habe der Beschuldigte das Messer wieder in die Schublade gelegt (act. 2/10.2.01, Rz. 494–496). Hierauf habe sie dem Beschuldigten gesagt, er solle die Wohnung verlassen, da sie sonst die Polizei rufe (act. 2/8.1.01, F. 28; act. 2/10.2.01, Rz. 497–498). Dies habe sie aber nicht gemacht, weil sie zu schockiert gewesen sei und Angst gehabt habe (act. 2/8.1.01, F. 29). Sie traue es dem Beschuldigten zu, dass er seine Drohung umsetze, denn weiter habe er auch gesagt, dass wenn er einen Landesverweis bekomme, er auch Kollegen und Beziehungen in der Schweiz habe, welche dies für ihn übernehmen könnten (act. 2/8.1.01, F. 21), d.h. sie töten (act. 2/8.1.01, F. 22). Sie habe Angst vor dem Beschuldigten gehabt, habe auch Angst gehabt, mit den Kindern hinauszugehen, wo er sie beobachten ihr auflauern könne (act. 2/8.1.01, F. 20).

 

In allen Einvernahmen gab sie übereinstimmend an, alle Rüstmesser aus der Schublade mit einem Küchentuch genommen zu haben, da sie nicht genau gewusst habe, welches er angefasst hatte. Diese Messer habe sie versteckt und später der Kantonspolizei zwecks Spurensicherung übergeben (act. 2/8.1.01, F. 24 inkl. der Protokollnotiz: `A.______ legt drei Küchenmesser vor`; act. 2/10.2.01, Rz. 504–506; act. 38, F. 35).

 

3.3.2. Aussagen des Beschuldigten

Der Beschuldigte bestreitet den Vorwurf der Drohung (act. 2/8.1.02, F. 6, 22; act. 2/10.1.02, Rz. 182–187). Er sei an diesem Sonntagabend um etwa 22.30 Uhr mit dem Zug in [...] angekommen und zur Berufungsklägerin nach Hause (act. 2/10.1.01, Rz. 107–118). Sie seien in der Küche gewesen und er habe für seinen Sohn zwei Brotscheiben mit Nutella zubereitet, weshalb ein kleines, schwarzes Küchenmesser vor ihm gelegen sei (act. 2/8.1.02, F. 22, 27; act. 2/10.1.01, Rz. 107–118). Damit habe er aber nur das Brot geschnitten, das Brot aber habe er mit dem Löffel beschmiert (act. 2/10.1.01, Rz. 132–134). Er habe das Ergebnis des DNA-Tests neben sich auf die Küchenoberfläche gelegt und gesagt, dass er sich am nächsten Tag einen Rechtsanwalt suchen werde, um den gemeinsamen Sohn als seinen Sohn eintragen zu lassen, was die Berufungsklägerin seit dem DNA-Test immer hinausgeschoben habe (act. 2/8.1.02, F. 22; act. 10.1.01, Rz. 107–118). Es sei zu einem Streit gekommen. Als die Berufungsklägerin das Ergebnis des DNA-Tests habe wegziehen wollen, habe er auf die Küchenoberfläche geschlagen und die Dokumente mit der flachen Hand festgehalten (act. 2/8.1.02, F. 22, 27; act. 2/10.1.01, Rz. 124–129). Ausser dieser Situation hätten sie keinerlei Körperkontakt gehabt (act. 2/8.1.02, F. 27) und es habe keinen Angriff gegeben (act. 10.1.01, Rz. 124–129). Daraufhin habe die Berufungsklägerin das Messer genommen und zu ihrem gemeinsamen Sohn gesagt: `AX.______, schau, dein Vater möchte mich mit dem Messer angreifen` (act. 2/8.1.02, F. 22; act. 2/10.1.01, Rz. 124–129: `AX.______, der Vater will mich mit dem Messer stechen`). Hierauf habe der gemeinsame Sohn begonnen zu weinen, weshalb er ihn an sich genommen und getröstet habe (act. 2/8.1.02, F. 28). Es stimme also nicht, dass er ihr das Rüstmesser an den Bauch gehalten habe, denn zu diesem Zeitpunkt habe er seinen Sohn im Arm gehabt (act. 2/8.1.02, F. 27). Es gäbe auch keine Wunde, kein Blut, keine Narbe, nichts (act. 2/10.1.01, Rz. 132–134). Es sei ein mündlicher Streit gewesen, nicht aber mit Messern (act. 41, F. 35). Er verstehe die ganze Situation nicht, da er sie mit Sicherheit nicht bedrohe (act. 2/8.1.02, F. 32). In derselben Nacht nämlich hätten sie sich wieder beruhigt und später noch einmal über ihren gemeinsamen Sohn gesprochen, wobei die Berufungsklägerin versucht habe, die Sache wieder hinauszuschieben, sodass sie die Eintragung zu einem späteren Zeitpunkt machen würden (act. 2/8.1.02, F. 31). Er habe in dieser Nacht bei ihr in [...] übernachtet (act. 2.8.1.02, F. 30) und sie hätten zum letzten Mal einvernehmlichen Geschlechtsverkehr miteinander gehabt (act. 2/8.1.04, F. 45–46).

 

3.3.3. Indizien

Gemäss den Aussagen von E.______ hat die Berufungsklägerin ihr gegenüber einmal erzählt, dass der Beschuldigte sie mit dem Messer bedrohen würde, sie selber aber habe das nicht gesehen (act. 2/10.2.06, Rz. 101, 103).

 

3.3.4. Würdigung

Der Umstand, dass die Berufungsklägerin drei in Tücher gewickelte Rüstmesser bei der Kantonspolizei zwecks Spurensicherung abgab, indiziert, dass tatsächlich etwas mit einem dieser Messer vorgefallen war. Selbst wenn aber eines dieser Messer voller Fingerabdrücke des Beschuldigten wäre, stellte dies keinen Beweis für die hier behauptete Drohung dar, da der Beschuldigte ja nicht bestreitet, ein Messer an diesem Abend zum Brotschneiden verwendet zu haben; zurecht sah daher die Kantonspolizei von einer spurenkundlichen Analyse ohne jeglichen Beweiswert ab. Bleibt somit, die Aussagen zu analysieren. Sowohl die Berufungsklägerin wie auch der Beschuldigte sind sich einig, dass es in der Nacht vom 10. November 2019 in der Küche der neuen Wohnung der Berufungsklägerin an der [...] zu einer verbalen Auseinandersetzung über ihre und ihres gemeinsamen Sohnes Zukunft ging. Beide schildern sie übereinstimmend, dass ein Messer involviert gewesen war, wobei die Berufungsklägerin behauptet, dass dieses zur Drohung benutzt wurde und der Beschuldigte behauptet, dass dieses am Schluss der Diskussion von der Berufungsklägerin zwecks einer vor den Augen des gemeinsamen Sohnes simulierten Drohung verwendet wurde. Verschiedene Aussagen der Berufungsklägerin sind gleichbleibend und verfügen aufgrund ihrer Aussergewöhnlichkeit und ihrer lebendigen Schilderung über Realitätskennzeichen: So etwa, dass der gemeinsame Sohn gezittert habe sowie die Antwort des Beschuldigten, dass er der Polizei sagen würde, er habe ihr das Messer aus der Hand genommen. Diese letzte Aussage aber könnte auch im vom Beschuldigten geschilderten Kontext – gewissermassen als Abwehrreaktion gegen eine falsche Anschuldigung – gefallen sein. Gewichtiger erscheint daher, dass sich die Aussagen der Berufungsklägerin just an jenen Punkten zu widersprechen beginnen, an welchen die verbale Auseinandersetzung ihrer Behauptung nach handgreiflich wurde: Unstimmigkeiten bestehen bei der Schilderung, wie der Beschuldigte sie gepackt habe, wobei er einmal neben sie gestanden sein und sie einmal in den Korridor gezogen haben soll, ob das Messer sie berührt habe nicht und in der darauffolgenden behaupteten Interaktion mit dem gemeinsamen Sohn, welche nur einmal geschildert wird. Dies alles lässt die Schilderung der Berufungsklägerin in ihrer Gesamtheit als unglaubhaft erscheinen. Wesentlich natürlicher und lebensnaher nimmt sich auch hier die Schilderung des Beschuldigten aus, der diese Szene mit dem DNA-Test in den grösseren Kontext der Spätphase ihrer ausserehelichen Beziehung zu stellen vermag. Die Interaktion mit dem gemeinsamen Sohn und die spontane Entwicklung der Diskussion, seine etwas grobe aber im Gesamtkontext nachvollziehbare Reaktion des Schlags auf den Tisch wirkt – gerade weil sie ihn nicht im besten Licht darstellt – glaubhaft.

 

Gesamthaft betrachtet bestehen trotz der Möglichkeit, dass es sich tatsächlich so abgespielt hat, wie dies die Berufungsklägerin schildert, auch in Bezug auf die Drohung letztlich unüberwindliche Zweifel, die einer Verurteilung des Beschuldigten entgegenstehen. Es ist daher auch hier in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo zu seinen Gunsten von der für ihn günstigeren Sachlage auszugehen (Art. 10 Abs. 3 StPO). Damit kann der für die eingeklagte Drohung erforderliche Sachverhalt nicht erstellt werden und ist der Beschuldigte entsprechend vom Vorwurf der Drohung freizusprechen.

 

3.4. Zum Vorwurf der Beschimpfung

3.4.1. Aussagen der Berufungsklägerin

Nach Aussagen der Berufungsklägerin habe der Beschuldigte sie wiederholt beschimpft (act. 2/8.1.01, F. 37). Diese Beschimpfungen hätten jeweils persönlich am Telefon stattgefunden, wobei er sie jeweils als `Schlampe`, `Nutte` und `Prostituierte` bezeichnet habe. Auch anlässlich der Drohung mit dem Messer habe er sie mit diesen Worten beschimpft (act. 2/8.1.01, F. 38). Der Beschuldigte habe sie eigentlich bei jedem Kontakt beschimpft (act. 2/8.1.01, F. 38).

 

3.4.2. Aussagen des Beschuldigten

Anlässlich seiner Einvernahme vom 7. Januar 2020 anerkannte der Beschuldigte teilweise den Vorwurf der Beschimpfung. Sie hätten in ihrer Beziehung auch Streit gehabt, wobei er sicherlich auch schon einmal ein Schimpfwort benutzt habe. Am Abend des behaupteten Vorfalls mit dem Rüstmesser aber habe er die Berufungsklägerin nicht beschimpft (act. 2/8.1.02, F. 29). In seiner Einvernahme vom 10. Januar 2020 wiederholte er zunächst, er habe in dieser Nacht keine Beschimpfungen ausgesprochen (act. 2/10.1.01, Rz. 101), wobei er nachher zugab, dass sie – während sie über die amtliche Anerkennung der Vaterschaft des gemeinsamen Sohnes gestritten hätten – ihn `Idiot` genannt habe und er sie auch beschimpft habe (act. 2/10.1.01, Rz. 122–124). Später gab er zu, dass manchmal Schimpfworte ausgesprochen worden seien, so habe sie ihn `Idiot` genannt und er sie auch einmal `Hure` (act. 2/10.1.01, Rz. 353–362). In seinem handschriftlichen Brief vom 15. Januar 2020 schrieb der Beschuldigte, dass er ihr manchmal, wenn sie ihn genervt habe, die Worte `Hure` und `Prostituierte` gesagt habe, sich jeweils aber danach bei ihr entschuldigt habe (act. 2/2.1.02-1 / act. 2/8.1.14). In seiner Einvernahme vom 17. Februar 2020 wiederholte er, dass das einzig Wahre an den Vorwürfen sei, dass er ihr einmal `Nutte` gesagt habe, dies aber nur, weil sie ihm gesagt habe, er dürfe den gemeinsamen Sohn nicht mehr sehen (act. 2/10.1.02, Rz. 182–187).

 

3.4.3. Würdigung

Der Sachverhalt ist in Bezug auf die Beschimpfung aufgrund des glaubhaften Geständnisses des Beschuldigten erstellt.

 

 

V. Rechtliche Würdigung

1.  

1.1. Wer jemanden in anderer Weise (als dies in Art. 173 StGB und Art. 174 StGB umschrieben ist) durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft (Art. 177 Abs. 1 StGB). Die Strafbarkeit von Äusserungen beurteilt sich nach dem Sinn, den der unbefangene Durchschnittsadressat diesen unter den jeweiligen konkreten Umständen gibt. Hierbei unterscheidet die Lehre verschiedene Formen der Beschimpfung: Zum einen stellen reine Werturteile (sog. Formal- Verbalinjurien) blosse Ausdrücke der Missachtung dar, welche sich nicht erkennbar auf bestimmte, dem Beweis zugängliche Tatsachen stützen, wie etwa der Vorwurf, jemand sei ein Schwein (vgl. BSK StGB-Riklin, N 4 zu Art. 177 StGB m.w.H. auf die Kasuistik). Zum anderen aber beziehen sich gemischte Werturteile explizit implizit auf Tatsachenbehauptungen, also Ereignisse Zustände der Gegenwart Vergangenheit, die äusserlich in Erscheinung treten und dadurch wahrnehmbar und dem Beweise zugänglich werden (BGE 118 IV 41 E. 3 S. 44; BSK StGB-Riklin, N 5 zu Art. 177 StGB m.w.H.). Ob ein reines ein gemischtes Werturteil vorliegt, muss aus dem ganzen Zusammenhang der Äusserung erschlossen werden (Urteile BGer 6B_1270/2017 und BGer 6B_1291/2017 vom 24. April 2018 E. 2.1. mit Verweis auf BGE 74 IV 98 E. 1 S. 100).

 

1.1.1. Der Beschuldigte sagte der Berufungsklägerin die Worte `Nutte` und `Prostituierte` (siehe vorne Ziff. IV.3.4 .). Hierbei handelt es sich um reine Werturteile, die zweifellos als Beschimpfung zu werten sind (vgl. bereits BGE 92 IV 115 E. 2 S. 117: `Der Ausdruck Hure enthält eine höchst negative moralische Wertung und gehört deshalb zu den gröbsten Schimpfwörtern, mit denen eine Frau überhaupt benannt werden kann. Er kennzeichnet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Betroffene als Frau, die unbekümmert um die Gebote der Sittlichkeit sich zur Befriedigung der eigenen Wollust zu Erwerbszwecken Männern wahllos hingibt`). Vor dem kulturellen Hintergrund der Parteien und im Kontext ihres gemeinsamen, ausserehelichen Kindes ist grundsätzlich denkbar, dass diese Beschimpfung als gemischtes Werturteil gedacht war und einen Tatsachenbezug zum Ehebruch herstellen wollte. Dies wird jedoch vom Beschuldigten nicht vorgebracht, weshalb diese Beschimpfung in Bezug auf die ihr möglicherweise zugrunde liegende Tatsache auch nicht wie eine Tatsachenbehauptung zu behandeln ist (BGE 121 IV 76 E. 2.a. S. 82–83).

 

1.1.2. Damit ist der Beschuldigte schuldig der Beschimpfung im Sinne von Art. 177 StGB.

 

1.2. Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung erwidert worden, so kann das Gericht einen beide Täter von Strafe befreien (Art. 177 Abs. 3 StGB). Hierbei handelt es sich um einen Strafbefreiungs- und nicht um einen Rechtfertigungsgrund (BGE 109 IV 39 E. 4.b. S. 43). Das Merkmal der Unmittelbarkeit ist zeitlich zu verstehen, und zwar in dem Sinne, dass der Täter in der durch das ungebührliche Verhalten erregten Gemütsbewegung handelt, ohne dass er Zeit zu ruhiger Überlegung hat (BGE 83 IV 151). Bei diesem Fall der sog. `Retorsion` kann von der Strafe abgesehen werden, da `die streitenden Teile sich selber schon an Ort und Stelle Gerechtigkeit verschafft haben und der Streit zu unbedeutend ist, als dass das öffentliche Interesse nochmalige Sühne verlangen würde` (BGE 72 IV 21 E. 2 S. 22; BSK StGB-Riklin, N 27 ff. zu Art. 177 StGB).

 

1.3. Der Beschuldigte behauptete, dass sie sich gegenseitig Beschimpfungen gesagt hätten und dass die Berufungsklägerin ihn `Idiot` genannt habe, er sie auch einmal `Hure` (act. 2/10.1.01, Rz. 353–362). Die Berufungsklägerin bestätigt, den Beschuldigten während derselben Diskussion, in der auch sie beschimpft worden sei, `Idiot` genannt zu haben (act. 97, F. 78–79). Sie rechtfertigt dies damit, dass das Wort viel weniger schlimm als `Hure` `Prostituierte` sei und im Gegensatz zu diesen Begriffen auch im Alltag verwendet werden könne (act. 97, F. 78). Selbst wenn dem so sein mag, trifft das Strafrecht diese Unterscheidung nicht (vgl. die Liste an bundesgerichtlich anerkannten, teilweise alltäglichen reinen Werturteilen bei BSK StGB-Riklin, N 4 zu Art. 177 StGB). Ja gerade ursprünglich psychiatrische Fachausdrücke wie `Idiot` (vgl. Urteil BGer 6B_463/2019 vom 6. August 2019 E. 4.3.: `Idiotie` als veraltete Bezeichnung für den angeborenen im frühen Kindesalter erworbenen Intelligenzdefekt schwersten Grades) werden dadurch, dass sie im Alltag nicht länger in ihrem (überholten) medizinischen Sinn verwendet werden, zu einem moralischen Werturteil umgewandelt und so dazu missbraucht, jemanden als verschroben, abnorm, charakterlich minderwertig als asozialen Sonderling hinzustellen, ihn mithin in seiner persönlichen Ehre herabzuwürdigen (Urteil BGer 6B/582/2020 vom 17. Dezember 2020, E. 3.2. mit Verweis auf BGE 98 IV 90 E. 3.a. S. 93; BGE 96 IV 54 E. 2 S. 55; BGE 93 IV 20 S. 22 E. 1). Gerade für das Wort `Idiot` hat das Bundesgericht festgehalten, dass es `umgangssprachlich abwertend als Synonym für 'Dummkopf' und 'Trottel' verwendet wird […] und im heutigen Sprachgebrauch als Schimpfwort einen dummen Menschen bezeichnet`, weshalb der Ausdruck `zum Grundvokabular der Beschimpfungen` gehöre (Urteil BGer 6B_463/2019 vom 6. August 2019 E. 4.4.). Darüber, dass die Berufungsklägerin dieses Wort nicht etwa als blossen Ausdruck des Ärgers benutzte, sondern als herabsetzende Beleidigung intendierte, liess sie anlässlich der Berufungsverhandlung keinen Zweifel (act. 97, F. 79: `Er ist der grösste Idiot auf der ganzen Welt, den ich kenne`). Somit liegt auf der Hand, dass der Beschuldigte mit seiner Beschimpfung eine andere Beschimpfung der Berufungsklägerin konterte umgekehrt. Dies erfolgte unmittelbar. Es ist daher in Anwendung von Art. 177 Abs. 3 StGB der Beschuldigte von einer Strafe zu befreien.

 

 

VI. Zivilforderungen

1.  

1.1. Die Berufungsklägerin beantragte die Aufhebung der Dispositionsziffer 2 des vorinstanzlichen Urteils (act. 77, S. 1), welche ihre Zivilforderungen auf den Zivilweg verweist (act. 73, S. 42, Dispositivziffer 2). Vor der Vorinstanz hatte die Berufungsklägerin Schadenersatz in der Höhe von CHF 13'170.30 nebst Zins zu 5 % seit dem 10. November 2019 gefordert (act. 62, S. 1). Der Schadenersatz wurde einerseits mit dem `durch den Beschuldigten veranlassten Wohnungswechsel` und den diesbezüglich veranlassten Schulden bei den Sozialen Diensten in der Höhe von CHF 11'727.–, andererseits mit dem `vom Beschuldigten veranlassten` DNA-Test und den mit `dem Schwangerschaftsabbruch` entstandenen Arztkosten begründet (act. 62, Rz. 35–36).

 

1.2. Das Gericht entscheidet über die anhängig gemachte Zivilklage, wenn es die beschuldigte Person schuldig spricht wenn es die beschuldigte Person freispricht und der Sachverhalt spruchreif ist (Art. 126 Abs. 1 StPO). Vorliegend wird der Beschuldigte in drei Anklagepunkten freigesprochen und in einem Anklagepunkt schuldiggesprochen. Das Obergericht kann somit auf die Zivilforderung eintreten.

 

1.3. Gemäss Art. 122 Abs. 1 StPO kann die geschädigte Person zivilrechtliche Ansprüche `aus der Straftat` adhäsionsweise im Strafverfahren geltend machen. Vorliegend ist der Beschuldigte von den angeklagten Vorwürfen der Vergewaltigung, Drohung und Nötigung freizusprechen. Aus dem Anklagesachverhalt ergibt sich keine rechtswidrige Handlung, die einen Schadenersatz- Genugtuungsanspruch begründet.

 

1.4. Die Zivilklage der Berufungsklägerin auf Schadenersatz und Genugtuung ist abzuweisen.

 

 

 

 

VII. Verfahrenskosten, Entschädigung und Genugtuung

1. Anspruch des Beschuldigten auf Entschädigung und Genugtuung

Der Beschuldigte ist von den meisten angeklagten Vorwürfen freizusprechen. Damit hat er Anspruch auf Entschädigung der wirtschaftlichen Einbussen, die ihm aus seiner notwendigen Beteiligung am Strafverfahren entstanden sind (Art. 429 Abs. 1 lit. b StPO) sowie auf Genugtuung für besonders schwere Verletzungen seiner persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug (Art. 429 Abs. 1 lit. c StPO). Die Strafbehörde prüft den Anspruch von Amtes wegen (Art. 429 Abs. 2 StPO).

 

2. Entschädigung

2.1. Der Beschuldigte hat vor der Vorinstanz eine Entschädigung in der Höhe von CHF 4'763.– (zzgl. Zins zu 5 %) beantragt, welcher sich aus dem Lohnausfall in der Höhe von CHF 2'565.10 und Fahrspesen in der Höhe von CHF 2'198.10 zusammensetze (act. 43/14). Die Vorinstanz hiess diesen Antrag gestützt auf Art. 429 Abs. 1 lit. b StPO gut, wobei der Zins ab dem 28. Januar 2020 als mittlerem Verfallstag (vgl. BGE 131 III 12 E. 9.5. S. 25–26) zugesprochen wurde (act. 73 E. VII./2.3. S. 40 sowie S. 41, Dispositivziffer 5)

 

2.2. Im Berufungsverfahren beantragte der Beschuldigte unverändert eine Entschädigung in der Höhe von CHF 4'763.– zzgl. Zins zu 5 % seit dem 28. Januar 2020 (act 79, S. 2). Den Erwägungen der Vorinstanz kann in diesem Punkt vollumfänglich gefolgt werden (act. 73 E. VII./2.3. S. 40). Die wirtschaftlichen Einbussen des Beschuldigten sind zum grössten Teil aufgrund der Vorwürfe der Vergewaltigung, Nötigung und Drohung entstanden. Entsprechend führt der Schuldspruch wegen Beschimpfung nicht zu einer Reduktion der Entschädigung für das Vorverfahren und das erstinstanzliche Gerichtsverfahren.

 

2.3. Damit ist der Beschuldigte mit CHF 4'763.– (zzgl. Zins zu 5 %) seit dem 28. Januar 2020 zu entschädigen.

 

3. Genugtuung

3.1. Der Beschuldigte hat vor der Vorinstanz eine Genugtuung in der Höhe von CHF 14'100.– (zzgl. Zins zu 5 %) beantragt. Die Vorinstanz sprach in Anwendung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dem Beschuldigten einen Betrag von CHF 200.– pro Tag der ausgestandenen Inhaftierung zu (BGE 143 IV 339 E. 3.1. S. 342), was bei 43 Tagen (der Beschuldigte war vom 6. Januar 2020 bis am 17. Februar 2020 in Untersuchungshaft) insgesamt CHF 8'600.– entspricht. Der Zins wurde ab dem 28. Januar 2020 als mittlerem Verfallstag gezählt. Hinzu rechnete die Vorinstanz CHF 200.– als Entschädigung für die durch die Strafverfolgungsbehörden verlorene Speicherkarte, auf welcher sich neben entlastenden Beweismitteln auch private Fotos befunden hätten (act. 73 E. VII./2.3. S. 40). Somit hiess die Vorinstanz den Antrag im Umfang von CHF 8'600.– und zudem CHF 200.– gut (act. 73 E. VII./2.3. S. 40 sowie S. 41, Dispositivziffer 5).

 

3.2. Im Berufungsverfahren beantragte der Beschuldigte eine Genugtuung in der Höhe von CHF 13'600.– zzgl. Zins zu 5 % seit dem 17. Februar 2020 (act. 79, S. 2), wobei an der Berufungsverhandlung nur noch von CHF 5'000.– die Rede war (act. 96, S. 14); gemeint ist wohl die Differenz zwischen den vorinstanzlich zugesprochenen CHF 8'600.– und den nunmehr beantragten CHF 13'600.–. Begründet wurde dies mit der materiellen Unbill, die dem Beschuldigten dadurch entstanden sei, dass er seinen Sohn aufgrund des Strafverfahrens während dreieinhalb Jahre nicht habe sehen können (act. 96, S. 14). Diese Begründung erscheint aufgrund des aus dem Sachverhalt genüglich hervorgehenden Umstandes, dass die Berufungsklägerin ihm den gemeinsamen Sohn bereits vor dem Strafverfahren vorenthielt, zumindest fraglich. Es besteht derzeit kein Besuchsrecht des Beschuldigten, zumal aus rechtlicher Sicht der Ehemann der Berufungsklägerin der Vater des Kindes ist (Art. 255 Abs. 1 ZGB). Da der Ehemann der Berufungsklägerin die Vaterschaft nicht angefochten hat (Art. 256 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. Art. 256c Abs. 1 ZGB) und auch die Voraussetzung für die Anfechtung durch das Kind nicht gegeben ist (Art. 256 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB), wird sich an der rechtlichen Vaterschaft des Ehemannes der Berufungsklägerin voraussichtlich auch nichts ändern. Aus rechtlicher Sicht besteht somit zwischen dem Beschuldigten und seinem Sohn kein Verhältnis. Da mithin kein genugtuungsrechtlich relevanter Zusammenhang mit dem Strafverfahren erkennbar ist, ist die Genugtuungsforderung im Mehrbetrag abzuweisen, womit es bei der vorinstanzlichen Regelung bleibt.

 

3.3. Nicht im Rahmen der Anträge der Anschlussberufung (act. 79, S. 2) und auch nicht bei der Eingabe der Anträge zu Beginn der Berufungsverhandlung (act. 96, S. 3: `Ich halte an meinem Antrag fest`), sondern während seines Plädoyers beantragte der Beschuldigte für die verlorengegangene Speicherkarte CHF 500.–statt den zugesprochenen CHF 200.–. Grund hierfür sei, dass sich darauf persönliche Aufnahmen von sich und seinem Sohn sowie auch Beweismittel befunden hätten (act. 96, S. 14). Auch in diesem Punkt ist die Vorinstanz darin zu bestätigen, dass der Wert einer handelsüblichen Speicherkarte sowie auch die immaterielle Unbill, welche aufgrund des Verlustes der Aufnahmen entstanden sein mag, mit CHF 200.– angemessen beziffert wurde (act. 73 E. VII./2.3. S. 40). Auch die Zinsberechnung ab dem 17. Februar 2020 (Entlassung aus der Untersuchungshaft, anlässlich welcher dem Beschuldigten die Speicherkarte hätte ausgehändigt werden sollen) ist nicht zu beanstanden. Damit ist dieser Antrag abzuweisen.

 

3.4. In Bestätigung der Vorinstanz ist dem Beschuldigten eine Entschädigung in Höhe von CHF 4'763.– zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 28. Januar 2020 sowie eine Genugtuung in Höhe von CHF 8'600.– zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 28. Januar 2020 und CHF 200.– zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 17. Februar 2020 aus der Gerichtskasse zu bezahlen.

 

4.  

In formaler Hinsicht fällt das Obergericht ein neues Urteil, welches das erstinstanzliche Urteil ersetzt (Art. 408 StPO). Weil das Obergericht als Rechtsmittelinstanz einen neuen Entscheid fällt, ist auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung zu entscheiden (Art. 428 Abs. 3 StPO).

 

5.  

5.1. Kostentragungspflicht im Allgemeinen

Die Verfahrenskosten setzen sich zusammen aus den Gebühren zur Deckung des Aufwands und den Auslagen im konkreten Straffall. Zu den Auslagen zählen namentlich die Kosten für die amtliche Verteidigung und unentgeltliche Verbeiständung sowie die Kosten für die Übersetzungen (Art. 422 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und b StPO). Die Verlegung der Kosten richtet sich nach dem Grundsatz, wonach Kosten zu tragen hat, wer sie verursacht (BGE 138 IV 248 E. 4.4.1. S. 254). So gründet namentlich die Kostentragungspflicht des Beschuldigten im Falle eines Schuldspruchs (Art. 426 Abs. 1 StPO) auf der Annahme, dass er die Verfahrenskosten als Folge seiner Tat veranlasst hat. Dies übrigens auch dann, wenn ein Schuldspruch ohne Aussprechung von Sanktionen erfolgt (BSK StPO-Domeisen, N 7 zu Art. 426 StPO). Im Rechtsmittelverfahren gilt das allgemeine Unterliegerprinzip, wonach die Parteien die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Ob und inwieweit eine Partei im Sinne dieser Bestimmung obsiegt unterliegt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor der zweiten Instanz gestellten Anträge gutgeheissen werden (vgl. z.B. BGer Urteil 6B_1290/2021 vom 31. März 2022 E. 5.1 m.w.H.). Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten nicht, soweit diese für Übersetzungskosten anfielen, die durch die Fremdsprachigkeit der beschuldigten Person nötig wurden (Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO).

 

5.2. Kostentragungspflicht der Privatklägerin

5.2.1. Der Privatklägerschaft können die Verfahrenskosten, die durch ihre Anträge zum Zivilpunkt verursacht worden sind, auferlegt werden, wenn das Verfahren eingestellt die beschuldigte Person freigesprochen wird, die Privatklägerschaft die Zivilklage vor Abschluss der erstinstanzlichen Hauptverhandlung zurückzieht die Zivilklage abgewiesen auf den Zivilweg verwiesen wird (Art. 427 Abs. 1 StPO). Bei Antragsdelikten können die Verfahrenskosten der Privatklägerschaft auferlegt werden, wenn das Verfahren eingestellt die beschuldigte Person freigesprochen wird und soweit die beschuldigte Person nicht nach Art. 426 Abs. 2 StPO kostenpflichtig ist (Art. 427 Abs. 2 StPO). Somit soll die antragsstellende Person, die als Privatklägerin am Verfahren teilnimmt, grundsätzlich auch das volle Kostenrisiko tragen. Allerdings ist die Regelung von Art. 427 Abs. 2 StPO dispositiver Natur (BGer Urteil 6B_1125/2013 vom 26. Juni 2014 E. 3.2.1 m.w.H.; BGE 147 IV 47 E. 4.2.2 S. 50–51). Die allfällige Entschädigungspflicht der Privatklägerschaft hängt nicht von einem mutwilligen grobfahrlässigen Verhalten ab (BGE 147 IV 47 E. 4.2.2 S. 50–51). Art. 427 StPO findet keine Anwendung auf das Rechtsmittelverfahren (BGer Urteil 6B_370/2016 vom 16. März 2017 E. 1.2).

 

5.2.2. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung trägt die Privatklägerin im Berufungsverfahren überdies auch bei Offizialdelikten die angemessenen Kosten der Verteidigung der (freigesprochenen) beschuldigten Person sowie die Verfahrenskosten gemäss dem allgemeinen Unterliegerprinzip, wenn ein vollständiges gerichtliches Verfahren stattgefunden hat und der erstinstanzliche gerichtliche Entscheid einzig von der Privatklägerschaft mit Berufung weitergezogen worden ist (BGE 147 IV 47 E. 4.2.4 und E. 4.2.6 S. 52 ff. m.w.H.). Die Verfahrenskosten setzen sich zusammen aus den Gebühren zur Deckung des Aufwands und den Auslagen im konkreten Straffall. Zu den Auslagen gehören auch die Kosten für die amtliche Verteidigung (Art. 422 Abs. 1 u. Abs. 2 lit. a StPO). Folglich sind unter den genannten Umständen der Privatklägerschaft im Berufungsverfahren auch die Kosten für die amtliche Verteidigung der freigesprochenen beschuldigten Person gestützt auf Art. 428 Abs. 1 StPO aufzuerlegen. Zwar verneinte das Bundesgericht in BGE 145 IV 90 mangels gesetzlicher Grundlage eine Pflicht der Privatklägerschaft zur Rückerstattung der Kosten der amtlichen Verteidigung, wenn die beschuldigte Person freigesprochen wird. Der diesem Bundesgerichtsentscheid zu Grunde liegende Fall unterscheidet sich jedoch darin, dass nur die beschuldigte Person Berufung erhob; die Kosten des Berufungsverfahrens wurden somit nicht von einer alleinig Berufung führenden Privatklägerschaft verursacht.

 

5.2.3. Sind die Verfahrenskosten der Privatklägerschaft aufzuerlegen und liegen die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege vor, sind die Verfahrenskosten der Privatklägerin im Sinne von Art. 136 Abs. 2 lit. b StPO ganz teilweise zu erlassen, jedoch besteht in analoger Anwendung von Art. 135 Abs. 4 StPO eine Nachzahlungspflicht, sollte sich die wirtschaftliche Situation der Privatklägerschaft ausreichend verbessert haben.

 

5.3. Pflicht zur Rückerstattung der Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtspflege

Wird die beschuldigte Person zu den Verfahrenskosten verurteilt, so ist sie verpflichtet, die Entschädigung des amtlichen Verteidigers dem Staat zurückzuzahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann der Staat die Kosten für die unentgeltliche Verbeiständung der Privatklägerschaft von der beschuldigten Person unter den gleichen Voraussetzungen zurückfordern, wie jene für die amtliche Verteidigung (BGer Urteil 6B_1274/2017 vom 24. September 2018 E. 4.3 m.w.H.).

Eine Privatklägerin, die (vor dem rechtskräftigen Urteil) glaubhaft machte, ein Opfer im Sinne von Art. 116 Abs. 1 StPO zu sein, kann bei Freispruch der beschuldigten Person nicht zur Rückerstattung der erstinstanzlichen Kosten ihrer unentgeltlichen Verbeiständung verpflichtet werden (Art. 30 Abs. 3 OHG). Anders verhält es sich bezüglich der Kosten der unentgeltlichen Verbeiständung im Berufungsverfahren, wenn es bereits erstinstanzlich zu einem Freispruch kam, der Freispruch auch im Berufungsverfahren bestätigt wurde und schliesslich in Rechtskraft erwuchs. Insoweit geht die in Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO statuierte Pflicht zur Rückerstattung der Kosten der unentgeltlichen Verbeiständung im Rechtsmittelverfahren Art. 30 Abs. 3 OHG vor (vgl. zum Ganzen BGE 143 IV 154 E. 2.3.3–2.3.5).

 

6. Vorinstanzliche Verfahrenskosten

6.1.  Es ist Vormerk zu nehmen, dass die von der Vorinstanz festgelegte Gerichtsgebühr sowie der Betrag der weiteren Verfahrenskosten und die Entschädigungen des amtlichen Verteidigers und des unentgeltlichen Rechtsvertreters nicht angefochten wurden.

 

6.2. Bereits das Kantonsgericht hätte den Beschuldigten wegen Beschimpfung i.S.v. Art. 177 Abs. 1 StGB schuldig sprechen und ihn dabei von Strafe befreien sollen (siehe hierzu oben Ziff. IV.3.4). Entsprechend dem hier abgeänderten Schuldspruch sind ein Teil der Verfahrenskosten der Vorinstanz nunmehr dem Beschuldigten aufzuerlegen. Nun fallen aber die Verfahrenskosten bezüglich dieses geringsten der Vorwürfe nicht massgeblich ins Gewicht, wobei insbesondere auch zu berücksichtigen ist, dass der Beschuldigte in Bezug auf diesen Vorwurf immer geständig gewesen war. Es rechtfertigt sich somit, die vorinstanzlichen Verfahrenskosten grundsätzlich zu einem Zehntel dem Beschuldigten aufzuerlegen. Davon ausgenommen sind die Übersetzungskosten in der Höhe von CHF 3'066.— (vgl. Art. 426 Abs. 3 lit. b StPO) und die Gerichtsgebühr in der Höhe von CHF 300.— für das Verfahren vor Zwangsmassnahmengericht, da dieses Verfahren nicht im Zusammenhang zum Tatvorwurf der Beschimpfung steht.

Soweit die Verfahrenskosten die Kosten für die amtliche Verteidigung des Beschuldigten und die unentgeltliche Rechtsvertretung der Privatklägerin umfassen (Art. 422 Abs. 2 lit. a StPO), sind diese Kosten vorerst vom Staat zu tragen. Der Beschuldigte ist zu verpflichten, der Gerichtskasse diese Kosten im Umfang von einem Zehntel zurückzuerstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO).

 

6.3. Die Vorinstanz verzichtete darauf, der Privatklägerin einen Teil der Kosten für das vorinstanzliche Verfahren aufzuerlegen. Es besteht kein Anlass, in diesen Ermessensentscheid der Vorinstanz einzugreifen, zumal der Aufwand bezüglich des zur Anklage gebrachten Antragsdelikt der Drohung (Art. 180 Abs. 1 StGB) und der geltend gemachten Zivilforderung nicht ins Gewicht fallen. Soweit die vorinstanzlichen Verfahrenskosten nicht dem Beschuldigten auferlegt werden, sind sie vom Staat zu tragen.

 

7. Unentgeltliche Rechtspflege

Antragsgemäss (act. 77, S. 2) und in Bestätigung der Vorinstanz ist der Berufungsklägerin die unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren zu gewähren (Art. 136 Abs. 1 StPO).

 

8. Kosten des Berufungsverfahrens

8.1. Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist auf CHF 4'000.– festzusetzen (Art. 6 und Art. 8 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 Zivil- und Strafprozesskostenverordnung).

 

8.2. Im Berufungsverfahren obsiegt die Berufungsklägerin im Ergebnis nur mit ihrem Antrag, dass der Beschuldigte der Beschimpfung schuldig zu sprechen sei; im Übrigen unterliegt sie. Der Beschuldigte obsiegt dahingehend, dass er von den Vorwürfen der Vergewaltigung, Nötigung und Drohung freizusprechen ist. Er unterliegt betreffend den Schuldspruch wegen Beschimpfung und die Abweisung der zusätzlich geforderten Genugtuung. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des Berufungsverfahrens anteilsmässig zwischen der mehrheitlich unterliegenden Berufungsklägerin und dem in Bezug auf den Schuldspruch wegen Beschimpfung und die teilweise Abweisung seiner Genugtuungsforderung unterliegenden Beschuldigten aufzuteilen. Wie aber bereits gesagt (siehe vorne Ziff. VII./6.2.), fallen die Verfahrenskosten bezüglich des eingestandenen Vorwurfs der Beschimpfung nicht massgeblich ins Gewicht. Dasselbe gilt für den abgewiesenen Teil der Genugtuungsforderung, welchen der Beschuldigte anlässlich der Berufungsverhandlung gerade einmal mit einem Absatz begründete (act. 96, S. 14). Vor diesem Hintergrund scheint es daher angemessen, die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren im Umfang von einem Zehntel dem Beschuldigten und im Umfang von neun Zehnteln der Berufungsklägerin aufzuerlegen.

 

8.3. Die Kosten für die Übersetzungen im Berufungsverfahren in der Höhe von CHF 1'305.– sind als Teil der Verfahrenskosten (Art. 422 Abs. 2 lit. b StPO) der Berufungsklägerin zu neun Zehnteln aufzuerlegen. Im Umfang von einem Zehntel werden diese Kosten dem Beschuldigten auferlegt, da sie nicht durch seine Fremdsprachigkeit verursacht wurden (vgl. Art. 426 Abs. 3 lit. b StPO).

 

8.4. Soweit die Verfahrenskosten der Berufungsklägerin auferlegt werden, sind sie ihr aufgrund der gewährten unentgeltlichen Rechtspflege vorläufig zu erlassen (Art. 136 Abs. 2 lit. b StPO). Jedoch ist die Berufungsklägerin in analoger Anwendung von Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO zu verpflichten, diese Kosten der Gerichtskasse zu erstatten, wenn ihre wirtschaftlichen Verhältnisse es zulassen.

 

8.5. Zu den Kosten des Berufungsverfahrens zählen auch die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 422 Abs. 2 lit. a StPO). Sowohl die amtliche Verteidigung wie auch die unentgeltliche Rechtspflege richtet sich nach dem Anwaltstarif des Kantons, in dem das Strafverfahren geführt wurde (Art. 135 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 138 Abs. 1 StPO). Wie sich aus Art. 6 des Tarifs für die Entschädigung der öffentlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtsvertretung des Kantons Glarus vom 12. März 2004 (GS III I/5) ergibt, wird der notwendige Zeitaufwand einer amtlichen Verteidigung mit CHF 180.– pro Stunde entschädigt.

 

8.5.1. Der Rechtsvertreter des Beschuldigten macht für die amtliche Verteidigung Aufwendungen im Umfang von insgesamt CHF 4'670.10 geltend (act. 105). Der hierbei in Rechnung gestellte Aufwand von 24.09 Stunden erscheint angemessen. Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung erfolgt vorab durch die Gerichtskasse (Art. 426 Abs. 1 StPO).

Die Kosten der amtlichen Verteidigung sind der Gerichtskasse durch den Beschuldigten zu einem Zehntel und durch die Berufungsklägerin zu neun Zehnteln zurückzuerstatten, wenn es die wirtschaftlichen Verhältnisse jeweils erlauben (Art. 426 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO; Art. 428 Abs. 1 StPO).

 

8.5.2. Die Berufungsklägerin macht für die unentgeltliche Verbeiständung Kosten im Umfang von insgesamt CHF 5'041.75 geltend (act. 104). Der hierbei in Rechnung gestellte Aufwand von 25.17 Stunden erscheint angemessen.

Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes erfolgt vorab durch die Gerichtskasse. Diese Kosten sind der Gerichtskasse im Umfang von einem Zehntel vom Beschuldigten und im Umfang von neun Zehntel von der Berufungsklägerin zurückzuerstatten, wenn es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 138 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO; Art. 426 Abs. 4 StPO; Art. 428 Abs. 1 StPO).

 

____________________

 

Das Gericht erkennt:

 

1.

Es wird vorgemerkt, dass die nachfolgenden Dispositivziffern des Urteils des Kantonsgerichts Glarus vom 2. November 2022 im Verfahren SG.2021.00058 unangefochten in Rechtskraft erwachsen sind und nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens bildeten:

`3.

Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 7'000.--.

 

Die weiteren Verfahrenskosten betragen:

 

CHF 7'550.—

Untersuchungsgebühr

 

CHF 300.—

Gerichtsgebühr Zwangsmassnahmengericht

 

CHF 6'528.—

Kosten amtliche Verteidigung (Vorschusszahlung)

 

CHF 3'066.—

Kosten für Übersetzungen

 

CHF 10'099.—

Kosten amtliche Verteidigung

 

CHF 16'530.75

Kosten unentgeltliche Rechtsverbeiständung

 

6.

Rechtsanwalt lic. iur. Philipp Langlotz wird als amtliche Verteidigung im Zusatz zum bereits erhaltenen Kostenvorschuss mit CHF 10'099.— (inkl. Auslagen und MwSt.) aus der Gerichtskasse entschädigt.

 

 

9.

Rechtsanwalt MLaw Jacques Marti wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter mit CHF 16'530.75 (inkl. Auslagen und MwSt.) aus der Gerichtskasse entschädigt.`

 

2.

B.______ ist schuldig

 

der Beschimpfung im Sinne von Art. 177 Abs. 1 StGB.

 

 

3.

B.______ wird freigesprochen von den Vorwürfen.

 

der Vergewaltigung im Sinne von Art. 190 Abs. 1 StGB;

 

der Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB;

 

der Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 StGB.

 

 

4.

B.______ wird in Anwendung von Art. 177 Abs. 3 StGB von Strafe befreit.

 

 

5.

B.______ wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung in Höhe von CHF 4'763.– zuzüglich 5 % Zins seit dem 28. Januar 2020 sowie eine Genugtuung in Höhe von CHF 8'600.– zuzüglich 5 % Zins seit dem 28. Januar 2020 und CHF 200.– zuzüglich 5 % Zins seit dem 17. Februar 2020 bezahlt.

 

 

6.

Die Zivilforderung von A.______ wird abgewiesen.

 

 

7.

Die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens (Gerichtsgebühr inkl. der Untersuchungsgebühr) im Umfang von CHF 14'550.– werden B.______ zu einem Zehntel auferlegt und von ihm bezogen. Im Umfang von neun Zehnteln werden sie auf die Staatskasse genommen.

 

Die Kosten für die Übersetzungen im vorinstanzlichen Verfahren in der Höhe von CHF 3'066.– sowie die Gerichtsgebühr von CHF 300.— des Zwangsmassnahmengerichts werden vollständig auf die Staatskasse genommen.

 

Es wird vorgemerkt, dass die Entschädigung für die amtliche Verteidigung im vorinstanzlichen Verfahren (inkl. Vorverfahren) von insgesamt CHF 16'627.— (inkl. Auslagen und MwSt.) bereits an Rechtsanwalt lic. iur. Philipp Langlotz ausbezahlt wurde.

 

B.______ wird verpflichtet, der Gerichtskasse die Kosten für die amtliche

 

Verteidigung im vorinstanzlichen Verfahren in der Höhe von CHF 16'627.– und die Kosten der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung in der Höhe von CHF 16'530.75 je zu einem Zehntel zu erstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

 

8.

Die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren wird auf CHF 4000.– festgesetzt.

 

Die Kosten für die Übersetzungen im Berufungsverfahren betragen CHF 1'305.– .

 

Die Gerichtsgebühr und die Übersetzungskosten werden zu einem Zehntel B.______ auferlegt und von diesem bezogen.

 

Zu neun Zehnteln werden die Gerichtsgebühr und die Übersetzungskosten A.______ auferlegt, jedoch einstweilen nicht bezogen.

 

 

9.

A.______ wird verpflichtet, der Gerichtskasse die vorläufig nicht bezogene Gerichtsgebühr und die vorläufig nicht bezogenen Übersetzungskosten des Berufungsverfahrens zu bezahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

 

10.

Rechtsanwalt lic. iur. Philipp Langlotz wird als amtliche Verteidigung für seine Bemühungen im Berufungsverfahren mit CHF 4'670.10 (inkl. Auslagen und MwSt.) aus der Gerichtskasse entschädigt.

 

B.______ wird verpflichtet, der Gerichtskasse diese Kosten zu einem Zehntel zu erstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

A.______ wird verpflichtet, der Gerichtskasse diese Kosten zu neun Zehnteln zu erstatten, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

 

11.

Rechtsanwalt MLaw Jacques Marti wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter mit CHF 5'041.75 (inkl. Auslagen und MwSt.) aus der Gerichtskasse entschädigt.

 

A.______ wird verpflichtet, der Gerichtskasse diese Kosten zu neun Zehnteln zu erstatten, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. B.______ wird verpflichtet, der Gerichtskasse diese Kosten zu einem Zehntel zu erstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

 

12.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse von A.______ und B.______ werden spätestens im Juli 2026 überprüft.

 

 

13.

Schriftliche Mitteilung an:

 

[...]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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