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Urteil Verwaltungsgericht (GL - OG.2021.00022)

Zusammenfassung des Urteils OG.2021.00022: Verwaltungsgericht

Der Beschuldigte wurde wegen mehrfacher Verletzung der Verkehrsregeln verurteilt, weil er sein Auto ohne Parkgebühr zu zahlen und über der maximalen Parkzeit auf einem Parkplatz abgestellt hatte. Nachdem er Berufung eingelegt hatte, wurde festgestellt, dass die Signalisation unzureichend war, um die Gebührenpflicht zu erkennen, und er wurde freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens werden von der Staatskasse übernommen, aber keine Entschädigung für den Aufwand des Beschuldigten gewährt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts OG.2021.00022

Kanton:GL
Fallnummer:OG.2021.00022
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid OG.2021.00022 vom 10.12.2021 (GL)
Datum:10.12.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beschuldigte; Berufung; Parkfeld; Parkuhr; Signal; Parkfelder; Beschuldigten; Entscheid; Glarus; Urteil; Staatsanwaltschaft; Verfahren; Gebühr; Vorinstanz; Aufmerksamkeit; Fahrzeug; Kanton; Oberrichter; Schuld; «Stampf»; «Parkieren; Gebühr»; Tafel; Obergericht; Oberrichterin; Kantons; Entschädigung; Situation; Parkplatz; ässer
Rechtsnorm: Art. 27 SVG ;Art. 398 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:127 IV 229; 146 IV 88;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts OG.2021.00022

Geschäftsnummer: OG.2021.00022 (OGS.2021.143)
Instanz: OG2
Entscheiddatum: 10.12.2021
Publiziert am: 22.12.2021
Aktualisiert am: 22.12.2021
Titel: Mehrfache Verletzung der Verkehrsregeln

Resümee:

 

 

Kanton Glarus

 

Obergericht

 

 

Es wirken mit: Obergerichtspräsidentin Dr. iur. Petra Hauser, Oberrichterin Monika Trümpi, Oberrichterin Brigitte Müller, Oberrichterin lic. iur. Marianne Dürst Benedetti und Oberrichter André Pichon sowie Gerichtsschreiber lic. iur. Erich Hug.

 

 

Urteil vom 10. Dezember 2021

 

 

Verfahren OG.2021.00022

 

 

A.______                                                                                    Beschuldigter und

                                                                                                   Berufungskläger

 

 

 

gegen

 

 

 

Staatsanwaltschaft des Kantons Glarus                               Anklägerin und

Berufungsbeklagte

Postgasse 29, 8750 Glarus

 

 

vertreten durch MLaw Nicole Buner, Staatsanwältin

Postgasse 29, 8750 Glarus
 

 

 

 

Gegenstand

 

 

 

 

Übertretung des Strassenverkehrsgesetzes

 

über die Anträge:

 

des Beschuldigten und Berufungsklägers (gemäss Berufungserklärung vom 25. Februar 2021 [act. 17] und Berufungsbegründung vom 9. April 2021 [act. 23, S. 5 unten]; sinngemäss):

 

Es sei der Beschuldigte von Schuld und Strafe freizusprechen und sei ihm für seinen Aufwand eine Entschädigung zuzusprechen.

 

 

Die Staatsanwaltschaft hat auf eine Stellungnahme sowie auf Anträge zur Berufung verzichtet.

 

____________________

 

Erwägungen

 

1.

1.1 Die Glarner Staatsanwaltschaft verurteilte mit Strafbefehl vom 3. Dezember 2019 (act. 3) A.______ wegen mehrfacher Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 48 Abs. 6-8 SSV [heute Art. 48b SSV]) zu einer Busse von CHF 240.- bzw. einer Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen. Konkret wird dem Beschuldigten angelastet, Ende März/Anfang April 2019 seinen Personenwagen während mehrerer Tage auf einem Parkfeld beim «Stampf» in Glarus abgestellt zu haben, und zwar ohne bei der dort angebrachten Parkuhr eine Gebühr zu entrichten sowie auch unter Missachtung der maximal möglichen Parkzeit.

 

1.2 Nach erfolgter Einsprache des Beschuldigten (act. 2/13) überwies die Staatsanwaltschaft die Angelegenheit zur gerichtlichen Beurteilung an den zuständigen Präsidenten der Strafkammer des Kantonsgerichts (act. 1).

 

Dieser bestätigte in seinem Entscheid vom 4. Februar 2021 den Strafbefehl im Schuld- und Strafpunkt und auferlegte die aufgelaufenen Verfahrenskosten dem Beschuldigten (act. 14).

 

1.3 Dagegen erhob der Beschuldigte mit Eingabe vom 25. Februar 2021 fristgerecht Berufung (act. 17), zu deren Behandlung das Obergericht das schriftliche Verfahren anordnete (Art. 406 Abs. 1 lit. c StPO; act. 22). Am 9. April 2021 reichte der Beschuldigte die Berufungsbegründung ein (act. 23).

 

Die Staatsanwaltschaft hat in der Folge auf eine Stellungnahme zur Berufung verzichtet (act. 26).

 

2.

Das vorliegende Strafverfahren beschlägt ausschliesslich Übertretungstat­bestände (Art. 90 Abs. 1 SVG). In einem solchen Fall kann mit Berufung nur geltend gemacht werden, das erstinstanzliche Urteil sei rechtsfehlerhaft die darin vorgenommene Feststellung des Sachverhalts sei offensichtlich unrichtig beruhe auf einer Rechtsverletzung; neue Behauptungen und Beweise können dabei nicht vorgebracht werden (Art. 398 Abs. 4 StPO). «Offensichtlich unrichtig» bedeutet dabei «willkürlich» (siehe dazu Zürcher Kommentar StPO-Zimmerlin, Art. 398 N 23). Nach der formelhaften Umschreibung des Bundesgerichts liegt Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung nur vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Vorinstanz in ihrem Entscheid von Tat­sachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint gar zutreffender erscheint, genügt nicht (Urteil BGer 6B_582/2021 vom 1. September 2021 E. 2.2; BGE 146 IV 88 E. 1.3.1 S. 92).

 

3.

3.1 Der Beschuldigte stellte sich über das ganze Verfahren hinweg auf den Stand­punkt, es sei für ihn damals nicht erkennbar gewesen, dass es sich beim benutzten Parkfeld im «Stampf» um einen gebührenpflichtigen Parkplatz gehandelt habe (act. 2/6; act. 2/20 S. 2 f. Ziff. 5; act. 2/23, act. 10 S. 3 Ziff. 6). Die Vorinstanz hält je­doch im angefochtenen Entscheid in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft dafür, der Beschuldigte hätte bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit die installierte Parkuhr sowie das Signal «Parkieren gegen Gebühr» bemerken müssen (act. 14 S. 6 E. 5 in fine sowie S. 9 f. E. 2.2; act. 3). Der Beschuldigte rügt in seiner Berufung die Sach­verhaltsfeststellung der Vorinstanz als offensichtlich unrichtig (act. 23 S. 1, sowie insbesondere S. 2 «ad 1», S. 3 «ad 3», S. 5 «ad 7»).

 

3.2 Die vom Beschuldigten vorgebrachte Rüge ist berechtigt:

 

3.2.1 Wie die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid insoweit noch zutreffend fest­gehalten hat (act. 14 S. 9 E. 2.1.), sind nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung Verkehrssignale nur verpflichtend, wenn sie auch für ortsfremde Verkehrsteilneh­mer klar und ohne weiteres in ihrer Bedeutung erkennbar sind. Demnach muss ein Sig­nal leicht und rechtzeitig erkennbar sein, wobei der Massstab eines Fahrzeug­lenkers zugrunde zu legen ist, der dem Strassenverkehr die notwendige und von ihm vernünftigerweise zu erwartende Aufmerksamkeit zuwendet (BGE 127 IV 229 E. 2c/aa S. 232). Entscheidend ist mit anderen Worten, dass der Fahrzeuglenker die Signalisation bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit sehen kann (siehe dazu Urteil BGer 6B_452/2016 vom 23. Dezember 2016 E. 2.2), wobei Fahrzeuglenker aber nicht gehalten sind, nach fernab aufgestellten Signalen Ausschau zu halten (siehe dazu Urteil BGer 6B_1467/2019 vom 20. Februar 2020 E. 2.2.3).

 

3.2.2 Zur Illustration der örtlichen Situation dienen die nachstehenden Fotos aus den Untersuchungsakten (act. 2/13 Anhang; act. 2/20 Anhang)

 

 

 

3.2.3 Beim «Stampf» in Glarus sind entlang der Hausfassade zwischen der Stampf­gasse und der Burgstrasse sieben weisse Parkfelder und ein Behindertenparkplatz markiert. Allesamt sind sie nicht nummeriert. Rein von der äusseren Erscheinung her weist daher nichts darauf hin, dass just für die Benützung dieser sieben weissen Parkfelder eine Parkuhr zu bedienen ist, wo nämlich bei allen anderen Parkfeldern weit und breit keine Parkuhren aufgestellt sind. Das Signal «Parkieren gegen Gebühr» und die (kleine) Parkuhr befinden sich zudem mehrere Meter von den weissen Parkfeldern entfernt (oben beim ersten Foto rot umkreist). Diese Signalta­fel steht übrigens, was auf dem Foto so nicht ersichtlich ist, näher an der Burgstras­se als am nächstgelegen weissen Parkfeld. Insofern ist der Einwand des Beschul­digten nicht unbegründet, wonach ohnehin der Eindruck besteht, diese Tafel würde das Parkregime entlang der Burgstrasse regeln, zumal die Tafel auch nicht den weissen Parkfeldern zugewendet ist.

 

Der Beschuldigte stellte seinen Wagen damals von links gesehen auf dem zweiten Parkfeld ab (siehe oben Foto 2). Aus der Perspektive dieses Parkplatzes ist vorab die an der Hausfassade ganz links angebrachte Signaltafel erkennbar (oben Foto 2 und 3), welche jedoch nicht auf gebührenpflichtige Parkfelder hinweist, sondern das Ende der Blauen Zone anzeigt (vgl. dazu act. 2/13 Anhang). Das Signal «Parkieren gegen Gebühr» befindet sich dagegen mehr als 20 Meter entfernt, wobei – wie obi­ges Foto 3 deutlich macht – die Tafel nicht einmal einsehbar ist, wenn auf einem der benachbarten Parkfelder ein grösseres Fahrzeug abgestellt ist. Dies alles ist vorlie­gend deshalb von besonderer Bedeutung, weil es sich bei den fraglichen Parkplät­zen um die weitum einzigen Parkfelder handelt, bei deren Benützung eine Parkuhr zu bedienen ist.

 

3.2.4 Aus alldem folgt, dass die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid offensicht­lich zu Unrecht davon ausgegangen ist, der Beschuldigte hätte bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit erkennen können, dass es sich bei dem von ihm Ende März/Anfang April 2019 benutzten Parkfeld beim «Stampf» um einen gebühren­pflichtigen Parkplatz handelt. Im Gegenteil: Bei den fraglichen Parkplätzen han­delt(e) es sich geradezu um eine «Falle». Denn ein Fahrzeuglenker, der im Lichte der eingangs dargelegten Rechtsprechung zureichend aufmerksam ist, kann gerade nicht bemerken, dass er bei diesen Parkplätzen Geld in eine Parkuhr einzuwerfen hat. Dazu müsste er nämlich im wahrsten Sinne des Wortes nach einer entspre­chenden Signalisation/Parkuhr spähen, was jedoch den Grad der vorausgesetzten Aufmerksamkeit übersteigt. Die Situation vor Ort ist im Übrigen heute nicht mehr ganz mit derjenigen vom April 2019 vergleichbar. Inzwischen wurde nämlich die Tafel «Parkieren gegen Gebühr», die zwar immer noch am gleichen Ort steht, im­merhin so abgedreht, dass sie wenigstens in Richtung der betroffenen Parkplätze zeigt.

 

4.

4.1 Damit ist die Berufung des Beschuldigten gutzuheissen und ist er von Schuld und Strafe freizusprechen.

 

4.2 Bei diesem Ausgang sind sämtliche aufgelaufenen Untersuchungs- und Verfah­renskosten auf die Staatskasse zu nehmen (Art. 426 Abs. 1 e contrario und Art. 428 Abs. 1 StPO).

 

4.3 Der Beschuldigte beantragt in seiner Berufung, es sei ihm für seinen Aufwand eine Entschädigung zuzusprechen (act. 23 S. 5 unten). Dieser Antrag ist abzuwei­sen. Auch wenn nicht zu übersehen ist, dass die vorliegende Angelegenheit dem Beschuldigten einiges an Schreibaufwand abforderte, so besteht nach der StPO kein Anspruch auf Entschädigung für den Zeit- und Arbeitsaufwand einer nicht an­waltlich vertretenen Partei (siehe dazu Urteil BGer 6B_251/2015 vom 24. August 2015 E. 2.3).

 

____________________

 

Das Gericht erkennt:

 

1.

In Gutheissung der Berufung wird der Entscheid des Kantonsgerichtspräsi­denten vom 4. Februar 2021 im Verfahren SG.2019.00144 aufgehoben und wird der Beschuldigte von Schuld und Strafe freigesprochen.

 

 

2.

Die Kosten der Untersuchung sowie beider Gerichtsinstanzen werden auf die Staatskasse genommen.

 

 

3.

Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

 

 

4.

Schriftliche Mitteilung an:

 

[...]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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