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Urteil Verwaltungsgericht (GL - OG.2021.00007)

Zusammenfassung des Urteils OG.2021.00007: Verwaltungsgericht

Das Obergericht des Kantons Glarus hat am 24. Juni 2022 in einem Fall von versuchter vorsätzlicher Tötung und Raub entschieden. Die Staatsanwaltschaft forderte die Verurteilung des Beschuldigten zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren und einer Geldstrafe. Der Beschuldigte wurde auch zur Landesverweisung für 15 Jahre verurteilt. Die Verfahrenskosten wurden ihm auferlegt. Der Privatkläger forderte eine Genugtuung und die Herausgabe von beschlagnahmten Geldern. Das Gericht urteilte zugunsten des Beschuldigten in einigen Punkten, jedoch wurden die meisten Anträge der Staatsanwaltschaft und des Privatklägers abgelehnt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts OG.2021.00007

Kanton:GL
Fallnummer:OG.2021.00007
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid OG.2021.00007 vom 24.06.2022 (GL)
Datum:24.06.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Türkis; Albanis; Serhat; Ervis; Apos; Person; Sedat; Näfels; Beschuldigte; Pristin; Richt; Polizei; Tatort; Izmir; Kemal; Saranda; Rufnummer; Privatkläger; Berufung; Mobiltelefon; Täter; Schuss; Untersuch; Untersuchung; Beschuldigten; Personen; Staat; Drogen; Napoli
Rechtsnorm: Art. 10 StGB ;Art. 110 StGB ;Art. 111 StGB ;Art. 112 StGB ;Art. 113 StGB ;Art. 12 StGB ;Art. 126 StPO ;Art. 135 StPO ;Art. 136 StPO ;Art. 22 StGB ;Art. 29 BV ;Art. 382 StPO ;Art. 385 StPO ;Art. 398 StPO ;Art. 40 StGB ;Art. 404 StPO ;Art. 408 StPO ;Art. 422 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 44 OR ;Art. 47 OR ;Art. 47 StGB ;Art. 48a StGB ;Art. 51 StGB ;Art. 66a StGB ;Art. 70 StGB ;Art. 71 StGB ;Art. 82 StPO ;Art. 84 StPO ;
Referenz BGE:118 IV 397; 122 IV 51; 123 IV 107; 144 IV 168;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts OG.2021.00007

Geschäftsnummer: OG.2021.00007 (OGS.2022.145)
Instanz: OG2
Entscheiddatum: 24.06.2022
Publiziert am: 11.01.2023
Aktualisiert am: 11.01.2023
Titel: Versuchte vorsätzliche Tötung etc.

Resümee:

 

 

Kanton Glarus

 

Obergericht

 

Es wirken mit: Obergerichtspräsidentin Dr. iur. Petra Hauser, Oberrichterin Monika Trümpi, Oberrichter André Pichon, Oberrichter Roger Feuz und Oberrichter MLaw Mario Marti sowie Gerichtsschreiber lic. iur. Erich Hug.

 

 

Urteil vom 24. Juni 2022

 

 

Verfahren OG.2021.00006, OG.2021.00007 und OG.2021.00011

 

 

1. Staatsanwaltschaft des Kantons Glarus                          Anklägerin

Postgasse 29, 8750 Glarus                                                       Berufungsklägerin

                                                                                                   (OG.2021.00007)

                                                                                                   Berufungsbeklagte

                                                                                                   (OG.2021.00011)

vertreten durch Staatsanwalt MLaw Simon Walser,

 

2. Serhat Türkis                                                                        Privatkläger

….., 5610 W.__ AG                                                                    Berufungskläger

                                                                                                   (OG.2021.00011)

 

 

gegen

 

 

Ervis Albanis alias Ervis Tiranis                                            Beschuldigter

letzte bekannte Zustelladresse:                                                 Berufungsbeklagter

c/o Sheref und Natasha Tiranis,                                                (OG.2021.00006/07)

……                                                                                            Berufungskläger

                                                                                                   (OG.2021.00011)

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. Andreas Fäh,

Oberer Graben 26, Postfach, 9000 St. Gallen

 

 

 

Gegenstand

 

 

 

Versuchte vorsätzliche Tötung etc.

 

über die Anträge:

 

A. der Staatsanwaltschaft (gemäss Berufungserklärungen vom 19. Januar 2021 [act. 71] sowie den Ausführungen an der Beru­fungsver­handlung vom 30. April 2021 [act. 103 S. 4]):

 

1.

Es sei Dispositiv-Ziff. 2 des Urteils des Kantonsgerichts vom 2. September 2020 aufzuheben und sei der Beschuldigte zusätzlich schuldig zu sprechen der ver­suchten vorsätzlichen Tötung gemäss Art. 111 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB und des qualifizierten Raubs gemäss Art. 140 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 140 Ziff. 4 StGB.

 

 

2.

In Abänderung von Dispositiv-Ziff. 3 des angefochtenen Urteils sei der Beschul­digte zu bestrafen mit einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren und einer unbedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je CHF 30.-.

 

 

3.

In Abänderung von Dispositiv-Ziff. 4 des angefochtenen Urteils sei der Beschul­digte gestützt auf Art. 66a lit. a und c StGB für 15 Jahren des Landes zu verwei­sen, wobei die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informa­tionssystem anzuordnen sei.

 

 

4.

Dispositiv-Ziff. 10 des angefochtenen Urteils sei aufzuheben und sei dem Beschuldigten keine Genugtuung zuzusprechen.

 

 

5.

In Abänderung von Dispositiv-Ziff. 12 des angefochtenen Urteils seien dem Beschuldigten mit Ausnahme der Übersetzungskosten sämtliche Verfahrenskos­ten aufzuerlegen.

 

 

6.

Dispositiv-Ziff. 15 des angefochtenen Urteils sei aufzuheben und sei dem Be­schuldigten keine Parteientschädigung zuzusprechen.

 

 

7.

Unter Kostenfolge für das Berufungsverfahren zulasten des Beschuldigten.

 

B. des Beschuldigten (gemäss Berufungserklärung des Verteidigers vom 26. Januar 2021 sowie den Ausführungen an der Berufungsverhandlung vom 30. April 2021 [act. 75 und act. 103 S. 5]):

 

1.

Das Urteil des Kantonsgerichts Glarus vom 2. September 2020 sei betreffend Dispositiv-Ziff. 3 (Strafe), Ziff. 4 (Landesverweis), Ziff. 9 (Haftentschädigung) und Ziff. 10 (Genugtuung) aufzuheben.

 

 

2.

Der Beschuldigte sei zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu ver­urteilen, unter Anrechnung der Untersuchungshaft.

 

 

3.

Von der Landesverweisung und deren Ausschreibug im Schengener Informa­tionssystem sei abzusehen.

 

 

4.

Dem Beschuldigten sei eine Genugtuung für die Untersuchungshaft bzw. den vorzeitigen Vollzug von CHF 200.- pro Tag zuzusprechen. Des Weiteren sei ihm Schaden­ersatz von CHF 1'500.- pro Monat für die Dauer der Untersuchungs­haft bzw. des vorzeitigen Strafvollzugs zuzusprechen.

 

 

5.

Dem Beschuldigten sei auch im Verfahren vor Obergericht die amtliche Verteidi­gung zu bewilligen.

 

C. des Privatklägers (gemäss Eingabe seines vormaligen Rechtsvertreters vom 18. Januar 2021 [act. 69]; an der Berufungsverhandlung vom Privatkläger bestätigt [act. 102 S. 5]):

 

1.

Es sei Dispositiv-Ziff. 2 des Urteils des Kantonsgerichts vom 2. September 2020 aufzuheben und sei der Beschuldigte der versuchten vorsätzlichen Tötung ge­mäss Art. 111 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB und des qualifizierten Raubs ge­mäss Art. 140 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 140 Ziff. 4 StGB schuldig zu sprechen und sei der Beschuldigte hierfür in Abänderung von Dispositiv-Ziff. 3 des vorinstanz­lichen Urteils angemessen zu bestrafen.

 

 

2.

Es sei in Abänderung von Dispositiv-Ziff. 6 des angefochtenen Urteils die Beschlagnahme über die Geldbeträge von 3 x € 5000.-, insgesamt € 15'000.-, aufzuheben und es sei der Betrag dem Privatkläger herauszugeben. Überdies seien dem Pri­vatkläger alle gemäss Anklageschrift S. 6 unter dem Titel «Serhat Türkis» aufgeführten beschlagnahmten Gegenstände herauszugeben.

 

 

3.

In Abänderung von Dispositiv-Ziff. 8 des angefochtenen Urteils sei der Beschul­digte zu verpflichten, dem Privatkläger den Betrag von € 50'000.- herauszuge­ben bzw. ersatzweise ihm den Betrag von CHF 53'730.- zu bezahlen. Zudem sei der Beschuldigte zu verpflichten, dem Privatkläger eine Genugtuung von CHF 10'000.- zu bezahlen.

 

 

4.

Es sei dem Privatkläger für das Berufungsverfahren die unentgeltliche Rechts­pflege zu gewähren.

 

 

5.

Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten des Beschuldigten.

 

_____________________________

 

Das Gericht zieht in Betracht:

I.

Prozessgeschichte

 

1.

1.1 Am 4. Mai 2020 erhob die Staatsanwaltschaft des Kantons Glarus bei der Strafkammer des hiesigen Kantonsgerichts Anklage gegen Ervis Albanis (geb. 1988), dessen früherer Nachname Tiranis lautete (siehe dazu act. 2/8.2.05 und 2/8.2.07; auch seine Eltern heissen Tiranis [siehe Dossier OG.2021.00002, act. 19]; gemäss eigenen Angaben nahm der Beschuldigte bei seiner Heirat mit Laureta Albanis deren Nachname an (siehe dazu act. 2/8.1.27 S. 4 unten; ferner act. 2/8.2.02 S. 4 f. Dep. 42 f. sowie act. 105/1 S. 1 unten]). Die Staatsanwaltschaft legt dem Beschuldigten zur Last, am 25. September 2018 in Mittäterschaft mit zwei unbekannten Komplizen den Privatkläger Serhat Türkis in Näfels (Glarus Nord) ausgeraubt und ihn dabei unter Einsatz einer Schusswaffe zu töten versucht zu haben; zudem wirft sie ihm mehrfache Widerhandlungen gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz vor (act. 1).

 

1.2 Der Privatkläger Serhat Türkis beantragte im Prozess vor der Strafkammer des Kantonsgerichts, es sei der Beschuldigte im Sinne der Anklage schuldig zu sprechen; zudem sei er zu verpflichten, ihm (Privatkläger) den geraubten Betrag von € 50'000.- herauszugeben bzw. ihm ersatzweise CHF 53'730.- zu bezahlen sowie überdies eine Genugtuung von CHF 10'000.-. Ausserdem seien ihm (Privatkläger) die in der Untersuchung beschlagnahmten insgesamt € 15'000.- herauszugeben.

 

2.

Am 2. September 2020 verurteilte die Strafkammer des Kantonsgerichts den Beschuldigten wegen mehrfacher rechtswidriger Einreise und mehrfachen rechts­widrigen Aufenthalts in der Schweiz zu einer unbedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu CHF 30.-, unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungs- und Sicherheitshaft (act. 59 S. 105 Dispositiv-Ziff. 1 und Ziff. 3). Vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung und des qualifizierten Raubes sprach sie ihn frei (Dispositiv-Ziff. 2).

Sodann entschied das Kantonsgericht, dass der Beschuldigte für fünf Jahre aus der Schweiz verwiesen werde, und ordnete eine entsprechende Eintragung im Schen­gener Informationssystem an (Dispositiv-Ziff. 4). Für die vom Beschuldigten seit dem 15. November 2018 erstandene Haftzeit sprach das Kan­tonsgericht ihm ab dem 121. Hafttag eine Genugtuung von CHF 50.- pro Tag zu (Dispositiv-Ziff. 10), wogegen es die vom Beschuldigten darüber hinaus geltend gemachte Schadener­satzforderung abwies (Dispositiv-Ziff. 9). Schliesslich wurden die Verfahrenskosten im Umfang von einem Zehntel dem Beschuldigten auferlegt (Dispositiv-Ziff. 12) und wurde dem Beschuldigten eine Parteientschädigung von CHF 9'321.85 zuerkannt (Dispositiv-Ziff. 15).

 

In Bezug auf den Privatkläger urteilte das Kantonsgericht, dass dieser mit seinen Zivilansprüchen auf den Zivilweg verwiesen werde (Dispositiv-Ziff. 8). Zudem blei­ben die in der Untersuchung beschlagnahmten € 15'000.- weiterhin konfisziert, dies in Hinsicht auf die noch laufenden Verfahren gegen die unbekannte flüchtige Täter­schaft sowie gegen den Privatkläger selber (Dispositiv-Ziff. 6).

 

3.

3.1 In der Folge legten sowohl die Staatsanwaltschaft wie auch der Beschuldigte und der Privatkläger beim Obergericht rechtzeitig Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts ein und stellten dabei die eingangs wiedergegebenen Anträge (act. 69, act. 71 und act. 75).

3.2 Dem Beschuldigten wurde für das Berufungsverfahren die amtliche Verteidigung bewilligt (act. 77). Demgegenüber ist das vom Privatkläger gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren gegenstandslos geworden; dies, weil der Privatkläger seine aktuellen finanziellen Verhältnisse (siehe dazu Art. 136 Abs. 1 lit. a StPO) trotz peremptorischer Aufforderung nicht innert angesetz­ter Frist offengelegt hatte (siehe dazu act. 76), wobei sein bisheriger Rechtsvertreter zugleich das Mandat niederlegte (act. 81).

 

4.

Am 30. April 2021 fand vor dem Obergericht die mündliche Berufungs­verhand­lung statt (act. 103).

 

Am 24. Juni 2022 fällte das Obergericht seinen Ent­scheid (act. 118). Dieser wird schriftlich eröffnet, nachdem die Parteien auf eine mündliche Urteilsbekannt­gabe ausdrücklich verzichtet haben (Art. 84 Abs. 3 StPO; act. 103 S. 55).

 

II.

Formelle Erwägungen

 

1.

Das angefochtene Strafurteil der Strafkammer des Kantonsge­richts (act. 59) ist der Anfechtung durch die hier Berufung führenden Parteien zu­gänglich (Art. 398 Abs. 1 StPO in Ver­bindung mit Art. 381 und Art. 382 Abs. 1 StPO). Mit Berufung kann geltend gemacht werden, die Vor­instanz habe das Recht verletzt (einschliesslich Unangemessenheit) und/oder habe den Sachverhalt unvollständig unrichtig festgestellt (Art. 398 Abs. 3 StPO).

 

2.

Die Berufungs­instanz überprüft das vorinstanzliche Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO). Sie fällt aber, wenn sie auf die Berufung eintritt, ein neues Urteil, welches das erstinstanzliche Urteil ersetzt (Art. 408 StPO), womit im Berufungsentscheid ebenso die nicht angefochtenen erstinstanzlichen Urteilspunkte aufzuführen sind.

 

Im vorliegenden Berufungsverfahren sind die folgenden Ziffern des Urteils der Straf­kammer des Kantonsgerichts vom 2. September 2020 (act. 59 S. 105 ff.) nicht ange­fochten und demnach in Rechtskraft erwachsen:

Dispositiv-Ziff. 1:

Verurteilung des Beschuldigten wegen mehrfacher rechtswid­riger Einreise in die Schweiz im Sinne von Art. 115 Abs. 1 lit. a des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG; SR 142.20) in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 lit. a und d AIG sowie wegen mehrfachen rechtswidrigen Aufenthalts in der Schweiz gemäss Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG.

 

 

Dispositiv-Ziff. 5:

Einziehung des beim Beschuldigten beschlagnahmten Bar­geldes von CHF 682.50 und € 500.- und Anrechnung dieser Beträge an die auf den Beschuldigten entfallenden Verfah­renskosten.

 

 

Dispositiv-Ziff. 7:

[Der Inhalt dieser Urteilsziffer ist für das vorliegende Strafver­fahren gegen den Beschuldigten irrelevant und wird diese Zif­fer daher im Berufungsentscheid nicht mehr aufgeführt.]

 

 

Dispositiv-Ziff. 8:

Die in dieser Ziffer getroffene Anordnung, wonach die Privat­kläger mit ihren Zivilforderungen auf den Zivilweg verwiesen werden, ist insoweit in Rechtskraft erwachsen, als der vor Vor­instanz zweite Privatkläger (___) dagegen keine Berufung erhoben hat.

 

 

Dispositiv-Ziff. 11:

Bemessung der erstinstanzlichen Gerichtsgebühr und detail­lierte Auflistung der weiteren Verfahrenskosten.

 

 

Dispositiv-Ziff. 13:

Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsvertreters des Pri­vatklägers.

 

 

Dispositiv-Ziff. 14:

Entschädigung des amtlichen Verteidigers.

III.

Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung und deren Würdigung

 

Vorbemerkungen:

Das Kantonsgericht hat in seinem Urteil vom 2. September 2020 (act. 59) die Anklage in den beiden Hauptpunkten (versuchte vorsätzliche Tötung und qualifizier­ter Raub) verworfen und den Beschuldigten Ervis Albanis von den betreffenden Vorwürfen mangels zureichender Beweise freigesprochen. Dieser Freispruch ist von der Staatsanwaltschaft und ebenso vom Privatkläger Serhat Türkis angefochten.

 

Das Kantonsgericht führte im angefochtenen Entscheid an einer Stelle aus, dass der Beschuldigte Ervis Albanis nicht mit offenen Karten spiele (act. 59 S. 16 Mitte); an anderer Stelle erwähnte es, die Aussagen der in die hier zu beurteilenden Geschehnisse involvierten Personen seien «nicht sehr substantiiert, nicht glaubwür­dig, widersprüchlich offensichtlich gelogen, so dass bei der Erstellung des Sachverhalts nach Möglichkeit nicht auf diese Aussagen abzustellen ist» (act. 59 S. 18 E. 3.1; siehe auf der gleichen Seite auch weiter oben). Gerade weil diese Ein­schätzung der Vorinstanz zutreffender nicht sein könnte, ist es notwendig, als erstes den Ablauf der Strafuntersuchung chronologisch aufzuzeigen und die dabei erlang­ten tatrelevanten Erkenntnisse und Fakten darzulegen. Nur so wird überhaupt erst die ganze Gemengelage in einem wie hier hochkriminellen Umfeld ersichtlich und werden dabei ebenso die Heraus­forderungen an den Rechtsstaat offenbar. Es kann jedenfalls nicht sein, dass sich der Rechtsstaat mit der vom Verteidiger in folgenden Worten formulierten Feststel­lung begnügt: «Wenn der Drogenhändler-Türke und der Drogenhändler-Albaner etwas im Glarnerland handeln; ja dann, was wissen wir schon?» (act. 103 S. 45).

 

Anhand der gesicherten Sachverhaltserkenntnisse ist sodann zu beurteilen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Taten (hier versuchte Tötung und qualifizierter Raub) erfüllt sind (Art. 10 Abs. 2 und Abs. 3 StPO). Soweit für den ein­geklagten Sachverhalt keine direkten Beweise vorliegen, ist nach der Rechtspre­chung auch ein indirekter Beweis auf der Grundlage von Indizien zulässig. Beim Indizienbeweis wird aus bestimmten Tatsachen, die nicht unmittelbar rechtserheb­lich, aber bewiesen sind (Indizien), auf die zu beweisende, unmittelbar rechtserheb­liche Tat­sache geschlossen. Eine Mehrzahl von Indizien, welche für sich alleine nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die Täterschaft die Tat hinweisen und einzeln betrachtet die Möglichkeit des Andersseins offenlassen, können in ihrer Gesamtheit ein Bild erzeugen, das bei objektiver Betrachtung keine Zweifel beste­hen lässt, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Der Indizienbeweis ist dem direkten Beweis gleichwertig (Urteil BGer 6B_1427/2016 vom 27. April 2017 E. 3. mit Hinweisen).

 

1.

Selbsteinlieferung von Serhat Türkis, vage Angaben zum Hergang der Verletzung

1.1 Am Dienstagabend, 25. September 2018, um 19:29 Uhr, fuhr der Privatkläger Serhat Türkis (geb. 1990) in einem schwarzen Mercedes (AG ...87) bei der Notfall­aufnahme des Kantonsspitals in Glarus vor; im Fahrzeug sassen keine weiteren Personen (act. 2/8.1.13). Serhat Türkis wies schwere Schussverletzungen auf, kon­kret zwei Einschüsse am Bauch sowie einen Einschuss am linken Unter- und einen am rechten Oberschenkel, wobei drei Projektile noch im Körper steckten. Er hatte als Folge der massiven inneren Verletzungen (multiple Perforationen am Dünndarm mit Verletzung des Mesenteriums sowie des Omentum majus) bereits 1,3 Liter Blut verloren und musste sogleich notoperiert werden; sein Zustand war äusserst kritisch und hing sein Leben an einem Faden (siehe dazu act. 5/3, act. 2/8.1.11 S. 35 ff., act. 2/3.1.05, act. 2/8.1.01 S. 21 Ziff. 2.2).

 

1.2 Die vom Spital umgehend benachrichtigte Polizei war bereits um 19.40 Uhr vor Ort und stand vor einem Rätsel, wo und auf welche Weise Serhat Türkis die Schuss­ver­letzungen erlitten hatte (act. 2/8.1.01 S. 20 Ziff. 1.2). Dies, nachdem Serhat Türkis ge­genüber den Ersthelfern im Spital lediglich erwähnt hatte, eine fremde Person habe in Näfels/GL aus kurzer Distanz auf ihn geschossen (act. 2/3.1.05, act. 2/8.1.01 S. 21 Ziff. 2.2). (Zum besseren Verständnis der weiteren Ausführungen ist an dieser Stelle etwas vorzugreifen und wenigstens zu erwähnen, dass Serhat Türkis am 25. September 2018 zwischen 19:15 und 19:20 Uhr im Industriequartier am nordöstlichen Ende von Näfels/GL angeschossen wurde.)

 

1.3 Bei den ersten polizeilichen Befragungen äusserte sich der in W__/AG wohnhafte Serhat Türkis nur rudimentär zum Hergang der Schussverletzungen. Er sei mit seinem Wagen allein unterwegs gewesen und habe beabsichtigt, spontan einen Kollegen in Netstal/GL zu besuchen; dabei habe er aber [von Zürich herkommend] die Ausfahrt Glarnerland verpasst und habe daher die nächste Ausfahrt Weesen/SG genommen. Wie er von dort in Richtung Näfels gefahren sei, habe er bemerkt, dass ein Auto ihm hinterhergefahren sei und ihn durch Auf- und Abblenden zum Anhalten aufgefordert habe. Bei der Firma «Gentile» [dieses Unternehmen befindet sich in einer Industriezone am nordöstlichen Rand von Näfels unmittelbar an der Strasse Weesen-Näfels wenige Meter vor einem Bahnübergang] habe er kurz angehalten, worauf das andere Auto ihn überholt und dessen Lenker ihm durch Handzeichen gedeutet habe, ihm zu folgen. Gleich nach dem Bahnübergang sei er dem anderen Auto nach rechts in eine Sackgasse gefolgt, wo sie angehalten hätten. Sie seien beide ausgestiegen, worauf der Andere sogleich auf ihn geschossen habe. Er habe dem ihm unbekannten Schützen noch einen Faustschlag an den Kopf verabreicht und sei hierauf, nach einem noch kurzen Gerangel am Boden, unverzüglich ins Spi­tal gefahren. Mutmasslich seien noch weitere Personen am Tatort gewesen, jeden­falls habe er in der Nähe Stimmen gehört. Danach gefragt, wo er sich die Stunden davor aufgehalten habe, machte Serhat Türkis nur vage Angaben. Zum einen sagte er, er sei – wie bereits erwähnt – vom Aargau her für einen spontanen Kollegenbe­such ins Glarnerland gefahren. Gleichzeitig erwähnte er aber auch, er habe sich zu­vor an einer ihm unbekannten Örtlichkeit am Walensee aufgehalten; ob er dabei alleine zusammen mit anderen gewesen sei, wisse er nicht mehr (zum Ganzen act. 2/10.0.01 sowie act. 2/10.0.01a und act. 2/10.0.02).

 

2.

Mit Drogen kontaminierte Geldscheine, diffuse Angaben zu deren Herkunft

2.1 Der von Serhat Türkis gefahrene Mercedes (Kontrollschild AG ...87) war einge­löst auf Sedat Türkis (act. 2/8.1.01 S. 22 Ziff. 2.3.3). Bei Sedat Türkis handelt es sich um den Cousin und offenbar zugleich Schwager von Serhat Türkis; jedenfalls be­zeichnete Serhat Türkis ihn in der Untersuchung wechselweise als beides (siehe zur verwandtschaftlichen Beziehung zwischen Serhat und Sedat Türkis auch act. 2/10.11.07 Dep. 13 f. sowie act. 2/10.11.08 Dep. 1). Serhat Türkis erklärte, sein Cous­in/Schwager habe ihm den Mercedes zur Benutzung überlassen, denn immer­hin arbeite er (Serhat Türkis) bei seinem Schwager in dessen Getränkehandel in __/AG (act. 2/10.0.01a Dep. 13, act. 10.0.03, Dep. 69). Indes ergibt sich aus den Akten, dass Serhat Türkis diesen Mercedes selber gekauft und auch einen Einstell­platz gemietet hatte (act. 2/3.1.14 Blätter 33 und 34). Dass der Mercedes gleichwohl auf den Schwager eingelöst war, ist darauf zurückzuführen, dass der finanziell ver­schuldete Serhat Türkis den Wagen vor dem Zugriff der Betreibungsbehörde fernhal­ten will (sie­he dazu 2/3.1.14 Blatt 27; ferner act. 2/7.1.09, dort Beilage 36 [Kon­kurseröffnung am 26. Juni 2018 über Serhat Türkis als Inhaber des Einzelunterneh­mens «___»]; siehe zudem act. 2/10.11.07 Dep. 25-31).

 

2.2 Die Polizei fand im betreffenden Mercedes in der Mittelkonsole drei mit Gummi­bändern umschlossene Geldbündel zu je 100 50-Euro-Scheinen (3 x 5‘000 Euro; act. 2/8.1.11 S. 10 und S. 29 f.). Diese Geldscheine waren durch und durch mit Be­täu­bungsmitteln (vorab Kokain) kontaminiert, wie überhaupt im ganzen Fahrzeug inkl. Kofferraum Spuren von Drogen nachweisbar waren (act. 2/8.1.11 [Spu­rensi­cherung] und act. 2/8.1.25 [ITMS-Bericht]).

 

2.3 Am 27. September 2018 auf der Intensivstation danach befragt, woher die im Mercedes vorgefundenen 15‘000 Euro stammten, antwortete Serhat Türkis, dieses Geld habe er von Verwandten «zusammengetrommelt» und sei für das Konkursamt bestimmt, wobei das Geld aus der Schweiz sei. Auf die nächste Frage der Polizei, wann er das Geld eingesammelt habe, drückte er sich vor einer Antwort und wünschte, die Anhörung abzubrechen (act. 2/10.0.01a, Dep. 26-29). Bei der Befra­gung am 28. September 2018 wiederum auf der Intensivstation erwähnte Serhat Türkis, er sei am 25. September 2018 mit so viel Geld unterwegs gewesen, weil er an diesem Tag den letzten Teil des Geldes von einem Verwandten («von wem spielt keine Rol­le») erhalten und beabsichtigt habe, das Geld zum Konkursamt nach Baden zu bringen auf der Post in Glarus einzubezahlen (act. 2/10.0.02 Dep. 50 f.). (Anmer­kung: Unerfindlich ist, wieso der in W.__/AG wohnhafte Serhat Türkis das Geld ausge­rechnet in Glarus einbezahlen wollte, zumal er auch erst nach 19 Uhr in Richtung Glarnerland fuhr, wo doch die Poststelle in Glarus gleich wie weitum ande­re Post­stellen auch bereits um 18 Uhr schliesst. Kommt hinzu, dass keine Schwei­zer Post­stelle einfach so 15'000 Euro wie hier ausschliesslich in 50er-Scheinen ent­gegen­nimmt, jedenfalls nicht ohne klaren Herkunftsnachweis).

 

Bei der Befragung am 2. Oktober 2018 berichtete Serhat Türkis, sein Schwager Sedat Türkis habe ihn inzwischen im Spital besucht und ihm mitgeteilt, dass rund 65‘000 Euro im Mercedes gewesen sein müssten. Der Schwager habe das Geld ins Auto gelegt; ein Teil davon sei für Getränkebestellungen aus Österreich bestimmt gewe­sen, der Rest als Arbeitslohn für ihn (Serhat Türkis) und den Schwager selber. Auf die Frage der Polizei, ob er den Lohn jeweils in Euro ausbezahlt bekomme, meinte Serhat Türkis, normalerweise nicht, aber sein Schwager sei auch in der Türkei unter­nehmerisch tätig, woher auch das Geld sei (act. 2/10.0.03 Dep. 69 f.; Anmerkung: Die Währung in der Türkei ist die Türkische Lira, was dem türkischstämmigen Türkis bekannt sein dürfte). Konfrontiert mit dem Widerspruch zur ersten Aussa­ge, wonach er das Geld von vielen Verwandten erhalten habe, antwortete er keck, mit seinem Schwager sei er schliesslich auch verwandt; das ganze Geld stamme von ihm, nach dessen Angabe insgesamt 65‘000 Euro (a.a.O., Dep. 97). Auf Hinweis der Polizei, wonach die im Mercedes aufgefundenen Euroscheine starke Kokainspuren aufwie­sen, wandte er ein, jede «Scheiss-Banknote» sei damit kontaminiert, dies deshalb, weil es sich um Geld aus Deutschland handle (a.a.O., Dep. 107 f.).

 

Als Serhat Türkis am 3. Dezember 2018 von der Staatsanwaltschaft als Auskunfts­person einvernommen wurde, legte er ein von seinem Schwager unterzeichnetes Schreiben vom 19. November 2018 vor. Darin schrieb der Schwager zuhanden der Staatsanwaltschaft, er «bestätige […] hiermit, dass die 20‘000 Euro in meinem Auto, Mercedes-Benz S 500, mir gehören. Für eine schnellstmögliche Überweisung danke ich Ihnen im Voraus. [Bankverbindung und Unterschrift]» (act. 2/10.0.04 Dep. 1 und Anhang). Anzufügen ist zu diesem Schreiben des Schwagers, dass im Mercedes nicht 20'000.-, sondern 'nur' 15'000.- Euro sichergestellt wurden.

 

2.4 Schliesslich befragte die Polizei am 20. Januar 2019 den Schwager Sedat Türkis zum angeblichen Geldbetrag von 65'000 Euro (act. 2/10.11.08). Dabei schilderte dieser nochmals eine ganz andere abstruse Variante, wie dieser hohe Geldbetrag damals in den Mercedes gelangt und wozu das Geld bestimmt gewesen sei. Kon­kret habe er (Sedat Türkis) seinem Schwager/Cousin Serhat Türkis ungefähr am 18. September 2018 die 65'000 Euro übergeben, und zwar bei sich daheim, wo er das Geld in einem Kleiderschrank aufbewahrt habe (a.a.O., Dep. 9, Dep. 10, Dep. 14, Dep. 17). Die Geldsumme stamme von Krediten, welche er in der Türkei aufge­nommen habe, und zwar dort als Franken-Kredite, da diese in der Türkei wesentlich günstiger seien als Euro-Kredite; anschliessend habe er das Geld fort­laufend in Euro umgewechselt, weil er seine Geschäfte im Getränkehandel in Euro abwickle (a.a.O., Dep. 33-37). Er habe die Euro seinem Schwager Serhat Türkis übergeben mit dem Auftrag, diese bei der UBS in W.__/AG auf das Konto seiner Fir­ma einzubezahlen, dabei aber nicht alles auf einmal, son­dern gestaffelt. In der Folge hätten dann ab diesem Konto Zahlungen an Lieferanten in Österreich und Belgien erfolgen sollen und wären zudem auch noch Betreibungen von Serhat Türkis beglichen worden (a.a.O., Dep. 12 sowie Dep. 21 f. [Sedat Türkis besass sogar die Dreistigkeit, der Polizei zum Beleg seiner Geschichte eigens noch Faktu­ren von ausländischen Lieferanten einzureichen; siehe dazu die Anhän­ge zum Befragungsprotokoll]). Er habe seinen Schwager als Geldbote beauf­tragt, weil er selber beabsichtigt habe, am 4. Oktober 2018 in die Türkei zu verrei­sen und er bis dahin aufgrund seiner geschäftlichen Belastung keine Zeit mehr für die Geld­ein­zahlungen gehabt habe (a.a.O., Dep. 15-18). Er [Sedat Türkis] sei sich ganz sicher, dass er seinem Schwager die 65'000 Euro ausschliesslich in Noten überge­ben habe, wobei er die Noten auf fünf Bündel aufgeteilt und je mit einem Gummi­band zusammengebunden habe («4 Bündel à 500er Noten (Total 55'000 Euro) 1 Bündel gemischt mit 500er, 100er und 50er (Total 10'000 Euro»; a.a.O., Dep. 23-29 [effektiv aber stellte die Polizei im Mercedes von Serhat Türkis aus­schliesslich Fünf­zigerscheine sicher, insgesamt drei 100er-Bündel zu je 5'000 Euro]).

 

2.5

Fazit: Drogengeld

Zu alldem ist an dieser Stelle zu konstatieren, dass es sich bei den Erklärungen von Serhat Türkis und seinem Schwager Sedat Türkis über die Herkunft und den Verwen­dungszweck der sichergestellten 15‘000 Euro und der angeblich weiteren 50‘000 Euro um frei erfundene Erzählungen handelt. Die insgesamt verworrenen Aussagen weisen schlicht keinen Realitätsbezug auf. Jegliche weiteren Ausführungen zu den sichergestellten Euro­scheinen erübrigen sich; zu offensichtlich ist, dass es sich dabei um Drogen­geld handelt (siehe dazu auch unten E. 18.6.3.1).

 

3.

Am Tatabend bei der Notfallstation angetroffene Personen: Sedat Pristin, Marco Napoli und Kemal Izmir

Als am Dienstagabend, 25. September 2018, die vom Kantonsspital Glarus alar­mierte Polizei dort um 19:40 Uhr eintraf, fuhren beim Spital fast zeitgleich Sedat Pristin (geb. 1967), Marco Napoli (geb. 1977) und Kemal Izmir (geb. 1978) in einem blauen Opel (AG 378449) vor und begaben sich zur Notfallaufnahme (act. 2/8.1.13 S. 4 und S. 5). Die drei Personen, alle im Kanton Aargau wohnhaft, erklär­ten gegenüber der Polizei, beim Opfer [Serhat Türkis] handle es sich um einen Kolle­gen von ihnen; ganz offensichtlich wussten sie bereits davon, dass sich Serhat Türkis im Spital aufhielt (act. 2/8.1.01 S. 22 unten und S. 23 oben; siehe auch act. 2/7.1.02 S. 2 unten). Tatsächlich stellte sich noch am selben Abend heraus, dass Serhat Türkis, nachdem er angeschossen worden war, Kemal Izmir angerufen hatte (act. 2/10.4.01 Dep. 1; 2/10.0.02 Dep. 56); die spätere Auswertung des Mobiltelefons von Serhat Türkis ergab, dass dieser Anruf um 19.20 Uhr erfolgte (act. 2/3.1.14a; act. 2/7.1.01 S. 11).

 

4.

Erste Erkenntnisse zur Verbindung von Sedat Pristin, Marco Napoli und Kemal Izmir zum Opfer Serhat Türkis

4.1 Die Polizei befragte Sedat Pristin, Marco Napoli und Kemal Izmir noch am Abend des 25. September 2018 danach, weshalb sie zur Notfallstation des Kan­tonsspitals gekommen seien und wo sie sich zuvor aufgehalten hätten. Alle drei gaben sich in ihren ersten Aussagen auffallend bedeckt zu ihrem Verhältnis zum angeschossenen Serhat Türkis; Sedat Pristin erklärte gar, er würde ihn nicht einmal kennen (act. 2/10.2.01 Dep. 21). Sie gaben vor, am Nachmittag quasi zufällig mitei­nander im Wagen von Sedat Pristin in der Gegend unterwegs gewesen zu sein; dabei hätten sie an ihnen nicht näher bekannten Orten («Ort mit einem See», «Bahnhof mit einem Kiosk», «Beiz am Gleis») etwas getrunken (einzig Kemal Izmir wurde etwas konkreter und erwähnte, sie hätten sich in Walenstadt/SG auf­gehalten). Als sie auf der Heimfahrt gewesen seien, habe Kemal Izmir von Sedat Türkis einen Anruf erhalten, wonach er angeschossen worden und jetzt «in Netstal im Spital» sei, worauf sie kurzum nach Glarus zum Kantonsspital gefahren seien (zum Ganzen: act. 2/10.2.01; 2/10.2.02; 2/10.3/01; 2/10.4.01; 2/10.4.02). In seinen Aus­sagen besonders zurückhaltend war Sedat Pristin. Obwohl er einräumte, seit der Mittagszeit mit den beiden anderen unterwegs gewesen zu sein (act. 2/10.2.01 Dep.  7), behauptete er sogar, er kenne nur Marco Napoli und wisse vom anderen («Kolle­ge von Marco Napoli») nicht einmal den Namen (act. 2/10.2.01 Dep. 2).

 

Aufgrund der unklaren Situation nahm die Polizei Sedat Pristin, Marco Napoli und Kemal Izmir vorläufig in Haft (act. 2/4.2.01; 2/4.3.01; 2/4.4.01).

 

4.2 Beim Inspizieren des Mercedes von Serhat Türkis stiess die Polizei im Ablagefach der Beifahrertüre auf ein Mobiltelefon, welches Marco Napoli gehörte (act. 2/8.1.11 S. 9). Marco Napoli erklärte dazu, er sei in der Nacht zuvor (24. September 2018) mit Serhat Türkis unterwegs gewesen und habe dabei das Handy in dessen Wagen ver­gessen; das Handy sei ihm nicht so wichtig, weshalb er sich bis dahin nicht darum gekümmert habe (act. 2/10.3.02 Dep. 1-15).

 

4.3 Nach einer Nacht in Haft gab Kemal Izmir gegenüber der Polizei zu Protokoll, dass er sich am Vortag (25. September 2018) um die Mittagszeit mit Sedat Pristin, Marco Napoli und Serhat Türkis getroffen habe. Sie seien dann in zwei Autos vom Aargau aus nach Unterterzen/SG gefahren; er (Kemal Izmir) im Wagen von Sedat Pristin, wobei er (Kemal Izmir) gefahren sei, da Sedat Pristin das Billett weghabe, während Marco Napoli mit Serhat Türkis in dessen Mercedes mitgefahren sei. In Unterterzen hätten sie beim Parkplatz der Luftseilbahn (Flumserberg) parkiert und sich dort «ein paar Stunden aufgehalten und Sandwiches gegessen». Später seien sie zu einer Bar nach Walenstadt/SG gefahren. Serhat Türkis habe sich dort auf ein­mal verabschiedet («er ist ein bisschen hyperaktiv, er hat es immer eilig») und sich allein auf die Heimfahrt begeben. Etwa 20 Minuten später habe er von Serhat Türkis den Anruf erhalten, dass er angeschossen worden sei (act. 2/10.4.03 Dep. 1-27).

 

Marco Napoli machte in der Folge im Wesentlichen die gleichen Angaben wie Kemal Izmir zum Ablauf des Geschehens am Nachmittag des 25. September 2018; in der Bar [in Walenstadt] sei Serhat Türkis «einfach plötzlich» gegangen, ohne zu sa­gen warum und wohin. Etwa 20 Minuten danach habe Kemal Izmir, nachdem er einen Telefonanruf erhalten habe, gesagt, sie müssten zum Spital fahren (act. 2/10.3.03 Dep. 1-7).

 

Demgegenüber machte Sedat Pristin selbst noch bei der zweiten Befragung geltend, Serhat Türkis nie gesehen zu haben und ihn auch nicht zu kennen. Sinngemäss führ­te er aus, Kemal Izmir und Marco Napoli seien am 25. September 2018 zu ihm nach Hause [in ___/AG] gekommen; Marco Napoli sei dann weggegangen und er sei mit Kemal Izmir «spazieren gefahren», wobei er nicht wisse, wo sie durchgefahren seien. Als sie «beim Restaurant» angelangt seien, sei Marco Napoli bereits dort auf der Terrasse gesessen; wie Marco Napoli dorthin gekommen sei, wisse er nicht. Auf die Frage der Polizei, weshalb er (Sedat Pristin) mit dem ihm angeblich völlig unbekannten Kemal Izmir (so Sedat Pristins erste Aussagen) ein­fach so spazieren gefahren sei, antwortete Sedat Pristin, Marco Napoli habe ihm gesagt, Kemal Izmir sei ein Kollege von ihm und sie sollten ihn (Marco Napoli) «beim Restaurant beim grossen Parkplatz» abholen (act. 2/10.2.03 Dep. 1-7).

 

4.4 Die rückwirkende Auswertung der Mobiltelefone von Sedat Pristin, Marco Napoli und Kemal Izmir (siehe dazu act. 2/7.1.02-04) ergab, dass die drei am Nachmittag des 25. September 2018 vom Aargau her in die Region Walensee gelangten (act. 2/7.1.01 S. 20, S. 23 und S. 24). Im blauen Opel von Sedat Pristin stellte die Polizei zwei Parktickets der Luftseilbahn Unterterzen (Flumserberg) sicher (act. 2/8.1.01 S. 17 unten); das erste Ticket wurde um 15:07 Uhr gelöst und war gültig bis 16:31 Uhr, das zweite Ticket von 17:14 Uhr galt bis 17:30 Uhr (act. 2/8.1.04).

 

Das ebenfalls untersuchte Mobiltelefon von Serhat Türkis generierte am 25. Septem­ber 2018 kurz nach 14 Uhr einen Antennenstandort in Würenlingen/AG und loggte hernach erstmals wieder um 19:20 Uhr über eine Antenne in Näfels/GL ein (also in der Umgebung des Tatortes; detaillierte Angaben zum Tatort unten E. 6.); zu diesem Zeitpunkt (19:20 Uhr) tätigte Serhat Türkis einen Anruf an Kemal Izmir (act. 2/7.1.01 S. 11). Dieses Telefonat zwischen Serhat Türkis und Kemal Izmir erfolgte ohne jeden Zwei­fel nach der Schiesserei in Näfels; denn bereits um 19:29 Uhr fuhr der schwerver­letzte Serhat Türkis mit seinem Mercedes bei der Notfall­aufnahme im knapp acht Kilometer entfernten Kantonsspital Glarus vor (act. 2/8.1.13; um ca. 19:20 Uhr fiel übrigens einer Drittperson auf, wie ein «dunkler Mercedes mit AG-Kontrollschildern» in auffälliger Fahrweise von Näfels bis Glarus unterwegs war [siehe dazu act. 2/8.1.01 S. 31 Ziff. 3.3.5]). Das Mobiltelefon von Kemal Izmir war um 19:20 Uhr noch im Raum Walensee eingeloggt (2/7.1.01 S. 23).

 

Serhat Türkis räumte im weiteren Verlauf der Untersuchung ein, sich am Nachmittag des 25. September 2018 mit Marco Napoli sowie auch Sedat Pristin und Kemal Izmir in der Region Walensee aufgehalten zu haben (act. 2/10.0.04 Dep. 8-10). Es muss daher als erstellt gelten, dass Marco Napoli bei der Anreise in die Ost­schweiz tatsächlich im Mercedes von Serhat Türkis mitfuhr (siehe dazu auch act. 2/10.4.05 Dep. 3 sowie act. 2/8.1.19 S. 1 f. [DNA von Marco Napoli an der Kopfstüt­ze des Beifahrersitzes]) und er dabei sein Mobiltelefon im Fahrzeug liegen liess. Auch wenn daher vom Mobiltelefon von Serhat Türkis selber für den Nachmittag des 25. September 2018 während mehrerer Stunden keine Randdaten verfügbar sind, so lässt sich das Bewegungsprofil von Serhat Türkis unmittelbar anhand der Handy-Daten von Marco Napoli bestimmen. Marco Napolis Handy loggte sich um 15:01 Uhr in eine Antenne in Amden ein (act. 2/7.1.01 S. 24); demnach gilt als gesichert, dass sich ebenso Serhat Türkis ab ca. 15:00 Uhr im Walensee-Gebiet aufhielt. Damit stimmt auch über­ein, dass für das zweite Fahrzeug, in welchem Sedat Pristin und Kemal Izmir fuh­ren, um 15:07 auf einem Parkplatz in Unterterzen am Walensee ein Parkticket gelöst wurde (2/8.1.04). Das in der Folge im Mercedes von Serhat Türkis liegen gebliebene Handy von Marco Napoli generierte schliesslich um 19:32 Uhr ein Login in einer Antenne in Glarus (act. 2/7.1.01 S. 24), was zeitlich mit der Ankunft von Serhat Türkis im Kantonsspital Glarus korrespondiert.

 

4.5 Im Mercedes von Serhat Türkis wurden bekanntlich drei Geldbündel zu je 5'000 Euro sichergestellt (oben E. 2.2). Abgesehen davon, dass die betreffenden Geld­scheine allesamt mit Drogen kontaminiert waren, hafteten bei jedem der drei Geld­bündel an den äusseren Banknote und am Gummiband DNA-Spuren von Kemal Izmir an (act. 2/8.1.20).

 

Kemal Izmir erklärte Monate später gegenüber der Polizei, er habe nicht gewusst, dass Serhat Türkis am 25. September 2018 in seinem Mercedes Geld mitgeführt habe; davon habe er von Serhat Türkis erst hinterher erfahren, wobei Serhat Türkis ihm gesagt habe, das Geld sei von seinem Cousin gewesen für den Grosshandel mit Lebensmitteln (act. 2/10.4.05 Dep. 8 sowie Dep. 13 f.). Als die Polizei Kemal Izmir ein Foto der drei im Mercedes von Serhat Türkis sichergestellten Geldbündel vorlegte, meinte er, diese Geldbündel so nie gesehen zu haben (a.a.O., Dep.18 und Foto im Anhang). Die von ihm auf diesen Geldbündeln vorgefundenen Spuren erkläre er sich damit, dass Serhat Türkis das Geld zuvor bei sich daheim gehabt habe, wo er (Kemal Izmir) es angefasst habe; zudem sei es schon vorgekommen, dass er für «die Türkis's» [gemeint Serhat und sein Schwager/Cousin Sedat] englische Pfund in Euro gewechselt habe. Das Geld, welches er (Kemal Izmir) bei Serhat Türkis daheim angefasst habe, habe damals in mehreren Kuverts gesteckt, wobei die Scheine dabei möglicherweise mit Gummis gebündelt gewesen seien; er habe das Geld aus dem Kuvert rausgezogen und über die Kanten wie Spielkarten zwischen den Fingern «flattern» lassen (a.a.O., Dep. 17-27).

 

Mit diesen Aussagen brachte Kemal Izmir letztlich nur eine weitere Legende in Bezug auf das im Mercedes von Serhat Türkis sichergestellte Notengeld vor. Tatsa­che ist jedenfalls, dass Kemal Izmir die sichergestellten Notenbündel (Drogen­geld) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in seinen Händen hatte.

 

4.6 Am 27. September 2018 durchsuchte die Polizei die Wohnungen von Sedat Pristin, Kemal Izmir und Marco Napoli (act. 2/5.2.06; 2/5.3.05; 2/5.4.06). Dabei konfiszierte sie bei Kemal Izmir neben einer Pistole und zwei verbotenen Messern sechs abgepackte Haschischblöcke von gesamthaft 550 Gramm und zudem eine Miniwaage mit Kokainrückständen (act. 2/5.4.08; 2/5.4.10a+b; 2/5.4.11 S. 10). Bei Marco Napoli fand die Polizei ebenfalls eine Feinwaage und ausserdem leere Minigrips (act. 2/5.3.06). Einzig bei Sedat Pristin stellte die Polizei keine Gegenstän­de sicher (act. 2/5.2.06). Indes kam gegen ihn später in anderem Zusammenhang der dringende Verdacht auf, dass er 2017/18 mehrere Kilogramm Marihuana aus Deutschland in die Schweiz eingeführt habe (act. 2/10.2.04 Dep. 1 und 2/10.2.08 Dep. 19). Sedat Pristin kommuniziert im Übrigen, auch dies konnte im Verlauf der Untersuchung ermittelt werden, unter verschiedenen Mobiltelefonnummern (siehe dazu act. 2/4.2.09 S. 3 unten; act. 2/7.1.01 S. 7 f.; ferner auch act. 2/10.2.04 Dep. 2), was ein gewichtiges Indiz für eine Verwicklung in den Drogenhandel dar­stellt.

 

 

4.7

Fazit: Gemeinsamer Nachmittag am Walensee; verwickelt in Drogengeschäfte

Nach den vorstehenden Ausführungen steht als Erkenntnis fest, dass Serhat Türkis, Sedat Pristin, Kemal Izmir und Marco Napoli am Nachmittag des 25. September 2018 in zwei Autos (Opel von Sedat Pristin und Mercedes von Serhat Türkis) vom Aargau her an den Walensee fuhren, wo sie sich ab ca. 15 Uhr bis zum frühen Abend miteinander im Raum Unterterzen/Walenstadt aufhielten. Es bestehen sodann konkrete Indizien, dass sich alle vier Personen mit Drogengeschäften betä­tigen.

 

5.

Bilder aus der Verkehrsüberwachung `Autobahn A3`

5.1 Im Verlauf der Ermittlungen konsultierte die Polizei Bilder aus der automatischen Verkehrsüberwachung der Autobahn A3 (Fahrspur Chur-Zürich). Die Aufnahmen belegen, dass der Mercedes von Serhat Türkis um 19:09 Uhr von Unterter­zen/Walenstadt herkommend die Tunnelausfahrt «Ofenegg» passierte. Der Ofenegg-Tunnel ist beim Walensee auf der Fahrspur in Richtung Zürich der letzte Tunnel; von dort aus sind es via die nächste Autobahnausfahrt Weesen bloss noch rund fünf Kilometer bis zum nachmaligen Tatort in Näfels.

 

Der blaue Opel von Sedat Pristin wurde an der betreffenden Stelle (Tunnel «Ofenegg») in gleicher Fahrtrichtung um 19:33 Uhr abgelichtet (zum Ganzen: act. 2/8.1.14).

 

5.2

Fazit: Sedat Pristin, Kemal Izmir und Marco Napoli waren nicht am Tatort

Nachdem feststeht, dass Serhat Türkis bereits um 19:29 Uhr schwerverletzt im Kan­tonsspital in Glarus eintraf (oben E. 1.1), ist ausgeschlossen, dass die Insassen des blauen Opels von Sedat Pristin bei der Schiesserei in Näfels unmittelbar anwe­send waren (zum Tatort ausführlich weiter unten).

 

Zu klären bleibt indes, wer effektiv im Fahrzeug von Sedat Pristin sass. Es kann als erwiesen gelten, dass Kemal Izmir am Steuer sass, da Sedat Pristin damals der Führerausweis entzogen war (act. 2/10.2.01 Dep. 14; 2/10.4.03 Dep. 5 und Dep. 27). Das Mobiltelefon von Kemal Izmir war um 19:20 Uhr noch im Raum Walensee eingeloggt, als Kemal Izmir von dem zu diesem Zeitpunkt bereits ange­schosse­nen Serhat Türkis angerufen wurde (act. 2/7.1.01 S. 23; siehe dazu bereits oben E. 4.4). Es ist daher ausgeschlossen, dass Kemal Izmir am Tatort in Näfels anwe­send war. Das gleiche gilt für Sedat Pristin und Marco Napoli. Beide müssen fraglos im blauen Opel von Sedat Pristin mitgefahren sein, als der Wagen um 19:33 Uhr die Tunnelausfahrt «Ofenegg» passierte. Denn bereits um 19:49 Uhr trafen Kemal Izmir, Sedat Pristin und Marco Napoli im blauen Opel in Glarus beim Kan­tonsspital ein (siehe dazu oben E. 3.; act. 2/8.1.13 S. 4). Die Distanz vom Autobahn­tunnel «Ofenegg» bis zum Kantonsspital beträgt rund 13 Kilometer und führt dabei die Hauptstrasse ab dem Autobahnende bis Glarus erst noch durch die beiden langge­zogenen Ortschaf­ten Näfels und Netstal. Kemal Izmir muss diese Strecke in einem Zug (schnell) gefahren sein; es ist dabei schlechthin unmöglich, dass er zwi­schenzeitlich noch hätte Mitfahrer in der Umgebung des Tatortes in Näfels abho­len können.

 

Bei den Akten befindet sich zwar ein Untersuchungsbefund, aus welchem geschlos­sen werden könnte, dass Kemal Izmir und Marco Napoli doch beim Tatgeschehen in Näfels anwesend waren. Beide wiesen nämlich Schmauchspuren auf, deren chemische Substanz mit der am Tatort auf Serhat Türkis abgeschossenen Munition übereinstimmt (siehe dazu act. 2/11.1.04 S. 11 f.). Indes belegt diese Übereinstim­mung nicht zwingend eine unmittelbare Anwesenheit am Tatort (welche hier jeden­falls bei Kemal Izmir, wie zuvor dargelegt, mit absoluter Gewissheit ausgeschlos­sen werden kann). Die Kontamination mit Schmauch kann denn auch bereits davor durch Berührung mit einem schmauchbehafteten Gegenstand erfolgt sein (a.a.O.; S. 12 `Befundbewertung`); möglich ist dies beispielsweise etwa bei einem Handschlag mit einer Person, die ihrerseits die (spätere) Tatwaffe/Munition in den Händen hatte.

 

6.

Der Tatort

Am 27. September 2018, zwei Tage nach dem Tatereignis, machte Serhat Türkis un­gefähre Angaben zur Örtlichkeit des Tatgeschehens (act. 2/10.0.01a Dep. 10). Die Polizei konnte in der Folge noch gleichentags den Tatort in Näfels/GL ausfindig machen (act. 2/8.1.01 S. 21 unten und S. 22 oben). Der Tatort liegt im Industriege­biet am nördlichen Dorfrand von Näfels im Bereich der Liegenschaft «Schwärzistrasse 1». Konkret handelt es sich bei der Tatortörtlichkeit um einen von Fabrikgebäuden, Garagen und einem Wohnhaus umsäumten asphaltierten Innen­hof, wobei das Wohnhaus hinter einer hohen Gartenmauer zurückversetzt ist. Die nachstehenden Fotos illustrieren die örtliche Situation; der abgeschottete Fabrikin­nenhof ist nur erreichbar durch eine schmale Öffnung zwischen zwei Gebäuden (gut erkennbar auf dem zweiten Foto, dort oben links beim sichtbaren Auto) (siehe die umfassende Fotodokumentation zum Tatort bei act. 2/8.1.12).

 

Auf dem nachstehend eingefügten Kartenausschnitt (Google Maps) ist die Zufahrt von Weesen/Autobahn her (Pfeilrichtung) zum Fabrikinnenhof far­big markiert. Um von Weesen her auf der Verbindungsstrasse Weesen-Näfels («Schwärzistrasse») zum nachmaligen Tatort zu gelangen, musste Serhat Türkis tatsächlich, wie er in sei­nen ersten rudimentären Aussagen ausgeführt hatte, nach dem Areal der Firma Gentile unmittelbar nach dem dortigen Bahnübergang scharf nach rechts in die Industriestrasse einbiegen. Nach weiteren rund 50 Meter verliess er diese im 90°-Winkel nach links, worauf er entlang des dort langgezogenen Fabrikgebäudes zur engen, verwinkelten Einfahrt in den Fabrikinnenhof gelangte. Die betreffende Ein­fahrt ist im Übrigen von der Industriestrasse her überhaupt nicht einsehbar. Diesen Innenhof auffinden kann daher nur, wer die Örtlichkeit zuvor rekognosziert hat (mehr dazu unten E. 16.3).

 

 

7.

Spuren am Tatort und erste Erkenntnisse daraus

7.1 Auf dem Asphalt des Innenhofs detektierte die Polizei in einem Umkreis von mehreren Quadratmetern zahlreiche Bluttropfen, welche allesamt Serhat Türkis zuge­ordnet werden konnten (act. 2/8.1.12 S. 8 f. Bilder 12 und 13 sowie act. 2/8.1.19 S. 2 f. Ziff. 7-12 sowie Beilagen 8-13).

 

In nächster Nähe zur blutbespritzten Bodenfläche befindet sich ein Holztor. Darin steckte ein Projektil (act. 2/8.1.12 S. 15 ff. Bilder 27-30). Dieses wurde nachweislich aus der gleichen Waffe abgefeuert wie die drei Projektile, die im Spital aus dem Körper von Serhat Türkis herausoperiert wurden (act. 2/11.1.04 S. 3 [Pos. 3-6] und S. 5 f. Ziff. 6). Von dem im Holztor steckengebliebenen Projektil liess sich die Schuss­bahn rekonstruie­ren (act. 2/8.1.12 S. 17 f. Bilder 31 und 32).

 

Die Lage der Blutspuren am Boden sowie die Schussbahn des am Holztor einge­schlagenen Projektils machen zweierlei erkenntlich: erstens wurde im Fab­rikinnen­hof auf Serhat Türkis geschossen; zweitens hielt sich Serhat Türkis ausserhalb seines Autos auf, als die Schüsse auf ihn abgefeuert wurden (auch Serhat Türkis sel­ber erwähnte bei seiner Befragung, dass er nicht im Auto gesessen habe, als auf ihn geschossen worden sei; act. 2/10.0.01a Dep. 11). Dies wird zusätzlich belegt durch den Umstand, dass Blutanhaftungen von Serhat Türkis auch aussen an der Karosse­rie des Mercedes vorgefunden wurden (act. 2/8.1.11 S. 15 Bild 20 und S. 16 Bilder 22 und 23 sowie S. 27 Bild 37; act. 2/8.1.19 S. 2 Ziff. 3-6 sowie Beilagen 4-7).

 

An der Karosserie des Mercedes konnten im Übrigen auch noch Blutanhaftungen einer Drittperson ausgemacht werden, dabei konkret auf der Motorhaube vorne links (act. 2/8.1.11 S. 14 Bild 18) sowie auf der Lenkerseite oberhalb des vorderen Rad­kastens (a.a.O., S. 16 Bild 22). Der Spurengeber dieser Blutanhaftungen konnte später identifiziert werden (dazu mehr unten E. 11.2).

 

7.2 Noch bevor die Polizei am 27. September 2018 den Tatort im Fabrikinnenhof im Bereich der Liegenschaft «Schwärzistrasse 1» eruieren konnte, fand eine Dritt­person in einer Rabatte unmittelbar neben der blutbefleckten Fläche im Fabrikin­nenhof ein Küchenrüstmesser mit einem schwarzen Griff. Da die Drittperson vor dem Erstkontakt mit der Polizei das Messer bereits gereinigt hatte, waren darauf keine relevanten Spuren mehr vorhanden (siehe zum Ganzen act. 2/10.11.03 Dep. 3 f.; act. 2/8.1.12 S. 8 [dort Pos. 9] sowie S. 14 f. Bilder 24 und 26).

 

Am 2. Oktober 2018 teilte die Polizei Serhat Türkis mit, dass in der Zwischenzeit der Tatort habe ermittelt werden können (act. 2/10.0.03 Dep. 67). Auf die anschliessen­de Frage der Polizei, ob ihm (Serhat Türkis) noch etwas in den Sinn gekommen sei, um die Täterschaft zu finden, erwähnte er spontan, dass er (Serhat Türkis) ein «Haushaltsmesser» mit einem schwarzen Griff dabeigehabt habe, allerdings aber nicht mehr wisse, wo sich dieses Messer jetzt befinde; auch der Täter [Serhat Türkis spricht nach wie vor von nur einem Angreifer] habe ein Messer gehabt, dieses etwas grösser und mit einer rundlichen Klinge (act. 2/10.0.03 Dep. 68 und Dep. 72).

 

Auf das von Serhat Türkis erwähnte Haushaltsmesser wird weiter unten zurückzu­kommen sein (unten E. 18.3), denn es sollte sich im weiteren Verlauf der Unter­su­chung zeigen, dass bei der gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen der Täter­schaft und Serhat Türkis jedenfalls auch Messer im Spiel waren.

 

7.3 Am Rande des Tatortbereichs fand die Polizei überdies ein Tapeband, welches dort in einem Laubkorb lag (act. 2/8.1.12 S. 13 f.). Auch dieses Tapeband wird wei­ter unten noch einmal zur Sprache kommen (unten E. 18.2.2).

 

 

8.

Blutspuren und Waffenfund in der Umgebung des Tatortes sowie Beobachtun­gen von Drittpersonen; erste Erkenntnisse daraus

8.1 Nachdem die Polizei anfänglich keinerlei Anhaltspunkte zur Ursache der schwe­ren Schussverletzungen von Serhat Türkis hatte, bat sie die Bevölkerung über die lokalen Medien um sachdienliche Hinweise (siehe dazu act. 116). In der Folge mel­dete sich am 28. September 2018 eine Person, die in der Nähe der Fabrik­liegenschaft (Tatort) wohnt (act. 2/8.1.18 S. 1 und act. 2/10.11.05, dort die ange­hängten Fotos). Dieser Anwohner berichtete, er habe am Dienstagabend, 25. Sep­tember 2018, um ca. 19 Uhr in seiner Wohnung bei offener Balkontüre von draussen dreimal ein Zischen gehört, was ihn veranlasst habe, auf dem Balkon nachzuschauen. Er habe dann drei Männer gesehen, welche von der Fabrikliegen­schaft her auf der Strasse «Am Linthli» in seine Richtung gerannt seien. Auf der Höhe seiner Liegenschaft sei einer der drei Männer kurz stehen geblieben, habe den rechten Arm geschüttelt und danach den Arm in unnatürlicher Lage («wie fast verkrampft») gehalten, als ob er Schmerzen hätte. Er (Anwohner) habe gesehen, dass etwas an dessen rechter Hand nicht stimme, wobei es danach ausgesehen habe, als würde er an der Hand bluten. Kurz danach sei der Unbekannte mit den beiden anderen, die etwas weiter vorne auf ihn gewartet und ihm in einer fremden Sprache zugerufen hätten, in nördliche Richtung weitergerannt (act. 2/10.11.05 Dep. 1, Dep. 13 und Dep. 15-19).

 

8.2 Nach dieser Meldung des Anwohners eruierte die Polizei vor Ort zahlreiche Blutspuren und konnte anhand dieser schliesslich den Fluchtweg der drei unbe­kannten Personen von der Fabrikliegenschaft weg über eine Distanz von ungefähr 300 Metern via das nordwestlich angrenzende Einfamilienhausquartier rekonstruie­ren (siehe die Fotoübersicht bei act. 2/8.1.18, S. 3 sowie den nachstehenden Kar­ten­ausschnitt: konkret verläuft die von Blutspuren `gezeichnete` Strecke von der Fabrikliegenschaft weg zunächst über die Strasse «Am Linthli», schwenkt hierauf in die Bachmannstrasse ab, führt weiter über die Escherstrasse in die Tolderstrasse und endet bei deren Einmündung in die Autschachenstrasse). Gleich am Anfang ihrer Flucht mussten die drei Unbe­kannten einen etwa drei Meter breiten Bachlauf («Chli Linthli») überqueren; hierzu mussten sie, weil die Brücke unmittelbar bei der Fabrikliegenschaft mit einem Gitter­tor abgesperrt war, den Weg über einen Blech­kanal nehmen, welcher seitlich neben der Brücke den Bach überspannt. Auf diesem Blechkanal fanden sich besonders ausgeprägte Blutanhaftungen. Zudem entdeckte die Polizei im Bereich des Blech­kanals im dort rund 30 cm tiefen und ruhig dahin­fliessenden Gewässer einen Webley-Revolver und ein paar Meter weiter bachab­wärts ein Messer (siehe zum Ganzen die Fotos bei act. 2/8.1.18 S. 5-7). Beim auf­gefundenen Revolver handelte es sich nachweislich um die Tat­waffe, mit welcher am 25. September 2018 auf Serhat Türkis geschossen worden war (act. 2/11.1.04, S. 5-12). Das aufgefundene Messer passt sodann zur Beschreibung von Serhat Türkis (siehe zuvor E. 7.2); es handelt sich ebenfalls um ein Rüstmes­ser, welches tatsäch­lich etwas grösser ist als dasjenige von Serhat Türkis, und weist die Klinge zur Spitze hin einen gerundeten Messerbauch auf (siehe act. 2/8.1.18 S. 13).

 

 

8.3 Eine weitere Anwohnerin aus dem nordwestlich an die Fabrikliegenschaft (Tat­ort) angrenzenden Einfamilienhausquartier teilte der Polizei mit, dass sie am Abend des 25. September 2018, zwischen 19:00 und 19:30 Uhr auf der Tolderstrasse drei Männer wahrgenommen habe, welche irgendwie nicht ins Quartier gepasst hätten. Speziell aufgefallen sei ihr dabei, dass einer von ihnen einem anderen geholfen habe, dessen Jacke zuzumachen, indem er ihm den Reisverschluss zugezogen habe (act. 2/10.11.06).

 

8.4

Fazit: Drei Männer im Besitz der Tatwaffe entfernten sich vom Tatort; jedenfalls einer der drei Männer war verletzt

Als Erkenntnis steht damit fest, dass unmittelbar nach der Schussattacke auf Serhat Türkis im Fabrikinnenhof sich von dort drei Männer gemeinsam zu Fuss in nordwestli­che Richtung absetzten. Jedenfalls einer dieser drei Männer verlor Blut und war daher offensichtlich verletzt. Einer hatte sodann nachweislich die Tatwaffe bei sich; zudem trug zumindest einer auch ein Messer auf sich.

 

9.

Verdächtiges Auto in der Nähe des Tatortes

In nächster Nähe zur schmalen Einfahrt zum Fabrikinnenhof (Tatort) war dort im Bereich eines kleinen Vorplatzes und etwas verdeckt durch ein niedriges Gebäude ein Wohnwagen abgestellt, welcher damals (September 2018) von einer Auskunfts­person als Domizil genutzt wurde (siehe dazu die Fotodokumentation bei act. 2/10.11.04). Die Auskunftsperson teilte der Polizei mit, sie sei am 25. September 2018 zwischen 20:00 und 21:00 Uhr nach Hause gekommen. Dabei sei ihr aufgefal­len, dass wenige Meter vom Wohnwagen entfernt ein ihr unbekannter dunkler Kleinwagen mit SG-Kontrollschildern parkiert gewesen sei. Später am Abend habe sie im Wohnwagen Fahrzeuggeräusche wahrgenommen und sei nach draussen gegangen, wo sie kurz um das Eck des niedrigen Gebäudes geschaut habe. Dabei habe sie beobachtet, wie ein SUV [sportlicher Geländewagen] in der Art eines Audi Q7 mit ebenfalls SG-Kontrollschildern unmittelbar neben dem Kleinwagen angehal­ten habe, mehrere Personen vom SUV in den Kleinwagen umgestiegen und an­schliessend beide Fahrzeuge weggefahren seien (act. 2/10.11.04).

 

10.

Beifahrer im Mercedes von Serhat Türkis

Die Polizei sichtete Anfang November 2018 Bilder von der Verkehrsüberwachung `Autobahn A3` (siehe dazu bereits oben E. 5.). Dabei erkannte die Polizei, dass Serhat Türkis, als er am 25. September 2018 kurz nach 19 Uhr auf der Autobahn von Unter­terzen/Walenstadt her nach Näfels unterwegs war, wo er nur wenige Minuten später angeschossen wurde, nicht alleine in seinem Mercedes unterwegs war, son­dern vorne auf dem Beifahrersitz ein Mitfahrer sass (act. 2/8.1.14 S. 3). Die Polizei verfügte allerdings zum damaligen Zeitpunkt über keinerlei Anhaltspunkte, wer die­ser Beifahrer war, zumal Serhat Türkis selber bei den bis dahin durchgeführten Befra­gungen auch nie einen Mitfahrer erwähnte, sondern im Gegenteil explizit ausführte, er sei allein unterwegs gewesen (siehe oben E. III. 1.).

 

11.

Ervis Albanis gerät in den Fokus der Ermittlungen; Fazit aus den ersten Erkenntnissen

11.1 Nachdem die Polizei bei ihren Ermittlungen über mehrere Wochen hinweg zu keinen konkreten Hinweisen auf die Täterschaft gelangt war, kam es Mitte Novem­ber 2018 zu einer überraschenden Wende. Am 9. November 2018 wurde Ervis Albanis zusammen mit seinem Cousin Neriman Tiranis in Zürich in der Nähe des Hauptbahnhofs von einer Polizeipatrouille einer Kontrolle unterzogen und anschlies­send wegen Verdachts auf mögliche Betäubungsmittelgeschäfte verhaftet (act. 2/4.2.01). Bei ihren weiteren Abklärungen stellte die Polizei fest, dass Ervis Albanis mit einem von Italien erlassenen Einreiseverbot in den Schengenraum belegt war (siehe dazu act. 2/8.2.02 Dep. 44 sowie act. 2/8.2.09 S. 2). Vor diesem Hintergrund ordnete die Staatsanwaltschaft Zürich am 11. November 2018 die Erstellung eines DNA-Profils von Ervis Albanis an (act. 2/4.1.05b). Am darauffolgenden Tag wurde Ervis Albanis aus der Polizeihaft entlassen mit der Auflage, die Schweiz bis spätes­tens am 14. November 2018 zu verlassen (act. 2/8.2.08).

 

11.2 Am 14. November 2018 machte die Koordinationsstelle, welche das DNA-Profil-Informationssystem (Datenbank) betreut, der Glarner Kantonspolizei Meldung, wonach das DNA-Profil von Ervis Albanis (Person-Spur) mit einer aus dem Gewalt­delikt vom 25. September 2018 in Näfels identifizierten Tatortspur übereinstimme (act. 2/8.1.21 S. 1 sowie Beilage 1). Konkret ergab sich, dass die auf dem Flucht­weg detektieren Blutspuren (siehe dazu oben E. 8.) von Ervis Albanis stammen (act. 2/8.1.21 S. 1 und S. 2 Ziff. 1 und Ziff. 2 sowie Beilagen 2-4). Ebenfalls Ervis Albanis zuzuordnen sind die Blutanhaftungen, welche am Mercedes von Serhat Türkis auf der Motorhaube und oberhalb des Radkastens lokalisiert wurden (siehe dazu oben E. 7.1 in fine); ferner weisen die ab der Jacke von Serhat Türkis (dazu act. 2/8.1.11. S. 10 Bild 10) entnommenen Proben Spuranteile von Ervis Albanis auf (act. 2/8.1.21 S. 2 Ziff. 3-6 sowie Beilagen 5-8).

 

11.3

11.3.1 Als Ervis Albanis am 9. November 2018 beim Zürcher Hauptbahnhof kontrol­liert wurde, war er dort mit dem Personenwagen VW Polo, SG ...57, unterwegs (act. 2/4.1.01 S. 2). Dieses Fahrzeug war eingelöst auf Natasha Tiranis (Mutter von Ervis Albanis) mit Wohnadresse an der ….. in Unterterzen/SG (act. 2/9.1.05). Zugleich erwähnte Ervis Albanis gegenüber der Zürcher Polizei die betref­fende Adresse in Unterterzen als seinen aktuellen Aufenthaltsort in der Schweiz (act. 2/8.2.02 Dep. 8). Umgehend ersuchte daher die Glarner Staatsanwaltschaft die St. Galler Kantonspolizei um eine Observierung des möglichen Logieorts von Ervis Albanis in Unterterzen (siehe dazu act. 2/8.1.23).

 

11.3.2 Tatsächlich konnte Ervis Albanis an der bezeichneten Örtlichkeit in Unterter­zen ausfindig gemacht (act. 2/8.1.23 S. 2) und dort am 15. November 2018 verhaftet werden. Bei der Intervention der Polizei in die Wohnung im ersten Stockwerk ergriff Ervis Albanis sogleich die Flucht und sprang vom Balkon rund vier Meter auf den asphaltierten Vorplatz, wo er, verletzt an den Füssen, von der Poli­zei angehalten werden konnte (act. 2/5.1.07 S. 2; act. 2/4.1.06).

 

11.3.3 Anzufügen ist, dass die Polizei in der Wohnung in Unterterzen auch die Ehe­frau von Ervis Albanis, Laureta Albanis, mit der gemeinsamen damals einjährigen Tochter antraf (2/8.1.23 S. 2 und 2/5.1.07 S. 2). Auf Laureta Albanis, die sich auch schon am 25. September 2018 gemeinsam mit ihrem Ehemann in der Schweiz auf­gehalten hatte, wird weiter unten zurückzukommen sein (unten insbes. E. 20.1).

 

11.3.4 Ebenso hielt sich in der Wohnung der bereits vorerwähnte Neriman Tiranis auf (act. 2/8.1.23), mit dem Ervis Albanis wenige Tage zuvor in Zürich unterwegs war (siehe vorhin E. 11.1). Neriman Tiranis wurde gemeinsam mit Ervis Albanis verhaftet (act. 2/4.8.01), wurde indes, da sich gegen ihn in der weiteren Untersu­chung keine Hinweise auf eine Tatbeteiligung ergaben, am 7. Dezember 2018 aus der Untersuchungshaft entlassen und umgehend in Ausschaffungshaft versetzt (act. 2/4.8.07).

 

11.4 Im Anschluss an die Verhaftung nahm die Polizei an den Händen von Ervis Albanis eine Spurensicherung vor (act. 2/8.1.10); deren Auswertung ergab, dass Ervis Albanis zuvor mit Kokain und Coffein in Kontakt gekommen war (act. 2/11.1.06).

 

11.5 Bei der Eröffnung der Festnahme bemerkte der Staatsanwalt bei Ervis Albanis verschiedene Narben am linken Handrücken sowie am rechten Unterarm und am rechten Daumen. Auf die Frage, woher diese Verletzungen stammten, gab Ervis Albanis keine Auskunft (act. 2/10.1.03 Dep. 10), wie er überhaupt jegliche Angaben dazu verweigerte, wo er sich am 25. September 2018 aufgehalten habe, ob er Serhat Türkis kenne etc. (a.a.O., Dep. 2-5). Als die Polizei bei einer weiteren Befra­gung am 30. November 2018 von ihm wissen wollte, wie er sich erklären könne, dass seine DNA an den Tatort sowie an den Wagen von Serhat Türkis gelangt sei, antwortete er unvermittelt: «Durch das Blut». Auf die anschliessende Frage, wes­halb er geblutet habe, erwähnte er, er habe acht Messerstiche erlitten, «so wie es in den Dokumenten steht» (der Verteidiger von Ervis Albanis übergab der Polizei die von Ervis Albanis gemeinten «Dokumente»); diese Dokumente würden belegen, dass er verletzt gewesen sei. Auf Nachfragen der Polizei nach den Umständen der Verletzung machte er keine näheren Angaben bzw. verweigerte stereotyp die Aus­sage (act. 2/10.1.04 Dep. 21-26).

 

Bei den von Ervis Albanis bezeichneten «Dokumenten» handelt es sich konkret um Berichte von einem Spital in Lodi/Italien (act. 2/8.1.24). [Hierzu ist einzufügen, dass Ervis Albanis am 9. November 2018, als er von der Polizei in Zürich kontrolliert wur­de, als festen Wohnsitz eine Adresse in Lodi nannte (act. 2/8.2.02 Dep. 7); die Stadt Lodi südöstlich von Mailand ist rund 90 km von Chiasso entfernt und von dort aus mit dem Auto in 1½ Stunden erreichbar (siehe dazu Google Maps).]

Den ärztlichen Unterlagen ist zu entnehmen, dass Ervis Albanis in der Nacht vom 25. auf den 26. September 2018, um 03:30 Uhr, das Spital in Lodi mit Schnittverlet­zungen an den Händen aufsuchte. Er berichtete damals den Ärzten, dass er sich daheim an einer kaputten Glasflasche geschnitten habe (act. 2/8.1.24 S. 2 und S. 5).

 

11.6 An dieser Stelle ist vorwegzunehmen, dass Ervis Albanis auch in allen weiteren Einvernahmen und ebenso über das ganze gerichtliche Verfahren hinweg jegliche Aussagen zum Tatgeschehen am 25. September 2018 verweigerte (act. 2/10.1.04 bis 2/10.1.09; act. 37 S. 7 f.; act. 103 S. 10 ff.). Immerhin aber bestätigte er, dass er in der Nacht vom 25. auf den 26. September 2018 nach Lodi/Italien ging (act. 2/10.1.08 Dep. 24), was im Umkehrschluss bedeutet, dass er sich nicht schon zuvor in Lodi aufgehalten hatte.

 

11.7

Fazit: Ervis Albanis bei der Schussattacke auf Serhat Türkis vor Ort anwesend

11.7.1 Aufgrund der bis dahin dargelegten Beweisergebnisse steht zweifelsfrei Fol­gendes fest: Als am 25. September 2018 um ca. 19:20 Uhr im Fabrikinnenhof meh­rere Schüsse auf Serhat Türkis abgefeuert wurden, war Ervis Albanis am Tatort anwe­send. Ervis Albanis war sodann einer der drei Männer, die von Auskunftspersonen gesehen wurden, als sie sich nach dem Tatereignis zu Fuss vom Tatort in nördliche Richtung absetzten; diese drei Männer entledigten sich dabei auch der Tatwaffe (Webley-Revolver). Ervis Albanis hatte eine blutende Wunde (Blutspuren auf dem Fluchtweg), die er sich fraglos bereits am Tatort zugezogen hatte (Blutspuren am Mercedes von Serhat Türkis). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit han­delte es sich dabei um die Schnittverletzungen an den Händen, welche er noch in der folgenden Nacht im Spital in Lodi verarzten liess. Dies deckt sich auch mit den Angaben der Auskunftspersonen, die beobachteten, dass bei einem der drei Män­ner an der Hand etwas nicht stimmte bzw. dass einer einem anderen half, die Jacke zuzumachen (siehe oben E. 8.1 und 8.3).

 

11.7.2 Der bei seiner Verhaftung 30-jährige Ervis Albanis ist mehrfach vorbestraft. Die erste bekannte Verurteilung datiert vom September 2007, als er von einem itali­enischen Gericht wegen einer Schlägerei («Rissa») mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten belegt wurde. Im April 2012 erfolgte eine erneute Verurteilung in Italien, diesmal zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und acht Monaten samt 24'000 Euro Bussgeld; im betreffenden Urteil sind nicht weniger als 21 Straftatbestände aufgelistet, darunter Betäubungsmittelvorfälle, Erpressung und Körperverletzungen (siehe zum Ganzen: act. 2/1.1.04). Die ersichtlich letzte Verur­teilung datiert vom Mai 2017, als er von einem albanischen Gericht wegen Herstel­lung und Verkaufs von Betäubungsmitteln eine Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren kassierte (act. 2/1.1.14).

 

12.

Ervis Albanis war der bis dahin unbekannte Beifahrer von Serhat Türkis

12.1 Mit der Identifizierung von Ervis Albanis als unmittelbar beim Tatereignis (Schussattacke auf Serhat Türkis) anwesende Person wurde aufgrund der äusseren Körpermerkmale von Ervis Albanis (kahlrasierter Schädel) offensichtlich, dass Ervis Albanis auch der bis dahin unbekannte Beifahrer im Mercedes von Serhat Türkis gewesen sein muss, als Serhat Türkis wenige Minuten vor dem Tatereignis den Tun­nel «Ofenegg» auf der Autobahn A3 passierte (siehe dazu bereits oben E. 10. und das Foto der Verkehrsüberwachung bei act. act. 2/8.1.14 S. 3; siehe zum Ver­gleich das Portraitfoto von Ervis Albanis bei act. 2/4.1.01).

 

Bei der nächsten Befragung von Serhat Türkis am 3. Dezember 2018 war dieser über die zwischenzeitlich erfolgte Verhaftung von Ervis Albanis informiert (act. 2/10.0.04, Dep. 1). Gleich zu Beginn der Einvernahme forderte der Staatsanwalt Serhat Türkis auf, zu erzählen, wie er am 25. September 2018 nach Näfels gekommen sei. Dieser aber wand sich nachgerade um eine Antwort (er habe doch alles schon einmal berichtet, heute sei ein verwirrter Tag für ihn, er sei völlig unvorbereitet zur Befra­gung gekommen und habe sich daher auch nicht überlegt, was er sagen solle [a.a.O., Dep. 2-5]). Als hierauf der Staatsanwalt direkt fragte, wer sonst noch auf der Fahrt nach Näfels im Mercedes gewesen sei, räumte Serhat Türkis nach langem Überlegen ein, jemand sei noch vorne im Wagen gesessen, eine eher kleinere Per­son (a.a.O., Dep. 6). Bei der ganzen Befragung war Serhat Türkis sichtlich bemüht, möglichst keine, aber nur höchst vage Angaben zu machen. Gleichwohl erwähnte er an einer Stelle, der ihm unbekannte Mitfahrer habe eine Glatze gehabt und habe italienisch gesprochen (a.a.O., Dep. 12 f.). Diese Merkmale weisen zwei­felsfrei auf Ervis Albanis hin; er ist rund 1.65 m gross, hat den Kopf glattrasiert und seine Hauptsprache ist Italienisch (act. 2/4.1.01; dass Ervis Albanis neben seiner Herkunftssprache Albanisch vor allem italienisch spricht, liegt daran, dass er seit seiner Kindheit in Italien wohnt; siehe dazu act. 2/8.2.02 Dep. 19 f. sowie act. 2/10.1.03 Dep. 2-5; act. 37 S. 4 Dep. 10; act. 103 S. 7; siehe ferner act. 2/10.1.08 Dep. 33). Vor allem beim Hinweis von Serhat Türkis, sein Beifahrer habe mit ihm itali­enisch geredet, handelt es sich um ein ausgesprochen starkes Realkennzeichen. Zum Zeitpunkt dieser Aussage war Serhat Türkis nämlich lediglich darüber informiert, dass mit Ervis Albanis eine tatverdächtige Person verhaftet wurde. Serhat Türkis konn­te daher gar nicht wissen, dass Ervis Albanis italienischsprachig ist, wenn er ihm überhaupt nie begegnet wäre. Die betreffende Aussage (der Beifahrer habe italie­nisch gesprochen) beruht demnach auf einer effektiven Erlebnisgrundlage.

 

Anlässlich einer Konfrontationseinvernahme zwischen Serhat Türkis und Ervis Albanis am 20. März 2019 erklärte Serhat Türkis unmissverständlich, dass Ervis Albanis am 25. September 2018 als Beifahrer in seinem Mercedes zum nachmaligen Tatort in Näfels mitgefahren sei (act. 2/10.1.07 Dep. 2+3). Ervis Albanis äusserte sich nicht hierzu; vielmehr legte er gleich zu Beginn der Einvernahme klar, dass er nun schon seit vier Monaten «auf diese Fragen» keine Antwort gegeben habe und dies daher auch jetzt nicht tun werde (a.a.O., S. 3 oben). Im weiteren Verlauf der Untersuchung bestätigte der damalige Verteidiger von Ervis Albanis aber immerhin implizit, dass sein Mandant am 25. September 2018 im Mercedes von Serhat Türkis zum nachmali­gen Tatort in Näfels mitgefahren sei (act. 2/4.1.68 S. 8 Ziff. 18).

 

12.2 Aus alldem ist als gesichertes Fazit festzuhalten, dass Ervis Albanis im Merce­des von Serhat Türkis mitfuhr, als dieser am 25. September 2018 kurz nach 19 Uhr seinen Wagen von Walenstadt/Unterterzen herkommend zum nachmaligen Tatort in Näfels lenkte.

 

An sich wäre dieses Faktum an dieser Stelle nicht (mehr) derart breit zu erörtern gewesen, nachdem spätestens an der erstinstanzlichen Verhandlung unbestritten war, dass Ervis Albanis unmittelbar vor dem Tatereignis im Auto von Serhat Türkis als Beifahrer mitfuhr (siehe act. 36 S. 12 Ziff. 22). Indes zeigt sich gerade auch in die­sem Punkt die Problematik des vorliegenden Straffalls. Da ist zunächst Serhat Türkis, der zwar angeschossen und dabei lebensgefährlich verletzt wurde, aber über das ganze Geschehen am liebsten nicht reden würde, weil er einerseits erkennbar Angst vor weiteren Gewaltakten hat (siehe dazu exemplarisch act. 2/10.0.04 Dep. 18) und andererseits offenkundig selber in Drogengenschäfte verstrickt ist. Auf der anderen Seite steht Ervis Albanis, der sich von allem Anfang an strikt darauf verlegt hat, jegli­che Aussagen zur Sache zu verweigern (hierzu kann auf sämtliche Befragungspro­tokolle verwiesen werden [act. 2/10.1.02 ff.]). Gelegentlich unterlegte er seine ver­weigernde Haltung gar noch mit zynischen Bemerkungen. Beispielsweise antworte­te er auf die Frage des Staatsanwaltes, wie «der Türke [Serhat Türkis]» nach Näfels gelangt sei: «Ich bin Albaner und nicht Türke. Sie haben mich in der Befragung und nicht den Türken» (act. 2/10.1.06 Dep. 6). In Hinsicht auf die konkrete Würdi­gung der Anklage ist daher durchaus zu bedenken, in welchem Umfeld und mit welchen damit verbundenen Schwie­rigkeiten die vorliegenden Ermittlungen zu führen waren.

 

13.

Ervis Albanis traf in Walenstadt auf Serhat Türkis

13.1 Vorab folgende Vorbemerkung: Die Polizei wertete im Verlauf ihrer umfangrei­chen Ermittlungen die Verkehrs- und Randdaten unzähliger Mobiltelefone (IMEI-Nummern) und Mobiltelefonnummern (SIM-Karten) aus (siehe dazu act. 2/7.1.01). Es zeigte sich dabei, dass im untersuchten Umfeld/Milieu die Benutzer von Mobilte­lefonen nicht stets mit dem gleichen Gerät und einer gleichbleibenden Rufnummer kommunizieren, sondern mit wechselnden Geräten und unterschiedlichen Rufnum­mern agieren. Die Rufnummern sind dabei vielfach auf nichtexistierende Personen abonniert (sog «Fake-Personalien»), was in aller Regel eine Verwendung dieser Nummern zu deliktischen Zwecken indiziert. Es führte zu weit, hier detailliert aufzei­gen zu wollen, wie die Polizei in der Untersuchung die diversen Kommunikationsli­nien ermittelte (siehe dazu act. 2/8.1.03) und anhand der erhobenen Randda­ten ebenso die Bewegungsmuster einzelner Personen Schritt für Schritt aufdeckte. Es muss daher genügen, in die nachfolgenden Erwägungen die Ergebnisse dieser Erhebungen punktuell einfliessen zu lassen, ohne auch noch deren Herleitung zu erörtern.

 

13.2 Wie bereits weiter oben dargelegt (siehe oben E. 4.7), konnte in der Unter­suchung rasch ermittelt werden, dass Serhat Türkis sich am 25. September 2018 ab ca. 15 Uhr zusammen mit Sedat Pristin, Kemal Izmir und Marco Napoli im Raum Unterterzen/Walenstadt aufhielt. Sie verbrachten dabei die Zeit bis sicher 17:15 Uhr im Bereich der Talstation der Flumserbergbahn in Unterterzen (siehe oben E. 4.4 [Parktickets vom dortigen Parkplatz, zweites Ticket gelöst um 17:14 Uhr]). Kemal Izmir sagte zudem bei den ersten Befragungen Ende September 2018 aus, sie seien dann später vom Parkplatz der Luftseilbahn [Unterterzen] zu einer Bar nach Walenstadt gefahren; auch Marco Napoli erwähnte damals eine Bar (oben E. 4.3).

 

Sedat Pristin erhielt am 25. September 2018 um 18:24 Uhr auf seinem Mobiltelefon folgende, auf Albanisch geschriebene Nachricht (Viber-Chat): «Kommst Du zum Boomerang, Bruder» (act. 2/5.2.11 S. 6 und act. 2/5.2.12). Beim «Boomerang» handelt es sich um eine Bar-Eventlocation in Walenstadt (siehe Google; sodann act. 2/10.2.05 Dep. 10). Bei der von Kemal Izmir und Marco Napoli erwähnten Bar handelte es sich daher zweifelsfrei um die «Boomerang»-Bar in Walenstadt. Es kann daher als gesichert gelten, dass, nachdem Sedat Pristin die soeben erwähnte Nachricht erhalten hatte, sich die ganze Gruppe (Serhat Türkis, Sedat Pristin, Kemal Izmir und Marco Napoli) zur «Boomerang»-Bar in Walenstadt begab und ab ca. 18:30 Uhr dort anwesend war (von Unterterzen nach Walenstadt sind es knapp fünf Kilo­meter).

 

13.3 Die Beteiligten äusserten sich in der Untersuchung, wenn überhaupt, nur bruchstückhaft zum weiteren Geschehensverlauf in der Bar:

 

13.3.1 Serhat Türkis fabulierte bei den ersten Befragungen, er sei am 25. September 2018 allein in seinem Mercedes unterwegs gewesen und sei dann in Näfels von einem anderen Autolenker aufgefordert worden, ihm in eine Sackgasse zu folgen (oben E. III. 1). Als der Staatsanwalt bei der Befragung am 3. Dezember 2018 (in­zwischen lagen die Bilder von der Verkehrsüberwachung vor; siehe oben E. 10.), Serhat Türkis damit konfrontierte, dass er am 25. September 2018 bei seiner Fahrt nach Näfels (Tatort) einen Beifahrer in seinem Auto gehabt habe, gab er Folgendes zu Protokoll (act. 2/10.0.04 Dep. 7+8): «Ich wollte einen schönen Tag hier [am Walensee] verbringen. Dann wollte ich nach Glarus. Eine Person, die ich nicht ken­ne, fragte, ob ich ihn mitnehmen könne nach Näfels. […] Jemand hat mich gefragt, ob ich ihn nach Näfels bringe. Das habe ich dann auch gemacht. Alles weitere, das war nur Blut, keine Ahnung.» Als er damals mit dieser Drittperson weggefahren sei, hätten dies die anderen, mit denen er an jenem Nachmittag unterwegs gewesen sei, sicher gesehen; denn er habe diese Person ja nicht an einem versteckten Ort mit­genommen und sei diese Person zuvor mit ihnen dort gesessen, wobei mit «dort» nicht eine Beiz, sondern so etwas wie ein Migrolino-Shop Avec gemeint sei. Konkret danach gefragt, ob dies in Unterterzen in Walenstadt gewesen sei, antwortete er: «Ich meine, Walenstadt» (a.a.O., Dep. 21 f. und Dep. 10). Bei der Kon­frontationseinvernahme mit Ervis Albanis am 20. März 2019 bestätigte Serhat Türkis zunächst, dass Ervis Albanis der fragliche Beifahrer gewesen sei (act. 2/10.1.07 Dep. 2). Weiter führte er aus, dass sie in jenem ihm nicht mehr namentlich bekann­ten Dorf am Walensee «am Bahnhof am Trinken» gewesen seien; als er dabei erwähnt habe, er würde nach Schwanden fahren, habe Sedat Pristin ihn gefragt, ob er Ervis Albanis mitnehmen könne (a.a.O., Dep. 6-8).

 

13.3.2 Kemal Izmir sagte anfänglich aus, Serhat Türkis habe sich in der Bar in Wa­lenstadt unvermittelt verabschiedet und sich alleine auf die Heimfahrt gemacht; Serhat Türkis sei eben etwas hyperaktiv und habe es immer eilig. Etwa 20 Minuten später habe Serhat Türkis ihm telefoniert und gesagt, dass er angeschossen worden sei. Marco Napoli berichtete, Serhat Türkis sei plötzlich gegangen, ohne zu sagen, warum und wohin (siehe dazu bereits oben E. 4.3). Kemal Izmir wurde am 9. März 2019 ein nächstes Mal einvernommen. Jetzt, rund fünf Monate später, räumte er ein, dass damals in der Bar eine Person sich zu ihnen gesellt habe. Diese Person sei glaublich ein Kollege von Marco Napoli und Sedat Pristin und habe auch diese beiden zuerst begrüsst; danach habe er auch sie (Serhat Türkis und Kemal Izmir) begrüsst. Als die Polizei Kemal Izmir einen Fotobogen mit zehn Portraits vorlegte, identifizierte er Ervis Albanis als diejenige Person, die damals zu ihnen gestossen sei; zugleich erwähnte er, diese Person sei klein gewesen, ca. 160-170 cm (siehe zum Ganzen act. 2/10.4.05 Dep. 4-6). Die gemachte Angabe zur Körper­grösse trifft ebenfalls auf Ervis Albanis zu (siehe act. 2/4.1.01 S.1).

 

13.3.3 Schliesslich bleibt auch noch auf das (weitere) Aussageverhalten von Sedat Pristin einzugehen. Seine Angaben tragen zwar nichts bei zur Erhellung konkret der Frage, wo Ervis Albanis auf Serhat Türkis traf und zu ihm ins Auto stieg, sind letztlich aber doch vielsagend und lassen ein durchgängig kriminelles Milieu erah­nen.

 

Sedat Pristin gab sich bereits bei den ersten Befragungen unmittelbar nach dem Tatereignis vollkommen ahnungslos und gaukelte sogar vor, Serhat Türkis weder zu kennen noch ihn je einmal gesehen zu haben (oben E. 4.1 und 4.3). Auf dieser obskuren Linie blieb er auch bei den nächsten Einvernahmen rund fünf Monate spä­ter, nachdem er Ende Februar 2019 in Untersuchungshaft genommen worden war (siehe dazu act. 2/4.2.07 und 4.2.11). Die Polizei wusste in der Zwischenzeit, dass am 25. September 2018 um 18:24 Uhr auf dem Mobiltelefon von Sedat Pristin die bereits zuvor erwähnte Chat-Nachricht «Kommst Du zum Boomerang, Bruder» ein­ging (oben E. 13.2 in fine). Gesendet wurde die betreffenden Nachricht von der Rufnummer …6256; diese Rufnummer war im Handy von Sedat Pristin unter dem Namen «shqiproi vlor» gespeichert (kurze Ergänzung dazu: die Polizei entdeckte bereits unmittelbar nach der Tat, als Sedat Pristin vorübergehend verhaf­tet wurde [oben E. 4.1)], bei einer ersten Sichtung seines Mobiltelefons den darin abgespeicherten Namen «shqiproi vlor» [act. 2/10.2.02, dort angehängter Fotobo­gen S. 3 f.]; damals sagte Sedat Pristin, bei «shqiproi vlor» handle es sich um einen in Albanien wohnhaften Kollegen, den er erfolglos anzurufen versucht habe [act. 2/10.2.02 Dep. 24]). Sodann konnte die Polizei bei ihren umfangreichen Randda­tenerhebungen für den 25. September 2018 (Tattag) insgesamt 26 Verbindungen zwischen der Rufnummer …6256 und dem Mobiltelefon von Sedat Pristin nachwei­sen (siehe dazu act. 2/10.2.07 Dep. 11 sowie die entsprechenden Auszüge im Anhang).

 

Mit alldem bei den neuerlichen Einver­nahmen Ende Februar und Mitte März 2019 konfrontiert, gab Sedat Pristin folgende Schilderungen zu Protokoll: Er kenne Serhat Türkis nicht und habe mit ihm nichts zu tun (act. 2/10.2.05 Dep. 1+2); er wisse nicht, wem die unter dem Namen «Shqiproi vlor» gespeicherte Rufnummer …6256 gehöre und kenne diese Person nicht (a.a.O., Dep. 3+4); er wisse nichts davon, wonach er Ende September 2018 gesagt habe, «shqiproi vlor» sei ein Kollege aus Albanien, («Ein Kollege aus Albanien hat einen Kollegen aus Italien angerufen, das war ein Kollege...»; a.a.O., Dep. 6); er wisse nicht, was «shqiproi vlor» bedeute, das sei Albanisch, wobei er nicht wisse, ob es sich dabei um einen Namen sonst was handle (act. 2/10.2.07 Dep. 10); er könne sich nicht erklären, dass sein Handy mehrfach Kontakt mit der Rufnummer …6256 gehabt habe; er habe diese Person nie angerufen (act. 2/10.2.05 Dep. 5); er wisse nicht, wem «shqiproi vlor» geschrie­ben habe, er solle zum Boomerang kommen, sicher aber nicht ihm [Sedat Pristin]; er habe «shqiproi vlor» auch nie angerufen und ihm auch nie geschrieben (a.a.O., Dep. 10-17); er wisse nicht, wer mit seinem Handy mit «shqiproi vlor» geschrieben habe; am 25. September 2018 habe er sein Mobiltelefon immer auf dem Tisch lie­gen gelassen, insbesondere auch in der Bar, wo er sich mit Kemal Izmir und Marco Napoli aufgehalten habe [er erwähnt Serhat Türkis explizit nicht]; während des Tages sei er mehrfach aufs WC gegangen; er habe sein Handy jeweils bei sich, andere Leute könnten es aber jederzeit auch benutzen; es komme vor, dass andere Leute sein Handy nähmen, um damit zu telefonieren und zu schreiben (a.a.O., Dep. 12-21).

 

All diese Aussagen von Sedat Pristin sind derart absurd und lebensfremd, dass deren Unwahrheit ohne weitere Erklärung offensichtlich wird. Es steht ausser jedem Zweifel, dass Sedat Pristin weiss, welche Person hinter dem Namen «shqiproi vlor» steht und dass er selber mit seinem Handy mit dieser Person kommunizierte. Bei «shqiproi vlor» han­delt es sich sodann zweifelsfrei um Ervis Albanis, denn es war nachweislich Ervis Albanis (auch von Kemal Izmir eindeutig identifiziert; siehe vorhin E. 13.3.2), der kurz nach der Chat-Nachricht an Sedat Pristin («Kommst Du zum Boomerang, Bruder») in exakt dieser Bar in Walenstadt auf die Gruppe `Serhat Türkis, Sedat Pristin, Kemal Izmir und Marco Napoli` traf.

 

13.4

Fazit: Ervis Albanis traf Serhat Türkis in Walenstadt und fuhr mit ihm von dort nach Näfels

Aus den dargelegten Fragmenten an Aussagen sowie der mehrerwähnten Chat-Nachricht («Kommst Du zum Boomerang, Bruder») steht als gesicherte Erkenntnis fest, dass Ervis Albanis am 25. September 2018 zwischen 18:30 Uhr und 19:00 Uhr in der Bar «Boomerang» in Walenstadt zur Gruppe `Serhat Türkis, Sedat Pristin, Ke­mal Izmir und Marco Napoli` stiess. Innert kürzester Zeit verliessen Ervis Albanis und Serhat Türkis die Lokalität und fuhren die beiden im Wagen von Serhat Türkis zum nachmaligen Tatort nach Näfels (bzw. wies der Beifahrer Ervis Albanis den Fahr­zeuglenker Serhat Türkis an, dorthin zu fahren [siehe dazu eingehend unten E. 16.]).

 

14.

Verbindung zwischen Ervis Albanis und Sedat Pristin

14.1 Ervis Albanis übermittelte unter der Rufnummer …6256 die mehrerwähnte Chat-Nachricht «Kommst Du zum Boomerang, Bruder» um 18:24 Uhr an Sedat Pristin, welcher auf seinem Mobiltelefon die Rufnummer …6256 unter dem Namen «shqiproi vlor» abgespeichert hatte. Zwei Minuten vor dieser Nachricht, um 18:22 Uhr, hatte Sedat Pristin die Rufnummer …6256 (Ervis Albanis) kurz angewählt (act. 2/10.2.02, Fotobogen im Anhang, dort S. 3).

 

14.2 Nach den bisherigen Ausführungen ist erstellt, dass Serhat Türkis am 25. Sep­tember 2018 zwischen 19:15 und 19:20 Uhr in Näfels angeschossen wurde. Unmit­telbar nach der Schussattacke auf ihn telefonierte Serhat Türkis um 19:20 Uhr mit Kemal Izmir (oben E. 4.4). Das Mobiltelefon von Kemal Izmir war zu diesem Zeitpunkt über eine Antenne im Raum Walensee eingeloggt. Um 19:31 Uhr erfasste die Verkehrsüberwachung auf der Autobahn A3 auf der Fahrbahn Richtung Zürich den blauen Opel von Sedat Pristin bei der Einfahrt in den Tunnel «Mühlehorn» und um 19:33 Uhr denselben Wagen beim Tunnelportal «Ofenegg» (act. 2/8.1.14 S. 6). Am Lenkrad dieses Fahrzeuges befand sich damals Kemal Izmir und fuhren darin auch Sedat Pristin und Marco Napoli mit (zum Gazen oben E. 4.4 und 5.1).

 

Sedat Pristin war somit um 19:20 Uhr mit Kemal Izmir zusammen, als Kemal Izmir von Serhat Türkis die telefonische Mitteilung erhielt, dass er (Serhat Türkis) angeschossen worden sei. Um 19:20 Uhr hielten sich Kemal Izmir, Sedat Pristin und Marco Napoli mit grösster Wahrscheinlichkeit noch in Walenstadt auf, haben sich dann aber nach Erhalt des Anrufs umgehend auf die Fahrt zum Spital in Glarus gemacht (für die knapp 14 km lange Strecke von Walenstadt bis zum Tunnel Müh­lehorn, den sie um 19:31 Uhr passierten, beträgt die Fahrtzeit nach Google Maps elf Minuten).

 

Sedat Pristin hatte demnach ab 19:20 Uhr von der erfolgten Schussattacke auf Serhat Türkis Kenntnis. Hierauf versuchte Sedat Pristin um 19:26 Uhr, «shqiproi vlor» alias Ervis Albanis telefonisch zu erreichen, ohne Erfolg (act. 2/10.2.02, Fotobogen im Anhang, dort S. 4). Umgehend schrieb er daraufhin eine Chatnachricht an die Rufnummer …6256 («shqiproi vlor» alias Ervis Albanis); darin fragte er auf Italie­nisch: «dove sei?» [wo bist du?] (act. 2/5.2.11 S. 7; siehe auch act. 2/5.2.12). Offen­sichtlich weil er keine Rückmeldung erhielt, tätigte er nur wenige Minuten später, um 19:32 Uhr, nochmals einen Anrufversuch an «shqiproi vlor» alias Ervis Albanis, wie­derum ohne Erfolg (act. 2/10.2.02, Fotobogen im Anhang, dort S. 4). In dieser Um­triebigkeit von Sedat Pristin offenbart sich gleich mehreres: Vorab bestätigt sich hier­in zusätzlich, dass Sedat Pristin eindeutig wusste, welche Person er in seinem Han­dy unter dem Namen «shqiproi vlor» abgespeichert hatte, nämlich Ervis Albanis. Denn gerade weil Ervis Albanis in erster Linie Italienisch spricht, ist überhaupt nur erklärbar, dass Sedat Pristin, der sonst digital soweit ersichtlich nur Albanisch kom­muniziert, ausgerechnet seine an «shqiproi vlor» gerichtete Anfrage «dove sei?» auf Italienisch verfasste. Indem sodann Sedat Pristin, kaum hatte er von der Schussat­tacke auf Serhat Türkis erfahren, umgehend Ervis Albanis zu erreichen versuchte, so ist dar­aus unweigerlich zu schliessen, dass er haargenau wusste, dass Ervis Albanis beim Tatgeschehen vor Ort war. Ebenso offensichtlich ist zudem, dass Sedat Pristin sich um Ervis Albanis Sorgen machte.

 

Am Ende konnte die Polizei, wie oben schon einmal erwähnt, allein für den 25. Sep­tember 2018 insgesamt 26 Verbindungen zwischen dem Mobiltelefon von Sedat Pristin und der Rufnummer …6256 («shqiproi vlor» alias Ervis Albanis) ausmachen (act. 2/10.2.07 Dep. 11 und Auszüge im Anhang). Überdies hatten die beiden schon in den Wochen zuvor nicht nur mehrmals Telefonkontakt miteinander (a.a.O., Dep. 18 und Auszüge im Anhang), sondern haben sich mindestens auch dreimal persön­lich getroffen, dabei das letzte Mal am 23. September 2018 (siehe dazu act. 2/7.1.01 S. 27-32, S. 36 f. und S. 45-47).

 

14.3

Fazit: Ervis Albanis steht in enger (deliktischer) Verbindung zu Sedat Pristin; klare Hinweise auch auf eine obskure Rolle von Sedat Pristin

14.3.1 Aus den bis dahin erörterten Erkenntnissen tritt klar und deutlich zu Tage, dass Sedat Pristin und Ervis Albanis unter einer Decke stecken. Es waren sie beide, die sich am Tattag über den Treffpunkt «Boomerang» in Walenstadt verständigten, von wo aus in der Folge Ervis Albanis mit Serhat Türkis nach Näfels fuhr und ihn dort zum Fabrikinnenhof lotste (siehe dazu mehr unten E. 16.). Als Sedat Pristin spä­ter von der Schussattacke auf Serhat Türkis erfuhr, war er augenscheinlich besorgt um das Schicksal von Ervis Albanis.

 

14.3.2 Die Verbindung zwischen Ervis Albanis und Sedat Pristin ist freilich nicht allein nur mit Fokus auf Ervis Albanis auszuleuchten. Es ist hier der Moment, um kurz auch die Rolle von Sedat Pristin aufzuzeigen. Dieser war nämlich augenscheinlich die Verbindungsperson zwischen Serhat Türkis und Ervis Albanis. So fuhren Sedat Pristin sowie Serhat Türkis, Kemal Izmir und Marco Napoli am 25. September 2018 am Nachmittag miteinander vom Aargau nach Unterterzen am Walensee, wo sie sich rund drei Stunden aufhielten (siehe oben E. 4.4 und 4.7). Am frühen Abend erfolgte dann die Fixierung des Treffpunkts mit Ervis Albanis im «Boomerang» in Walenstadt ausgerechnet über Sedat Pristin, welcher nachweislich schon zuvor mit Ervis Albanis bekannt war. Es besteht insofern ein deutlicher Hinweis darauf, dass Sedat Pristin im Hintergrund als Strippenzieher des Dramas agierte, welches am Ende in die Schussattacke auf Serhat Türkis mündete.

 

Bereits die Polizei äusserte in der Untersuchung einen entsprechenden Verdacht gegen Sedat Pristin. Ihr war nämlich aus Ermittlungen in Deutschland bekannt, dass Sedat Pristin 2017/18 möglicherweise mehrere Kilogramm Marihuana aus Deutsch­land in die Schweiz eingeführt hatte; dabei ging offenbar ein Deal mit einem «türki­schen Clown» in der Schweiz schief, indem dieser die Bezahlung der gelieferten Drogen säumig blieb. Aus Sicht der Polizei ist denkbar, dass es sich beim «türki­schen Clown» um Sedat Türkis handeln könnte und ihm nun eine Strafe verpasst werden sollte (siehe dazu act. 2/8.1.01 S. 3 unten und S. 38 oben sowie act. 2/10.2.08, dort Vorspann zu Dep. 19). Im Lichte dieser Vorgeschichte erlangt eine eigenartige Textnachricht von Sedat Pristin eine nicht unwesentliche Bedeutung. Am 25. September 2018, um 20:25 Uhr (Sedat Pristin hielt sich zu dieser Zeit im Spital in Glarus auf und wurde kurz danach von der Polizei zur näheren Abklärung einst­weilen festgenommen; siehe oben E. III. 3 sowie act. act. 2/4.2.01), schrieb nämlich Sedat Pristin mit seinem Mobiltelefon folgende Mitteilung an Simbi: «Ich bin weit weg, weil der Affe hat jenen Kollegen mit einer Schusswaffe verwundet» (act. 2/5.2.11. S. 9). Bei Simbi, dem Empfänger der Botschaft, handelt es sich um den Sohn von Sedat Pristin (siehe dazu act. 2/10.2.02 Dep. 22). Die zitierte Textnachricht ist absolut nicht selbsterklärend und erschliesst sich einem nur mit entsprechenden Hintergrund­kenntnissen. Augenscheinlich verfügten Sedat Pristin und sein Sohn Simbi über genau diese Kenntnisse. Denn Simbi fragt bei seinem Vater nicht etwa zurück, was er mit seiner Mitteilung konkret meine, sondern erkundigt sich lediglich danach, wo er sich im Moment aufhalte (act. 2/5.2.11. S. 9). Aus der Formulierung der fraglichen Textnachricht lässt sich daher zweifelsfrei folgern, dass Serhat Türkis («jener Kolle­ge») in ein Ereignis einbezogen war, über welches sich Sedat Pristin und sein Sohn Simbi bereits im Vorfeld ausgetauscht hatten und welches Sedat Pristin möglicher­weise sogar eingefädelt hatte. Insofern weist die These der Polizei, wonach Serhat Türkis eine Abrechnung erteilt werden sollte, eine durchaus hohe Wahrscheinlichkeit auf.

 

15.

Ervis Albanis war die am Tatort anwesende Person mit der Rufnummer …6256

15.1 Gemäss den vorstehenden Erwägungen besteht kein Zweifel mehr darüber, dass Ervis Albanis am 25. September 2018 ein Mobiltelefon auf sich trug, in wel­chem die Rufnummer …6256 eingelegt war.

 

In der Untersuchung legte sich die Polizei nicht abschliessend fest und ordnete die Rufnummer …6256 dem unbekannten Täter 2 («UT2») zu (siehe act. 2/7.1.01 S. 7). Bereits die Polizei zog dabei aber die Möglichkeit in Betracht, dass es sich beim Benutzer der Rufnummer …6256 um Ervis Albanis gehandelt haben könnte (siehe dazu die grafische Übersicht bei act. 2/8.1.03, dort «Benutzer evtl.»). Demgegen­über verstrickte sich die Vorinstanz im Zusammenhang mit Rufnummern, UT1, UT2, Ervis Albanis/Shqiproi Vlor in einen vollkommenen und hoffnungslosen Wirrwarr; es mangelt den erstinstanzlichen Erwägungen nicht nur an jeglicher Systematik, was die Einordnung und Würdigung der erhobenen Beweise anbelangt, sondern es wer­den darin teilweise auch geradezu abstruse Hypothesen formuliert (beispielsweise ist auf Seite 91 unten und S. 92 oben des angefochtenen Entscheids [act. 59] sogar tatsächlich zu lesen, Ervis Albanis könnte «als UT1 um 18:00 Uhr von Walenstadt in den Raum Weesen/Näfels gefahren und […] sich bis zur Tat dort aufgehalten» haben). Es ist daher allein schon deshalb erforderlich, hier weitere klärende Ausfüh­rungen zur Rufnummer …6256 und dem sich daraus ergebenen Bewegungsprofil von Ervis Albanis zu machen.

 

15.2 Gesichert ist, dass Ervis Albanis am 25. September 2018 um ca. 18:30 Uhr im «Boomerang» in Walenstadt zur Gruppe `Serhat Türkis, Sedat Pristin, Kemal Izmir und Marco Napoli` stiess und sich bald danach als Beifahrer in den Wagen von Serhat Türkis setzte und mit ihm losfuhr (oben E. 13.4).

 

Die nachfolgenden Randdaten der Rufnummer …6256 decken sich haargenau mit der Fahrt von Serhat Türkis von Walenstadt nach Näfels, womit erwiesen ist, dass im Mobiltelefon des Beifahrers Ervis Albanis die Rufnummer …6256 eingelegt war. Am 25. September 2018 befand sich die Rufnummer …6256 um 18:38 Uhr noch im Raum Walenstadt, wo zu dieser Zeit Ervis Albanis in der Bar «Boomerang» auf Serhat Türkis traf. Um 19:09 Uhr war die Rufnummer …6256 an einer Antenne in Amden eingeloggt. Exakt um dieselbe Zeit war der Mercedes von Serhat Türkis auf der Autobahn A3 auf dem Abschnitt Mühlehorn/Weesen unterwegs (siehe act. 2/8.1.14 S. 1 f.: Einfahrt in den Tunnel «Mühlehorn» um 19:06 Uhr; Ausfahrt aus dem Tunnel «Ofenegg» um 19:09 Uhr); von diesem Streckenabschnitt aus gesehen befindet sich der Antennenstandort «Amden» unmittelbar auf der genüberliegenden Seite des Walensees in einer Distanz von etwa zwei Kilometer. Schliesslich gene­rierte die Rufnummer …6256 um 19:25 Uhr einen Antennenkontakt in Näfels unmit­telbar im Bereich des Tatortes, wo soeben Serhat Türkis angeschossen worden war. Dies war im Übrigen der letzte registrierte Standort der Rufnummer …6256; von da an sind von dieser Nummer keine Verkehrsdaten mehr bekannt (siehe zum Ganzen act. 2/7.1.01 S. 19 und S. 20 oben [dort Kartenausschnitt]).

 

15.3 Die vorstehende Erkenntnis, wonach Ervis Albanis und nicht ein unbekannter Dritter am Tatabend die Rufnummer …6256 benutzte, wird noch durch folgende Begebenheit bekräftigt: In der Untersuchung wurde ermittelt, dass Ervis Albanis so­wohl mehrere Rufnummern wie auch unterschiedliche Mobiltelefone benutzte (siehe dazu act. 2/7.1.01 S. 5 f. und S. 13 unten). Eine der von Ervis Albanis verwendeten Rufnummern, konkret die Nummer …9667 (abonniert auf Ervis Albanis' Ehefrau Laureta Albanis), wurde am 14. August 2018 um 20:18 Uhr über eine Antenne in Mendrisio/TI erfasst (a.a.O., S. 14). Am gleichen Abend, eine knappe halbe Stunde später (20:45 Uhr), loggte die Rufnummer …6256 in eine Antenne im Raum Bel­linzona ein und lassen sich anschliessend Logins dieser Rufnummer via San Ber­nardino bis in den Raum Walensee weiterverfolgen (a.a.O., S. 18 f.). Die Fahrtzeit von Mendrisio nach Bellinzona beträgt auf der Autobahn A2 etwas mehr als eine halbe Stunde (Google Maps). Die beiden erwähnten Nummern …9667 und …6256 waren demnach am 14. August 2018 zeitgleich auf derselben Route unterwegs. Es ist daher davon auszugehen, dass Ervis Albanis am 14. August 2018 von Italien her an die Wohnadresse seiner Mutter in Unterterzen am Walensee reiste. Dabei war er höchstwahrscheinlich, wie andere Male auch, wenn er sich in die Schweiz begab, in Begleitung seiner Ehefrau Laureta Albanis (siehe dazu oben E. 11.3.3).

 

16.

Serhat Türkis wurde vom Beifahrer Ervis Albanis in den Hinterhof in Näfels gelotst; der Tatort wurde von der Täterschaft bereits im Voraus ausgekundschaftet

16.1 Am 20. März 2019 führte die Staatsanwaltschaft eine Konfrontationseinver­nahme zwischen Serhat Türkis und Ervis Albanis durch (act. 2/10.1.07). Bei allen früheren Einvernahmen hatte Serhat Türkis weitgehend nur nebulöse Aussagen dazu gemacht, wie es am 25. September 2018 zu seiner Fahrt nach Näfels gekommen war. Nun sagte er erstmals aus, Sedat Pristin habe ihn in Walenstadt gefragt, ob er Ervis Albanis in seinem Auto mitnehmen könne (act. 2/10.1.07 Dep. 7). Weiters erklärte er, er sei dann in Näfels in den Hinterhof der Fabrikliegenschaft gefahren, «weil Herr Albanis wollte, dass ich ihn dorthin fahre» (a.a.O., Dep. 9).

 

Ervis Albanis verweigerte (auch) anlässlich dieser Konfrontationseinvernahme jegli­che Angaben zur Sache, dabei insbesondere auch zur eben gehörten Aussage von Serhat Türkis, wonach Ervis Albanis ihn (Serhat Türkis) in Näfels in den Hinterhof gewiesen habe (a.a.O., Dep. 15).

 

16.2 Unmittelbar nach der Schussattacke auf Serhat Türkis floh Ervis Albanis zusam­men mit zwei nach wie vor flüchtigen Personen vom Tatort (oben E. 8.1 und 8.3). Diese beiden weiteren Personen müssen sich zweifelsfrei bereits im Fabrikhinterhof in Näfels aufgehalten und dort auf das Eintreffen von Serhat Türkis gewartet haben. Indem Ervis Albanis sich nach dem Gewaltdelikt mit diesen beiden Personen absetz­te, steht ausser Frage, dass zwischen ihm und den beiden anderen Personen die Attacke auf Serhat Türkis abgesprochen war; die drei Personen mach­ten gemeinsa­me Sache und handelten nach einem miteinander vereinbarten Plan. Ervis Albanis oblag dabei zunächst die initiale Aufgabe, Serhat Türkis dazu zu bringen, an die völlig abgeschottete Örtlichkeit in der Industriezone von Näfels zu fahren. Ervis Albanis wusste, wo seine beiden Komplizen warteten, und er übernahm es, Serhat Türkis dorthin zu lotsen.

 

Auch wenn Ervis Albanis die ihm soeben zugeschriebene Tätigkeit eines Lotsen im ganzen Verfahren nie zugestanden hat, so verstösst die dargelegte Folgerung nicht gegen die Unschuldsvermutung. Denn gerade in einer Konstellation wie der vorlie­genden, bei der alle äusseren An­zeichen auf eine Komplizenschaft von Ervis Albanis hinweisen, wäre zu erwarten gewesen, dass Ervis Albanis ihn entlastende Umstände vorbringen würde, wenn es denn solche tatsächlich gäbe. Die eiserne Aussagever­weigerung von Ervis Albanis während der ganzen Untersuchung und über alle Instanzen hinweg (letztmals vor Obergericht: act. 103 S. 10 ff.) erschüttert daher das in tatsächlicher Hinsicht aus den verfügbaren Erkenntnissen erlangte Bild nicht (siehe dazu Urteil BGer 6B_582/2021 vom 1. September 2021 E. 4.3.1 m.w.H.).

 

16.3 Hinzu kommt noch Folgendes: Der Fabrikinnenhof in Näfels, wo Serhat Türkis angeschossen wurde, liegt absolut abgeschottet und versteckt; nicht einmal die Zu­fahrt/Einfahrt dorthin ist von der Strasse aus einsehbar, so dass niemand rein zufäl­lig an diese Örtlichkeit gelangt. Ein derart verborgener Ort muss effektiv zuerst ein­mal aufgesucht und gefunden werden (siehe oben E. 6.).

 

In der Untersuchung wurde ermittelt, dass am Tatort zum Zeitpunkt des Tatgesche­hens am 25. September 2018, um ca. 19.15 Uhr, eine Person mit einem Mobiltele­fon mit der Rufnummer …6256 anwesend war. Diese Nummer ist für den Tatzeit­punkt zweifelsfrei Ervis Albanis zuzuordnen (siehe zuvor E. 15; von der Polizei unter dem Akronym «UT2» erfasst). Gleichzeitig war am Tatort auch eine Person mit einem Mobiltelefon mit der Rufnummer …7074 [polizeiliches Akronym «UT1»] zugegen (siehe dazu act. 2/7.1.01 S. 17 unten und S. 18 oben sowie S. 19 unten und S. 20 oben; diese Rufnummer …7074 ist tatsächlich der Täterschaft zuzuord­nen, wie noch näher aufgezeigt wird [unten insbes. E. 20.3.2.5]). Im Zuge der Randdatenerhebungen konnte ermittelt werden, dass am 11. September 2018, um ca. 22 Uhr, die Rufnummern …6256 und …7074 sowie eine weitere Nummer (…6062), die ebenfalls Ervis Albanis zuzuordnen ist (auf diese Nummer wird noch einmal zurückzukommen sein; unten E. 20.1.1), alle in Antennen im näheren Um­kreis des späteren Tatortes eingeloggt waren (act. 2/7.1.01 S. 38 und S. 39). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit suchte die Täterschaft in der Dunkelheit an jenem späten Abend im Raum Näfels nach einer geeigneten (verborgenen) Ört­lichkeit für ihr Vorhaben und fand eine solche am nördlichen Dorfrand von Näfels in der Industriezone.

 

17.

Ergänzender Einschub: Serhat Türkis und Ervis Albanis sowie weitere Personen trafen sich erstmals bereits zwei Tage vor dem Tatereignis

In der Untersuchung konnte anhand der ausgewerteten Mobiltelefon-Verkehrsdaten ermittelt werden, dass bereits am Sonntagabend, 23. Septem­ber 2018, Serhat Türkis und Ervis Albanis sowie Sedat Pristin, Kemal Izmir und Mar­co Napoli sich zeitgleich im Raum Unterterzen/Walenstadt aufhielten (act. 2/7.1.01 S. 45-47). Bei ihnen allen, dies lässt sich anhand der bis dahin dargelegten Erkenntnisse ohne weiteres fest­halten, bestehen deutliche Anhaltspunkte, die eine Nähe zu Drogengeschäften indi­zieren (siehe oben E. 2.5 [15'000 Euro Drogen­geld im Wagen von Serhat Türkis]; E. 4.5 [DNA-Spuren von Kemal Izmir auf dem betreffenden Drogengeld]; E. 4.6 [Konfiskation von Drogen bei Kemal Izmir sowie Sicherstellung `drogengeschäfts­spezifischer` Gegenstände bei Kemal Izmir und Marco Napoli, laufende Ermittlung gegen Sedat Pristin wegen Verdachts auf Drogenhandel]; E. 11.4 [Drogenspuren an den Händen von Ervis Albanis bei dessen Festnahme]). Nachweislich trafen just die­se Personen am Abend des 25. Sep­tember 2018, kurz nach 18:30 Uhr, in der Bar «Boomerang» in Walenstadt aufeinander (siehe dazu oben E. 13.4). Wenn daher deren Mobiltelefone bereits zwei Tage vorher, am Sonntag­abend, 23. September 2018, alle im Raum Walensee eingeloggt waren, so ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese Personen aus unterschiedlichen Ecken der Schweiz sich ebenso an jenem Abend begegneten. Es handelte sich dabei fraglos um ein konspiratives Treffen, welches mit Sicherheit in direktem Zusammenhang mit dem nachmaligen Geschehen vom 25. September 2018 stand.

 

18.

Das Geschehen unmittelbar am Tatort

18.1 Die bis dahin gesicherten Fakten

 

Erstellt ist, dass im Fabrikinnenhof in Näfels am 25. September 2018, kurz nach 19:15 Uhr, vier Schüsse aus einem Webley-Revolver abgefeuert wurden. Die vier Schüsse trafen Serhat Türkis (zwei unmittelbar lebensgefährdende Bauchschüsse; je ein Schuss in den linken Unter- und rechten Oberschenkel). Drei Projektile blieben dabei im Körper von Serhat Türkis stecken; das vierte Projektil bohrte sich in ein Holztor im Hintergrund. Im Moment der Schussattacke befand Serhat Türkis sich aus­serhalb seines Mercedes (siehe zum Ganzen oben E. 1.1 und 7.1). Ausserdem steht fest, dass Ervis Albanis sich beim Vorfall im Fabrikinnenhof erhebliche Schnitt­wunden an beiden Händen zuzog (siehe oben E. 11.7.1). Überdies ist gesichert, dass nach der Schussattacke auf Serhat Türkis drei Personen, einer von ihnen Ervis Albanis, sich miteinander vom Tatort zu Fuss in nordwestliche Richtung in das dorti­ge Wohnquartier absetzten, wo sie anschliessend von einer Drittperson abgeholt wurden (dazu nachfolgend E. 19.); entlang des Fluchtwegs fand die Polizei den Webley-Revolver (Tatwaffe) sowie ein Messer (oben E. 8.2). Ein weiteres Mes­ser wurde in einer Rabatte unmittelbar beim Tatort aufgefunden, wobei dieses Mes­ser Serhat Türkis gehörte (siehe dazu oben E. 7.2).

 

 

 

 

18.2 Drei Angreifer; zwei von ihnen waren maskiert

 

18.2.1 Die anfänglichen Aussagen, die Serhat Türkis Ende September 2018 noch auf der Intensivstation zum Tatgeschehen machte (siehe dazu oben E. III. 1.3), sind zur Rekonstruktion des Tatereignisses wenig ergiebig. Seine damalige Schilderung, wonach er am fraglichen Abend allein im Auto unterwegs gewesen sei und in Näfels dann von einem anderen Autolenker mit Handzeichen dazu gedrängt worden sei, diesem in eine Sackgasse zu folgen, ist durch die Ergebnisse der Untersuchung widerlegt. Serhat Türkis hatte damals in Ervis Albanis einen Beifahrer im Auto und wurde von diesem angewiesen, in den Fabrikhinterhof zu fahren.

 

18.2.2 Bemerkenswert ist aber immerhin, dass Serhat Türkis bereits bei der ersten Befragung aussagte, der Angreifer «trug zur Hälfte des Gesichts eine Maske» (act. 2/10.0.01a Dep. 6). In diesem Punkt sagte Serhat Türkis nämlich mit Sicherheit die Wahrheit. Angenommen nämlich, Serhat Türkis wollte bei seinen ersten Aussagen lediglich nur die Identität des einzigen geschilderten Angreifers nicht preisgeben, so wäre es naheliegend gewesen, lapidar zu berichten, er habe den Angreifer nicht gekannt, statt quasi eine Geschichte mit der Maskierung zu erfinden. Es hätte eine solche Aussage auch weitaus besser zu seiner übrigen Legende gepasst, wonach er einem anderen Fahrzeuglenker auf dessen Zeichen hin in die Sackgasse gefolgt sei. Denn es lässt sich nicht ernsthaft jemand von einer maskierten Person in eine Sackgasse weisen. Wenn daher Serhat Türkis bei der ersten Befragung bei der dabei bewusst falsch vorgetragenen Geschichte (er sei einem anderen Lenker auf dessen Anweisung gefolgt) unvermittelt von einer maskierten Täterschaft berichtete, so weist just diese Angabe, die nicht wirklich zur fabulierten Erzählung passt, auf einen tatsächlichen Erlebnisbezug hin. Kommt noch hinzu, dass am Tatort immerhin ein Tapeband aufgefunden wurde, und zwar in einem Laubkorb, wo ein solcher Gegen­stand schlicht nicht hingehört (oben E. 7.3). Es ist daher davon auszugehen, dass die Täterschaft Tapes zum Befestigen der Gesichtsmaskierung verwendete und dann das verbliebene Tapeband in den Laubkorb schmiss.

 

18.2.3 Serhat Türkis wurde ein nächstes Mal am 3. Dezember 2018 zum Geschehen vom 25. September 2018 befragt (act. 2/10.0.04). Zu diesem Zeitpunkt war ihm bekannt, dass sich mit Ervis Albanis und dessen Cousin Neriman Tiranis zwei Tat­verdächtige in Untersuchungshaft befanden (siehe zu Neriman Tiranis, gegen den sich der Tatverdacht in der Folge nicht erhärtete, oben E. 11.3.4). Nun berichtete Serhat Türkis, diejenige Person, die auf ihn geschossen habe, sei maskiert gewesen; auch noch eine weitere Person sei maskiert gewesen. Eine dritte Person sei nicht maskiert gewesen (act. 2/10.0.04 S. 2 vor Dep. 1).

 

18.2.4 Dass am Tatort maskierte Personen anwesend waren, ist bereits anhand der vorhin dargelegten Indizien erstellt; insofern bestätigt die jetzige Aussage von Serhat Türkis lediglich eine bereits feststehende Erkenntnis. Die von Serhat Türkis nun erstmals genannte Zahl von drei Personen deckt sich sodann mit den Beobachtun­gen der Auskunftspersonen, die gesehen hatten, wie am 25. September 2018, um ca. 19:30 Uhr, drei unbekannte Männer durch das nordwestlich an die Fabrikliegen­schaft angrenzende Wohnquartier rannten (siehe oben E. 8.1 und 8.3). An der Schussattacke auf Serhat Türkis waren demnach mit Sicherheit drei Personen betei­ligt; einer von ihnen war Ervis Albanis, der zunächst Serhat Türkis als Beifahrer in dessen Mercedes in den vorgängig von ihm gemeinsam mit mindestens einem Komplizen ausgekundschafteten Fabrikinnenhof gelotst hatte und sich nach der Schiesserei zusammen mit den beiden andern (nach wie vor flüchtigen) Personen vom Tatort absetzte und dabei seine (Blut)Spur hinterliess (siehe dazu oben E. 8.2 und 11.2). Dass Ervis Albanis fraglos mit den beiden anderen Personen zusammen­spannte, zeigt sich im Übrigen nicht nur darin, dass die drei sich nach der Schussat­tacke auf Serhat Türkis miteinander in dieselbe Richtung vom Tatort absetzten; an­schliessend wurden auch alle drei zusammen in Näfels abgeholt (dazu mehr unten E. 19.).

 

In der ganzen Untersuchung ergaben sich keine Hinweise darauf, dass neben Serhat Türkis und den eben erwähnten drei anderen Personen (von denen einer Ervis Albanis war) noch weitere Personen unmittelbar am Tatort in das Gewaltgeschehen involviert waren.

 

18.3     Die involvierten Personen hantierten mit Messern

 

18.3.1 Bei der Befragung am 3. Dezember 2018 brachte Serhat Türkis die eingangs erwähnte Angabe, wonach eine Person nicht maskiert und zwei Per­sonen maskiert gewesen seien, sehr zurückhaltend vor und fügte umgehend hinzu: «Weiteres kann ich nicht sagen, weil ich nicht etwas Falsches sagen möchte. Es ist für mich sehr hart. Und ich möchte niemanden beschuldigen» (act. 2/10.0.04 S. 2 vor Dep. 1). Aus dem weiteren Einvernahmeverlauf wird rasch klar, dass die Einsilbigkeit von Serhat Türkis massgeblich auch von Angst geprägt ist (sie­he dazu a.a.O., Dep. 18, wo Serhat Türkis konkret bezweifelt, ob denn die Staatsan­waltschaft ihn [Serhat Türkis] rund um die Uhr vor einem Racheakt würde schützen können). Die weiteren sach­verhaltsbezogenen Aussagen von Serhat Türkis anlässlich der Befragung am 3. De­zember 2018 waren letztlich bloss fragmentarischer Art: «Ich stieg aus dem Auto. Ich sah Messer, Schüsse. […] Ich habe dem mit der Glat­ze eines geschlagen, das weiss ich noch (a.a.O., Dep. 15). […], von einem habe ich das Gesicht gesehen, nämlich vom Beifahrer. Von den anderen nicht (a.a.O., Dep. 16). […], sie waren maskiert. Der andere war nicht maskiert, aber es waren mehr als zwei» (a.a.O., Dep. 18).

 

18.3.2 An dieser Stelle ist erinnerlich zu machen, dass Serhat Türkis bereits kurz nach dem Ereignis in einer Befragung eingeräumt hatte, dass er selber ein Messer bei sich gehabt habe und auch der Täter [damals berichtete Serhat Türkis noch von nur einem Angreifer] ein Messer gezückt habe. Tatsächlich wurde das von Serhat Türkis erwähnte eigene Messer unmittelbar beim Tatort in einer Rabatte aufgefunden; ebenso fand die Polizei auf dem von der Täterschaft eingeschlagenen Fluchtweg ein Messer (siehe zum Ganzen oben E. 7.2 und 8.2). Bei alldem lässt sich zwei­felsfrei festhalten, dass am Tatort sowohl die Täterschaft wie auch Serhat Türkis mit Messern hantierten, zumal erstellt ist, dass Ervis Albanis sich beim ganzen Gesche­hen massive Schnittwunden an den Händen davontrug (oben E. 11.7.1).

 

18.4

Kaum ein Erkenntnisgewinn aus den Konfrontationseinvernahmen, wobei Serhat Türkis sichtlich aus Angst darauf bedacht war, Ervis Albanis möglichst nicht zu belasten

18.4.1

18.4.1.1 Bei der Konfrontationseinvernahme zwischen Serhat Türkis und Ervis Albanis am 20. März 2019 (act. 2/10.1.07) wurde vor allem eines offensichtlich: Der ange­schossene Serhat Türkis war tunlichst darauf bedacht, den bisher einzig gefassten Kontrahenten Ervis Albanis möglichst nicht zu belasten. Nachdem der zuständige Staatsanwalt einleitend bemerkte, dass es bei der Auseinandersetzung am 25. Sep­tember 2018 nach bisherigen Erkenntnissen um Betäubungsmittel allenfalls um Geld gegangen sei (a.a.O., Dep. 1), räumte Serhat Türkis gerade mal ein, dass er «diese Person [Ervis Albanis] am 25. September 2018 gefahren habe», wobei Ervis Albanis konkret gewollt habe, dass er [Serhat Türkis] ihn [Ervis Albanis] nach Näfels fahre (a.a.O., Dep. 2, Dep. 3 und Dep. 9). Indes habe er keine Ahnung, warum es dort dann zur Auseinandersetzung gekommen sei. Er habe bereits früher ausge­sagt, dass er damals viel Geld im Auto gehabt habe und ihm tatsächlich auch Geld gestohlen worden sei, weshalb er sich einzig vorstellen könne, dass es wegen des Geldes zur Konfrontation gekommen sei (a.a.O., Dep. 5). Im weiteren Verlauf der Einvernahme danach gefragt, ob er [Serhat Türkis] denke, dass Ervis Albanis einfach so habe mitfahren wollen ob er annehme, Ervis Albanis habe davon gewusst, dass man ihn [Serhat Türkis] würde ausnehmen wollen, antwortete er kurz und knapp, das wisse er nicht (a.a.O., Dep. 22). Auch der Frage des Staatsanwaltes, wie es auf dem Fabrikareal in Näfels weitergegangen sei, wich er aus und entgegnete, das habe er alles schon mal erzählt (a.a.O., Dep. 10). Indes trifft genau dies nicht zu; Serhat Türkis hatte in den bisherigen Befragungen nie offen geschildert, was im Fabrikinnenhof effektiv geschah. Als der Staatsanwalt von Serhat Türkis wissen woll­te, wie er sich erklären könne, dass Ervis Albanis eine Handverletzung aufgewiesen und vor Ort Blut verloren habe, antwortete er, dass er sich daran nicht mehr erin­nern könne, alles sei so schnell gegangen («die Schiesserei und ich war am Boden»). Serhat Türkis unterstrich seine (vorgespielte) Ahnungslosigkeit sogar mit einer Gegenfrage, indem er den Staatsanwalt danach fragte, wie Ervis Albanis sich effektiv verletzt habe, ob denn gar jemand auch auf ihn [Ervis Albanis] geschossen habe (a.a.O., Dep. 16-18). Auf jeden Fall aber, so die weiteren Ausführungen von Serhat Türkis, habe nicht Ervis Albanis auf ihn geschossen; denn diejenigen – sicher zwei, vielleicht drei vier, so genau wisse er es nicht mehr –, welche geschos­sen hätten, seien maskiert gewesen (a.a.O., Dep. 11-13). Beim ganzen Geschehen habe er auch ein Messer gesehen, vielleicht habe er es auch in die Hand genom­men; genau wisse er das nicht mehr, er sei ja am Boden gewesen (a.a.O., Dep. 14). Auf die abschliessende Frage des Verteidigers von Ervis Albanis, ob sein Mandant ihn [Serhat Türkis] im Fabrikinnenhof auf irgendeine Art angegriffen habe, erwähnte Serhat Türkis sibyllinisch: «Diejenigen, welche mich angegriffen haben, haben geschossen. Und er hat nicht geschossen» (a.a.O., Ergänzungsfragen, Dep. 1).

 

18.4.1.2 Wie bereits mehrfach erwähnt, machte Ervis Albanis über die ganze Unter­suchung hinweg keine Angaben zur Sache und verweigerte daher selbstredend auch an der soeben erörterten Konfrontationseinvernahme vom 20. März 2019 jegli­che Aussagen (act. 2/10.1.07, Dep. 15). Dies, obwohl der Staatsanwalt ihm zu Beginn der Befragung konkret eröffnet hatte, er stehe im dringenden Verdacht, am 25. September 2018, um ca. 19:20 Uhr, in Näfels auf Serhat Türkis geschossen bzw. sich zumindest an diesem Angriff beteiligt zu haben, wobei er Serhat Türkis habe töten wollen; bei dieser Auseinandersetzung sei es um Betäubungsmittel allen­falls Geld gegangen, weshalb er [Ervis Albanis] zugleich auch verdächtigt werde, mit Drogen zu handeln (a.a.O., Vorspann zu Dep. 1).

 

18.4.2 Noch weniger ergiebig als die erste Konfrontationseinvernahme zwischen Serhat Türkis und Ervis Albanis war die zweite und letzte konfrontative Befragung der beiden am 24. Januar 2020 (act. 2/10.1.09), zumal Ervis Albanis wiederum erklärte, er «werde heute keine Fragen beantworten» (a.a.O., Dep. 8). Bei dieser Befragung trat in erster Linie zu Tage, wie sehr Serhat Türkis um seine eigene Sicherheit bangt. Er äusserte konkrete Begebenheiten, die ihn ängstigen (gespraytes Kreuz auf sei­nem Tiefgaragenplatz; Brief vor der Wohnungstüre), wobei er sich nicht direkt vor Ervis Albanis fürchtet («weil er ist ja hier» [sprich: sich in Haft befin­det]), sondern vor Hintermännern (a.a.O., Dep. 3 sowie auch Dep. 6). Diese Hintermänner könnten sich nach Einschätzung von Serhat Türkis sogar in seinem eigenen Umfeld befinden («ein Verräter»); denn jemand müsse ja schliesslich die Information gesteckt haben, dass er Geld habe [gemeint: das Geld damals am 25. September 2018 in seinem Auto] (a.a.O., Dep. 13).

 

In der Sache selber hob Serhat Türkis abermals hervor, dass Ervis Albanis nicht ge­schossen habe (a.a.O., Dep. 3, Dep. 7 und Dep. 9). Was aber am 25. September 2018 im Detail geschehen sei, daran könne er sich nicht mehr erinnern (a.a.O., Dep. 6); namentlich entsinne er sich nicht mehr, ob er selber ein Messer in der Hand gehabt habe (a.a.O., Dep. 5), wisse aber noch, dass einer der andern ein Messer gezogen habe (a.a.O., 16). Als die Schüsse gefallen seien, hätten er und Ervis Albanis nicht mehr im Auto gesessen (a.a.O., Dep. 10). Alles sei sehr schnell gegangen; er sei ausgestiegen und etwa 2 bis 3 Meter (vielleicht auch 5 bis 7 Meter) vom Auto ent­fernt gewesen, sei dann wieder zum Auto zurückgerannt und davonge­fahren, alle seien mit über den Kopf gezogenen schwarzen Mützen maskiert gewe­sen (a.a.O., Dep. 12). Auf Anmerkung des Staatsanwaltes, dass er (Serhat Türkis) Schussverlet­zungen und Ervis Albanis Schnittwunden erlitten hätten, und die daran anknüpfende Frage, ob es daher möglich sei, dass er (Serhat Türkis) Ervis Albanis die Schnittverlet­zungen zugefügt habe, entgegnete er ungehalten: «Fragen Sie ihn. Er wird doch sagen, ja nein. Ich sage ja, er habe nicht geschossen. Er wird doch sagen, ob ich ihm etwas angetan habe. Fragen Sie ihn doch, vielleicht sagt er etwas» (a.a.O., Dep 7). Wie aber nicht anders zu erwarten war, schwieg Ervis Albanis sich dazu aus (a.a.O., Dep. 8). Als der Staatsanwalt gegenüber Serhat Türkis ausführte, es gehe vorliegend um die Aufklärung der Schussattacke, doch sei diese möglicherweise verwoben mit einer Drogengeschichte (denn immerhin sei er [Serhat Türkis] damals mit 15'000 Euro unterwegs gewesen und seien die Geldschei­ne alle mit Drogen kontaminiert gewe­sen), weshalb es erforderlich sei, nun endlich die ganze Wahrheit zu kennen, erwi­derte Serhat Türkis aufgebracht, er sei «total überrascht darüber, was Sie sagen»; er habe nichts mit Drogen zu tun und über­haupt: «Wo sind die Dro­gen?»; wenn man ihm schon mit solchen Beschuldigungen komme, so solle man ihn doch jetzt gleich in Untersuchungshaft nehmen (a.a.O., Dep. 4).

 

18.5

Die beiden maskierten Komplizen von Ervis Albanis waren schon vorab am Tatort

Wie bereits oben (E. 16.3) erstmals erwähnt, befand sich am Tatort eine Person, in deren Mobiltelefon zum Tatzeitpunkt eine SIM-Karte mit der Rufnummer …7074 eingelegt war. Diese Person war nicht Ervis Albanis, denn in dessen Mobiltelefon war am 25. September 2018 die Rufnummer …6256 eingelegt (siehe oben E. 15). Neben Ervis Albanis und dem Privatkläger Serhat Türkis waren am Tatort einzig noch die beiden maskierten Männer anwesend (siehe oben E. 8.4 und 18.2.4), die nach der Schussattacke auf Serhat Türkis gemeinsam mit Ervis Albanis zu Fuss flüch­teten (dazu weiter unten E. 19.). Infolgedessen gehörte die Rufnummer …7074 zwangs­läufig einem dieser beiden Personen.

 

Am Tatabend, 25. September 2018, generierte die Rufnummer …7074 bereits kurz nach 18 Uhr in unmittelbarer Nähe zum Tatort in Näfels ein Login ins Antennennetz (act. 2/7.1.01 S. 17 unten und S. 18 oben; konkret eingelegt war die Rufnummer in ein Mobiltelefon `Apple iPhone 6S`, IMEI …0383 [siehe dazu act. 2/7.1.01 S. 6 un­ten]). Es steht daher ausser jedem Zweifel, dass die beiden bis heute nicht gefass­ten Männer, die nach dem Tatereignis gemeinsam mit Ervis Albanis flohen, sich frühzeitig am späteren Tatort in Näfels einfanden, wo sie sich auf das Eintreffen von Serhat Türkis und Ervis Albanis vorbereiteten, indem sie sich im Fabrikhinterhof in Stellung brachten und beide ihre Gesichter maskierten (oben E. 7.3 und 18.2).

 

18.6

Fazit: Das effektive Kerngeschehen am Tatort – hergeleitet aus den objektiv feststehenden Umständen

18.6.1 Die Ausgangslage bei der Klärung der Frage «Was geschah effektiv vor Ort»

 

Die bis dahin dargelegten Fakten ergeben ein klares Bild zum (äusseren) Ablauf der Geschehnisse am Abend des 25. September 2018 (Drogengeld im Fahrzeug von Serhat Türkis; Serhat Türkis wird in seinem Wagen von Ervis Albanis in einen Fabrikin­nenhof in Näfels gelotst, wo zwei maskierte Personen deren Ankunft erwarten; Schussattacke auf Serhat Türkis, zugleich zieht Ervis Albanis sich Schnittwunden an den Händen zu; Fahrt von Serhat Türkis ins Spital nach Glarus, derweil Ervis Albanis und die beiden anderen Personen sich gemeinsam zu Fuss vom Tatort absetzen und danach alle drei zusammen abgeholt und weggefahren werden [zu Letzterem eingehend unten E. 19.]).

 

Indes machten die unmittelbar am Kerngeschehen im Fabrikinnenhof in Näfels beteiligten Serhat Türkis und Ervis Albanis keinerlei substanziellen und glaubhaften Angaben darüber, aus welchem konkreten Anlass sie beide und zwei weitere unbe­kannte Personen sich in einem rundum abgeschotteten Fabrikinnenhof einfanden sowie weshalb es dazu kam, dass Ervis Albanis sich Schnittwunden an den Händen zuzog und Serhat Türkis lebensgefährliche Schussverletzungen abbekam.

 

18.6.2 Die Sichten der Anklage sowie der Verteidigung und der Vorinstanz

 

18.6.2.1 Die Staatsanwaltschaft vertritt in ihrer Anklage anhand der Ermittlungser­gebnisse folgende These zum Geschehensablauf im Fabrikinnenhof (act. 1 S. 3 f.): Im Bereich der Fabrikliegenschaft hätten sich zwei maskierte Komplizen von Ervis Albanis postiert und sich in Szene gesetzt, als Ervis Albanis und Serhat Türkis aus dem Wagen ausge­stiegen seien. Der eine Maskierte habe eine Schusswaffe vorge­zeigt und in Richtung Serhat Türkis gerichtet; ein anderer Angreifer habe eine Stich­waffe vorgezeigt. Auf diese Weise hätten die Angreifer (die beiden maskierten Per­sonen und Ervis Albanis) versucht, Serhat Türkis gefügig zu machen, um dessen Bar­geld von insgesamt 65'000 Euro zu behändigen [die Staatsanwaltschaft knüpft hier an die Angaben von Serhat Türkis an, der in er Untersuchung geltend gemacht hatte, er habe nicht bloss die beschlagnahmten 15'000 Euro, sondern insgesamt 65'000 Euro bei sich gehabt; siehe dazu oben E.  III. 2.3]. Serhat Türkis habe sich zur Wehr gesetzt und sei es dabei zu einer physischen Auseinandersetzung zwischen ihm und Ervis Albanis gekommen, wobei Ervis Albanis von den beiden andern unterstützt worden sei. Diejenige Person mit der Stichwaffe habe mit derselben ebenfalls aktiv in die körperliche Auseinandersetzung eingegriffen; jene Person mit der Schusswaf­fe habe diese geladen und schussbereit auf Serhat Türkis gerichtet und habe dann aus einer Dis­tanz von wenigen Metern auf dessen Körper gezielt und daraufhin mindestens vier Schüsse auf Serhat Türkis abgefeuert. Der Schütze habe die Waffe eingesetzt, um Ervis Albanis bei der gewaltsamen Wegnahme von Geld und Betäu­bungsmitteln zu unterstützen, wobei Ervis Albanis auf die entsprechende Unterstüt­zung angewie­sen gewesen sei und auch darauf vertraut habe, dass sie auf diese Weise erfolgen wür­de. Durch den körperlichen Angriff, die Bedrohung mittels Waf­fen und den Ein­satz derselben sei es Ervis Albanis und seinen beiden Kollegen gelungen, dem sich weh­renden Serhat Türkis auf nicht näher bekannte Art und Weise 50'000 Euro wegzu­nehmen.

 

18.6.2.2 Der Verteidiger von Ervis Albanis weist demgegenüber darauf hin, dass einzig gesichert sei, dass es zu einem Treffen und dabei zu einer Auseinanderset­zung gekommen sei (act. 36 S. 9 Ziff. 13). Alles Weitere sei Spekulation, beruhend hauptsächlich auf den Aussagen von Serhat Türkis, welcher aber als Auskunftsperson unglaubwürdig sei und dessen Angaben unglaubhaft sei­en (act. 36 S. 6 f. Ziff. 8; act. 103 S. 31 ff. Ziff. 8). Es sei sogar denkbar, dass hier im Rahmen einer geplan­ten Besprechung ein Konflikt entstanden und eskaliert sei, möglicherweise sogar mit Serhat Türkis selbst als Aggressor (act. 36 S. 10 Ziff. 16 f.). Zusammengefasst sei festzuhalten, dass Ervis Albanis weder geschossen, noch Serhat Türkis sonstwie angegriffen habe. Es sei nicht plausibel, dass Ervis Albanis am Tatort einen Raub geplant gar beabsichtigt habe, Serhat Türkis zu verletzen einer Gefahr aus­zusetzen. Hierfür böten nicht einmal die Aussagen von Serhat Türkis eine Grundlage. Die Ervis Albanis angelasteten Tatvorwürfe basierten denn auch einzig und allein auf der im Schlussbericht der Polizei anhand der äusseren Umstände formu­lierten Hypothese. Während aber die Polizei ihre Darstellung erkennbar als Annah­men deklariert habe, seien diese Mutmassungen in der Folge von der Staatsanwalt­schaft zur Wahrheit erhoben worden (act. 103 S. 36 Ziff. 14).

 

18.6.2.3 Der Vorinstanz gelang es im angefochtenen Entscheid (act. 59) durchaus, alle in der Untersuchung ermittelten Ergebnisse aufzulisten; deren Wiedergabe weist allerdings keine erkennbare (chronologische) Struktur auf und werden die ein­zelnen Beweiselemente auch nicht in eine Relation zueinander gebracht. Mit dieser Vorgehensweise entband sich die Vorinstanz von einer ernsthaften Würdigung der gesamten Indizienlage. Es überrascht daher auch nicht, dass die «Abschliessende Würdigung» (act. 59 S. 89 ff. E. 14.) über weite Strecken im Kon­junktiv formuliert ist und sich in Mutmassungen erschöpft. Eine nur schon sinngemässe Zusammenfas­sung der «abschliessenden Würdigung» ist ein aus­sichtsloses Unterfangen, wes­halb nachstehend konkret die Ausfüh­rungen zum unmittelbaren Tatgeschehen auf S. 91 f. unverändert zitiert werden:

«Vlor, UT1 und UT2 unterhielten hier offenbar, wie die Staatsanwaltschaft es beschreibt, im Raum Weesen einen Warteraum für das Treffen in Näfels mit Türkis. Der Grund für dieses Treffen kann nicht ermittelt werden. Allein der Umstand, dass die drei genannten Personen sich in Näfels mit Türkis treffen wollten, belegt noch nicht, dass erstens mindestens eine dieser drei Personen die Tötung von Türkis bzw. einen Überfall auf diesen geplant hätte, und selbst falls dem so wäre, dass zweitens Albanis vorgängig davon gewusst hat. Immerhin wurde er in Näfels recht schwer ver­letzt; hätte er die Tötung von Türkis geplant gehabt, hätte er sich vermutlich so vorberei­tet, dass dies nicht geschieht. Seine Verletzungen könnte allerdings auch einfach einer dilettantischen Planung und Ausführung geschuldet sein der unerwarte­ten Gegenwehr von Türkis. Wie dem auch sei, Albanis (sei dies als Vlor, UT1 UT2) muss sich anrechnen lassen, dass er zusammen mit den anderen beiden Personen Türkis in Näfels treffen wollte. Sein Tatbeitrag hierzu, und dies ist ebenfalls erstellt, besteht darin, dass er sich in Walenstadt durch Vermittlung Pristins mit Türkis traf und diesem den Weg nach Näfels wies. Dass Türkis mit Albanis hierbei nicht zu einem in den Worten der Verteidigung `Kindergeburtstag` fuhr, muss auch Türkis bekannt gewesen sein. Angesichts der Kontamination des Mercedes und von Albanis mit Kokain sowie des Bargeldes im Mercedes erscheint die Theorie des `drug deal gone bad` nicht unwahrscheinlich. Eine Verabredung zu einem Drogendeal umfasst allerdings nicht den Eventualvorsatz zum Ausrauben Töten des Käufers. Selbst wenn man also den geplanten Drogendeal als erstellt sehen würde, so wäre Albanis mit Blick auf die angeklagten Tatbestände freizusprechen. Denn wie die Verteidigung richtig sagt: dass Albanis bei Beschlussfassung, Planung Ausführung der konk­ret angeklagten Tat einen wesentlichen Beitrag geleistet hat, ist nicht zu erstellen. Möglicherweise gingen Türkis wie auch Albanis davon aus, dass in Näfels ein `ge­wöhnlicher` Drogendeal abgewickelt werden sollte. Wäre dem so und Grund der Auseinandersetzung wäre tatsächlich ein `gewöhnlicher` `drug deal gone bad`, so wäre das Nachtatverhalten aller Beteiligten vermutlich genau dasselbe, besonders, wenn man davon ausginge, dass es auf Seiten von Albanis nicht der erste Drogendeal gewesen sein würde. Dafür sprechen seine wiederkehrenden Aufenthalte in der Schweiz, seine regelmässigen Besuche im Kebabladen und Sarandas frühere Fahrten durch Deutschland. Einzig nicht ganz ins Bild passt hier die Geschichte mit dem gestohlenen Bargeld, würde doch ein hartgesottener, erfahrener Drogendealer ver­mutlich auch dazu schweigen und das Geld abschreiben auf andere Art und Weise zurückholen als in einem Zivilprozess. Aufgrund des Nachtatverhaltens im Ganzen besteht deshalb praktisch kein Zweifel daran, dass in Näfels kriminelle Machenschaften im Gang waren. Nach dem Grundsatz in dubio pro reo ist hier allerdings mangels rechtsgenüglicher Beweise und Indizien davon auszugehen, dass Albanis im Vorfeld weder bekannt noch bewusst war, dass Türkis, wie angeklagt, hätte getötet ausgeraubt werden sollen. Ein pauschaler Verdacht, dass Albanis durch seine blosse Anwesenheit vom (in der Anklageschrift behaupteten, jedoch nicht erstellten) Tötungsversuch bzw. Überfall gewusst haben müsste, reicht nicht für eine Verurteilung nach den angeklagten Tatbeständen»

 

Kurzum: Im Ergebnis fehlt es an einer Beweiswürdigung durch die Vorinstanz; diese schob eine nichtssagende Floskel (`drug deal gone bad`) vor und kapitulierte vor der Frage, was sich am 25. September 2018 im Fabrikinnenhof in Näfels konkret abgespielt hatte.

 

18.6.3 Der Standpunkt des Obergerichts zum Tatgeschehen vor Ort

 

18.6.3.1

Im Raum Walensee/Näfels sollte ein illegales Vorhaben aller Wahr­scheinlichkeit nach im Kontext mit Drogen abgewickelt werden

Vorab steht fest, dass Serhat Türkis am 25. September 2018 am frühen Nachmittag vom Kanton Aargau in den Raum Walensee fuhr und dabei 15'000 Euro bei sich im Auto hatte, dabei alles EUR-50-Noten säuberlich aufgeteilt auf drei Bündel (je 5'000 Euro); die Notenscheine waren komplett mit Drogen kontaminiert (oben E. III. 2.2). Serhat Türkis konnte zur Herkunft dieses Geldes keine plausible Erklärung lie­fern; es steht ausser Frage, dass dieses Geld krimineller Herkunft war (oben E. 2.5). Abge­sehen von den Drogenspuren auf dem Geld ist nur schon vollkommen ungewöhn­lich, dass eine Privatperson mit einem so hohen Geldbetrag, und dabei erst noch in einer fremden Währung, quasi ziellos durch die Schweiz fährt. Ebenso ausserge­wöhnlich ist zudem die Stückelung der hohen Geldsumme in ausschliess­lich 50er-Scheine; es ist dies eine Stückelung, wie sie insbesondere im Dro­genhandel typisch ist (siehe dazu auch Urteil BGer 6B_1322/2020 vom 16. Dezem­ber 2021 E. 5.4.3), zumal hinzukommt, dass Eurobanknoten mit höherem Nennwert längst nicht mehr überall einfach ohne weiteres als Zahlungsmittel akzep­tiert werden, was das `Waschen` von kriminellem Geld erschwert.

 

Ebenso wenig wie zur Herkunft des Geldes konnte Serhat Türkis auch zur beabsich­tigten Verwendung des Geldes keine verlässlichen Angaben machen. Seine Erklä­rung, wonach er vorgesehen habe, das Geld nach Baden zum Konkursamt zu brin­gen auf der Post­stelle in Glarus einzubezahlen (oben E. III. 2.3), ist schlicht nur absurd. Obendrein ist die Lüge mit dem effektiven Geschehen nicht einmal kompa­tibel; um näm­lich die Notenbündel zum Konkursamt in Baden zu bringen, hätte er nicht vom Aar­gau in die Ostschweiz fahren müssen und die Poststelle in Glarus wäre um 19 Uhr, als er überhaupt erst vom Walensee her ins Glarnerland fuhr, längst geschlossen gewesen, ganz abgesehen davon, dass auf Poststellen Euro­scheine nicht ohne wei­teres einbezahlt werden können (siehe oben E. III. 2.3). Aus alldem folgt glasklar, dass das von Serhat Türkis mitgeführte Bargeld von 15'000 Euro zur Verwendung in einem kriminalen Milieu bestimmt war.

 

Serhat Türkis war bei seinem `Ausflug` am 25. September 2018 vom Aargau an den Walensee in Begleitung von Sedat Pristin, Marco Napoli und Kemal Izmir; alle drei Begleitpersonen weisen Bezugspunkte zum Drogenhandel auf (siehe oben E. 4.7). In Walenstadt stiess Ervis Albanis zu den vier `Ausflüglern`; er hat ebenfalls eine markante Vorgeschichte mit Drogengeschäften (siehe oben E. 11.7.2 sowie auch E. 11.4).

 

Vor diesem Hintergrund steht ausser Frage, dass am 25. September 2018 im Raum Walensee/Näfels ein illegales Vorhaben aller Wahrscheinlichkeit nach in irgendei­nem Kontext mit Drogen abgewickelt werden sollte. Das entsprechende Vorhaben war zwischen den Protagonisten vorbesprochen (erstes Treffen bereits zwei Tage zuvor; siehe oben E. 17.), was erklärt, dass Serhat Türkis am 25. September 2018 einen hohen Bargeldbetrag von 15'000 Euro dabeihatte. Dass er womöglich sogar eine weitaus höhere Geldsumme bei sich hatte, wovon die Staatsanwaltschaft in der Anklage ausgeht [65'000 Euro] (act. 1 S. 3), ist zwar denkbar, lässt sich aber anhand der Untersuchung nicht zweifelsfrei erhärten. Weil nämlich Serhat Türkis von allem Anfang an nie plausibel erklären konnte, woher er überhaupt das viele Geld hatte (wie wollte er auch, wo es sich eben um Drogengeld handelt), bleibt es letzt­lich der Spekulation überlassen, ob er einen noch höheren Betrag als die effektiv beschlagnahmten 15'000 Euro mit sich führte; ab hier wird der Nebel zu dicht und lässt sich dieser, da zusätzliche tragfähige Indizien fehlen, nicht mehr weiter durch­dringen.

 

 

18.6.3.2

Gegen Serhat Türkis war ein Aggressionsakt geplant

Das Drehbuch für das vorbesprochene Vorhaben am 25. September 2018, zu des­sen Zweck Serhat Türkis das viele Geld bei sich hatte, war dann aber definitiv ein anderes, als es sich Serhat Türkis bis dahin vorgestellt hatte.

 

Vorweg steht fest, dass Serhat Türkis von Ervis Albanis (der mit Sedat Pristin unter einer Decke steckte; siehe oben E. 14.3) zur komplett abgeschotteten Fabrikörtlich­keit in Näfels gelotst wurde (oben E. 16.). Der Fabrikinnenhof in Näfels liegt derart versteckt, dass Serhat Türkis diesen von sich aus gar nicht hätte auffinden können; dorthin gelangen konnte er nur deshalb, weil Ervis Albanis die versteckte Örtlichkeit Tage zuvor gemeinsam mit mindestens einem Komplizen ausgekundschaftet hatte und er nun Serhat Türkis den Weg dorthin wies (oben E. 16.3). Die versteckte Lage des Fabrikinnenhofs (siehe dazu ausführlich oben E. 6.) spricht auch gänzlich gegen die von der Verteidigung geäusserte These, wonach zwischen den unmittel­bar am Tatort anwesenden Personen lediglich eine Besprechung geplant gewesen sei, die dann eskaliert sei, möglicherweise sogar mit Serhat Türkis selbst als Aggres­sor (zuvor E. 18.6.2.2). Ob Serhat Türkis sich selber im Glauben wähnte, er fahre mit Ervis Albanis nach Näfels zu einer Besprechung bzw. zu einem `gewöhnli­chen` Dro­gendeal, mag dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls Ervis Albanis und sei­ne beiden Komplizen hatten mit Sicherheit nicht vor, sich mit Serhat Türkis bloss zu einer bei­läufigen Besprechung zu treffen. Denn hierzu hätten sie nicht eine Örtlichkeit gewählt, die im wahrsten Sinn des Wortes ein Hinterhalt war. Eine banale Bespre­chung hätte an jedem beliebigen anderen Ort stattfinden können als ausgerechnet an einem derart versteckten Ort, welcher erst noch vorgängig rekognosziert werden musste. Es ist daher allein schon von der ganzen Übungsanlage her offen­sichtlich: Serhat Türkis sollte von Ervis Albanis buchstäblich in eine Falle gelotst wer­den. Als dann Serhat Türkis mit seinem Beifahrer Ervis Albanis im Fabrikinnenhof ein­traf, befanden sich dort bereits zwei maskierte Komplizen von Ervis Albanis (oben E. 18.2.2 und 18.5). Damit wird vollends klar, dass das Drehbuch, welchem Ervis Albanis und seine beiden Komplizen folgten, einen Aggressionsakt gegen Serhat Türkis vorsah.

 

18.6.3.3

Bestimmungszweck des geplanten Aggressionsakts unklar

Als Serhat Türkis auf Anweisung von Ervis Albanis in den Fabrikinnenhof fuhr, geriet er geradewegs in einen Hinterhalt, wo er unvermittelt drei Personen gegenüber­stand, die ihm aggressiv gesinnt waren. Das Treffen hatte absolut keinen einver­nehmlichen Charakter; denn es lässt sich ein Treffen, selbst wenn es einen verbre­cherischen Zweck zum Gegenstand hat (Drogenhandel), mit Sicherheit nicht als ein­trächtig bezeichnen, wenn die Zusammenkunft, erstens, in einem offensichtlichen Hinterhalt stattfindet und, zweitens, Akteure dabei maskiert und bewaffnet auftreten und sich dadurch eindeutig als Kontrahenten entpuppen.

 

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass Serhat Türkis vor Ort im Fabrikinnenhof von Ervis Albanis und seinen beiden maskierten Komplizen zu irgendwas gefügig gemacht aber dass ihm eine Abrechnung erteilt werden sollte. Am ehesten auf der Hand liegt dabei die Vermutung, dass Ervis Albanis und seine beiden Komplizen vorsahen, Serhat Türkis das von ihm mitgeführte Geld abzunehmen (ohne dafür Serhat Türkis im Gegenzug Drogen auszuliefern, worauf dieser aus war und genau darum das viele Geld bei sich hatte). Ob ihnen dieses Unterfangen tatsächlich (teil­weise) gelang, muss dahingestellt bleiben; denn unklar ist, ob Serhat Türkis weit mehr als die im Nachhinein in seinem Wagen sichergestellten 15'000 Euro bei sich hatte (siehe dazu kurz zuvor E. 18.6.3.1 in fine). Letztlich aber ist für die Strafbarkeit von Ervis Albanis nicht relevant, ob Serhat Türkis im Fabrikinnenhof zu etwas gefügig gemacht ob ihm eine Abrechnung erteilt werden sollte. Entscheidend ist einzig und allein, dass gegen Serhat Türkis ein aggressiver Akt geplant war und Ervis Albanis dabei auf der Seite der Aggressoren stand.

 

18.6.3.4

Ervis Albanis körperlich in die Auseinandersetzung vor Ort involviert; der mitgeführte Revolver als ultimatives Wirksamkeitselement

Aufgrund der Tatortspuren steht fest, dass im Fabrikinnenhof Serhat Türkis und eben­so Ervis Albanis aus dem Mercedes ausgestiegen waren, ehe die Schussattacke auf Serhat Türkis erfolgte. Auf dem asphaltierten Platz fanden sich nämlich Blutspuren von Serhat Türkis verteilt auf mehrere Quadratmeter. Ferner hafteten an der Aussen­seite der Karosserie des Mercedes Blutspritzer von Serhat Türkis sowie auch von Ervis Albanis (siehe oben E. 7.1 und 11.2).

 

Die in der Untersuchung zusammengekommenen Angaben ergeben kein aussage­kräftiges Bild darüber, was danach, als Serhat Türkis und Ervis Albanis aus dem Mer­cedes ausgestiegen waren, im Detail ablief. Während nämlich Serhat Türkis bei allen Befragungen offensichtlich aus Furcht davor, es könnte ihm abermals ein Unheil aus dem Umfeld der Täterschaft drohen (siehe dazu oben E. 18.4.2), nur bruchstückhaf­te Ausführungen machte («Ich stieg aus dem Auto. Ich sah Messer, Schüsse. […] Ich habe dem mit der Glatze eines geschlagen, das weiss ich noch.»; oben E. 18.3.1), verweigerte Ervis Albanis generell jegliche Aussagen zum Tatgeschehen. Dessen Ablauf ist daher anhand der bekannten äusseren Umstände zu eruieren.

 

Faktum ist zunächst, dass Serhat Türkis im Fabrikinnenhof unvermittelt einer 1:3-Situation gegenüberstand. Die drei Kontrahenten (Ervis Albanis und seine beiden maskierten Komplizen) standen dabei nicht in einem einvernehmlichen Verhältnis zu Serhat Türkis; deren Handeln und Absichten waren unzweifelhaft gegen die Interes­sen von Serhat Türkis gerichtet, wurde doch dieser genau deswegen in den Hinterhalt gelotst (siehe dazu bereits zuvor E. 18.6.3.2). Gegen Serhat Türkis sollte augenfällig ein aggressiver Akt ausgeführt werden (siehe dazu auch bereits oben E. 14.3.2 in fine). Indes, und dies ergibt sich als nächstes, war Serhat Türkis mitnichten bereit, sich einfach so und ohne Gegenwehr in sein Schicksal zu fügen. Denn dadurch, dass in einer Rabatte unmittelbar am Tatort ein Messer von Serhat Türkis aufgefun­den wurde, ist belegt, dass er das betreffende Messer effektiv gezogen hatte, an­dernfalls es nicht in die Rabatte gelangt wäre (siehe dazu schon oben E. 7.2 und 18.3.1). Beim Geschehen im Fabrikinnenhof zog sich Ervis Albanis an den Händen Schnittverletzungen zu (oben E. 11.7.1). Gleich wie eins plus eins zwei ergibt, steht damit ebenso ausser Frage, dass Ervis Albanis sich am Messer von Serhat Türkis ver­letzte. Dies wiederum ist Beweis dafür, dass Ervis Albanis sich am Tatablauf aktiv beteiligte und nicht etwa abseitsstehend quasi als Zuschauer das Geschehen zwi­schen seinen beiden maskierten Komplizen und Serhat Türkis beobachtete. Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung ist ohne weiteres davon auszugehen, dass Serhat Türkis sich gegen denjenigen Angreifer zur Wehr setzte, von dem für ihn eine ernsthafte Bedrohung ausging. Diese Person war offenkundig Ervis Albanis; folglich gehörte zum Part von Ervis Albanis, Serhat Türkis zu traktieren (wobei damit nicht gesagt ist, dass die beiden maskierten Komplizen nicht ebenfalls Serhat Türkis phy­sisch bedrängten). Wozu konkret die Täterschaft auf Serhat Türkis einwirkte, sei es, um ihm dessen Geld zu entwenden ihm eine Abrechnung zu erteilen, sei es, um von ihm eine Information herauszupressen, bleibt unklar, ist aber in Bezug jedenfalls auf das eingeklagte Tötungsdelikt nicht entscheidend. Nicht erstellen lässt sich, in welcher Phase des ganzen Geschehens eine Person aus der dreiköpfigen Komplizenschaft den mitgeführten, geladenen und schussbereiten Revolver auf Serhat Türkis richtete. Gesichert ist dagegen, dass die Person mit dem Revolver aus nächster Nähe auf Serhat Türkis vier Schüsse abfeuerte. Im vorliegenden Kontext (Hinterhalt; Serhat Türkis buchstäblich in einer Falle; 3:1-Situation gegen Serhat Türkis; Aggressionsakt gegen Serhat Türkis zu einem nicht näher bekannten Zweck) lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der Revolver das letztlich ultimative Wirksam­keitselement im Tatvorhaben von Ervis Albanis und seinen beiden Komplizen dar­stellte. Was auch immer sie mit Serhat Türkis konkret vorhatten, so war die Schuss­waffe das äusserste Mittel, um sich gegen ihn effektiv auch durchzusetzen.

 

18.6.3.5

Täterschaft weder in einer Notwehr- noch in einer Notstandslage

Die Verteidigung brachte an der vorinstanzlichen Verhandlung vor, dass Ervis Albanis und die beiden maskierten Personen von Serhat Türkis mit einem Angriff über­rascht worden seien. Es sei wohl etwas schiefgelaufen, Serhat Türkis könnte das Küchenmesser gezogen und Ervis Albanis angegriffen haben. Ervis Albaniss Kollege könnte erst dann den Revolver gezogen und gleichsam in Notwehrhilfe auf Serhat Türkis geschossen haben. Bei einem derartigen Ablauf wäre im Vorfeld kein Schuss geplant gewesen, und der Tatvorwurf der Staatsanwaltschaft wäre nicht korrekt (act. 32 S. 3 f. und act. 36 S. 11 Ziff. 18 ff.). Dieser Sichtweise kann absolut nicht gefolgt werden. Die drei Kon­trahenten von Serhat Türkis waren nicht nur in der Überzahl, sondern zugleich noch mit einem Revolver und auch einem Messer bewehrt (siehe dazu oben E. 8.2). Es bestehen schlechthin keine Anhaltspunkte dafür, dass der in dieser Lage (und zu­dem noch in einem abgeschotteten Hinterhof) vollends unterlegene Serhat Türkis ini­tial seine Kontrahenten angegriffen haben könnte und sich diese dadurch unvermit­telt in einer Verteidigungsposition befunden hätten. Angesichts der insgesamt erdrü­ckenden, belastenden Beweiselemente wäre denn auch vernünftigerweise zu erwar­ten gewesen, dass Ervis Albanis in der Unter­suchung ihn entlastende Umstände vorgebracht hätte, wenn es solche tatsächlich gäbe (siehe dazu auch Urteil BGer 6B_582/2021 vom 1. September 2021, E. 4.3.1). Er aber verweigerte über das gan­ze Verfahren hinweg beharrlich jegliche Aussage zum Tatgeschehen. Infolgedessen ist das Gesamtbild, wie es sich aus den aufge­zeigten äussern Umständen ergibt, als das wirklich zutreffende zu bezeichnen. Fraglos hatten Ervis Albanis und seine bei­den maskierten Komplizen von Anfang an das Zepter in der Hand und dominierten und bestimmten das Geschehen; für keine dieser drei Personen bestand zu irgend­einem Zeitpunkt eine Notwehr- Not­standssituation.

 

18.6.3.6

Unklar, wer konkret geschossen hat

Anhand der Untersuchungsergebnisse ist nicht feststellbar, wer von der dreiköpfigen Tätergruppe auf Serhat Türkis schoss. Diese Frage kann jedoch offenbleiben; denn wie weiter unten bei der rechtlichen Einordnung des ganzen Geschehens noch aus­führlicher darzulegen ist, folgte die Dreiergruppe bei ihrem Vorgehen einem mitei­nander im Voraus abgesprochenen Plan, weshalb jeder ein­zelne von ihnen als Mit­täter für die Tat als Ganzes verantwortlich ist. Gleichwohl ist hier anzumerken, dass es keineswegs ausgeschlossen ist, dass sogar Ervis Albanis selbst (und nicht einer seiner beiden maskierten Komplizen) die Schusswaffe auf sich hatte und gegen Serhat Türkis einsetzte. Denn nur weil Serhat Türkis während der Untersuchung beharr­lich erklärte, es sei nicht Ervis Albanis gewesen, der auf ihn geschossen habe, so besagt dies noch lange nicht, dass die Angabe auch effektiv zutrifft. Serhat Türkis gab sich nämlich in der Untersuchung auf konkrete Fragen zum Tatgeschehen extrem zurückhaltend; dies einesteils sicher darum, weil er selber in Drogengeschäfte invol­viert ist, andernteils aber vor allem aus Angst vor Racheakten aus dem Umfeld sei­ner Kontrahenten (siehe dazu oben E. 12.2 und 18.3.1). Wenn Serhat Türkis daher Ervis Albanis explizit als Schützen ausschloss, so ist diese Aus­sage nicht ohne wei­teres zum Nennwert zu nehmen. Erinnerlich zu machen ist näm­lich, dass Serhat Türkis bei seinen ersten Einvernahmen ganz zu Beginn der Untersu­chung, als Ervis Albanis noch weit und breit nicht im Blickfeld stand, berichtete, er habe dem Schüt­zen nach der Schussattacke noch einen Faustschlag verpasst (oben E. III. 1.3). Gerade weil Serhat Türkis bei seinen ersten damals nebulösen Erzählungen zum Tat­geschehen explizit von einer tätlichen Reaktion seinerseits gegen den Schützen berichtete, so weist höchstwahrscheinlich just diese Angabe einen realen Erlebnis­bezug auf. Inzwischen ist bekannt, dass Serhat Türkis am Tatort jedenfalls mit Ervis Albanis eine Auseinandersetzung hatte, bei der Ervis Albanis sich die Schnittverlet­zungen zuzog. Nicht ausgeschlossen darum, dass dieser auch den Revolver auf Serhat Türkis gerichtet hatte, worauf der bedrohte Serhat Türkis sich konkret gegen Ervis Albanis zur Wehr setzte, weil von ihm (Ervis Albanis) eine für ihn (Serhat Türkis) akute Gefahr ausging.

 

19.

Die dreiköpfige Tätergruppe wird in Näfels abgeholt

19.1 Bereits oben wurde dargelegt, dass sich die dreiköpfige Tätergruppe nach der Schussattacke auf Serhat Türkis zu Fuss in das angrenzende Wohnquartier nordwest­lich der Fabrikliegenschaft absetzte. Die Polizei konnte die Blutspur, welche der damals an den Händen verletzte Ervis Albanis hinterliess, über eine längere Strecke von etwa 300 Metern bis hin zur Einmündung der Tolderstrasse in die Aut­schachenstrasse verfolgen (siehe oben E. 8.2).

 

19.2 Anhand der Ergebnisse der Untersuchung steht Folgendes fest und war im gerichtlichen Verfahren auch nie bestritten (die Kürze der nachfolgenden Ausfüh­rungen darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass all dies erst nach umfang­reichen Ermittlungen ans Licht kam):

 

Am 25. September 2018, um ca. 20 Uhr (also rund 40 Minuten nach dem Tatge­schehen im Fabrikinnenhof) wurden Ervis Albanis und seine beiden Komplizen von Silem Saranda (Jg. __) und dessen Ehefrau Tradi Saranda (Jg. __) in Näfels abgeholt. Das Ehepaar Saranda ist in Walenstadt wohnhaft und mit Ervis Albanis und dessen familiären Umfeld eng verbunden. Das Ehepaar Saranda fuhr damals in einem grauen BMW X3 (SG __3) nach Näfels; gelenkt wurde der auf Rechtsanwalt ____ eingelöste Wagen von Tradi Saranda, da Silem Saranda vorübergehend keinen Führerweis hatte. In der Folge fuhren die Eheleute Saranda mit den drei in Nä­fels abgeholten Männern nach Unterterzen/Walenstadt. Anzufügen bleibt hierzu, gerade weil es so sehr obskur ist, dass Silem Saranda in der Untersuchung nicht nur teilweise nebulöse und widersprüchliche Angaben machte (siehe hierzu die Ausfüh­rungen im angefochtenen Urteil, act. 59 S. 62 ff. E. 8.2.-8.6), sondern bei alldem noch erklärte, er habe einzig Ervis Albanis gekannt, nicht aber die beiden Begleiter; er [Silem Saranda] glaube sogar, dass nicht einmal Ervis Albanis die beiden Begleiter gekannt habe (siehe zum Ganzen: act. 2/10.5.02 Dep. 1-10, Dep. 20; act. 2/10.6.03 Dep. 1-6; act. 2/10.6.04 Dep. 1-4; act. 2/10.1.05 Dep. 62-73 [Aussagen von Ervis Albanis, wobei dieser einzig zugestand, dass er von Silem Saranda in Näfels abgeholt worden sei]; siehe im Übrigen zum BMW von Rechtsanwalt ___ und zugleich auch zur Verbindung zwischen der Familie Saranda und der Familie Albanis/Tiranis die Fotos bei act. 2/8.1.23 S. 2 unten und S. 3 oben; ferner auch act. 2/10.5.04 Dep. 9).

 

19.3 Zur Person Silem Saranda ist noch Folgendes zu erwähnen; dies nicht unbedingt deswegen, weil es konkret zur Erhellung des Sachverhalts beitragen würde, son­dern weil es ebenfalls ein Schlaglicht auf das Milieu wirft, in dem sich das vorlie­gende Gewaltdelikt zugetragen hat:

 

Bei einer Durchsuchung daheim bei Silem Saranda stellte die Polizei in der Garage eine Feinwaage mit Opiatrückständen sowie eine Tüte mit Minigrips sicher; in der Wohnung zudem zwei Pistolenmagazine und einen Schlagring (act. 2/5.5.09; act. 2/10.5.02, Vorspann zu Dep. 37). Insofern sind durchaus Indizien erkennbar, die auf einen möglichen Bezug von Silem Saranda ins (gewalttätige) Drogengeschäftsmilieu hinweisen. Silem Saranda hatte sodann in den Wochen vor dem 25. September 2018 nachweislich mehrfach telefonischen Kontakt zu den Rufnummern …6256 und ins­besondere …7074; mit der Num­mer …6256 sogar noch am Nachmittag des Ereig­nistages (act. 2/10.5.05, dort Beilage E1 und E2; hierzu ist erinnerlich zu machen, dass zum Tatzeitpunkt Ervis Albanis ein Mobiltelefon mit der darin einge­legten Ruf­nummer …6256 auf sich hatte; sodann hatte einer der beiden am Tatort anwesen­den Komplizen von Ervis Albanis ein Handy mit der Rufnummer …7074 bei sich [siehe oben E. 15. und 16.3]). Ferner war Silem Saranda nach eigenen Angaben mehrmals mit Ervis Albanis und dessen Ehefrau Laureta unterwegs (act. 2/10.5.05, Dep. 125; siehe dazu auch act. 2/10.5.05, Beilage E3, wo ersichtlich ist, dass bei­spielsweise an einem Abend im August 2018 das Handy von Silem Saranda und das Mobiltelefon mit der Rufnummer …6256 zur selben Zeit im Untertoggenburg einge­loggt waren). Als Silem Saranda sodann vorübergehend in Glarus in Untersu­chungshaft sass, versuchte er dem damals ebenfalls in Glarus inhaftierten Ervis Albanis Kassi­ber zukommen zu las­sen, deren Inhalte klar darauf hinweisen, dass Silem Saranda in das hier inkriminierte Gewaltdelikt und dessen Hintergründe eingeweiht ist (act. 2/9.1.08, act. 2/9.1.09 sowie act. 2/4.5.07 f.; siehe dazu auch die Ausführungen im vorinstanzlichen Ent­scheid, act. 59 S. 69 E. 8.7). Dass Silem Saranda offenkundig mehr weiss, als er offen­zulegen bereit ist, ergibt sich aus einer vielsagenden Antwort an­lässlich der Hafter­öffnung. Als der Staatsanwalt ihn auf eine mögliche Kollusionsge­fahr hinwies, würde er (Silem Saranda) freigelassen, antwortete dieser unvermittelt: «Das soll Ihnen Ervis erklären. Ervis soll das sagen, und wenn der Türke etwas damit zu tun hat, dann soll er das auch sagen» (act. 2/10.5.04 S. 6 oben). Obwohl Polizei und Staatsanwalt­schaft bis dahin Silem Saranda lediglich dahingehend infor­miert hatten, dass gegen ihn der Verdacht bestehe, am 25. September 2018 in ein versuchtes Tötungsdelikt in­volviert gewesen zu sein (act. 2/10.5.02, Vorspann zu Dep. 2; act. 2/10.5.04, Vor­spann zu Dep. 1), erwähnte dieser unvermittelt «den Tür­ken». Aus dieser Aussage folgt ohne weiteres, dass Silem Saranda haargenau Kennt­nis hatte, was am 25. Sep­tember 2018 in Näfels geschah und wer dabei konkret angeschos­sen wurde.

 

19.4 Dass Silem Saranda und seine Ehefrau Tradi Saranda am 25. September 2018 um ca. 20 Uhr in Näfels Ervis Albanis und dessen beiden Komplizen abholten, deckt sich auch mit den ausgewerteten Verkehrsdaten der Mobiltelefone von Silem und Tradi Saranda: Deren beiden Telefone (…1149 [Silem Saranda] und …6122 [Tradi Saranda]) waren um etwa 19:30 Uhr im Raum Walenstadt/Flums eingeloggt, eine gute halbe Stunde später im Raum Näfels und verschieben sich danach die Logins wieder in den Raum Walenstadt (act. 2/7.1.01 S. 21 und S. 23).

 

20.

Zusätzliche Erkenntnisse aus Begebenheiten nach dem Tatereignis

 

 

20.1

Standort von Laureta Albanis zum Tatzeitpunkt

20.1.1 Bei der Verhaftung von Ervis Albanis am 15. November 2018 hatte dieser ein 'iPhone X' (IMEI …3705) auf sich (act. 2/5.1.06 und 2/10.1.02 Dep. 3 f.; act. 2/7.1.01 S. 5); in diesem Handy war im Zeitpunkt der Verhaftung eine SIM-Karte mit der Ruf­nummer …6385 eingelegt (act. 2/7.1.01 S. 5). Indes ergab die Auswertung des Geräts, dass darin in der Vergangenheit immer wieder andere SIM-Karten mit ande­ren Rufnummern eingelegt waren.

 

Zum Tatzeitpunkt am 25. September 2018 befand sich im betreffenden Mobiltelefon (IMEI …3705) eine SIM-Karte mit der Rufnummer …6062. Registriert ist diese Num­mer auf eine Person in Istanbul; es handelt sich dabei um eine Fake-Personalie, was einen delinquenten Gebrauch der Nummer indiziert (act. 2/7.1.01 S. 5).

 

Die Rufnummer …6062 generierte am 25. September 2018 rund um den Zeitpunkt des Tatgeschehens in Näfels (ca. 19:15 Uhr) Antennenstandorte im Raum Walen­stadt (act. 2/7.1.01 S. 14). Daraus folgt die logische Erkenntnis, dass das Mobiltele­fon, welches Ervis Albanis zum Tatzeitpunkt auf sich hatte (damals mit der Rufnum­mer …6256; siehe oben E. 15.), ein anderes Gerät war als das Mobilte­lefon, wel­ches er bei seiner Verhaftung auf sich trug.

 

20.1.2 Bei der Auswertung des bei der Verhaftung von Ervis Albanis sichergestellten Mobiltelefons (IMEI …3705) stellte sich heraus, dass dieses Gerät regelmässig auch von seiner Frau Laureta Albanis benutzt wurde (act. 2/7.1.01 S. 14), so fraglos auch am Abend des 25. September 2018 (siehe dazu mehr unten E. 20.3.1 und 20.3.2.4). Weil dieses Mobiltelefon, damals mit der Rufnummer …6062, zum Tat­zeitpunkt im Raum Walenstadt eingeloggt war, folgt daraus, dass Laureta Albanis sich zu dieser Zeit mutmasslich in der Wohnung ihrer Schwiegermutter bzw. der Mutter von Ervis Albanis in Unterterzen (siehe oben E. 11.3.1) aufhielt.

 

20.2

Ein Mobiltelefon – jedoch unterschiedliche Ruf- und WhatsApp-Nummer

20.2.1 Im sichergestellten Mobiltelefon (IMEI …3705) von Ervis Albanis konnten um­fangreiche Chat-Nachrichten (WhatsApp-Chat) ausgewertet werden (act. 2/5.1.09). Die Kommunikation per WhatsApp erfolgte im Mobiltelefon von Ervis Albanis (IMEI …3705) durchwegs über die Nummer …6385. In diesem Zusammenhang ist nun folgende Kenntnis wichtig: Eine registrierte WhatsApp-Nummer (hier …6385) bleibt weiterhin aktiv, auch wenn im betreffenden Mobiltelefon inzwischen eine neue SIM-Karte mit einer anderen Rufnummer eingelegt ist. Es ist sogar möglich, bereits bei der Installation eines WhatsApp-Accounts eine Festnetznummer eine beliebige andere Rufnummer zu verwenden (siehe dazu: Rufnummernwechsel bei WhatsApp: So geht's - teltarif.de Ratgeber; WhatsApp ohne SIM-Karte nutzen – So funktioniert‘s (deinhandy.de); WhatsApp – Wikipedia).

 

20.2.2 Wenn daher, wie hier der Fall, im sichergestellten Mobiltelefon von Ervis Albanis (IMEI …3705) am 25. September 2018 eine SIM-Karte mit der Rufnummer …6062 eingelegt war, so erfolgten telefonische Verbindungen mit diesem Gerät über diese Nummer, während das gleiche Gerät per WhatsApp über die Nummer …6385 kommunizierte. Die Rufnummer …6062 und die WhatsApp-Nummer …6385 sind mit anderen Worten für den 25. September 2018 demselben Mobiltelefongerät zuzuordnen.

 

Der soeben erörterte Mechanismus war der Vorinstanz nicht geläufig. Sie verknüpf­te deshalb die Rufnummer …6062 und die WhatsApp-Nummer …6385 fälschlicher­weise mit je einem unterschiedlichen Mobiltelefon (siehe dazu konkret act. 59 S. 20 oben). Darin liegt gerade mit ein Grund, dass die erstinstanzlichen Erwägungen zu den in der Untersuchung ausgewerteten Mobiltelefon-Daten insgesamt zwar um­fangreich sind, es dabei jedoch an einer logischen Essenz fehlt.

 

20.3

Chat- und Telefonkontakte unmittelbar nach dem Tatzeitpunkt

20.3.1 Wie bereits vorhin kurz angesprochen (zuvor E. 20.1.2), benutzte auch Lau­reta Albanis das sichergestellte Mobiltelefon (IMEI …3705) ihres Ehegatten Ervis Albanis. Belegt ist dies bereits durch die erste Chatnachricht, welche aus diesem Gerät ausgewertet wurde (act. 2/5.1.09 S. 1): «Guten Morgen Tante Tradi [Tradi Saranda], ich bin die Braut/Frau von Visi». Bei «Visi» handelt es sich um Ervis Albanis (siehe dazu auch act. 2/10.6.04 Dep. 43 f.).

 

20.3.2

20.3.2.1 Am 25. September 2018 gelangte um 19:23 Uhr folgende WhatsApp-Nachricht auf das sichergestellte Mobiltelefon (IMEI …3705) von Ervis Albanis, wel­ches an jenem Abend von seiner Ehefrau Laureta Albanis benutzt wurde: «Kommst Du uns holen?». Abgesendet wurde diese Anfrage von der WhatsApp-Nummer …3933 (act. 2/5.1.09 S. 3). Zu beachten ist dabei, dass der Absender von «uns» schreibt; er war folglich nicht allein.

 

20.3.2.2 Laureta Albanis war sich dann allerdings nicht im Klaren, wo genau sie die Drittperson(en) abzuholen habe (act. 2/5.1.09 S. 3: WhatsApp-Austausch zwischen 19:24:19 und 19:24:55), worauf die Person mit der WhatsApp-Nummer …3933 um 19:25 Uhr als Standort «Fronalpstrasse, Näfels» übermittelte (act. 2/5.1.09 S. 4 oben; hierzu ist wichtig zu wissen, dass WhatsApp auch eine Funktion beinhaltet, dank welcher es möglich ist, jederzeit den eigenen Standort mitzuteilen, wobei WhatsApp hierzu auf GPS-Daten zurückgreift). Fest steht damit, dass die Person, welche unter der WhatsApp-Nummer …3933 mit Laureta Albanis kommunizierte, sich um 19:25 Uhr im Bereich der Fronalpstrasse in Näfels aufhielt. Die Fronalp­strasse befindet sich in nächster Nähe zur Tolderstrasse/Autschachenstrasse, wo konkret die Blutspuren endeten, welche die Tätergruppe bzw. Ervis Albanis damals auf ihrer Flucht nach der Schussattacke auf Serhat Türkis hinterliess (siehe dazu den Kartenausschnitt oben bei E. 8.2).

 

20.3.2.3 Als hierauf Laureta Albanis zurückschrieb, sie habe kein Netz und die Navi­gation funktioniere nicht («Ich habe kein Netz»; «Bruder, die Navigation funktioniert nicht!»), forderte um 19:27 Uhr die Person mit der WhatsApp-Nummer …3933 Lau­reta Albanis auf, sie solle die Nummer von Silem [Saranda] senden (act. 2/5.1.09 S. 4).

 

Erkennbar ist an dieser Stelle, dass Laureta Albanis sehr genau wusste, wer mit ihr unter der WhatsApp-Nummer …3933 kommunizierte und dass es sich dabei nicht um ihren Ehegatten Ervis Albanis handelte, andernfalls sie nicht «Bruder» geschrie­ben hätte.

 

20.3.2.4 Umgehend (19:27:42) kontaktierte Laureta Albanis über WhatsApp Tradi Saranda («Tante Tradi») und bat sie um die Telefonnummer ihres Ehemannes Silem Saranda; zugleich verständigte Laureta Albanis die Person mit der WhatsApp-Nummer …3933, dass sie (Laureta Albanis) im Moment einzig die Nummer von Silem Sarandas Frau habe (act. 2/5.1.09 S. 4).

 

Gerade die Chat-Nachricht von 19:27:42 Uhr an «Tante Tradi» belegt zusätzlich, dass Laureta Albanis deren Absenderin war und sie daher am Tatabend das Mobil­telefon IMEI …3705 benutzte. Die Anrede «Tante Tradi» findet sich nämlich bereits in einer früheren Chat-Nachricht von Laureta Albanis an Tradi Saranda (siehe zuvor E. 20.3.1).

 

20.3.2.5 Um 19:31 Uhr tätigte Laureta Albanis mit dem Mobiltelefon (IMEI …3705; damals eingelegte Rufnummer …6062) innert Minutenfrist zwei kurze Anrufe, zu­nächst einen Anruf an die Rufnummer …7074 (6 Sekunden) und danach den zwei­ten Anruf (13 Sekunden) an Tradi Saranda (act. 2/7.1.01 S. 23 oben und S. 50). Unmit­telbar vor und gleich wieder nach diesen beiden Telefonanrufen tauschte sich Lau­reta Albanis mit Tradi Saranda und einer Person mit der Nummer …3933 per WhatsApp aus und drehte sich dabei – wie zuvor bereits dargelegt – der ganze Chataustausch darum, dass Personen in Näfels abgeholt werden sollten (act. 2/5.1.09 S. 4).

 

Die Person, in deren Mobiltelefon am Abend des 25. September 2018 eine SIM-Karte mit der Rufnummer …7074 eingelegt war, befand sich zum Tatzeitpunkt nachweislich am Tatort (siehe dazu oben E. 16.3). Ebenso befand sich die Per­son, die per WhatsApp unter der Nummer …3933 kommunizierte, zum Tatzeitpunkt am Tatort (zuvor E. 20.3.2.2). Die Chat-Kommunikation zwischen Laureta Albanis und der Nummer …3933 (ab 19:23 Uhr) sowie der kurze Telefonanruf von Laureta Albanis an die Nummer …7074 (19:31 Uhr) sind als einheitliche Kommunikation mit ein- und derselben Person zu sehen.

 

Wie bereits zuvor aufgezeigt (oben E. 20.2.1), sind bei einem Mobiltelefon die Ruf­nummer und die WhatsApp-Nummer nicht zwingend identisch. So verhielt es sich mutmasslich auch mit den beiden Nummern …7074 (Ruf­nummer) und …3933 (WhatsApp-Nummer). Diese beiden Nummern sind mit ziemli­cher Sicherheit ein und demselben Mobiltelefon zuzuordnen. Das bedeutet konkret, dass einer der beiden nach wie vor flüchtigen Tatkomplizen von Ervis Albanis zum Tatzeitpunkt ein Mobil­telefon mit der Ruf­nummer …7074 auf sich hatte und mit diesem Gerät unter der Nummer …3933 chattete.

 

20.3.3

20.3.3.1

Um 19:41 teilte Tradi Saranda (bzw. mutmasslich inzwischen Silem Saranda mit dem Gerät von Tradi Saranda) per WhatsApp Laureta Albanis mit, sie möge ihnen sagen, dass er [Silem Saranda] in 15 Minuten dort sei. Laureta leitet diese Mitteilung umgehend weiter, worauf die Person mit der WhatsApp-Nummer …3933 mit einem «ok» quittiert (act. 2/5.1.09 S. 4).

 

Bemerkenswert an der WhatsApp-Nachricht von Silem Saranda ist, dass er in der Mehrzahl schreibt («sage ihnen»); ihm war offensichtlich bereits klar, dass er, ers­tens, mehrere Personen in Näfels abholen würde und, zweitens, wer diese Perso­nen tatsächlich waren. Dies steht im krassen Gegensatz zu den späteren Aussagen von Silem Saranda, als er zu Protokoll gab, von den drei in Näfels abgeholten Männern einzig Ervis Albanis gekannt zu haben, während er bei den anderen beiden davon ausgegangen sei, dass «diese von Näfels von der Strasse» gewesen und sozusa­gen zufällig dazugekommen seien und sich um den verletzten Ervis Albanis geküm­mert hätten, wobei er [Salim Saranda] glaube, dass auch Ervis Albanis diese beiden Männer nicht gekannt habe (act. 2/10.5.02 Dep. 7-11; act. 2/10.5.04 Dep. 13; siehe zum Abholen bereits oben E. 19.2).

 

20.3.3.2 Um 19:48 Uhr schreibt Laureta Albanis an die WhatsApp-Nummer …3933: «Visi antwortet nicht», worauf sie die Rückmeldung erhält: «Er ist mit mir» (act. 2/5.1.09 S. 4).

 

Dieser kurze Chataustausch ist gleich in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. Vorab ist damit endgültig belegt, dass unter der WhatsApp-Nummer …3933 nicht Ervis (Visi) Albanis, sondern eine andere Person mit Laureta Albanis chattete. Laureta Albanis wusste dabei, dass diese andere Person gegenwärtig zusammen mit ihrem Ehegatten Ervis (Visi) Albanis in ein (kriminales) Unterfangen verwickelt war. Offen­sichtlich versuchte sie zuvor erfolglos ihren Gatten direkt zu kontaktieren und geriet deswegen in Unruhe, weshalb sie sich umgehend beim damaligen Komplizen ihres Mannes nach dessen Schicksal erkundigte.

 

 

20.4

Das Geschehen am 25. September 2018 zwischen 20 Uhr und ca. 23 Uhr:

 

Aufenthalt der Täterschaft zunächst im Raum Walensee;

 

konkreter Hin­weis auf den Namen eines Tatkomplizen;

 

Abholung eines Fahrzeugs in Näfels

20.4.1 Nach der Schussattacke auf Serhat Türkis wurde der damals an den Händen verletzte Ervis Albanis und seine beiden Komplizen von Silem und Tradi Saranda in Nä­fels abgeholt und in den Raum Unterterzen/Walenstadt gefahren (siehe oben E. 19.2). Jedenfalls ab ca. 21 Uhr waren die Mobiltelefone von Silem und Tradi Saranda in Walenstadt eingeloggt (act. 2/7.1.01 S. 21 und S. 22 unten). Anzufügen bleibt hierzu, dass nach der Wegfahrt in Näfels sowohl das Mobiltelefon mit der Rufnum­mer …6256 (an jenem Abend von Ervis Albanis getragen; oben E. 15.) als auch das einem Tatkomplizen zuzurechnende Mobiltelefon mit der Rufnummer …7074 (oben E. 16.3) keine Verkehrsdaten mehr generierten.

 

20.4.2 Aufgrund der Ergebnisse der Untersuchung lässt sich keine klare Aussage dazu machen (was aber nicht weiter von Belang ist), wohin Ervis Albanis und seine beiden Komplizen vom Ehepaar Saranda gefahren wurden, ob in die Wohnung von Ervis Albanis' Mutter in Unterterzen in die Wohnung der Sarandas in Walen­stadt sogar an einen dritten Ort im Raum Walenstadt. Es sind jedenfalls Aus­sagen aktenkundig, wonach der Sohn von Tradi und Silem Saranda, Jeko Saranda, kontak­tiert wor­den sei und dieser dann geholfen habe, die Wunden von Ervis Albanis zu verbinden; jedoch geht aus den Aussagen nicht schlüssig hervor, ob die Verarztung in Unter­terzen in Walenstadt erfolgte. Mutmasslich war Ervis Albanis während der Dauer der Ver­arztung vorüber­gehend von einem allenfalls sogar beiden seiner Komplizen getrennt (dazu gleich nachfolgend E. 20.4.3).

 

Es muss an dieser Stelle genügen, mit Bezug auf das eben Ausgeführte pauschal auf die Befragungen von Silem Saranda (act. 2/10.5.02 und 2/10.5.04), Tradi Saranda (act. 2/10.6.03 und 2.10.6.04) sowie von Laureta Albanis (act. 2/10.7.01) und auch von Natasha Tiranis (Mutter von Ervis Albanis; act. 2/10.11.10) zu verweisen. Die be­treffenden Aussagen sind nämlich derart diffus und zum Teil auch nachweislich falsch – darauf ist in Bezug auf Laureta Albanis noch kurz zurückzukommen –, dass daraus letztlich nur eines glasklar hervorgeht: alle vier wissen um die wahren Bege­benheiten, wollen diese aber nicht preisgeben.

 

 

20.4.3

20.4.3.1 Wesentlich ist freilich folgendes Faktum: Am 25. September 2018 erhielt Laureta Albanis auf dem von ihr an jenem Abend benutzten Mobil­telefon (IMEI …3705; siehe dazu oben E. 20.1.1 und 20.1.2) von Tradi Saranda (…6122; siehe dazu oben E. 19.4) um 20:47 Uhr folgende WhatsApp-Nachricht: «Komm hier­her mit Fulid». Kurz darauf schrieb Laureta Albanis zurück, sie würden jetzt losfah­ren (act. 2/5.1.09 S. 5, blau markierte Passagen).

 

Es fällt hier unvermittelt der Name einer bis dahin unbekannten Person. Beim konk­ret gemeinten Fulid handelte es sich mit grösster Sicherheit um Fulid Tiranis, den Bruder von Ervis Albanis (siehe dazu act. 2/10.11.10 Dep. 24 ff.). Fulid Tiranis ist bei der Polizei mit Foto aktenkundig (siehe dazu act. 2/8.1.03; ferner act. 2/10.7.01 Dep. 31 sowie act. 2/10.1.06 Dep. 14 und Fotobogen im Anhang). Aus Sicht der Polizei besteht der dringende Verdacht, dass Fulid Tiranis einer der beiden nach wie vor flüchtigen Komplizen von Ervis Albanis war (act. 2/8.1.01 S. 3 und S. 38 oben).

 

Silem Saranda gab in der Untersuchung als eine Version zu Protokoll, die beiden Begleitpersonen von Ervis Albanis seien in Unterterzen ausgestiegen, während er und seine Frau mit dem verwundeten Ervis Albanis zu ihrer Wohnung nach Walen­stadt weitergefahren seien (act. 2/10.5.02 Dep. 6 und Dep. 8). Mutmass­lich verhielt es tatsächlich so, dass jedenfalls Fulid Tiranis in Unter­terzen aus­stieg und sich in die Wohnung seiner und Ervis Albanis' Mutter begab, wo Laureta Albanis anwe­send war. Ervis Albanis und seine beiden Komplizen wurden nämlich kurz nach 20 Uhr in Näfels abgeholt (oben E. 19.4); die Fahrtzeit von Näfels nach Unterterzen beträgt lediglich 15 Minuten (Google Maps). Demnach war Fulid Tiranis ab ca. 20:20 Uhr mit Laureta Albanis in der Wohnung in Unterterzen, ehe Laureta Albanis um 20:47 Uhr von Tradi Saranda aufgefordert wurden, «mit Fulid hierher», d.h. nach Walenstadt zu kommen. Fulid Tiranis war mit an Sicherheit grenzender Wahr­scheinlichkeit auch diejenige Person, die unmittelbar nach der Schussattacke auf Serhat Türkis von Näfels aus per WhatsApp (…3933) mit Laureta Albanis Kontakt auf­nahm (siehe da­zu oben E. 20.3.2). Denn dieselbe Nummer (…3933) erkundigte sich um 20:19 Uhr bei Laureta Albanis, ob «dort zu Hause» alles in Ordnung sei, was Laureta Albanis um­gehend mit einem «Ja» quittierte (act. 2/5.1.09 S. 4). Eingedenk eines hier hochkri­minellen Milieus, wo die Beteiligten jeweils alle ihre Sensoren ausgefahren haben, wollte Fulid Tiranis um 20:19 Uhr, als er soeben in Unter­terzen eintraf, mit dieser Nachfrage sichergehen, ob die Luft rein sei, bevor er sich zu Laureta Albanis in die Wohnung begab. Eine andere Interpretation dieser hier übergangslos und ohne jeg­lichen erkennbaren Zusammenhang gesendeten Nach­frage ist über­haupt nicht denkbar.

 

20.4.3.2 Noch ein zusätzlicher Umstand indiziert, dass Fulid Tiranis am 25. Sep­tember 2018 als einer der beiden Komplizen von Ervis Albanis bei der Schussatta­cke auf Serhat Türkis zugegen war. Nach hier vertretener These trug Fulid Tiranis damals ein Mobiltelefon auf sich, bei dem einerseits zwar die WhatsApp-Kommunikation über die Nummer …3933 erfolgte, in welchem andererseits jedoch eine SIM-Karte mit der Rufnummer …7074 eingelegt war (oben E. 20.3.2.5). Bei der Ver­haftung von Ervis Albanis am 15. November 2018 war in dessen Handy `iPhoneX` (IMEI …3705) eine SIM-Karte mit der Rufnummer …6385 eingelegt (oben E. 20.1.1). Diese SIM-Karte mit der Rufnummer ….6385 befand sich am 5. September 2018 in einem Mobiltelefon `Apple iPhone 6S` (IMEI …0383). Exakt in diesem Mobiltelefon `Apple iPhone 6S` (IMEI …0383) war zum Tatzeitpunkt die SIM-Karte mit der Rufnummer ….7074 eingelegt (siehe dazu act. 2/7.1.01 S. 6 unten und S. 7 oben). Daraus wird ersichtlich, dass SIM-Karten und/oder Mobiltele­fone un­ter Personen ausgetauscht werden. Ein solcher Vorgang weist auf ein besonders enges Naheverhältnis hin, wie es bei Familienangehörigen (hier die Gebrüder Ervis Albanis und Fulid Tiranis) vorstellbar ist.

 

20.4.4

20.4.4.1 Es ist nochmals kurz auf das Tatortgeschehen zurückzublenden. Als Ervis Albanis mit Serhat Türkis in dessen Mercedes am 25. September 2018 um ca. 19:15 Uhr im Fabrikinnenhof eintraf, befanden sich die beiden (maskierten) Komplizen von Ervis Albanis bereits vor Ort. Diese beiden Komplizen gelangten mutmasslich mit dem Personenwagen VW Polo, SG ...57 (siehe zu diesem Auto bereits oben E. 11.3.1), nach Näfels. Aus welchem Anlass dann allerdings die Tätergruppe nach der Schussattacke auf Serhat Türkis nicht den VW Polo als Fluchtfahrzeug ver­wendete, sondern sich von Silem und Tradi Saranda in Näfels abholen liess, bleibt für den aussenstehenden Betrachter unklar, mag aber aus der Perspektive von krimi­nell handelnden Personen einen nachvollziehbaren Grund gehabt haben.

 

20.4.4.2 Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass dieser VW Polo nach der Schuss­attacke auf Serhat Türkis in Näfels zurückgelassen wurde. Eine Auskunftsper­son beobachtete nämlich an jenem Abend nach 20 Uhr einen nahe am Tatort par­kierten Kleinwagen mit SG-Kontrollschild. Beim VW Polo, SG ...57, handelt es sich um einen entsprechenden Kleinwagen. Die Auskunftsperson berichtete weiter, dass später am Abend ein sportlicher Geländewagen in der Art eines Audi Q7 mit SG-Kontrollschild vorgefahren sei, sogleich mehrere Personen in das parkierte Auto umgestiegen und anschliessend beide Fahrzeuge wieder weggefahren seien (siehe dazu oben E. 9.).

 

Tatsächlich konnte in der Untersuchung ermittelt werden, dass das Mobiltelefon mit der Rufnummer …6062 (dieses Mobiltelefon wurde am 25. September 2018 rund um die Tatzeit von Laureta Albanis benutzt; oben E. 20.1.2 m.w.H.) um ca. 21:30 Uhr im Raum Näfels eingeloggt war (act. 2/7.1.01 S. 14). Bei dem sodann von der Auskunftsperson beschriebenen sportlichen Geländewagen in der Art eines Audi Q7 mit SG-Kontrollschild handelte es sich mutmasslich um den grauen BMW X3, SG __3, den Silem Saranda von Rechtsanwalt ___ ausgeliehen hatte und mit wel­chem Wagen Silem und Tradi Saranda zuvor Ervis Albanis und seine beiden Komplizen in Näfels abgeholt hatten (siehe oben E. 19.2). Dieser BMW X3 ist nämlich einem Audi Q7 in Grösse und Form verblüffend ähnlich (siehe dazu act. 2/8.1.23 S. 2). Es ist daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Personen aus der Tätergruppe und/oder Personen aus ihrem Umfeld gegen 21:30 Uhr im BMW X3, SG __3, von Unterterzen/Walenstadt nach Näfels fuhren, um dort den in unmittelbarer Nähe zum Tatort zurückgelassenen VW Polo, SG ...57, zu holen.

 

21.

Fahrt nach Lodi/Italien; Hinweis auf die Identität des zweiten Tatkomplizen

21.1 Gesichert ist, dass Ervis Albanis in der Nacht vom 25. auf den 26. September 2018, um 03:30 Uhr, das Spital in der norditalienischen Stadt Lodi aufsuchte und dort seine Schnittverletzungen an den Händen behandeln liess (siehe dazu oben E. 11.5). Infolgedessen steht ausser Frage, dass Ervis Albanis nach der Schussatta­cke auf Serhat Türkis noch in der gleichen Nacht nach Lodi gelangte.

 

21.2 Das bereits mehrerwähnte Mobiltelefon mit der Rufnummer …6062 (rund um die Tatzeit von Laureta Albanis benutzt) generierte am 25. September 2018 ab 23:25 Uhr (Standort Flums) Logins entlang der San-Bernardino-Route und loggte schliess­lich letztmals um 01:37 Uhr südlich von Mendrisio/TI ins schweizerische Antennen­netz ein (act. 2/7.1.01 S. 15 unten und S. 16). Tatsächlich räumte Laureta Albanis in der Untersuchung ein, in der Nacht vom 25. auf den 26. September 2018 mit dem VW Polo, SG ...57, von Unterterzen nach Italien gefahren zu sein (act. 2/10.7.1.01 Dep. 8 und Dep. 19).

 

21.3 Die weiteren Angaben von Laureta Albanis zur betreffenden Fahrt nach Italien sind jedoch nachweislich falsch. So erklärte sie, dass sie den VW Polo auf der gan­zen Strecke bis zum Spital nach Lodi/Italien gelenkt habe und im Fahrzeug einzig noch ihr Mann Ervis Albanis und die gemeinsame Tochter mitgefahren seien (act. 2/10.7.1.01 Dep. 20 f.). Indes wurde exakt der VW Polo, SG ...57, kurz nach Mit­ternacht, um 00:23 Uhr, in Splügen wenige Kilometer vor dem San-Bernardino-Tunnel bei einer Radarkontrolle erfasst und geblitzt. Auf dem Radarbild ist zu erkennen, dass am Steuer eine männliche Person sass. Auf dem Beifahrersitz befand sich Natasha Tiranis (Mutter von Ervis Albanis), während Laureta Albanis mit ihrem Kleinkind auf der Rückbank sass. Ervis Albanis dagegen fuhr nicht in die­sem Fahrzeug mit (siehe dazu act. 2/8.1.16).

 

Die Polizei identifizierte den männlichen Lenker als Fuli Durres. Der ebenfalls aus Al­banien stammende und noch immer flüchtige Fuli Durres ist der Polizei zusätzlich un­ter zwei Aliasnamen bekannt (act. 2/8.1.01 S. 37 Ziff. 4.3; siehe zudem zum Ver­gleich ein Polizeifoto von Fuli Durres bei act. 2/8.1.03). Aus Sicht der polizeilichen Ermittler war Fuli Durres mutmasslich der neben Fulid Tiranis zweite Komplize von Ervis Albanis bei der Gewalttat gegen Serhat Türkis (act. 2/8.1.01 S. 38 oben).

 

21.4 Aus den Aussagen insbesondere von Silem Saranda ist zu schliessen, dass Ervis Albanis in jener Nacht höchstwahrscheinlich mit dem BMW X3 (SG __3) von Silem Saranda bzw. von Rechtsanwalt ___ nach Lodi/Italien fuhr. Silem Saranda erwähnte, dass im Umfeld Albanis/Tiranis zwar noch ein Citroën mit italienischen Kontrollschildern verfügbar gewesen wäre, doch sei ihm [Silem Saranda] gesagt wor­den, dieser Wagen sei defekt, weshalb «sie» [Ervis Albanis zusammen mit seiner Ehefrau und seiner Mutter Natasha Tiranis] den BMW genommen hätten (der Cit­roën wird an dieser Stelle deshalb explizit erwähnt, weil im Dezember 2017 Fuli Durres und Fulid Tiranis in einem Citroën mit italienischen Kontrollschildern unterwegs waren, als sie von der Kantonspolizei St. Gallen einer Personenkontrolle unterzogen wurden). Saranda führte weiter aus, dass er am folgenden Tag, 26. Sep­tember 2018, zusammen mit einem Kollegen im Citroën nach Lodi gefahren sei, wo sie den Wagen getauscht und mit dem BMW wieder in die Schweiz zurückge­fahren seien (sie­he zum Ganzen act. 2/10.5.04 Dep. 5 sowie act. 2/10.5.02 Dep. 21).

 

Die in der Untersuchung ausgewerteten Verkehrsdaten des Mobiltelefons von Silem Saranda belegen tatsächlich, dass dieser am 26. September 2018 am Nachmittag via San Bernardino nach Italien gelangte und am späteren Abend auf der gleichen Rou­te wieder nach Walenstadt zurückkehrte (act. 2/7.1.01 S. 22). Insofern scheint seine Aussage zuzutreffen, wonach Ervis Albanis am 25. September 2018 mit dem BMW nach Italien gefahren sei, und er [Silem Saranda] den BMW am andern Tag wieder zurückgeholt habe.

 

Ob mit Ervis Albanis auch sein Bruder Fulid Tiranis im BMW mitfuhr, ist unklar. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse ist nämlich denkbar, dass Fulid Tiranis in der Nacht vom 25. auf den 26. September 2018 nicht mit seinen beiden Kompli­zen Ervis Albanis und Fuli Durres nach Italien reiste. Denn das von Fulid Tiranis nachweislich zur Tatzeit benutzte Mobiltelefon mit der Rufnummer …7074 (oben E. 16.3 und E. 20.4.3.2) war am folgenden Tag, 26. September 2018, um 07:02 Uhr und nochmals um 15:49 Uhr über eine Antenne in Näfels in unmittelbarer Nähe zum Tatort eingeloggt; seitdem sind von dieser Nummer keine Verkehrsdaten mehr ver­fügbar (act. 2/7.1.01 S. 18). Es bleibt damit auch offen, wer effektiv den BMW auf der nächtli­chen Fahrt nach Italien lenkte. Ob Ervis Albanis mit den Schnittverletzun­gen an den Händen dazu noch in der Lage war, lässt sich nicht beantworten, ist letztlich aber unerheblich.

 

22.

Fazit aus den vorstehenden Erwägungen zum Sachverhalt:

 

Der Anklagesachverhalt ist bezgl. der Schussattacke auf Serhat Türkis erstellt;

 

Freispruch vom Vorwurf des qualifizierten Raubs

22.1 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich als Fazit, dass der in der Anklage der Staatsanwaltschaft (act. 1) inkriminierte Lebenssachverhalt effektiv erstellt ist, soweit dieser die Beteiligung von Ervis Albanis an der Schussattacke auf Serhat Türkis betrifft. Nicht rechtsgenüglich nachweisen lässt sich jedoch, ob die Täterschaft über die Schussattacke hinaus Serhat Türkis zusätzlich noch beraubte.

 

Anlässlich der Berufungsverhandlung beantragte die Verteidigung, es sei der an der Verhandlung anwesende Privatkläger Serhat Türkis zum Tatgeschehen zu befragen. Zur Begründung führte er aus, dass der Beschuldigte Ervis Albanis auch vor Ober­gericht keine Angaben zur Sache mache, weshalb wenigstens die Gelegenheit genutzt werden sollte, den Privatkläger zu befragen (act. 103 S. 13). Hierzu besteht indes keine Notwendigkeit bzw. ist davon kein weiterer Erkenntnisgewinn zu erwar­ten. Der Privatkläger machte bereits während der gesamten Untersuchung keine substanziellen Angaben zum Tatgeschehen und dessen Hintergründen. Wider­sprüchlich blieb der Privatkläger schliesslich auch an der Berufungsverhandlung, als er sich zunächst der Sachdarstellung der Staatsanwaltschaft anschloss (act. 103 S. 27), später aber in seiner kurzen Replik explizit wieder davon abwich (a.a.O., S. 53). Einmal mehr wurde damit offensichtlich, dass ebenso der Privatkläger kein Inte­res­se daran hat, dass die Begleitumstände der Tat (mutmasslich Drogen­geschäfte) ans Licht kommen.

 

22.2 Die Vorinstanz beurteilte im angefochtenen Entscheid (act. 59) den Anklagesa­chverhalt in Hinsicht auf eine Beteiligung von Ervis Albanis an der Schussattacke auf Serhat Türkis als nicht nachgewiesen. Insofern hat sie daher den Sachverhalt unvoll­ständig und unrichtig festgestellt, was die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung zu Recht gerügt hat (Art. 398 Abs. 3 lit. b StPO).

 

Im Folgenden ist der Anklagesachverhalt, was die unmittelbare Beteiligung von Ervis Albanis an der Schussattacke auf Serhat Türkis anbelangt, rechtlich zu würdi­gen.

 

22.3 Demgegenüber lässt sich der Anklagesachverhalt in seinem weitergehenden Teil, wonach die Täterschaft den Privatkläger Serhat Türkis zusätzlich noch beraubt haben soll, nicht rechtsgenüglich nachweisen. Der Beschuldigte Ervis Albanis ist damit vom Vorwurf des qualifizierten Raubs im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 und Ziff. 4 StGB freizuspre­chen.

 

IV.

Rechtliche Würdigung des erstellten Anklagesachverhalts

 

1.

1.1 Wer vorsätzlich den Tod eines Menschen verursacht, begeht eine vorsätzliche Tötung im Sinne von Art. 111 StGB (auf den qualifizierten Tatbestand des Mordes im Sinne von Art. 112 StGB bzw. den privilegierten Tatbestand des Totschlags im Sinne von Art. 113 StGB ist vorliegend nicht einzugehen, da weder für das eine noch das andere Anhaltspunkte bestehen). Gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB handelt mit Vorsatz, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt; ein vorsätzli­ches Handeln liegt bereits vor, wenn der Täter die Verwirklichung der Tat (hier die Verursachung des Todes eines Menschen) für möglich hält und in Kauf nimmt (sog. Eventualvorsatz).

 

1.2 Das Verüben einer vorsätzlichen Tötung gemäss Art. 111 StGB ist mit Freiheits­strafe von mindestens fünf Jahren bedroht, womit es sich bei diesem Tatbestand um ein Verbrechen handelt (Art. 10 Abs. 2 StGB). Bei einem Verbrechen ist die Straf­barkeit bereits bei einem Versuch gegeben; ein Versuch liegt konkret vor, wenn der Täter, nachdem er mit der Ausführung des Verbrechens begonnen hat, die strafbare Tätig­keit nicht zu Ende führt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein­tritt nicht eintreten kann (Art. 22 Abs. 1 StGB).

 

1.3 Sind an einer strafbaren Tätigkeit nicht nur eine, sondern mehrere Personen beteiligt, so hat bei Mittäterschaft jeder einzelne Teilnehmer die Tat vollständig zu verantworten, d.h. so, wie wenn er die Tat ganz alleine begangen hätte. Die gesetz­lich nicht explizit geregelte Mittäterschaft bedeutet nach der Rechtsprechung arbeitsteilige Tatbestandsverwirklichung; sie setzt zweierlei voraus: Ein gemeinsa­mer, entweder explizit auch bloss konkludent getroffener Tatentschluss (wobei Eventualvorsatz genügt) sowie eine darauf basierende, gemeinsame Tatausfüh­rung. Erscheint die Tat demnach als Ausdruck eines gemeinsamen Willens und Handelns, ist jeder der Mittäter für die Tat als Ganzes verantwortlich (Nydegger, Vorbem. zu Art. 24 ff. N 16 f. in: Damian K. Graf [Hrsg.], Annotierter Kommentar StGB, 1. Aufl., Bern 2020 mit zahlreichen Hinweisen). Nach der allgemeinen Formel des Bundesgerichts gilt als Mittäter, wer bei der Entschliessung, Planung Aus­führung eines Delikts vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter dasteht (BGE 118 IV 397 E. 2b S. 399; 108 IV 88 E. I. 2a S. 92). Die für Mittäterschaft erforderliche Intensität des Zusammenwirkens liegt vor, wenn der spezifisch zu beurteilende Tatbeitrag nach den Umständen des konkreten Falls und dem Tatplan für die Ausführung des Delikts so wesentlich ist, dass sie mit ihm steht fällt (Urteil BGer 6B_1437/2020 vom 22. September 2021 E. 1.2.2).

 

Bei Mittäterschaft beginnt der Versuch für alle Mittäter im Zeitpunkt, in dem einer von ihnen unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestands ansetzt (Demar­mels/Vonwil, Art. 22 N 7 in: Damian K. Graf [Hrsg.], Annotierter Kommentar StGB, 1. Aufl., Bern 2020 mit Hinweis auf Urteil BGer 6B_553/2009 vom 26. Oktober 2009 E. 3.3.2).

 

2.

2.1 In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass die Täterschaft am 25. September 2018 im Fabrikinnenhof in Näfels insgesamt vier Schüsse auf Serhat Türkis abgab. Zwei Schüsse trafen das Opfer im Bauch, was schwere Verletzungen im Darmbereich mit massiver innerer Blutung zur Folge hatte. Ohne rasche ärztliche Hilfe wäre Serhat Türkis unweigerlich gestorben (siehe dazu oben E. III. 1.1.). Mit der Schussabgabe auf den Unterleib von Serhat Türkis bewerkstelligte die Täterschaft komplett die Voraussetzung dafür, dass der Tod des Opfers eintreten würde. Dass der Tod den­noch nicht eintrat, lag nicht mehr im Einflussbereich der Täterschaft, sondern ist einzig dem Umstand zu verdanken, dass das Opfer umgehend notoperiert werden konnte. Mit ihrer Tathandlung (Schussattacke auf Serhat Türkis) beging die Täter­schaft somit objektiv eine (vollendet) versuchte Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB.

 

2.2 Die soeben ohne Namensnennung quasi abstrakt einer Täterschaft zuge­ordnete Tötungshandlung hat der Beschuldigte Ervis Albanis als Einzelperson voll­umfänglich zu verantworten. Die mit Täterschaft umschriebenen Akteure waren Ervis Albanis und seine beiden am Tatort maskierten Komplizen, wobei es sich bei diesen beiden noch flüchtigen Mitbeteiligten mutmasslich um Fulid Tiranis (Bru­der von Ervis Albanis) und Fuli Durres handelte (siehe oben E. 20.4.3 und E. 21.3). Ervis Albanis und seine beiden Komplizen begingen die inkriminierte Tat frag­los in Mittäterschaft im eingangs umschriebenen Sinne (zuvor E. IV. 1.3), dies aus nachfolgenden Grün­den:

 

2.2.1 Zunächst haben Ervis Albanis und zumindest einer der beiden Komplizen den späteren Tatort in Näfels ausgekundschaftet (oben E. 16.3). Bei der betreffenden Örtlichkeit handelte es sich um einen gänzlich versteckten und gegen aussen abge­schotteten Fabrikinnenhof. Nach dem gemeinsamen Tatplan der Täterschaft sollte Serhat Türkis buchstäblich in eine Falle gelockt werden. Ervis Albanis oblag dabei die Aufgabe, als Beifahrer von Serhat Türkis diesen in den Hinterhalt lotsen, während seine beiden Komplizen dort schon bereitstanden (oben E. 16.2). Aufgrund der ver­steckten Lage des Fabrikinnenhofs (siehe dazu oben E. 6.) sowie angesichts des­sen, dass die Tätergruppe gegenüber dem Opfer in klarer Überzahl agierte, ist nachgerade offensichtlich, dass der von Ervis Albanis und seinen beiden Komplizen befolgte Tatplan einen Aggressionsakt gegen Serhat Türkis beinhaltete (siehe dazu oben E. 18.6.3.2). Dabei spielte Ervis Albanis allein schon deswegen eine tragende Rolle, als er das Opfer in den Hinterhalt zu lotsen hatte.

 

2.2.2 Zum gemeinsamen Tatplan der dreiköpfigen Tätergruppe gehörte sodann, dass einer von ihnen vor Ort einen geladenen und schussbereiten Revolver auf sich trug. Auch wenn der konkrete Bestimmungszweck des gegen Serhat Türkis gerichte­ten Aggressionsakts nicht mit zureichender Sicherheit eruierbar ist (siehe dazu oben E. 18.6.3.3), so bleibt gleichwohl die Erkenntnis, dass die Tätergruppe sich nicht allein darauf verliess, gegenüber dem Opfer in Überzahl zu sein, sondern sie es für erforderlich erachtete, eine Schusswaffe mitzuführen. Dies impliziert nachgerade eine vorbestandene Bereitschaft der Tätergruppe, die Waffe gegebenenfalls auch einzusetzen und dabei bis zum ultimativ Letzten zu gehen, nämlich Serhat Türkis zu töten (siehe dazu oben E. 18.6.3.4). Beim ganzen Geschehensablauf ist im Übrigen durchaus denkbar, dass sogar Ervis Albanis selber den geladenen und schussberei­ten Revolver auf sich trug und aus nächster Nähe vier Schüsse auf Serhat Türkis abfeuerte (siehe dazu oben E. 18.6.3.6). Dieser Punkt kann letztlich aber offenblei­ben, weil jeder aus der hier einvernehmlich agierenden dreiköpfigen (Mit)Tätergruppe für die Tat als Ganzes verantwortlich ist, und zwar unbekümmert darum, wer von ihnen effektiv schoss. Abschliessend kann in Bezug auf den von Ervis Albanis und seinen beiden Komplizen gemeinsam beschlossenen und auf arbeitsteilige Weise durchgeführten Tatplan auf die vorangegangenen ausführlichen Erwägungen zum Sachverhalt verwiesen werden.

 

2.2.3 In subjektiver Hinsicht bestehen nicht die geringsten Zweifel daran, dass Ervis Albanis sich über jeden einzelnen Punkt des gemeinsamen Tatplanes im Klaren war und er den von ihm und seinen beiden Komplizen ins Werk gesetzten Aggressions­akt gegen Serhat Türkis in allen Teilen und bis hin zur letzten Konsequenz jedenfalls mit Eventualvorsatz mittrug (im Sinne von: «sei es, wie es komme, ich beteilige mich daran»). Bei Ervis Albanis handelt es sich nicht etwa um einen kleinen Gassenkrimi­nellen, der sozusagen beiläufig in etwas Gröberes hineingeraten wäre. Ganz im Gegenteil: Mit seinen schweren Vorstrafen aus Italien und Albanien wegen zahlrei­cher Gewalt- und Drogendelikte (oben E. 11.7.2) ist Ervis Albanis geradeheraus als hartgesottener Berufsverbrecher zu bezeichnen. Zwar erwähnte er in der Untersu­chung und auch vor Obergericht, dass er in Italien als Staplerfahrer arbeite – dies allerdings schwarz, weil er zurzeit kein Aufenthaltsecht in Italien habe – (act. 2/8.2.02 Dep. 12-15; act. 103 S. 8), doch ist dies nicht glaubhaft und bei alldem gar nicht überprüfbar. Tatsache ist jedenfalls, wie nur schon die in der Untersuchung ausgewerteten Mobiltelefondaten zeigen, dass Ervis Albanis allein seit Sommer 2018 mehrmals in die Schweiz eingereist war; dies, obwohl er seit längerem mit einem Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum belegt ist (siehe dazu im erstinstanzlichen Entscheid die unangefochten gebliebene Verurteilung von Ervis Albanis wegen mehrfacher rechtswidriger Einreise [act. 59 S. 105 Dispositiv-Ziff. 1 sowie S. 93-95 E. IV.). Die Vermutung liegt auf der Hand, dass Ervis Albanis den Lebensunterhalt für sich, seine Ehefrau und das gemeinsame Kleinkind durch krimi­nelle Aktivitäten finanziert. Eine Person von diesem Kaliber handelt nicht blauäugig. Wenn sich daher Ervis Albanis zur Gewaltaktion gegen Serhat Türkis einspannen liess – von wem und unter welchen Umständen auch immer – und er im September 2018 womöglich eigens für diese Gewaltaktion überhaupt in die Schweiz kam, so war er in die Planung und Abwicklung des Vorhabens vollumfänglich eingebunden; er über­liess mit Bestimmtheit nichts dem Zufall. Er trug daher auch die Entscheidung mit, dass er und seine beiden Komplizen bei der Ausführung des Aggressionsakts gegen Serhat Türkis einen Revolver verfügbar haben würden (wenn nicht gar Ervis Albanis selber die Schusswaffe auf sich trug) und dass diese Waffe gegebenenfalls auch einge­setzt würde. Der Wille, eine Schusswaffe gegen einen Menschen einzu­setzen, um­fasst ohne weiteres die Bereitschaft/Inkaufnahme, diesen Menschen zu töten.

 

3.

Fazit: Schuldig wegen versuchter vorsätzlicher Tötung

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Beschuldigte Ervis Albanis sich der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig gemacht hat. Es sind weder Schuldausschluss- noch Rechtfertigungsgründe ersichtlich (zu Letzterem siehe bereits oben E. 18.6.3.5).

 

Damit ist der in diesem Anklagepunkt ergangene erstinstanzliche Freispruch (act. 59 S. 105 Dispositiv-Ziff. 2 Abs. 1) aufzuheben und ist der Beschuldigte, wie von Staatsanwaltschaft und Privatkläger in ihren Berufungen beantragt, wegen versuch­ter vorsätzlicher Tötung zu verurteilen.

 

V.

Strafzumessung

 

1. Strafrahmen

 

Der Tatbestand der vorsätzlichen Tötung ist mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jah­ren bedroht (Art. 111 StGB). Der höchstmögliche Freiheitsent­zug beträgt 20 Jahre (Art. 40 Abs. 2 StGB). Es sind keine Umstände ersichtlich, die eine Un­terschreitung des abstrakten Strafrahmens erfordern würden. Zwar wird eine ver­suchte Tatbege­hung grundsätzlich milder bestraft als eine vollendete Tat und ist dabei das Gericht nicht an die angedrohte Mindeststrafe gebunden (Art. 22 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 48a StGB). Indes rechtfertigen vorliegend die konkreten Tatum­stände bei wei­tem nicht, dass eine Sanktion unterhalb der angedrohten Mindeststra­fe von fünf Jahren in Betracht zu ziehen wäre; der versuchten Tatbegehung lässt sich innerhalb des ordentlichen Strafrahmens zureichend Rechnung tragen (siehe hierzu auch Mathys, Leitfaden Strafzumessung, 2. Aufl., Basel 2019, N 292).

 

Innerhalb der hier massgebenden Bandbreite zwischen fünf und 20 Jahren Frei­heitsstrafe ist die Strafe nach dem Ver­schulden des Täters zu bemessen; hierbei sind die Beweg­gründe, das Vor­leben und die persön­lichen Ver­hältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters zu berück­sichtigen. Die Bewertung des Ver­schuldens richtet sich nach der Schwere der Ver­letzung Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweg­gründen und Zielen des Täters sowie danach, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu ver­mei­den (Art. 47 Abs. 1 und Abs. 2 StGB).

 

2. Tatkomponenten

 

2.1 Objektive Tatschwere

 

Das vom Beschuldigten zu verantwortende Delikt richtete sich gegen das höchste Rechtsgut, nämlich das Leben. Es gibt keine schwerere Rechtsgutverletzung als den Tod eines Menschen. Das Ausmass des verschuldeten Erfolgs ist beim vollen­deten Delikt auf jeden Fall schwer.

 

Die Täterschaft setzte sodann eine Schusswaffe ein, womit das Gefährdungspoten­zial (Tötung) von vornherein sehr akut war und allein schon deswegen nicht mehr von einer objektiv leichten Tatschwere auszugehen ist. Der Waffeneinsatz erfolgte zudem im Zuge eines Aktes, bei dem in einem kriminalen Milieu von mehreren Per­sonen gegenüber einem Einzelnen in einem Hinterhalt das Recht des Stärkeren durchgesetzt werden sollte (siehe dazu oben E. 18.6.3.3). Darin liegt bereits per se eine hohe Verwerflichkeit.

 

Von ihrer objektiven Ausprägung her liegt damit die Tatschwere im mittleren bis oberen Bereich. Bezogen auf den hier massgebenden Strafrahmen (5 bis 20 Jahre Freiheitsstrafe) bedeutet dies, dass die Tat bei einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren zu verorten ist. Dieses Strafmass bildet die Ausgangsbasis für die weiteren Schritte der Strafzumessung.

 

2.2 Subjektive Tatschwere

 

Unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Tatschwere ist zu beurteilen, inwieweit die eben festgestellte objektive Tat­schwere dem Beschuldigten vorzuwerfen, d.h. ihm konkret anzurechnen ist (subjektives Verschulden). Zentrales Element bei der Beur­teilung der subjektiven Tatschwere und damit der Vorwerfbarkeit einer Tat sind die Beweggründe und Ziele des Täters (Art. 47 Abs. 2 StGB).

 

Der Beschuldigte handelte mit Eventualvorsatz. Die eventualvorsätzliche Begehung ist punkto Tatschwere graduell unterhalb einer direktvorsätzlichen Tatverübung ein­zustufen. Ein konkreter Anlass für die Tat ist aufgrund des durchgängigen Schwei­gens des Beschuldigten sowie auch der inhaltsleeren Angaben des Opfers selbst nicht bekannt. Insofern sind keine Umstände ersichtlich, welche sich straferhöhend strafmildernd auf das in der objektiven Tat­schwere abgebildete Ausgangsver­schulden auswirken würden.

 

Aufgrund der 'nur' eventualvorsätzlichen Tatverübung liegt die subjektive Tatschwe­re geringfügig unter der objektiven Tatschwere, womit sich die als Ausgangsgrösse benannte Freiheitsstrafe von 15 Jahren auf noch 14 Jahre verringert.

 

2.3 Fakultativer Strafmilderungsgrund (Versuch)

 

Das Mass der zulässigen Reduktion der Strafe beim vollendeten Versuch hängt vorab von der Nähe des tatbestandsmässigen Erfolgs und den tatsächlichen Folgen der Tat ab. Die Reduktion der Strafe ist umso geringer, je näher der tatbestands­mässige Erfolg war und je schwerwiegender die tatsächlichen Folgen der Tat waren (BSK StGB-Wiprächtiger/Keller, Art. 48a N 24 mit Hinweisen).

 

Für den Privatkläger Serhat Türkis bestand nach der Schussattacke eine akute Lebensgefahr (siehe dazu oben E. III. 1.1.). Die Täterschaft schoss aus nächster Distanz mehrmals gezielt in den Unterleib des Privatklägers; es ist letztlich dem Zufall zu verdanken, dass die Schussverletzungen nicht zum Tod führten.

 

Infolge der nicht über das Versuchsstadium hinausgelangten Tatbegehung ist eine Reduktion im Umfang von zwei Jahren angemessen. Die Freiheitsstrafe reduziert sich damit von 14 auf 12 Jahre.

 

3.

Täterkomponenten (3.1.-3.4) und abschliessende Bestimmung des konkreten Strafmasses (3.5)

3.1 Zum Vorleben und zu den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten sind nur rudimentäre Angaben von ihm selbst verfügbar, die sich zudem auch nicht näher überprüfen lassen:

 

Der Beschuldigte ist verheiratet mit Laureta Albanis und hat mit ihr seit 2017 eine gemeinsame Tochter (act. 103 S. 7 und S. 12a; siehe auch bereits oben E. I. 1.1). Die Ehefrau nannte in der Untersuchung eine Wohnadresse an der Via ___ 52 in Lodi/Italien (act. 2/10.7.01), derweil der Beschuldigte ebenfalls eine Adresse in Lodi be­zeichnete, jedoch an der Viale ___ 98 (act. 2/8.2.02 Dep. 7). Allerdings erliessen im Jahr 2016 die italienischen Behörden gegen den Beschuldigten eine Einreise­sperre (siehe dazu act. 2/8.2.02 Dep. 44 sowie act. 2/8.2.09 S. 2). Der Be­schuldigte erwähnte in der Untersuchung, dass er 9-jährig gewesen sei, als seine Familie (Eltern, eine Schwester und drei Brüder) von Albanien nach Italien umgezo­gen sei; in Italien habe er eine Lehre als Elektriker absolviert. In letzter Zeit habe er in Italien nur noch schwarzgearbeitet, da er «auf Papiere» warte (act. 103 S. 7 f; act. 2/8.2.02 Dep. 12-16; siehe ferner act. 2/14.1.04 [darin schreibt der vormalige Vertei­diger, der Beschuldigte habe in Italien eine Anwesenheitsberechtigung zwecks Familiennachzug gehabt, weswegen in Italien das Einreiseverbot sistiert worden sei und sich nun in Italien eine Anwältin um ein Bleiberecht für den Beschuldigten kümmere]; siehe hierzu auch act. 105/1). Konkret gab er an, als Staplerfahrer bei DHL tätig gewesen zu sein und dabei monatlich etwa 1'250 Euro verdient zu haben (act. 103 S. 7 f; act. 2/8.2.02 Dep. 12-16; an der vorinstanzlichen Verhandlung nannte der Verteidiger einen leicht höheren Verdienst von 1'350.- bis 1'500 Euro [act. 36 S. 16 oben]). All dies ist frei­lich nicht unbesehen zum Nennwert zu nehmen, bestehen doch erhebliche Anhalts­punkte dafür, dass der Beschuldigte seinen Bedarf und denjenigen seiner Familie mit kriminellen Aktivitäten finanziert (siehe da­zu bereits oben E. IV. 2.2.3).

 

3.2 Spürbar straferhöhend fallen die massiven Vorstrafen des Beschuldigten vorab wegen Drogen- und Gewaltdelikten ins Gewicht (siehe dazu eingehend oben E. III. 11.7.2). Der Beschuldigte blieb von diesen Verurteilungen unbeeindruckt und rückte nicht von der schiefen Bahn ab.

 

3.3 Was die Strafempfindlichkeit des Beschuldigten anbelangt, so ist diese insofern besonders, als er über längere Zeit von seiner Frau und der heranwachsenden Tochter getrennt wird. Daneben aber sind keine Aspekte ersichtlich und werden auch nicht ins Feld geführt, wonach ein Freiheitsentzug zu einer im Ver­gleich zu anderen ver­urteilten Straftätern überdurchschnittlichen Belas­tung führen würde. Es liegt letztlich in der Natur der Sache, dass eine Freiheitsstrafe für den Betroffenen und seine Familie empfindliche Nachteile nach sich zieht. Unter dem Aspekt der Strafempfind­lichkeit ist daher die Strafe nur geringfügig zu mildern.

 

3.4 Erkennbar strafmindernd wirkt sich die insgesamt zu lange Verfah­rensdauer aus, worin eine nicht zureichende Umsetzung des Beschleunigungsgebo­tes (Art. 29 Abs. 1 BV) liegt. Namentlich seit der mündlichen Berufungsverhandlung am 30. April 2021 (act. 103) bis zum jetzt ergehenden Urteil ist eine zu lange Zeit ver­strichen, wenngleich das Verfahren bis August 2021 aufgrund eines vom Beschul­digten gegen den Gerichtsschreiber gestellten Ausstandsgesuchs 'blockiert' war (siehe dazu auch Urteil BGer 1B_269/2021 vom 12. August 2021). Die entsprechende Ver­letzung des Beschleunigungsgebotes ist im nachfolgenden Dispositiv festzu­halten (Urteil BGer 6B_176/2017 vom 24. April 2017 E. 2.1). Ergänzend ist aber immerhin zu bemer­ken, dass vorliegend nicht ersichtlich ist, inwiefern der Beschuldigte spezi­ell bedingt durch die bisherige Verfahrensdauer einer erheblichen Belastung ausge­setzt gewe­sen wäre. Wohl hat er seine Täterschaft bis zuletzt be­stritten. Nachdem aber seine Tatschuld anhand der gesamten Untersuchungsergebnisse eindeutig ist, konnte eine verfahrensbedingte belastende Ungewissheit für den Beschuldigten letztlich einzig und allein darin bestehen, ob es der Justiz gelingen würde, ihm die betref­fende Straftat rechtsgenüglich nachzuweisen. Ferner begründete auch die anhal­tende Unsicherheit, wie hoch schliesslich die aufgrund des schweren Verbre­chens von vornherein zu erwartende massive Strafe tatsächlich ausfallen würde, keine be­son­dere Unbill für den Beschuldigten. Bei ihm handelt es sich sodann um einen bereits mehrfach vorbestraften Schwerkriminellen, den ein (weiteres) Strafver­fahren nicht ernsthaft bedrückt und ihn in seinem Umfeld kaum einer sozialen Aus­grenzung aussetzt. Der hier zu beurteilende Fall ist auch nicht ver­gleichbar mit einer Straftat, bei welcher eine kürzere Freiheitsstrafe verwirkt wurde, und es im Interesse des Täters liegt, mit der kriminellen Vergangenheit innert ge­botener Frist abschlies­sen und einen geordneten Neustart ins weitere Leben begin­nen zu kön­nen.

 

3.5 Bei einer Gesamtwürdigung der Täterkomponenten bleibt zu rekapitulieren, dass die dem (objektiven) Tatverschulden entsprechende Freiheitsstrafe von 12 Jahren (oben E. V. 2.3 in fine) einerseits wegen der Vorstrafen spürbar zu erhöhen, ande­rerseits aber wegen einer leicht überdurchschnittlichen Strafempfindlichkeit sowie insbesondere wegen der zu langen Verfahrensdauer geringfügig bzw. erkennbar herabzusetzen ist. Insgesamt resultiert damit eine Freiheitsstrafe von 11 Jahren als angemessene Sanktion.

 

4.

Anrechnung der bisher ausgestandenen Haftzeiten und freiheitsbeschränken­den Massnahme

Gemäss Art. 51 StGB rechnet das Gericht die vom Täter ausgestandene Untersu­chungshaft auf die Strafe an. Gemeint sind damit sämtliche in einem Strafverfahren vorkommenden Haftformen (siehe Art. 110 Abs. 7 StGB) und ebenso auch freiheits­entziehende Ersatzmassnahmen (BGE 122 IV 51 E. 3a S. 54).

 

Der Beschuldigte befand sich vom 9. November 2018 bis 11. November 2018 in Polizeihaft. Seit dem 15. November 2018 bis und mit 15. April 2021 war er ununter­brochen zunächst in Untersuchungshaft, später vorübergehend im vorzeitigen Straf­vollzug, danach in Sicherheitshaft und zuletzt im Hausarrest (act. 1 S. 5; Präsidial­verfügungen des Obergerichts vom 2. September 2020 [Verfahren OG.2020.00043] sowie vom 20. Januar 2021, vom 11. März 2021 und vom 15. April 2021 [alle im Verfahren OG.2021.00002]). Es sind somit insgesamt zwei Jahre, fünf Monate und drei Tage an die vom Beschuldigten zu verbüssende Freiheitsstrafe anzurechnen.

 

VI.

Sanktionierung des unbestrittenen Nebendelikts

 

1.

Der Beschuldigte Ervis Albanis wurde erstinstanzlich wegen mehrfacher Zuwider­handlung gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG; SR 142.20), konkret wegen mehrfacher rechtswidriger Einreise und mehrfachen rechtswidrigen Aufent­halts, zu einer unbedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je CHF 30.- verur­teilt (act. 59 S. 105 Dispositiv-Ziff. 1 und Ziff. 3).

 

Während der Schuldspruch selbst unangefochten blieb und somit rechtskräftig ist (Art. 404 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 437 Abs. 1 lit. a StPO), beantragt der Beschuldigte in seiner Berufung eine Reduktion der Geldstrafe auf 10 Tagesätze bedingt (act. 75 Antrag Ziff. 2).

 

2.

Der Verteidiger des Beschuldigten führte an der Berufungsverhandlung zur Begrün­dung seines Antrags auf Strafreduktion einzig aus, «für die rechtswidrige Einreise beziehungsweise den rechtswidrigen Aufenthalt [erscheine] eine Bestrafung zu zehn Tagessätzen als angemessen», zumal der Beschuldigte im vorliegenden Verfahren bereits eine sehr lange Zeit in Haft verbracht habe (act. 103 S. 38 Ziff. 17 und S. 43).

 

3.

Die Berufung ist in diesem Punkt unbegründet und abzuweisen, soweit darauf über­haupt einzutreten ist. Zunächst verfängt das Argument der schiefen Relation zwi­schen der vom Beschuldigten ausgestandenen Haftzeit (siehe dazu vorhin E. V. 4.) und den inkriminierten AIG-Delikte von vornherein nicht mehr, da der Beschuldigte im Gegensatz zum vorinstanzlichen Urteil wegen eines ungleich schwere­ren Tatbestands (versuchte vorsätzliche Tötung) zu verurteilen ist. Im Übrigen setzt sich der Berufungskläger mit keinem Wort mit den ausführlichen erstinstanzlichen Erwä­gungen zur Bemessung der Geldstrafe für die AIG-Delikte (act. 59 S. 95-99) ausei­nander. Er konkretisiert weder eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung noch eine falsche Rechtsanwendung noch legt er dar, worin eine Unangemessen­heit bestünde (Art. 398 Abs. 3 StPO). Insofern ist die Berufung ohne zureichende inhalt­liche Begründung, weshalb darauf nicht einzutreten ist (Art. 385 Abs. 2 StPO).

 

Lediglich der Vollständigkeit halber bleibt festzuhalten, dass die Vorinstanz bei der Bemessung der Geldstrafe alle massgebenden Faktoren berücksichtigte und zutref­fend würdigte und sich zudem aus berechtigten Gründen für einen unbedingten Vollzug aussprach (act. 59 S. 95 ff. E. V. 1.-10.). Es kann an dieser Stelle in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO vollumfänglich auf die entsprechenden Erwä­gungen verwiesen werden.

 

VII.

Landesverweisung

 

1.

Bereits die Vorinstanz verfügte gegenüber dem Beschuldigten eine Landesverwei­sung für die Dauer von fünf Jahren, inklusive Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (act. 59 S. 105 Dispositiv-Ziff. 4). Diese Mass­nahme erfolgte in Reaktion auf die ergangene Verurteilung wegen der AIG-Delikte und stützte die Vorinstanz sich dabei auf Art. 66abis StGB (nicht obligatorische Lan­desverweisung; siehe dazu act. 59 S. 99 f. E. VI.).

 

Der Beschuldigte ist indes entgegen dem vorinstanzlichen Entscheid nicht bloss wegen der AIG-Delikte, sondern wegen versuchter vorsätzlicher Tötung im Sinne von Art. 111 StGB zu verurteilen. Dieser erheblich schwerer wiegende Schuldspruch zieht eine obligatorische Landesverwei­sung nach sich (Art. 66a Abs. 1 Bst. a StGB), wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung zu Recht geltend macht und beantragt (act. 71 Antrag Ziff. 3). Vor diesem Hintergrund ist daher die von der Vorinstanz an­gewandte Bestimmung von Art. 66abis StGB (bloss fakultative Landesverweisung) hier nicht mehr ein­schlägig, sondern ist die angemessene Dauer der Landesverwei­sung neu nach Massgabe von Art. 66a StGB festzulegen. Die Staatsanwaltschaft beantragt in ihrer Berufung, es sei der Beschuldigte für 15 Jahre des Landes zu verweisen und sei die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Infor­mationssystem anzuordnen (act. 71 Antrag Ziff. 3).

 

2.

Die Landesverweisung ist gegenüber einem Ausländer (der Beschuldigte ist albani­scher Staatsbürger) bei Vorliegen einer Katalogtat nach Art. 66a Abs. 1 StGB (hier lit. a [vorsätzliche Tötung]) losgelöst von der Höhe der Strafe zwingend auszuspre­chen, und zwar unabhängig davon, ob es beim Versuch geblieben ist und ob die Strafe bedingt, unbedingt teilbedingt ausfällt (BGE 144 IV 168 E. 1.4.1; Urteil BGer 6B_1474/2019 vom 23. März 2020 E. 1.1).

 

3.

3.1 Das Gericht kann ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen (so vom Beschuldigten beantragt; siehe act. 75 Antrag Ziff. 3), wenn diese für den Aus­länder einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Aus­länders am Ver­bleib in der Schweiz nicht überwiegen (Art. 66a Abs. 2 StGB).

 

3.2 Der Beschuldigte ist als Kriminaltourist in die Schweiz eingereist, um hier – mut­masslich innerhalb einer grösseren Gruppe albanischer Staatsangehöriger – im Dro­genhandel mitzuwirken; er hat keinerlei Beziehung zur Schweiz, ausser dass seine Mutter eine Wohnung in Unterterzen in Miete hat, indes aber zweifelhaft ist, inwie­weit sie sich dort effektiv (dauernd) aufhält (siehe dazu act. 2/8.2.01 S. 2 unten).

 

Vor diesem Hintergrund ist eine Landesverweisung gegenüber dem Beschuldigten im Lichte von Art. 66a StGB zwingend und auch verhältnismässig. Der Rechtsver­treter des Beschuldigten vermochte denn auch in der Berufungsverhandlung nicht einen einzigen Aspekt zu nennen, welcher eine andere Sichtweise nahelegen würde (act. 103 S. 38 f. Ziff. 18-20).

 

3.3 Eine Interessenabwägung als zweite kumulative Voraussetzung von Art. 66a Abs. 2 StGB entfällt mangels Vorliegens eines schweren persönlichen Härtefalls. Doch selbst wenn ein Härtefall vorläge, fiele die Interessenabwägung im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zuungunsten des Beschuldigten aus (Urteil BGer 6B_ 1070/2018 vom 14. August 2019 E. 6.3).

 

4.

Die Dauer der Landesverweisung ist aufgrund des Tatverschuldens und der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu bestimmen (Urteil BGer 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.3.4). Dabei besteht zwischen der Dauer der Strafe und jener der Landesverweisung in der Regel eine gewisse Übereinstimmung (vgl. zum alten Recht BGE 123 IV 107 E. 3 S. 111).

 

Die vorliegend wegen versuchter Tötung auszusprechende Strafe beträgt 11 Jahre. Das Verschulden des Beschuldigten wiegt massiv (siehe dazu oben E. V. 2.). Die Landesverweisung soll dieses Verschulden abbilden und gleichzeitig dem Siche­rungsbedürfnis der Schweiz Rechnung tragen, weshalb vorliegend die Dauer der Landesverweisung auf 12 Jahre festzusetzen ist.

 

5.

Verfügt eine Verwaltungs- eine Justizbehörde gegen eine Person, die nicht Bürger der EU EFTA ist (wie dies hier auf den Beschuldigten als albanischen Staatsbürger zutrifft), eine Landesverweisung, so ist diese Massnahme im Schen­gener Informationssystem (SIS) auszuschreiben (siehe dazu Art. 20 in Verbindung mit Art. 2 lit. f N-SIS-Verordnung [SR 362.0]). Die Eintragung im SIS setzt allerdings voraus, dass die Anordnung der Landesverweisung auf die Gefahr für die öffentliche Sicherheit Ordnung die nationale Sicherheit gestützt wird, die die Anwe­senheit des betreffenden Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet eines Mitglied­staates darstellt. Dies ist insbesondere der Fall bei einem Drittstaatsangehörigen, der in einem Mitgliedstaat wegen einer Straftat verurteilt worden ist, die mit Frei­heitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist (Art. 21 und Art. 24 Ziff. 2 lit. a der Verordnung [EG] Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation [SIS II]; die Verordnung ist publiziert in BBl 2007 S. 8627 ff.; zur Anwendbarkeit dieser Verordnung auch für die Schweiz siehe Art. 2 des Schengener Abkommens [SR 0.362.31]).

 

Der Beschuldigte wird vorliegend zu 11 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und stellt seine Anwesenheit in der Schweiz eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Si­cherheit dar. Er verfügt zudem in keinem Land der Europäischen Union über einen Aufenthaltstitel. Demzufolge ist die gegen ihn verfügte Landesverweisung im SIS einzutragen.

 

VIII.

Keine Forderungsansprüche des Beschuldigten gegenüber dem Staat

 

Beim vorliegenden Ausgang des Berufungsverfahrens (Verurteilung des Beschuldig­ten wegen versuchter vorsätzlicher Tötung) versteht sich von selbst, dass dem Beschuldigten entgegen dem vorinstanzlichen Entscheid (act. 59 S. 106 Dispositiv-Ziff. 10) für die bis dahin ausgestandene Haftzeit weder eine Entschädigung noch eine Genugtuung zusteht. Insoweit ist die Berufung der Staatsanwaltschaft auch in diesem Punkt gutzuheissen (act. 71 Antrag Ziff. 4 und Ziff. 6), während die entge­gengesetzten Anträge des Beschuldigten in seiner Berufung (act. 75 Antrag Ziff. 4) abzuweisen sind.

 

IX.

Beschlagnahme

 

1.

Als Serhat Türkis am 25. September 2018 in seinem Mercedes schwerverletzt im Kantonsspital in Glarus vorfuhr, befanden sich im Wagen 15'000 Euro, dabei alles 50er-Scheine in drei Bündeln zu je 5'000 Euro. Das Notengeld, welches restlos mit Drogen kontaminiert war (siehe zum Ganzen oben E. III. 2.2), wurde in der Folge sichergestellt und beschlagnahmt (act. 2/3.1.18 und act. 2/5.0.01).

 

2.

Nachdem der Privatkläger Serhat Türkis im erstinstanzlichen Verfahren beantragt hat­te, es seien die beschlagnahmten 15'000 Euro an ihn herauszugeben (act. 59 S. 4 Antrag Ziff. 4), entschied die Vorinstanz, dass der konfiszierte Geldbetrag beschlag­nahmt bleibe, wobei es der Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus obliege, in dem noch laufenden Verfahren gegen die unbekannte flüchtige Täter­schaft und gegen Serhat Türkis über die weitere Verwendung des Geldes zu befin­den. (act. 59 S. 106 Dispositiv-Ziff. 6). Serhat Türkis erneuerte in seiner Berufung den Antrag auf Heraus­gabe der 15'000 Euro an ihn (act. 69).

 

3.

Bei den sichergestellten 15'000 Euro handelt es sich zweifelsfrei um Drogengeld (oben E. III. 2.5). Es ist mit nahezu absoluter Gewissheit davon auszugehen, dass dieser Geldbetrag dereinst definitiv eingezogen werden wird (Art. 70 Abs. 1 StGB; siehe dazu auch Urteil BGer 6B_1322/2020 vom 16. Dezember 2021). Vor diesem Hintergrund wurde der Geldbetrag in der Untersuchung zu Recht beschlagnahmt (Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO).

 

Der betreffende Geldbetrag befand sich im Zeitpunkt der Sicherstellung nicht im Herrschaftsbereich des im vorliegenden Verfahren angeklagten Ervis Albanis, son­dern lag im Personenwagen von Serhat Türkis; es bestehen auch keine gesicherten Hinweise darauf, dass das Geld Ervis Albanis zuzuordnen wäre. Infolgedessen besteht keine Veranlassung, im vorliegenden Strafverfahren gegen Ervis Albanis überhaupt darüber zu befinden, was konkret mit diesen 15'000 Euro zu geschehen hat. Richtigerweise hätte daher die Vorinstanz auf das Herausgabebegehren des Privatklägers gar nicht eintreten müssen. Immerhin aber entschied sie zu Recht, dass das Geld beschlagnahmt bleibe sowie dass über die weitere Verwendung des Geldes in anderen Verfahren zu entscheiden sei.

 

Damit ist die Berufung des Privatklägers Serhat Türkis in diesem Punkt abzuweisen.

 

 

 

X.

Ersatzforderung des Privatklägers

 

1.

Der Privatkläger Serhat Türkis gelangte bereits an die Vorinstanz mit dem Begehren, es sei der Beschuldigte Ervis Albanis zu verpflichten, ihm EUR 50'000.- bzw. CHF 53'730.- zu bezahlen (act. 59 S. 4 Antrag Ziff. 2). Er begründete seine Forde­rung damit, er habe, als er am 25. September 2018 vom Beschuldigten und seinen beiden Komplizen attackiert wor­den sei, nicht bloss die sichergestellten 15'000 Euro in seinem Fahrzeug gehabt, sondern noch weitere 50'000 Euro, welche ihm vom Beschuldigten und seinen bei­den Komplizen gestohlen worden seien. Die Vor­instanz verwies den Privatkläger mit seiner Forderung auf den Zivilweg (siehe zum Ganzen act. 59 S. 106 Dispositiv-Ziff. 8 sowie S. 101 f. E. VIII. 1.+2.).

 

Der Privatkläger verlangt mit seiner Berufung erneut die Gutheissung seiner Ersatz­forderung (act. 69 S. 2).

 

2.

Die Berufung des Privatklägers ist auch in diesem Punkt unbegründet. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen zum Sachverhalt ergibt, lässt sich nicht rechts­genüglich nachweisen, dass Serhat Türkis am 25. September 2018 neben den beschlagnahmten 15'000 Euro noch weitere 50'000 Euro bei sich hatte. Dieser Um­stand führt denn auch dazu, dass der Beschuldigte vom ebenfalls eingeklagten Vorwurf des qualifizierten Raubs im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 und Ziff. 4 StGB frei­zusprechen ist (siehe dazu oben E. III. 2.5 und 22.3). Vor diesem Hintergrund ver­wies daher die Vorinstanz den Privatkläger gestützt auf Art. 126 Abs. 2 StPO zu Recht auf den Zivilweg.

 

Ergänzend bleibt hierzu freilich Folgendes anzufügen: Lies­se sich tatsächlich nach­weisen, dass der Privatkläger noch weitere 50'000 Euro bei sich hatte, so handelte es sich auch bei diesem Geld zweifelfrei um Drogengeld. Ergo stünde nicht ein For­derungsanspruch des Privatklägers zur Debatte, sondern müsste vielmehr über eine Einziehung bzw. entsprechende Ersatzforderung zu Gunsten des Staates diskutiert werden (Art. 70 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 71 Abs. 1 StGB).

 

 

 

XI.

Genugtuungsforderung des Privatklägers

 

1.

Nachdem die Vorinstanz den Beschuldigten Ervis Albanis vom Vorwurf der versuch­ten vorsätzlichen Tötung des Privatklägers Serhat Türkis freigesprochen hatte, ver­wies sie den Privatkläger ebenso mit dessen Genugtuungsforderung in der Höhe von CHF 10'000.- auf den Zivilweg. Konkret erwog die Vorinstanz, die effektive Beteiligung des Beschuldigten an der Gewalttat gegen den Privatkläger sei nicht erstellt, somit könne auch kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Beschuldigten und der Unbill des Privatklägers hergeleitet werden (zum Ganzen: act. 59 S. 106 Dispositiv-Ziff. 8 und S. 102 E. VIII. 3.).

 

2.

2.1 Der Privatkläger erneuerte in seiner Berufung das Begehren, es sei der Beschuldigte zu einer Genugtuungszahlung im Betrag von CHF 10'000.- zu ver­pflichten (act. 69 S. 2).

 

2.2 Im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanz ist nach Auffassung des Obergerichts die (Mit)Täterschaft des Beschuldigten Ervis Albanis an der Gewalttat gegen den Privatkläger erstellt. Im Lichte von Art. 41 Abs. 1 und Art. 47 OR besitzt daher der Privatkläger gegenüber dem Beschuldigten grundsätzlich ein Genugtuungsan­spruch. Dennoch ist ihm keine Genugtuung zuzuerkennen; dies aus folgenden Gründen:

 

Hintergrund der Gewalttat bildete eine Auseinandersetzung im Drogenmilieu. Der Drogenhandel ist nicht nur strengstens untersagt, sondern herrschen dabei oft raue Sitten und der Umgang ist nicht selten brachial. Mit anderen Worten hat sich der Privatkläger Serhat Türkis auf verbotenes Terrain begeben und waren ihm damit ver­bundene Gefahren auch für die eigene körperliche Integrität bewusst. Insofern liegt ein massives Selbstverschulden des Privatklägers vor, welches jeglichen Genugtu­ungsanspruch ausschliesst (Art. 44 Abs. 1 OR). Dies führt zur direkten Abweisung der Genugtuungsforderung des Privatklägers.

 

 

 

 

XII.

Zusammenfassung und Kostenregelung

 

1.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist im hauptsächlichen Punkt (Schuldspruch wegen versuchter vorsätzlicher Tötung) mit allen daraus folgenden Konsequenzen (mehrjährige hohe Freiheitsstrafe, obligatorische Landesverweisung, keine Haftent­schädigung) gutzuheissen. Demgegenüber unterliegt der Beschuldigte mit seinen Berufungsanträgen auf der ganzen Linie, desgleichen der Privatkläger Serhat Türkis mit seinen Anträgen auf Herausgabe des beschlagnahmten Eurogeldes und auf Zu­sprechung einer Genugtuung.

 

2.

2.1 Bei diesem Ausgang sind die Kosten der Untersuchung sowie der Vorinstanz und des Berufungsverfahrens dem Beschuldigten aufzuerlegen (Art. 422 in Verbin­dung mit Art. 426 Abs. 1 und Art. 428 Abs. 1 StPO). Daran ändert nichts, dass der Beschuldigte vom zusätzlichen Anklagepunkt des qualifizierten Raubs freizuspre­chen ist. Dieser Anklagepunkt hing nämlich unmittelbar mit der als versuchte vor­sätzliche Tötung zu sanktionierenden Attacke auf Serhat Türkis zusammen und führte für sich allein zu keinen spezifischen zusätzlichen Aufwendungen weder seitens der Strafbehörden noch der Verteidigung.

 

Entgegen dem vorinstanzlichen Entscheid (act. 59 S. 109 Dispositiv-Ziff. 15) ist nicht ersichtlich, unter welchem Titel dem Beschuldigten eine Parteientschädigung zuzu­sprechen wäre. Die betreffende Urteilsziffer ist daher, wie von der Staatsanwalt­schaft in ihrer Berufung beantragt (act. 71 Antrag Ziff. 6), ersatzlos aufzuheben.

 

2.2 Die Vorinstanz setzte für das erstinstanzliche Verfahren eine Gerichtsgebühr von CHF 10'000.- fest (act. 59 S. 106 Dispositiv-Ziff. 11). Diese Gebühr ist im Lichte von Art. 6 und Art. 8 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 der Zivil- und Strafprozesskostenverord­nung (Kostenverordnung; GS III A/5) gerechtfertigt und folglich zu bestätigen. Neben der Gerichtsgebühr hat der Beschuldigte ebenso die Untersuchungskosten samt allen Auslagen zu tragen (Art. 422 StPO), mit Ausnahme der Dolmetscherkosten (siehe dazu Art. 426 Abs. 3 lit. b StPO); in diesem Sinne ist die vorinstanzliche Auflistung der betreffenden Kosten und Auslagen (act. 59 S. 106 ff. Dispositiv-Ziff. 11 in den vorliegenden Berufungsentscheid einzufügen.

 

Zu den Auslagen, die vom Beschuldigten zu tragen sind, gehören ebenso die vom Staat finanzierten Kosten für die amtliche Verteidigung (Art. 422 Abs. 2 lit. a StPO). Allerdings hat der Beschuldigte diese Kosten (siehe zu deren Höhe gleich nachfol­gend E. 3) der Gerichtskasse erst zurück­zuerstatten, wenn es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO).

 

Die auf den Beschuldigten entfallende Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren ist nach Massgabe der zuvor zitierten Bestimmungen der Kostenverordnung auf CHF 10'000.- festzu­setzen, dabei inklusive der Gebühren für die Zwischenverfahren OG.2020.00043 und OG.2021.00002 (Sicherheitshaft/Hausarrest).

 

3.

Die amtliche Verteidigung wird nach dem Anwaltstarif des Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde (Art. 135 Abs. 1 StPO); einschlägig ist damit der Tarif für die Entschädigung der öffentlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtsvertretung (GS III I/5; nachfolgend Tarif).

 

3.1 Die Vorinstanz sprach dem amtlichen Verteidiger für das erstinstanzliche Ver­fahren ein Honorar von CHF 5'563.60 (inkl. Auslagen und MwSt.) zu (act. 59 S. 109 Dispositiv-Ziff. 14). Die Höhe dieser Entschädigung ist unbestritten und wurde dem Rechtsvertreter von der Gerichtskasse bereits ausgerichtet.

 

3.2 Der amtliche Verteidiger reichte an der Berufungsverhandlung eine Kostennote ein; darin macht er für das Berufungsverfahren einen Aufwand von 54.46 Stunden geltend (act. 106). Der verrechnete Aufwand ist im Lichte von Art. 3 des Tarifs («notwendiger Zeitaufwand») insgesamt zu hoch. Namentlich werden vom Verteidi­ger insgesamt neun Arbeitsstunden im Zusammenhang mit dem gegen den Gerichtsschreiber gerichteten Ausstandsbegehren (Verfahren OG.2021.00033) in Rechnung gestellt. Das betreffende Ausstandsbegehren war jedoch gänzlich aus­sichtslos (siehe dazu auch Urteil BGer 1B_269/2021 vom 12. August 2021) und der entsprechende Aufwand daher unnötig. Sodann beziffert der Verteidiger seinen Aufwand für die Vorbereitung der Berufungsverhandlung auf gesamthaft 20 Stun­den (ohne die Besprechungen mit seinem Mandanten). Auch dieser Aufwand fällt aus dem Rahmen. In seinen Ausführungen vor Obergericht beschränkte sich der Vertei­diger im Wesentlichen auf das Bestreiten des Anklagesachverhalts und das Benen­nen von Alternativsachverhalten (act. 103 S. 28 ff.), wobei er dabei erst noch weit­gehend auf seine bereits vor Vorinstanz vor­getragene Argumentation (act. 36) zurückgreifen konnte. Bei alldem stellten sich der Verteidigung im Berufungsverfah­ren keine komplexen Rechtsfragen, die einen zusätzlichen Aufwand erfordert hät­ten. Der Aufwand für die Vorbereitung der Beru­fungsverhandlung ist demzufolge von 20 auf 15 Stunden zu kürzen. Im Gegenzug allerdings sind dem Verteidiger noch zusätzliche 1½ Stunden für seinen in der eingereichten Honorarnote noch nicht abgebildeten Aufwand im Nachgang zur Berufungsverhandlung (Anfragen zum Ver­fahrensstand [act. 111, 113 und 117]) zu vergüten; zudem sind ihm für das Stu­dium des vorliegenden Urteils zwei Stunden statt der von ihm verrechneten nur einen Stunde zu vergüten.

 

Der Verteidiger ist damit im Berufungsverfahren für einen Aufwand von insgesamt 43 Stunden zu entschädigen (54.46 Std. gem. Kostennote minus 14 Std. Kürzung plus 1½ Std. späterer Aufwand plus 1 Stunde mehr für Urteilsstudium). Daraus resultiert für das Berufungsverfahren ein Honoraranspruch von CHF 7'740.- (43 x CHF 180.- [dazu Art. 6 des Tarifs]) zuzüglich 7.7 % MwSt. (CHF 596.-), insgesamt CHF 8'336.-. Es ist dabei vorzumerken, dass dem Verteidiger hiervon bereits CHF 7'000.- überwiesen wurden (act. 107).

 

Neben dem Honorar sind dem Verteidiger gestützt auf Art. 2 des Tarifs zusätzlich CHF 280.- zu vergüten, welchen Betrag er für den Beizug eines Dolmetschers auf­wenden musste (siehe Anhang zu act. 106). Hinsichtlich dieses zusätzlichen Betrags ist der Beschuldigte nicht rückerstattungspflichtig (Art. 426 Abs. 3 lit. b StPO).

 

4.

Der unentgeltliche Rechtsbeistand des Privatklägers Serhat Türkis erhielt für das erst­instanzliche Verfahren ein Honorar von CHF 6'234.95.- (inkl. Auslagen und MwSt.) zuerkannt (act. 59 S. 109 Dispositiv-Ziff. 13). Die entsprechende Vergütung ist unstrittig und bereits ausbezahlt. Im Berufungsverfahren war der Privatkläger nicht mehr unentgeltlich verbeiständet (act. 76 und act. 81).

 

Der Privatkläger ist mit seinen Anträgen im Zivilpunkt unterlegen (und nur hierzu besteht überhaupt ein Anspruch des Privatklägers auf unentgeltliche Rechtspflege [Art. 136 Abs. 1 StPO]). Demzufolge ist der Privatkläger zu verpflichten, die Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertretung der Gerichtskasse zurückzubezahlen, wenn es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 427 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 138 und Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO; siehe dazu auch Zürcher Kommentar, StPO-Lieber, Art. 138 N 2b).

 

5.

In formeller Hinsicht fällt das Obergericht ein neues Urteil, welches das erstin­stanz­liche Urteil ersetzt (Art. 408 StPO).

 

____________________

 

Das Gericht erkennt:

 

1.

Der Beschuldigte Ervis Albanis alias Ervis Tiranis ist schuldig

 

-

der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB in Verbin­dung mit Art. 22 Abs. 1 StGB, begangen am 25. September 2018 in Näfels (Glarus Nord) zum Nachteil von Serhat Türkis;

 

-

der mehrfachen rechtswidrigen Einreise gemäss Art. 115 Abs. 1 lit. a AIG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 lit. a und d AIG sowie des mehrfachen rechts­widrigen Aufenthalts gemäss Art. 115 Abs. 1 lit. b AIG, begangen von Sep­tember 2018 bis November 2018.

2.

Ervis Albanis wird vom Anklagevorwurf des qualifizierten Raubs im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 und Ziff. 4 StGB freigesprochen.

 

 

3.

Ervis Albanis wird bestraft mit einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren.

 

 

 

Die von Ervis Albanis erstandene Haftzeit (inkl. Hausarrest) von insgesamt zwei Jahren, fünf Monaten und drei Tagen wird auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

 

 

 

Ervis Albanis wird zudem bestraft mit einer unbedingten Geldstrafe von 120 Ta­gessätzen zu CHF 30.-.

 

 

4.

Ervis Albanis wird gestützt auf Art. 66a StGB für 12 Jahre aus der Schweiz ver­wiesen. Es wird die Ausschreibung der Landesverweisung (Einreise- und Auf­enthaltsverweigerung) von Ervis Albanis im Schengener Informationssystem (SIS) angeordnet.

 

 

5.

Die von Ervis Albanis geltend gemachten Ersatzforderungen (Schadenersatz und Genugtuung) werden abgewiesen.

 

 

6.

Das bei Ervis Albanis beschlagnahmte Bargeld im Betrag von CHF 682.50 und EUR 500.- wird eingezogen und an die auf Ervis Albanis entfallenden Verfah­renskosten angerechnet.

 

 

7.

Der Beschlag über sämtliche weiteren im Zusammenhang mit dem Gewaltdelikt vom 25. September 2018 beschlagnahmten und noch nicht wieder herausge­gebenen Gegenstände und Bargeldbeträge wird für die noch laufenden Verfah­ren gegen die unbekannte flüchtige Täterschaft und gegen Serhat Türkis auf­rechterhalten.

 

Es obliegt der Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus, in den noch laufenden Verfahren gegen die unbekannte flüchtige Täterschaft und gegen Serhat Türkis über die Behandlung der beschlagnahmten Gegenstände und Bar­geldbeträge zu entscheiden.

 

 

8.

Es wird festgestellt, dass im vorliegenden Strafverfahren das Beschleunigungs­gebot verletzt wurde.

 

 

9.

Die Genugtuungsforderung des Privatklägers Serhat Türkis wird abgewiesen.

 

 

 

Zur Geltendmachung anderer Zivilansprüche wird der Privatkläger auf den Zivilweg verwiesen.

 

 

10.

Die Gerichtsgebühr für das erstinstanzliche Verfahren SG.2020.00051 und das Berufungsverfahren wird auf insgesamt CHF 20'000.- festgesetzt.

 

 

 

Die weiteren Kosten (exkl. Dolmetscherentschädigungen) der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens, inklusive ZMG-Verfahren, betragen:

CHF

34'000.—

Untersuchungsgebühr SA.2018.00480

 

CHF

300.—

Verfügung ZMG SG.2018.00093

 

CHF

300.—

Verfügung ZMG SG.2019.00020

 

CHF

450.—

Verfügung ZMG SG.2019.00035

 

CHF

300.—

Verfügung ZMG SG.2019.00055

 

CHF

600.—

Beschluss Obergericht OG.2019.00046

 

CHF

300.—

Verfügung ZMG SG.2019.00087

 

CHF

1'000.—

Beschluss Obergericht OG.2019.00069

 

CHF

300.—

Verfügung ZMG SG.2019.00126

 

CHF

500.—

Verfügung ZMG SG.2020.00040

 

CHF

300.—

Verfügung ZMG SG.2019.00025

 

CHF

300.—

Verfügung ZMG SG.2019.00016

 

CHF

300.—

Beschluss Obergericht OG.2019.00017

 

CHF

300.—

Verfügung ZMG SG.2018.00092

 

CHF

300.—

Verfügung ZMG SG.2018.00079

 

CHF

300.—

Verfügung ZMG SG.2018.00097

 

CHF

300.—

Verfügung ZMG SG.2019.00009

 

CHF

400.—

Verfügung ZMG SG.2019.00018

 

CHF

300.—

Verfügung ZMG SG.2019.00021

 

CHF

1'500.—

BKP-IFC2 iPhone IMEI 353328074671544

 

CHF

2'900.—

Festnahme, Schaden z.N.v. XY

 

CHF

249.90

Festnahme, Schaden Türe

 

CHF

1'830.90

Autoverwertung Zimmermann

 

CHF

12'420.—

IRM Zürich, Spurenauswertung

 

CHF

3'400.—

IRM Zürich, Spurenauswertung

 

CHF

1'519.65

IRM Zürich, Blutanalyse und Gutachten

 

CHF

2'850.—

IRM Zürich, Spurenauswertung

 

CHF

500.—

Kapo St. Gallen, Forensischer Untersuch

 

CHF

190.55

KSGL, Auftrag Polizei

 

CHF

10'200.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224083762

 

CHF

4'800.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224084460

 

CHF

4'800.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224084461

 

CHF

49.50

IRM Zürich, Lokaler Vergleich

 

CHF

49.50

IRM Zürich, Lokaler Vergleich

 

CHF

1'500.—

EJPD, Extraktion iPhone 6S

 

CHF

200.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224085344

 

CHF

200.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224085346

 

CHF

3'800.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224085431

 

CHF

1'800.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224085429

 

CHF

1'800.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224085428

 

CHF

49.50

IRM Zürich, Lokaler Vergleich

 

CHF

1'800.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224085985

 

CHF

200.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224086006

 

CHF

1'800.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224085967

 

CHF

1'800.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224085979

 

CHF

1'800.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224086047

 

CHF

1'800.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224086039

 

CHF

1'000.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224086150

 

CHF

1'000.—

EJPD, Verfügung Rechnung Nr. 224086050

 

CHF

2'625.—

Kapo St. Gallen, Schusswaffenuntersuchung

 

CHF

49.50

IRM Zürich, Lokaler Vergleich

 

11.

Die Kosten gemäss Ziffer 10 hiervor werden vollumfänglich Ervis Albanis aufer­legt und von ihm bezogen.

 

 

12.

Rechtsanwalt lic. iur. Andreas Fäh wird aus der Gerichtskasse für seine Bemü­hungen als amtlicher Verteidiger im erstinstanzlichen Verfahren SG.2020.00051 mit CHF 5'563.60 (inkl. MwSt.) entschädigt. Es wird vorgemerkt, dass die Gerichtskasse diese Entschädigung bereits ausbezahlt hat.

 

 

13.

Rechtsanwalt lic. iur. Andreas Fäh wird aus der Gerichtskasse für seine Bemü­hungen als amtlicher Verteidiger im Berufungsverfahren mit CHF 8'336.- (inkl. MwSt.) sowie CHF 280.- Auslagenersatz entschädigt. Es wird vorgemerkt, dass die Gerichtskasse bereits eine Akontozahlung von CHF 7'000.- überwiesen hat.

 

 

14.

Ervis Albanis hat die Kosten der amtlichen Verteidigung für das erstinstanzliche Verfahren (CHF 5'563.60) und das Berufungsverfahren (CHF 8'336.-) sowie die Untersuchung (dort insgesamt CHF 24'193.-) der Gerichtskasse zu erstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.

 

 

15.

Rechtsanwalt lic. iur. Harold Külling wird aus der Gerichtskasse für seine Bemühungen als unentgeltlicher Rechtsvertreter des Privatklägers Serhat Türkis bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens mit CHF 6'234.95 (inkl. MwSt.) entschädigt. Es wird vorgemerkt, dass die Gerichtskasse diese Ent­schädigung bereits ausbezahlt hat.

 

 

16.

Der Privatkläger Serhat Türkis hat die Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertre­tung gemäss Ziff. 15 hiervor der Gerichtskasse zu erstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Die finanzielle Situation des Privatklä­gers wird erstmals im Herbst 2022 überprüft.

 

 

17.

Schriftliche Mitteilung an:

 

[...]

 



 
Quelle: https://findinfo.gl.ch
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