Zusammenfassung des Urteils ZB.2020.6 (AG.2021.33): Appellationsgericht
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt entschied am 17. Dezember 2020 über ein Gesuch um Erlass der Gerichtskosten im Berufungsverfahren ZB.2020.6. Der Gesuchsteller, A____, wurde verpflichtet, die Gerichtskosten von CHF 900.- zu bezahlen, jedoch blieb die Zahlung aus. Nach mehreren Mahnungen und einem Schreiben des Gesuchstellers, in dem er seine finanzielle Situation darlegte, wurde über ein Gesuch um Erlass und Stundung der Gerichtskosten entschieden. Der Gesuchsteller wurde zurzeit arbeitslos und konnte die Gerichtskosten nicht aus seinem Einkommen bezahlen. Das Gesuch um Erlass der Gerichtskosten wurde abgelehnt, die Stundung der Kosten jedoch bewilligt, mit Ausnahme der Mahngebühr von CHF 40.-. Das Gericht verzichtete auf die Erhebung von Gerichtskosten für das Erlassverfahren.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | ZB.2020.6 (AG.2021.33) |
Instanz: | Appellationsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 17.12.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Getrenntleben |
Schlagwörter: | Gesuch; Gesuchsteller; Gerichtskosten; Erlass; Entscheid; Berufung; Berufungsverfahren; Rechtspflege; Rechtsmittel; Bezahlung; Stundung; Jenny; Appellationsgericht; Arbeit; Kommentar; Mittellosigkeit; Verfahren; Berufungsverfahrens; Mahngebühr; Frist; Bundesgericht; Betrag; Kontos; Eingabe; Gesuchstellers |
Rechtsnorm: | Art. 112 ZPO ;Art. 113 BGG ;Art. 42 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Einzelgericht |
ZB.2020.6
ENTSCHEID
vom 17. Dezember 2020
Mitwirkende
lic. iur. André Equey
und Gerichtsschreiberin MLaw Sabrina Gubler
Parteien
A____ Gesuchsteller
[...]
Gegenstand
Gesuch um Erlass der Gerichtskosten
betreffend das Berufungsverfahren ZB.2020.6
Sachverhalt
Mit Entscheid ZB.2020.6 vom 18. Juni 2020 setzte das Appellationsgericht zulasten von A____ (nachfolgend Gesuchsteller) im Rahmen der Regelung des Getrenntlebens die von ihm geschuldeten Unterhaltsbeiträge für den gemeinsamen Sohn mit B____ neu fest. Dem Gesuchsteller wurde mit dem Entscheid die unentgeltliche Rechtspflege für das Berufungsverfahren rückwirkend entzogen und es wurden ihm die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren von CHF 900.- auferlegt.
Die Gerichtskosten von CHF 900.- wurden dem Gesuchsteller mit Schreiben vom 6.Juli 2020 in Rechnung gestellt. Die Bezahlung der Gerichtskosten durch den Gesuchsteller blieb jedoch aus, weshalb er am 16. September 2020 zum ersten und am 4. November 2020 zum zweiten Mal gemahnt wurde. Zudem wurden dem Gesuchsteller mit der zweiten Mahnung Mahngebühren in der Höhe von CHF 40.- auferlegt.
Der Gesuchsteller wandte sich mit Schreiben vom 16. November 2020 an das Appellationsgericht. Darin führte er aus, es sei ihm aufgrund seiner finanziellen Situation nicht möglich, den ausstehenden Betrag von CHF 940.- zu begleichen. Der Gesuchsteller bittet um eine «Lösung [ ], um keine weiteren Kosten anfallen zu lassen». Er legte dem Schreiben eine Abrechnung über Arbeitslosentaggelder für den Monat Oktober 2020 bei. Mit Verfügung vom 19. November 2020 setzte der Verfahrensleiter dem Gesuchsteller Frist bis zum 4. Dezember 2020 zur Mitteilung des Stands seines Vermögens per 31. Oktober 2020, zur Nachreichung von Kopien von Kontoauszügen für den gesamten Monat Oktober 2020 aller seiner Bank- und Postkonten, insbesondere des Kontos [...] und des Kontos [...], sowie zur Nachreichung eines Belegs für die Saldierung des in der Eingabe seiner Ehefrau vom 13. Januar2020 erwähnten und gemäss seiner Eingabe vom 11. Februar 2020 vor drei bis vier Jahren saldierten Kontos [...]. Am 3. Dezember2020 reichte der Gesuchsteller ergänzende Dokumente ein.
Erwägungen
1.
Die Eingabe des Gesuchstellers vom 16. November 2020 wird als sinngemässes Gesuch um Erlass und eventualiter Stundung der Gerichtskosten entgegengenommen. Für den nachträglichen Erlass der Verfahrenskosten ist der Einzelrichter zuständig (§43 Abs. 3 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]). Ein Erlassgesuch kann gestellt werden, sobald der Entscheid über die Gerichtskosten in Rechtskraft erwachsen ist (Sterchi, in: Berner Kommentar, 2012, Art. 112 ZPO N 2). Der Entscheid des Appellationsgerichts vom 18. Juni 2020 ist rechtskräftig. Damit ist auf das Gesuch einzutreten.
2.
2.1 Gemäss Art. 112 Abs. 1 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO, SR272) können die Gerichtskosten gestundet bei andauernder Mittellosigkeit erlassen werden. Ein gesetzlicher Anspruch auf endgültigen Erlass besteht nicht, wird im Rahmen einer pflichtgemässen Ermessensausübung aber grundsätzlich dann bejaht, wenn die pflichtige Partei die Mittellosigkeit nachweist und sie nicht selbst verschuldet hat (AGE BEZ.2020.9 vom 21. Juli 2020 E. 2.1, DG.2018.31 vom 30. August 2018 E. 2.1, DG.2017.40 vom 22. November 2017 E. 2, DG.2017.10 vom 22.März 2017 E. 2, DG.2016.3 vom 11.April 2016 E. 2.1; vgl. Jenny, in: Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur ZPO, 3. Auflage, Zürich 2016, Art. 112 N 2). Von einer dauernden Mittellosigkeit ist nur mit grosser Zurückhaltung auszugehen. Zu prüfen ist, ob voraussichtlich die Gerichtskosten während der zehnjährigen Verjährungsfrist gemäss Art. 112 Abs. 2 ZPO nicht mehr bezahlt werden können (AGE BEZ.2020.9 vom 21. Juli 2020 E. 2.1, DG.2018.31 vom 30. August 2018 E. 2.1, DG.2017.40 vom 22. November 2017 E. 2, DG 2017.10 vom 22. März 2017 E. 2, DG.2016.3 vom 11.April 2016 E.2.1; vgl. Jenny, a.a.O., Art. 112 N 5; Urwiler/Grüter, in: Brunner et al. [Hrsg.], ZPO Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2016, Art. 112 N 4). Mit dem Gesuch um nachträglichen Erlass der Gerichtskosten dürfen sodann nicht die strengeren Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege, die im hängigen Verfahren zu beantragen ist, umgangen werden (AGE BEZ.2020.9 vom 21. Juli 2020 E.2.1, DG.2018.31 vom 30. August 2018 E. 2.1, DG.2017.40 vom 22. November 2017 E.2, DG.2017.10 vom 22. März 2017 E. 2, DG.2016.3 vom 11.April 2016 E.2.1; vgl. Jenny, a.a.O., Art. 112 N 2; Urwiler/Grüter, a.a.O., Art.112 N4). Der nachträgliche Erlass der Gerichtskosten setzt deshalb zusätzlich voraus, dass das Rechtsmittel nicht offensichtlich aussichtslos erscheint (AGE DG.2018.31 vom 30. August 2018 E. 2.1, DG.2016.18 vom 29.September2016 E.2, DG.2016.3 vom 11. April 2016 E.2.1; vgl. Jenny, a.a.O., Art. 112 N 2). Auch auf Stundung besteht kein gesetzlicher Anspruch (AGE DG.2018.31 vom 30.August 2018 E. 2.1; Jenny, a.a.O., Art. 112 N 2). Sie kann angebracht sein, wenn dadurch die Aussichten, nach Ablauf der Stundung eine vollständige Zahlung der Gerichtskosten zu erwirken, verbessert werden (AGE DG.2018.31 vom 30. August2018 E.2.1; Jenny, a.a.O., Art. 112 N 4) bzw. wenn die kostenpflichtige Partei glaubhaft macht, dass sie in vorübergehenden finanziellen Schwierigkeiten steckt (AGE DG.2018.31 vom 30.August 2018 E. 2.1; Rüegg/Rüegg, in: Basler Kommentar, 3.Auflage 2017, Art.112 ZPO N 1).
2.2 Der Entscheid im Berufungsverfahren ZB.2020.6 vom 18. Juni 2020 erging zu Lasten des Gesuchstellers. Es stellt sich daher vorab die Frage, ob die Berufung des Gesuchstellers nicht offensichtlich aussichtslos erschienen ist. Die fehlende Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren bzw. eines Rechtsmittels gemäss Art. 117 lit. b ZPO ist ex ante zu beurteilen, das heisst am Anfang des Verfahrens bzw. aufgrund der Verhältnisse im Zeitpunkt der Gesuchstellung (vgl. Emmel, in: Sutter-Somm et al. [Hrsg.], a.a.O., Art. 117 N 13, mit weiteren Hinweisen). Dem Gesuchsteller wurde zu Beginn des Berufungsverfahrens mit Verfügung vom 6. März 2020 die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. Mit Entscheid in der Hauptsache ZB.2020.6 vom 18. Juni2020 wurde dem Gesuchsteller die unentgeltliche Rechtspflege mit Advokatin [...] als unentgeltlicher Rechtsbeiständin für das Berufungsverfahren rückwirkend entzogen, da es ihm an einer prozessualen Bedürftigkeit fehlte (AGEZB.2020.6 vom 18.Juni 2020 Dispositiv Ziff. 4 und E. 6). Damit war das Rechtsmittel im für die Beurteilung der unentgeltlichen Rechtspflege massgebenden Zeitpunkt offensichtlich nicht aussichtslos, weshalb die rückwirkende Nichtgewährung der unentgeltlichen Rechtspflege dem nachträglichen Erlass der Gerichtskosten nicht grundsätzlich entgegensteht.
Der Gesuchsteller ist zurzeit arbeitslos. Sein durchschnittliches Nettoarbeitslosentaggeld beläuft sich auf CHF 4'069.- pro Monat. Sein betreibungsrechtliches Existenzminimum beträgt CHF 2'892.- (AGE ZB.2020.6 vom 18. Juni 2020 E. 4.1.1 und 4.4.2). Mit dem Entscheid vom 18. Juni 2020 wurde der Gesuchsteller verpflichtet, einen Kindesunterhaltsbeitrag von CHF 1'145.- zu bezahlen, und wurde die Arbeitslosenkasse angewiesen, diesen Betrag von der Arbeitslosenentschädigung abzuziehen. Damit ist der Gesuchsteller derzeit nicht in der Lage, die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens von CHF900.- aus seinem Einkommen zu bezahlen. Aufgrund der vom Gesuchsteller eingereichten Kontoauszüge ist es glaubhaft, dass er per 30.September 2020 über ein Vermögen von CHF 1'356.83 verfügte. Angesichts dessen, dass er mit seinem Einkommen nur knapp sein betreibungsrechtliches Existenzminimum decken kann, ist es ihm nicht zumutbar, dieses geringe Vermögen zur Bezahlung der Gerichtskosten zu verwenden (vgl. zur Berücksichtigung eines sogenannten Notgroschens bei der Prüfung der Mittellosigkeit als Voraussetzung der unentgeltlichen Rechtspflege AGE ZB.2016.39 vom 20. Juli 2017 E. 7.1.6). Der Gesuchsteller hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass er auch während der zehnjährigen Verjährungsfrist nicht in der Lage sein wird, die Gerichtskosten zu bezahlen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine realistische Chance besteht, dass er wieder eine Arbeit findet, mit der er ein Einkommen erzielen kann, das ihm die Bezahlung der Gerichtskosten ermöglicht.
2.3 Aus den vorstehenden Gründen ist das sinngemässe Gesuch um Erlass der Gerichtskosten abzuweisen und ist das sinngemässe Gesuch um Stundung der Gerichtskosten gutzuheissen. Für die Mahngebühr von CHF 40.- kann dem Gesuchsteller keine Stundung gewährt werden. Diese hätte er vermeiden können, indem er rechtzeitig ein Stundungsgesuch gestellt hätte. Zudem ist ihm die Bezahlung dieses geringfügigen Betrags aus seinem Vermögen ohne weiteres möglich und zumutbar. Zur Bezahlung der Mahngebühr wird dem Gesuchsteller eine Nachfrist von 30 Tagen ab Zustellung des vorliegenden Entscheids angesetzt. Umständehalber wird auf die Erhebung von Gerichtskosten für das vorliegende Erlassverfahren verzichtet.
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):
://: Das sinngemässe Gesuch von A____ vom 16. November 2020 um Erlass der Gerichtskosten des Berufungsverfahrens ZB.2020.6 von CHF 900.- wird abgewiesen.
Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens ZB.2020.6 von CHF 900.- werden A____ bis zum 31. Dezember 2021 gestundet.
A____ wird zur Bezahlung der Mahngebühr von CHF 40.- eine Nachfrist von 30 Tagen ab Zustellung des vorliegenden Entscheids angesetzt.
Auf die Erhebung von Gerichtskosten für das Erlassverfahren wird verzichtet.
Mitteilung an:
- Gesuchsteller
- Zentrales Rechnungswesen Gerichte
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Die Gerichtsschreiberin
MLaw Sabrina Gubler
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt dies nur dann, wenn der Streitwert die Beschwerdesumme gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a b BGG erreicht (CHF15'000.- bei Streitigkeiten aus Miete Arbeitsverhältnis bzw. CHF30'000.- in allen übrigen Fällen) wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.
Ob an Stelle der Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.
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