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Urteil Appellationsgericht (BS - ZB.2019.16 (AG.2019.433))

Zusammenfassung des Urteils ZB.2019.16 (AG.2019.433): Appellationsgericht

Die Mieterin hat einen Lagerraum gemietet und drohte, die Miete bei der Schlichtungsstelle zu hinterlegen, wenn Mängel nicht behoben werden. Die Vermieterin kündigte den Mietvertrag wegen Zahlungsrückstands, woraufhin das Zivilgericht die Räumung des Lagerraums anordnete. Die Mieterin legte Berufung ein und argumentierte, dass die Kündigung ungültig sei. Das Appellationsgericht entschied, dass die Kündigung aufgrund einer unzulässigen Hinterlegung der Miete nicht gerechtfertigt war. Die Vermieterin muss die Kosten tragen und der Mieterin eine Entschädigung zahlen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts ZB.2019.16 (AG.2019.433)

Kanton:BS
Fallnummer:ZB.2019.16 (AG.2019.433)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid ZB.2019.16 (AG.2019.433) vom 13.06.2019 (BS)
Datum:13.06.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Ausweisung Rechtsschutz in klaren Fällen
Schlagwörter: Mietzins; Miete; Mieter; Recht; Kündigung; Zahlung; Mietzinse; Hinterlegung; Zahlungsverzug; Vermieter; Berufung; Mieterin; Zivilgericht; Voraussetzung; Zahlungsverzugs; Voraussetzungen; Vermieterin; Bundesgericht; Kommentar; Entscheid; Auflage; Fälle; Mietzinshinterlegung; Frist; Mängel
Rechtsnorm: Art. 113 BGG ;Art. 257 ZPO ;Art. 257d OR ;Art. 259g OR ;Art. 259h OR ;Art. 3 ZGB ;Art. 42 BGG ;
Referenz BGE:125 III 120; 138 III 123; 138 III 620; 138 III 728; 144 III 346; 144 III 462;
Kommentar:
Sutter-Somm, Brunner, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Art. 257 OR ZPO, 2016

Entscheid des Verwaltungsgerichts ZB.2019.16 (AG.2019.433)

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Dreiergericht


ZB.2019.16


ENTSCHEID


vom 13. Juni2019



Mitwirkende


Dr. Olivier Steiner, Dr. Claudius Gelzer, lic. iur. André Equey

und Gerichtsschreiber PD Dr. Benedikt Seiler




Parteien


A____ Berufungsklägerin

[...]

vertreten durch B____, Advokat,

[...]

gegen


C____ Berufungsbeklagte

[...] Klägerin

vertreten durch D____, Advokat,

[...]


Gegenstand


Berufung gegen einen Entscheid des Zivilgerichts

vom 27. Februar 2019


betreffend Ausweisung



Sachverhalt


Mit Mietvertrag vom 19. September 2017 vermietete die C____ (Vermieterin und Berufungsbeklagte) der A____ (Mieterin und Berufungsklägerin) einen Lagerraum im 2. Untergeschoss an der [...] in Basel, dies zu einem monatlichen Bruttomietzins von CHF 450.-, zahlbar jeweils im Voraus auf den 1. des Monats. Am 25. September 2018 setzte die Mieterin der Vermieterin eine Frist zur Behebung von Mängeln und drohte ihr an, künftige Mietzinse bis zur Mängelbehebung bei der Staatlichen Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten (Schlichtungsstelle) zu hinterlegen. Die behaupteten Mängel wurden in der Folge nicht behoben. Am 2. November 2018 mahnte die Vermieterin die Mieterin für die Mietzinse der Monate Oktober und November 2018 und setzte ihr unter Androhung der Kündigung wegen Zahlungsverzugs eine letzte Frist von 30 Tagen zur Zahlung der ausstehenden Mietzinse. Am 5.und 8. November 2018 hinterlegte die Mieterin die Mietzinse für die Monate Oktober und November 2018 bei der Schlichtungsstelle. Mit Schreiben vom 12.Dezember 2018 kündigte die Vermieterin den Mietvertrag wegen Zahlungsrückstands per 31.Januar 2019.


Am 31. Januar 2019 ersuchte die Vermieterin beim Zivilgericht Basel-Stadt um Rechtsschutz in klaren Fällen und beantragte, es sei die Mieterin zu verurteilen, den gemieteten Lagerraum sofort zu verlassen; bei nicht fristgemässem Verlassen sei die Vermieterin zu ermächtigen, die amtliche Räumung zu verlangen. Mit Entscheid vom 27. Februar 2019 wies das Zivilgericht die Mieterin an, den Lagerraum bis spätestens 15. März 2019, 11.30 Uhr, zu räumen. Zugleich wurde ihr angedroht, dass widrigenfalls der Vermieterin die Ermächtigung zur Räumung erteilt werde. Der schriftlich begründete Entscheid wurde der Mieterin am 30. April 2019 zugestellt.


Dagegen hat die Mieterin am 10. Mai 2019 Berufung beim Appellationsgericht erhoben. Darin verlangt sie die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und das Nichteintreten auf das Gesuch der Vermieterin um Rechtsschutz in klaren Fällen. Mit Berufungsantwort vom 3. Juni 2019 beantragt die Vermieterin die Abweisung der Berufung. Die Akten des Zivilgerichts sind beigezogen worden. Der vorliegende Entscheid ist auf dem Zirkulationsweg ergangen.



Erwägungen


1. Formelles

Erstinstanzliche End- und Zwischenentscheide in vermögensrechtlichen Angelegenheiten unterliegen der Berufung, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens CHF10'000.- beträgt (Art.308 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO, SR272]). Angefochten ist ein Entscheid des Zivilgerichts betreffend Ausweisung aus Mieträumen und somit ein erstinstanzlicher Endentscheid in vermögensrechtlichen Angelegenheiten. In Ausweisungsverfahren, bei denen die Beendigung des Mietverhältnisses ebenfalls Streitgegenstand ist und deren Unzulässigkeit eine Kündigungssperrfrist von drei Jahren (Art.271a Abs.1 lit.e des Obligationenrechts [OR, SR220]) auslösen würde, entspricht der Streitwert dem Mietwert für drei Jahre (BGE 144 III 346 E. 1.2.2 S.347-349). Dies gilt für das Rechtsmittelverfahren selbst dann, wenn mögliche Nichtigkeits- Unwirksamkeitsgründe erstinstanzlich nicht geltend gemacht worden sind, zumal Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsgründe von Amtes wegen zu prüfen sind, also auch wenn der Mieter dies nicht nur ansatzweise moniert (AGEZB.2018.4 vom 15.Februar 2018 E.1.1 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall, in welchem die Mieterin (auch) die Gültigkeit der Beendigung des Mietverhältnisses bestreitet, beträgt der monatliche Bruttomietzins CHF 450.-. Unter Berücksichtigung der dreijährigen Kündigungssperrfrist wird der für die Berufung notwendige Streitwert von CHF 10'000.- (36 Monate à CHF 450.- = CHF16200.-) erreicht.


Die Berufung ist rechtzeitig und formgerecht erhoben worden. Auf die Berufung ist deshalb einzutreten. Für deren Beurteilung ist das Dreiergericht des Appellationsgerichts zuständig (§92 Abs.1 Ziff.6 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG154.100]).



2. Zivilgerichtsentscheid und Standpunkte der Parteien

2.1 Das Zivilgericht stellt im angefochtenen Entscheid zunächst die Voraussetzungen des Rechtsschutzes in klaren Fällen dar (angefochtener Entscheid, E. 2.1). Es führt sodann aus, dass die Anfechtung der Kündigung einer Ausweisung im Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fällen nicht entgegenstehe (E. 2.2). Es stellt im Weiteren fest, dass die Voraussetzungen der Kündigung wegen Zahlungsverzugs im vorliegenden Fall grundsätzlich erfüllt seien (E. 2.3). Im Kern des Zivilgerichtsentscheids steht die Frage, ob die Mieterin durch die Hinterlegung der Mietzinse am 5.und 8. November 2018 bei der Schlichtungsstelle die Mietzinse Oktober und November 2018 getilgt hat und sich somit im Zeitpunkt der Kündigung vom 12. Dezember 2018 nicht im Zahlungsverzug befand (E. 2.4). In diesem Zusammenhang prüft das Zivilgericht, ob die Mieterin die gesetzlichen Voraussetzungen einer wirksamen Hinterlegung erfüllt hat, so die Ansetzung einer Frist zu Mängelbehebung, die Androhung der Hinterlegung, die Nichtbeseitigung der Mängel und die Hinterlegung der Mietzinse (E. 2.5). Die weitere gesetzliche Voraussetzung einer wirksamen Hinterlegung - die Hinterlegung künftig fällig werdender Mietzinse - habe die Mieterin nicht erfüllt, so dass die Hinterlegung der Mietzinse sie nicht von ihrer Zahlungspflicht befreit habe (E. 2.6). Den diesbezüglichen Einwand der Mieterin - bei gutgläubiger Hinterlegung sei eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs durch die Vermieterin nicht zulässig - erachtet das Zivilgericht als unzutreffend (E.2.7). Schliesslich lägen auch keine Hinweise dafür vor, dass die vorliegende Kündigung wegen Zahlungsverzugs ausnahmsweise missbräuchlich sei, so dass die Kündigung vom 12.Dezember 2018 als klar berechtigt erscheine und die Mieterin verpflichtet sei, den gemieteten Lagerraum zu räumen (E. 2.8 und 2.9).

2.2 Die Mieterin kritisiert in ihrer Berufung, das Zivilgericht habe zu Unrecht eine klare Rechtslage bejaht, und zwar in Bezug auf die Frage, ob bei einer unzulässigen, aber gutgläubigen Hinterlegung der Mietzinse ein Zahlungsverzug anzunehmen sei, der den Vermieter zur ausserordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs berechtigte. Die Mieterin ist der Auffassung, das Zivilgericht habe nicht ohne weiteres und mit klarem Ergebnis annehmen dürfen, dass bei formell verspäteter Hinterlegung von Mietzinsen der Vermieterin das Recht zur Kündigung wegen Zahlungsverzugs zustehe (Berufung, Rz 6). Alle vom Zivilgericht zitierten Bundesgerichtsentscheide und Literaturstellen äusserten sich unter anderen Sachverhaltsvoraussetzungen zu dieser Frage. Sie beschlügen die unmassgebliche Frage, wann auf eine Androhung der Hinterlegung verzichtet werden könne und ob die Gutgläubigkeit des Mieters eine Rolle spiele (Polivka, Bundesgerichtsentscheid vom 3. Dezember 2003 [4C.264/2003] i.S. X. SA ca. A., B. und C., in:MRA 2004, S. 10), die Frage, ob es bei der Hinterlegung genüge, dass der Mieter gutgläubig von einem Mangel ausgehe (Higi, Bundesgerichtsentscheid 4C.325/1998, in:AJP 1999, S.890, 893). Das Zivilgericht argumentiere also nicht mit einer gefestigten Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt im Rücken, sondern mittels einfachem Umkehrschluss aus Art. 259g Abs. 2 OR; es führe aus, dass wenn mit der Hinterlegung die Mietzinse nach dieser Bestimmung als bezahlt gälten, im Umkehrschluss bei formell nicht korrekt hinterlegten Mietzinsen weiterhin ein Zahlungsverzug bestehe und damit eine Kündigung nach Art. 257d OR zulässig sei (Rz 7 und 8).


Diese Begründung sei - so die Mieterin - abzulehnen. Ratio legis von Art. 259g Abs.2 OR sei der Schutz des Mieters vor einer Zahlungsverzugskündigung, wenn er den Mietzins nicht an den Vermieter, sondern an die Schlichtungsstelle zahle. Die Bestimmung normiere aber keine Rechtsfolgen einer nicht rechtmässigen Hinterlegung. Die Rechtsfolgen seien in Art. 259h OR geregelt: Falls der Mieter seine Ansprüche nicht rechtzeitig geltend mache, falle der Mietzins dem Vermieter zu; sodann könne dieser die Herausgabe der zu Unrecht hinterlegten Mietzinse verlangen. Eine andere Rechtsfolge sehe das Gesetz für nicht rechtmässig hinterlegte Mietzinse nicht vor (Rz 9). Mit Hinweis auf Weber (Basler Kommentar, 6. Auflage 2015, Art.259g OR N 14) macht die Mieterin geltend, eine nicht rechtmässige Hinterlegung berechtige den Vermieter nicht ohne weiteres zur Kündigung wegen Zahlungsverzugs, da auch zu Unrecht hinterlegte Mietzinse letztlich dem Vermieter zufielen (Rz 10).


Die Schlüssigkeit dieser Argumentation zeige sich - so die Mieterin weiter - auch im vorliegenden Fall: Im Zeitpunkt der Kündigung vom 12.Dezember 2018 seien die angemahnten Mietzinse für Oktober und November 2018 bereits seit einem Monat bei der Schlichtungsstelle bezahlt gewesen und die Vermieterin hätte diese von der Schlichtungsstelle jederzeit herausverlangen können, wenn sie die Hinterlegung als unrechtmässig erachtet hätte (Rz 11). Im vorliegenden Fall sei es gar so, dass die hinterlegten Mietzinse bereits vor der Kündigung vom 12.Dezember 2018 der Vermieterin zugefallen seien, weil die Mieterin nicht innert 30 Tagen seit Fälligkeit des ersten hinterlegten Mietzinses ihre Ansprüche geltend gemacht habe. Im Zeitpunkt der Kündigung habe somit gar kein Zahlungsverzug bestanden (Rz 12). Schliesslich könne es nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, einen hinterlegenden Mieter schlechter zu stellen als einen Mieter, der nicht hinterlege und in den vollen Genuss der Zahlungsfrist gemäss Art. 257d OR komme (Rz 13).


2.3 Die Vermieterin führt aus, das Zivilgericht habe zu Recht angenommen, dass ein Zahlungsausstand sowohl im Zeitpunkt der Kündigungsandrohung als auch im Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen habe und dass die Mieterin in diesem Zeitraum keine gültige Hinterlegung der Mietzinse vorgenommen habe (Berufungsantwort, Rz10). Sie legt sodann dar, dass die Mieterin vorbringe, die Kündigung sei trotz ungültiger Hinterlegung anfechtbar. Allerdings habe die Mieterin die Kündigung nicht als missbräuchlich angefochten, sondern einzig die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung verlangt. Die Anfechtung wegen Missbräuchlichkeit und die Unwirksamkeit der Kündigung seien aber zwei verschiedene Paar Schuhe. Die Umdeutung des Schlichtungsbegehrens um Feststellung der Unwirksamkeit in ein Begehren um Missbräuchlicherklärung sei ausgeschlossen. Mangels rechtzeitiger Anfechtung sei die Frage der Missbräuchlichkeit der Kündigung hinfällig. Das Zivilgericht habe die Frage der Missbräuchlichkeit gar nicht mehr prüfen dürfen. Somit seien keine Gründe ersichtlich, die an der Gültigkeit der Kündigung zweifeln liessen (Rz 11-16).

3. Voraussetzungen des Rechtsschutzes in klaren Fällen

3.1 Das Zivilgericht hat das vorliegende Ausweisungsbegehren im Verfahren nach Art.257 ZPO (Rechtsschutz in klaren Fällen) beurteilt. Der Rechtsschutz in klaren Fällen setzt gemäss Abs.1 dieser Bestimmung voraus, dass der Sachverhalt unbestritten sofort beweisbar ist (lit.a) und dass die Rechtslage klar ist (lit.b). Sofort beweisbar ist der Sachverhalt dann, wenn er ohne zeitliche Verzögerung und ohne besonderen Aufwand nachgewiesen werden kann. Der Kläger hat in der Regel durch Urkunden den vollen Beweis der anspruchsbegründenden Tatsachen zu erbringen. Bestreitet der Beklagte die Tatsachen, genügt es, wenn er substantiiert und schlüssig Einwendungen vorträgt, die in tatsächlicher Hinsicht nicht sofort widerlegt werden können und die geeignet sind, die aufgrund der Aktenlage gebildete gerichtliche Überzeugung zu erschüttern. Glaubhaftmachung ist dazu nicht erforderlich, doch reichen offensichtlich unbegründete haltlose Bestreitungen nicht aus, um einen an sich bewiesenen Sachverhalt als illiquid erscheinen zu lassen (BGE 138 III 620 E.5.1.1 S.621ff.).


Die Rechtslage ist klar, wenn sich die Rechtsfolge bei der Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung von Lehre und Rechtsprechung ohne weiteres ergibt und damit die Rechtsanwendung zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Dagegen ist die Rechtslage in der Regel nicht klar, wenn die Anwendung einer Norm einen Ermessens- Billigkeitsentscheid des Gerichts mit wertender Berücksichtigung der gesamten Umstände erfordert, wie dies namentlich bei der Beurteilung von Treu und Glauben zutrifft (BGE 138 III 123 E. 2.1.2 S. 126; BGE 138 III 728 E. 3.3 S.734). Eine klare Rechtslage ist dann anzunehmen, wenn vernünftigerweise nur ein Schluss gezogen werden kann, mithin das Gericht, würde es anders entscheiden, in Willkür verfallen würde (Güngerich, in: Berner Kommentar, Bern 2012, Art. 257 ZPO N 10). Die klare Rechtlage wird auch dahingehend umschrieben, dass über die Bedeutung der anzuwendenden Rechtsvorschrift keinerlei jedenfalls keine begründeten Zweifel bestehen (Sutter-Somm/Lötscher, in: Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3.Auflage 2016, Art.257 N9; Göksu, in: Brunner et al. [Hrsg.], Kommentar ZPO, 2.Auflage 2016, Art.257 N11). Klares Recht ist dabei nicht zwingend auf Fälle beschränkt, wo der Wortlaut die genaue Bedeutung einer Norm wiedergibt. Auch ausgelegte Bestimmungen können klares Recht sein, solange die Gesetzesinterpretation bewährter Lehre und Rechtsprechung entspricht (Göksu a.a.O., Art. 257 N 11; Hofmann, in: Basler Kommentar, 3.Auflage 2017, Art.257 ZPO N 11). Stellen sich heikle Rechtsfragen, zu welchen keine einschlägige Gerichtspraxis besteht und/oder welche in der Lehre kontrovers diskutiert werden, liegt kein klarer Fall im Sinn von Art. 257 ZPO vor mit der Folge, dass die ansprechende Partei auf den ordentlichen Prozessweg zu verweisen ist (Göksu a. a. O., Art. 257 N 11; Sutter-Somm/Lötscher, a. a. O., Art.257 N 9).


Soweit die Gültigkeit der Kündigung des Mietvertrags im Ausweisungsverfahren als Vorfrage zu prüfen ist, beziehen sich die Voraussetzungen von Art.257 Abs.1 ZPO gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch darauf. Sind sie nicht erfüllt und kann der Rechtsschutz in klaren Fällen deshalb nicht gewährt werden, kann gemäss Art. 257 Abs.3 ZPO auf das Ausweisungsgesuch nicht eingetreten werden (BGE 141 III262 E.3.2 S.265; BGE 144 III 462 E. 3.3.1 S. 466).


3.2 Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob das Zivilgericht zu Recht eine klare Rechtslage bejaht hat in Bezug auf die Frage, ob bei einer unzulässigen, aber gutgläubigen Hinterlegung der Mietzinse durch den Mieter der Vermieter das Mietverhältnis ausserordentlich kündigen darf. Die Frage ist dabei zweitgeteilt: Zum einen geht es um die Frage, ob in der geschilderten Situation klarerweise ein Zahlungsverzug anzunehmen ist, der den Vermieter grundsätzlich zur ausserordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs berechtigt (so auch Berufung, Rz 6). Zum anderen geht es um die Frage, ob eine derartige ausserordentliche Kündigung allenfalls missbräuchlich ist (vgl. nachfolgende E. 4 und 5).



4. Voraussetzungen der Wirksamkeit der ausserordentlichen Kündigung

wegen Zahlungsverzugs


4.1 Die Mieterin macht geltend, die Rechtsprechung des Bundesgerichts äussere sich nicht zur vorliegend massgeblichen Frage, ob eine unzulässige, aber gutgläubige Hinterlegung der Mietzinse durch die Mieterin einen Zahlungsverzug darstelle, der die Vermieterin grundsätzlich zur ausserordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs berechtige (Berufung, Rz 7).


Das Bundesgericht hatte im vom Zivilgericht und von der Mieterin genannten BGer 4A.264/2003 die Frage zu entscheiden, ob sich die Mieter, welche die formellen Voraussetzungen der Mietzinshinterlegung (Aufforderung zur Mängelbehebung und Androhung der Hinterlegung) nicht erfüllt hatten und sich deshalb im Zahlungsverzug befanden, auf ihren guten Glauben berufen könnten, der eine Zahlungsverzugskündigung unzulässig mache. Das Bundesgericht hielt Folgendes fest: Nach Art. 259g Abs. 1 OR kann der Mieter, der die Behebung eines Mangels verlangt, dem Vermieter dafür schriftlich eine angemessene Frist setzen und kann ihm androhen, dass er bei unbenütztem Ablauf der Frist die zukünftig fällig werdenden Mietzinse bei einer vom Kanton bezeichneten Stelle hinterlegen wird. Der Mieter muss dem Vermieter die Hinterlegung der Mietzinse schriftlich ankündigen. Nach der herrschenden Lehre stellt diese Bestimmung für die Gültigkeit der Hinterlegung die beiden folgenden kumulativen Voraussetzungen auf: Zum einen muss der Mieter vom Vermieter schriftlich die Behebung des Mangels unter Ansetzung einer angemessenen Frist verlangen; zum anderen muss er ihm schriftlich die Mietzinshinterlegung androhen, falls der Mangel innert der angesetzten Frist nicht behoben wird. Demgegenüber wird die Pflicht zur schriftlichen Anzeige des Mieters an den Vermieter, wonach die Mietzinse tatsächlich hinterlegt worden sind bzw. diese hinterlegt werden, im Allgemeinen als Ordnungsvorschrift betrachtet (BGer 4A.264/2003 vom 3. Dezember 2003 E. 3.1 mit Hinweisen). Im vom Bundesgericht beurteilten Fall waren die formellen Voraussetzungen von Art. 259g Abs. 1 OR (Aufforderung zur Mängelbehebung und Androhung der Hinterlegung) nicht erfüllt (E.3.2).

Das Bundesgericht hielt im Weiteren fest, dass die Mietzinshinterlegung unter diesen Umständen keine befreiende Wirkung zeitigen konnte, so dass sich die Mieter mit ihren Mietzinszahlungen im Verzug befunden hätten. Zum Einwand der Mieter, dass eine ausserordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs diesfalls nicht zulässig sei, wenn die Mieter gutgläubig gewesen seien, führte das Bundesgericht Folgendes aus (E. 3.3 [Übersetzung aus MRA 2004, S. 10, 14-16]):

Diesen Befund bestreiten die Kläger im Rahmen der Berufung mit einer Eventualbegründung. Unter Hinweis auf einen Teil der Lehre machen sie geltend, dass eine auf Art. 257d Abs. 2 OR gestützte ausserordentliche Kündigung ungeachtet der Frage, ob die formellen die materiellen Voraussetzungen einer Mietzinshinterlegung nicht erfüllt sind, nicht zulässig sei, wenn der Mieter gutgläubig gehandelt habe.

Die von den Klägern für ihre Haltung angerufenen Autoren vertreten offensichtlich nicht die Ansicht, wonach auch eine formell ungültige Mietzinshinterlegung eine befreiende Wirkung habe. Roger Weber (Basler Kommentar, 3. Auflage, N. 10 zu Art. 257d OR und N. 14 zu Art.259g OR) bezieht sich auf den publizierten BGE 125 III 120 E. 2b, der die von Peter Zihlmann in der zweiten Auflage seines Kommentars vertretene Auffassung aufnimmt. Wie sich aus dem Text des Urteils und der Regeste klar ergibt, ging es darin lediglich um die materiellen Voraussetzungen der Mietzinshinterlegung. Die 1. Zivilkammer hielt ausdrücklich fest, dass die Mieter die formellen Voraussetzungen der Mietzinshinterlegung erfüllt hatten (E. 2 S.121). Aufgrund dieser Ausgangslage hielt sie in Übereinstimmung mit dem vorgenannten Autor und mit anderen Mietrechtsspezialisten dafür, dass der Mieter, der gutgläubig vom Vorliegen eines Mangels ausgeht, den er weder zu beheben, noch zu erdulden hat, die Mietzinse mit befreiender Wirkung hinterlegen kann, so dass eine auf Art. 257d OR gestützte ausserordentliche Kündigung ungültig ist (E. 2b mit weiteren Verweisen). Zudem bezieht sich Roger Weber zur Bestätigung seiner Meinung auf die von Peter Higi im Zusammenhang mit dem erwähnten Entscheid vertretene Ansicht (AJP 1999 S. 890 ff.). Dieser letztere Autor führt unter den Gründen, die zum Zahlungsverzug des Mieters und damit in jedem Fall zur Kündigungsberechtigung des Vermieters ("und eine Kündigung i.S.v. Art. 257d OR als problemlos erscheinen lassen") führen, die formell ungültige Mietzinshinterlegung an (S. 893 Ziff. 4a). Auch der zweite von den Klägern zitierte Autor (Lachat, S. 186 Ziff. 7.5.12.) scheint keine andere Auffassung als Weber/Zihlmann zu vertreten, auf welche er sich in seinem Werk zum Mietrecht bezieht (S.186 Fn. 143). Schliesslich vertrat der fragliche Autor, als er sich zum letzten Mal zur vorliegenden Problematik äusserte, eine andere als die von den Klägern vertretene Auffassung. Aus der Feder von David Lachat ist in dem im Jahre 2003 herausgegebenen Commentaire romand zu lesen: "... le locataire qui consigne le loyer sans respecter les conditions de CO 259g I ou qui manifestement agit de mauvaise foi s'expose à la résiliation du bail (CO 257d II) ..." (N. 8 zu Art. 259g OR). Auch im Übrigen findet die von den Klägern vertretene These in der Mietrechtsliteratur, soweit sie sich zur vorliegenden Problemstellung äussert, keinen Rückhalt (vgl. SVIT-Kommentar, N. 25 zu Art. 259g OR; Richard Permann/Marc Schaner, Kommentar zum Mietrecht, Ausgabe 1999, N. 9 zu Art. 259g OR; Lachat/Stoll/Brunner, a.a.O., S. 169 Fn. 145; Terrapon, a.a.O., S. 8 Fn. 5; Wey, a.a.O., S. 109 Fn. 458; siehe auch:Theo Guhl/Alfred Koller, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Auflage, S. 436 N.140).

An dieser Stelle sei in Erinnerung gerufen, dass immer dann, wenn das Gesetz die gültige Ausübung eines Rechts an die Einhaltung von Formvorschriften knüpft, der gute Glaube desjenigen, der das Recht ausübt, die Nichtbeachtung der Formvorschriften nicht zu rechtfertigen vermag. Vorbehalten bleibt das Verbot des überspitzten Formalismus' und des Rechtsmissbrauchs. Das gilt auch für das hier behandelte Gebiet. Die Mietzinshinterlegung wurde als Druckmittel auf den Vermieter konzipiert, um diesen zur Mängelbehebung zu veranlassen (BGE 125 III 120 E. 2b S. 122). Der Mieter, der von diesem Druckmittel Gebrauch machen will, hat die dafür vorgesehenen gesetzlichen Formen zu respektieren. Da jedermann das Gesetz zu kennen hat, kann nicht gutgläubig die Unkenntnis der sich aus Art. 259g Abs. 1 OR ergebenden Erfordernisse geltend gemacht werden, die auch den Vermieter gegen ein fait accompli des Mieters schützen soll. Es ist somit logisch, dass sich letzterer der Gefahr der Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsrückstand aussetzt, wenn er sich auf die Hinterlegung der Mietzinse beschränkt, ohne die dafür vom Gesetz aufgestellten formellen Voraussetzungen zu beachten. Handkehrum ist der Mieter, der diese formellen Voraussetzungen einhält und die Mietzinse hinterlegt im guten Glauben über das Vorliegen eines Mangels, der vom Vermieter zu beheben ist, in seinem guten Glauben zu schützen.

Auf den vorliegenden Fall angewendet, führen diese Grundsätze zur Ablehnung der von den Klägern vorgetragenen Auffassung.

Der vorliegend zu beurteilende Fall unterscheidet sich vom zitierten Bundesgerichtsentscheid in einem Punkt: In BGer 4C.264/2003 hatten die Mieter die beiden formellen Voraussetzungen von Art. 259g Abs. 1 OR (Aufforderung zur Mängelbehebung und Androhung der Hinterlegung) nicht erfüllt. Im vorliegenden Fall hat die Mieterin nicht diese beiden formellen Voraussetzungen, sondern die ebenfalls in Art. 259g Abs. 1 OR genannte materielle Voraussetzung nicht erfüllt, wonach nur künftig fällig werdende Mietzinse hinterlegt werden dürfen. Es fragt sich, ob dieser Unterschied die Übertragung der in BGer 4C.264/2003 dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall in Frage stellt.

4.2 In der Mietrechtsliteratur wird die Auffassung vertreten, dass die Grundsätze von BGer 4C.264/2003 auf den Fall übertragbar sind, in welchem der Mieter - wie im vorliegenden Fall - bereits fällige Mietzinse (und nicht künftig fällig werdende Mietzinse) hinterlegt. Polivka führt in seiner Kommentierung zu BGer 4C.264/2003 Folgendes aus (Polivka, Bundesgerichtsentscheid vom 3. Dezember 2003 [4C.264/2003] i.S. X. SA ca. A., B. und C., in:MRA 2004, S. 10, 17):

Sowohl in BGE 125 III 120 als auch im vorliegenden Fall unerwähnt bleibt die andere in Art.259g Abs. 1 OR vorgesehene materielle Voraussetzung der Mietzinshinterlegung, wonach nur zukünftig fällig werdende Mietzinse deponiert werden dürfen. Genügt die Mietzinshinterlegung dieser Anforderung nicht, ist sie nicht gültig erfolgt (vgl. AJP/PJA 7/1999, S. 839). Abgesehen davon, dass auch hier die vorstehenden Überlegungen Geltung beanspruchen können, die einer Berücksichtigung des guten Glaubens auf Seiten des Mieters entgegenstehen, ist insbesondere mit Blick auf Art. 3 Abs. 2 ZGB nicht ersichtlich, inwieweit die Berufung auf den guten Glauben zu hören sein könnte. Gemäss der vorgenannten Bestimmung ist die Berufung auf den guten Glauben ausgeschlossen, wenn die betreffende Person bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihr erwartet werden darf, nicht gutgläubig sein konnte. Da Unklarheiten bezüglich der Fälligkeit der Mietzinse erst recht kaum je gegeben sein dürften, kann sich der Mieter regelässig nicht erfolgreich auf den guten Glauben berufen.

In der Literatur besteht im Allgemeinen Einigkeit darüber, dass im Einklang mit dem Wortlaut von Art.259g Abs. 1 OR nur künftig fällig werdende Mietzinse hinterlegt werden dürfen und dass die Hinterlegung bereits fälliger Mietzinse einen Zahlungsverzug im Sinn von Art. 257d OR begründet; wird ein verfallener Mietzins hinterlegt, so tritt die befreiende Wirkung von Art. 259g Abs. 2 OR nicht ein (Higi/Bühlmann/ Wildisen, in: Zürcher Kommentar, 5. Auflage 2019, Art. 259g OR N 57 und 58; SVIT-Kommentar, 4.Auflage 2018, Art. 259g OR N 25 und 40; Hulliger/Heinrich, in: Müller-Chen/Huguenin [Hrsg.], Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3.Auflage 2016, Art.259 g-i OR N7; Weber, in: Basler Kommentar, 6.Auflage 2015, Art.259g OR N10 und 14; Rohrer, in: Müller [Hrsg.], Wohn- und Geschäftsraummiete 2015, N 5.101).


Allerdings wird in der Lehre und Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass zwar ein Zahlungsverzug vorliege, die Hinterlegung des fälligen Mietzinses aber nicht zur Kündigung wegen Zahlungsverzugs berechtige: Gemäss Higi/Bühlmann/Wildisen kann die Hinterlegung eines bereits fälligen Mietzinses, die aber noch während der dreissigtägigen Zahlungsfrist von Art.257d OR erfolgt, insofern eine Wirkung entfalten, als dieser Mietzins zwar als verspätet, aber noch innert der Frist von Art. 257d OR als bezahlt gilt (Higi/Bühlmann/Wildisen, a. a. O., Art. 259g OR N58). Sie verweisen auf ein Urteil der Cour de Justice des Kantons Genf vom 10. Mai 2004, welches festhält, dass kein Grund ersichtlich sei, den Mieter, der den Mietzins verspätet hinterlege, anders zu behandeln als denjenigen, der den Mietzins zu spät, aber noch innert der Zahlungsfrist von Art.257d Abs. 1, bezahle (mp 2005, S. 277, 279). Zur Rechtsfolge einer solchen Hinterlegung äussern sich die genannten Autoren wie folgt: Wird ein verfallener Mietzins hinterlegt, so treten die Wirkungen gemäss Abs. 2 von Art. 259g nicht ein [ ]. Die Hinterlegung eines verfallenen Mietzinses, die aber noch während der dreissigtägigen Zahlungsfrist [ ] erfolgt, kann insofern eine Wirkung entfalten, als dieser Mietzins zwar als verspätet aber noch innert Frist von Art.257d als bezahlt gilt, was wiederum eine gültige ausserordentliche Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzugs ausschliesst (Higi/Bühlmann/Wildisen, a.a. O., Art.259g OR N58). Diese Autoren sind somit dahingehend zu verstehen, dass eine solche Kündigung nicht bloss anfechtbar, sondern unwirksam ist. Ähnlich argumentiert Permann, wenn er festhält, dass der Schutz der Zahlungsfiktion von Art.259g OR dahinfalle, wenn sich im Nachhinein herausstelle, dass eine der Voraussetzungen der Hinterlegung nicht bestanden habe; allerdings gewähre eine im Nachhinein als unrechtmässig festgestellte Hinterlegung dem Vermieter nicht das Recht, ohne weiteres eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs gemäss Art.257d OR auszusprechen (Permann, in: Orell Füssli Kommentar zum Mietrecht, 2.Auflage 2007, Art.259g N20; vgl. auch Weber, a. a. O., Art259g OR N14).


4.3 Zusammenfassend ist festzustellen, dass in Lehre und Rechtsprechung unbestritten ist, dass gemäss Art.259g Abs. 1 OR nur künftig fällig werdende Mietzinse hinterlegt werden dürfen und dass die Hinterlegung bereits fälliger Mietzinse einen Zahlungsverzug im Sinn von Art. 257d OR begründet. Das Bundesgericht hat sodann entschieden, dass eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs zulässig ist, wenn der Mieter die formellen Voraussetzungen von Art. 259g Abs. 1 OR (Aufforderung zur Mängelbehebung und Androhung der Hinterlegung) nicht erfüllt - unabhängig davon, ob der Mieter gutgläubig gehandelt hat nicht (BGer 4C.264/2003). In der Literatur vertritt Polivka die Auffassung, dass die Grundsätze von BGer 4C.264/2003 auf den Fall übertragbar sind, in welchem der Mieter - wie im vorliegenden Fall - die materielle Voraussetzung von Art. 259g Abs. 2 OR (Hinterlegung künftig fällig werdender Mietzinse) nicht erfüllt. Wenn der Mieter also bereits fällige Mietzinse hinterlege, sei eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs zulässig, unabhängig davon, ob der Mieter diesbezüglich gutgläubig sei nicht (vgl. obige E. 4.1 und 4.2 am Anfang).

In der Lehre und Rechtsprechung wird daneben auch die Auffassung vertreten, dass die Hinterlegung eines bereits fälligen Mietzinses zwar keine befreiende Wirkung im Sinn von Art. 259g OR habe. Eine solche Hinterlegung entfalte aber insofern Wirkung, als dieser Mietzins zwar als verspätet, aber noch innert der Frist von Art.257d OR als bezahlt gelte, was wiederum eine wirksame Kündigung wegen Zahlungsverzugs ausschliesse. Es sei kein Grund ersichtlich, den Mieter, der den Mietzins verspätet hinterlege, anders zu behandeln als den Mieter, der den Mietzins zu spät, aber noch innert der Zahlungsfrist von Art.257d Abs. 1 bezahle (vgl. obige E. 4.2 am Ende).


Unter diesen Umständen bestehen in der vorliegenden Fallkonstellation gewisse Zweifel an der Rechtslage: Die Rechtsfolge - Wirksamkeit der Zahlungsverzugskündigung - ergibt sich nämlich nicht ohne weiteres bei der Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung von Lehre und Rechtsprechung. Die Rechtsanwendung führt mit anderem Worten nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Das Zivilgericht hat somit eine klare Rechtslage im vorliegenden Fall zu Unrecht bejaht.



5. Voraussetzungen der Anfechtbarkeit der ausserordentlichen Kündigung

wegen Zahlungsverzugs


Wie in der obigen Erwägung 4 dargelegt wurde, besteht keine klare Rechtslage in Bezug auf die Frage, ob bei einer gutgläubigen Hinterlegung bereits verfallener Mietzinse durch die Mieterin ein Zahlungsverzug vorliegt, der die Vermieterin zur ausserordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs berechtigt ob eine solche Kündigung unwirksam ist. Es braucht deshalb nicht geprüft zu werden, ob bezüglich der weiteren Frage, ob eine derartige ausserordentliche Kündigung allenfalls missbräuchlich ist, eine klare Sach- und Rechtslage besteht.

6. Sachentscheid und Kostenentscheid

6.1 Aus diesen Erwägungen folgt, dass das Zivilgericht zu Unrecht einen klaren Fall im Sinn von Art. 257 ZPO angenommen und die Zulässigkeit der ausserordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs bejaht hat. Die Berufung gegen den Zivilgerichtsentscheid vom 27. Februar 2019 ist folglich gutzuheissen und auf das Gesuch der Vermieterin um Rechtsschutz in klaren Fällen ist nicht einzutreten.

6.2 Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Vermieterin die Prozesskosten des erstinstanzlichen und des zweitinstanzlichen Verfahrens (Art.106 Abs.1 ZPO).


Die Gerichtskosten im Ausweisungsverfahren betragen sowohl im erstinstanzlichen als auch im zweitinstanzlichen Verfahren jeweils CHF600.- (§10 Abs2 Ziffer11 und §12 Abs.1 des Gerichtsgebührenreglements [GGR, SG154.810]). Die Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren beträgt CHF500.- (vgl. angefochtener Entscheid, E. 4 am Ende). Für das zweitinstanzliche Verfahren wird die Parteientschädigung mit CHF 800.- festgesetzt, dies mit Blick auf den Umstand, dass das Berufungsverfahren im Gegensatz zum erstinstanzlichen Verfahren schriftlich geführt wurde (vgl. § 4 Abs. 1 und 2 der Honorarordnung [HO, SG 291.400] in Verbindung mit § 10 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 HO).



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):


://: Die Berufung wird gutgeheissen und der Entscheid des Zivilgerichts vom 27.Februar 2019 (RB.2019.20) wird aufgehoben.


Auf das Gesuch der Berufungsbeklagten vom 31.Januar 2019 wird nicht eingetreten.


Die Berufungsbeklagte trägt die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens von CHF600.- sowie des Berufungsverfahrens von CHF600.- und hat der Berufungsklägerin eine Parteientschädigung von CHF500.- zuzüglich 7,7% MWST von CHF38.50 für das erstinstanzliche Verfahren und von CHF800.- zuzüglich 7,7% MWST von CHF61.60 für das Berufungsverfahren zu zahlen.


Mitteilung an:

- Berufungsklägerin

- Berufungsbeklagte

- Zivilgericht Basel-Stadt


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Der Gerichtsschreiber

PD Dr. Benedikt Seiler

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt dies nur dann, wenn der Streitwert die Beschwerdesumme gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a b BGG erreicht (CHF15'000.- bei Streitigkeiten aus Miete Arbeitsverhältnis bzw. CHF30'000.- in allen übrigen Fällen) wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.


Ob an Stelle der Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.



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