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Urteil Appellationsgericht (BS - VD.2020.94 (AG.2021.10))

Zusammenfassung des Urteils VD.2020.94 (AG.2021.10): Appellationsgericht

Der algerische Staatsangehörige A____ hat eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz beantragt, die ihm aufgrund seiner Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen verweigert wurde. Er hat mehrere Rekursverfahren eingeleitet, um eine Härtefallbewilligung zu erhalten, jedoch wurden seine Anträge wiederholt abgelehnt. Das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt hat entschieden, dass die Voraussetzungen für einen schwerwiegenden persönlichen Härtefall nicht erfüllt sind und den Rekurs abgewiesen. A____ muss die Gerichtskosten tragen, erhält jedoch die unentgeltliche Prozessführung. Der Richter, der das Urteil gefällt hat, ist Dr. Alexander Zürcher. Die Gerichtskosten betragen CHF 1'200.-.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VD.2020.94 (AG.2021.10)

Kanton:BS
Fallnummer:VD.2020.94 (AG.2021.10)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid VD.2020.94 (AG.2021.10) vom 21.12.2020 (BS)
Datum:21.12.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Härtefallgesuch
Schlagwörter: Rekurrent; Rekurs; Rekurrenten; Recht; Schweiz; Entscheid; Verfahren; Behandlung; Wegweisung; Vorinstanz; Basel; Algerie; Heimat; Verfügung; Algerien; Verfahrens; Rekursbegründung; Härtefall; Consulting; Bundes; Gesundheit; Verwaltungsgericht; Migration; Gericht; Person; Gehör
Rechtsnorm: Art. 113 BGG ;Art. 3 EMRK ;Art. 42 BGG ;
Referenz BGE:128 II 200; 136 II 187; 137 I 195;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VD.2020.94 (AG.2021.10)

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Dreiergericht


VD.2020.94


URTEIL


vom 21.Dezember2020



Mitwirkende


Dr. Stephan Wullschleger, lic. iur. André Equey, Prof. Dr. Jonas Weber und Gerichtsschreiber Dr. Alexander Zürcher




Beteiligte


A____ Rekurrent

c/o Schwarzer Peter, Elsässerstrasse22, 4056Basel

vertreten durch [...], Advokat,

[...]

gegen


Migrationsamt Basel-Stadt

Spiegelgasse 12, 4001 Basel



Gegenstand


Rekurs gegen einen Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements

vom 27. April 2020


betreffend Härtefallgesuch


Sachverhalt


Der algerische Staatsangehörige A____, geboren am [...] 1967 (Rekurrent), heiratete am [...]2008 in [...] die deutsche Staatsangehörige [...], welche über eine Niederlassungsbewilligung in der Schweiz verfügt und hier wohnhaft ist. Er reiste in der Folge am [...] 2008 in die Schweiz ein und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zum Verbleib bei seiner Ehefrau. Nach seinem am [...] 2011 erfolgten Auszug aus der ehelichen Wohnung verlängerte das Migrationsamt die Aufenthaltsbewilligung des Rekurrenten mit Verfügung vom 17.Juli2015 nicht und wies ihn aus der Schweiz weg. Auf den dagegen erhobenen Rekurs trat das JSD wegen verspäteter Rekursanmeldung mit Entscheid vom 3.August2015 nicht ein. Ein am 6.August2015 gestelltes Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wies das Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) mit Entscheid vom 23.Oktober2015 ab. Mit rechtskräftig gewordenem Urteil VD.2015.251 vom 26. Mai 2016 wies das Verwaltungsgericht die beiden überwiesenen Rekurse gegen den Nichteintretensentscheid sowie die Abweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs ab.


Am [...] 2016 wurde die Ehe zwischen dem Rekurrenten und seiner Ehefrau geschieden. Mit Schreiben vom 13. Februar 2017 ersuchte der Rekurrent um Erteilung einer Härtefallbewilligung. Nach Einholung eines medizinischen Consultings beim Staatssekretariat für Migration (SEM) wies das Migrationsamt dieses Gesuch mit Verfügung vom 18. Januar 2018 ab, soweit es darauf eintrat. Hiergegen erhob der Rekurrent Rekurs. Mit Zwischenentscheid vom 26. Januar 2018 wies das JSD den Antrag des Rekurrenten auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab und stellte ihm im Sinne der Gewährung des rechtlichen Gehörs das eingeholte medizinische Consulting des SEM vom 9. Juni 2017 zur Stellungnahme zu. Den gegen die Verweigerung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung erhobene Rekurs wies das Verwaltungsgericht mit Urteil VD.2018.20 vom 19. März 2018 kostenfällig ab. Das Bundesgericht trat gegen die dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil BGer 2C_356/2018 vom 27. April 2018 nicht ein. Mit Entscheid vom 27. April 2020 wies das JSD den Rekurs gegen die mit Verfügung vom 18. Januar 2018 erfolgte Ablehnung seines Härtefallgesuches auch in der Sache ab.


Gegen diesen Entscheid richtet sich der mit Eingabe vom 4. Mai 2020 erhobene Rekurs an den Regierungsrat, mit welchem der Rekurrent die kosten- und entschädigungsfällige Aufhebung des angefochtenen Entscheids vom 27. April 2020 und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beantragt. Es sei dabei festzustellen, dass eine Wegweisung nach Algerien sowohl unmöglich als auch unzumutbar sei. Eventualiter verlangt er die Rückweisung der Angelegenheit zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt der Rekurrent für den Fall der Weiterleitung seines Rekurses im Sinne eines Sprungrekurses an das Appellationsgericht Basel-Stadt als Verwaltungsgericht die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und eventualiter die Anordnung im Sinne einer vorsorglichen Massnahme, dass er den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten könne, wobei das Migrationsamt Basel-Stadt anzuweisen sei, von sämtlichen Massnahmen zum Vollzug der Wegweisung abzusehen. Schliesslich beantragt er als Eventualstandpunkt die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung. Mit Schreiben vom 13. Mai 2020 überwies das Präsidialdepartement den Rekurs dem Verwaltungsgericht zum direkten Entscheid. Mit instruktionsrichterlicher Verfügung vom 15. Mai 2020 wurde vorerst auf die Erhebung eines Kostenvorschusses verzichtet und dem Rekurrenten trotz seiner rechtskräftigen Wegweisung aufgrund der aktuellen Pandemiesituation gestattet, während der Dauer des Verfahrens in der Schweiz zu verbleiben. Mit Rekursbegründung vom 29. Juni 2020 hält der Rekurrent an seinen Rechtsbegehren fest. Das JSD verzichtet mit Eingabe vom 6. Mai 2020 auf eine Vernehmlassung zum Rekurs und beantragt dessen kostenfällige Abweisung. Mit Eingabe vom 3. September 2020 liess der Rekurrent eine ärztliche Bestätigung seiner aktuellen Hospitalisierung in den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) wegen einer Entzugsbehandlung und einer depressiven Symptomatik einreichen. Am 24.November 2020 ersuchte der Rekurrent um Verfahrenssistierung mit Hinweis auf eine zwischenzeitliche Anmeldung bei der IV-Stelle Basel-Stadt zum Bezug von IV-Leistungen. Mit instruktionsrichterlicher Verfügung vom 3.Dezember2020 wurde eine Sistierung des Verfahrens abgelehnt. Die weiteren Tatsachen und die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für das vorliegende Urteil von Bedeutung sind, aus dem angefochtenen Entscheid und den nachfolgenden Erwägungen. Das Urteil ist unter Beizug der Akten auf dem Zirkulationsweg ergangen.



Erwägungen


1.

1.1 Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Beurteilung des vorliegenden Rekurses folgt aus dem Überweisungsbeschluss des Präsidialdepartements vom 13.Mai 2020 sowie aus § 42 des Organisationsgesetzes (OG, SG 153.100) in Verbindung mit § 12 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRPG, SG 270.100). Zuständig ist gemäss § 88 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Ziff. 11 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, SG 154.100) das Dreiergericht. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des VRPG.

1.2 Der Rekurrent ist als Adressat des angefochtenen Entscheids von diesem unmittelbar berührt und hat demnach ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung Abänderung. Er ist deshalb gemäss § 13 Abs. 1 VRPG zum Rekurs legitimiert. Auf den frist- und formgerecht erhobenen Rekurs ist somit einzutreten.

1.3 Die Kognition des Verwaltungsgerichts richtet sich nach der allgemeinen Vorschrift von § 8 VRPG. Demnach hat es zu prüfen, ob die Vorinstanz den Sachverhalt unrichtig festgestellt, wesentliche Form- Verfahrensvorschriften verletzt, öffentliches Recht nicht nicht richtig angewendet von dem ihr zustehenden Ermessen unzulässigen Gebrauch gemacht hat. Darüber hinaus ist das Verwaltungsgericht mangels einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift im Ausländerrecht nicht befugt, über die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung zu entscheiden und damit im Ergebnis sein eigenes Ermessen an Stelle desjenigen der zuständigen Verwaltungsbehörde zu setzen. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind bei der Prüfung der materiellen Rechtmässigkeit eines ausländerrechtlichen Entscheids durch das kantonale Gericht die tatsächlichen Verhältnisse massgebend, wie sie im Zeitpunkt des Gerichtsentscheids herrschen (BGer 2C_42/2011 vom 23.August 2012 E. 5.3; VGE VD.2013.85 vom 16. Oktober 2013 E. 1). Noven sind deshalb in diesem Fall zulässig, obwohl das Verwaltungsgericht nach kantonalem Recht grundsätzlich bloss eine nachträgliche Verwaltungskontrolle ausübt (vgl. zum Ganzen VGE VD.2017.290 vom 15. Januar 2019 E. 1.3).


Im verwaltungsgerichtlichen Rekursverfahren gilt das Rügeprinzip. Das Gericht prüft einen angefochtenen Entscheid gestützt auf die Begründungsobliegenheit gemäss §16 Abs. 2 Satz 1 VRPG nicht von sich aus unter allen in Frage kommenden Aspekten, sondern untersucht nur die rechtzeitig vorgebrachten konkreten Beanstandungen. Die Rekurrierenden haben ihren Standpunkt substantiiert vorzutragen und sich mit den Erwägungen im angefochtenen Entscheid auseinanderzusetzen (Wull-schleger/Schröder, Praktische Fragen des Verwaltungsprozesses im Kanton Basel-Stadt, in: BJM 2005 S. 277ff., 305; Stamm, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Buser [Hrsg.], Neues Handbuch des Staats- und Verwaltungsrechts des Kantons Basel-Stadt, Basel 2008, S. 477ff., 504; VGE VD.2016.66 vom 20. Juni 2016 E. 1.3).


1.4 Soweit sich der Aufenthaltsanspruch vorliegend nicht aus dem internationalen Recht ergibt, ist zu berücksichtigen, dass das Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) am 16. Dezember 2016 revidiert worden ist. Dabei ist es in Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG, SR 142.20) umbenannt worden. Nachdem einige geänderte Bestimmungen bereits am 1. Januar und am 1. Juli 2018 in Kraft getreten waren, sind die übrigen geänderten Bestimmungen einschliesslich des geänderten Titels am 1.Januar 2019 in Kraft getreten. Das vor diesem Hintergrund intertemporal anwendbare materielle Recht bestimmt sich nach Art.126 Abs.1AuG (vgl. BGer 2C_64/2019 vom 18. Dezember 2019 E. 1.3, 2C_212/2019 vom 12. September 2019 E. 4.1 und 2C_167/2018 vom 9. August 2018 E. 2; VGE VD.2019.201 vom 9. Dezember 2019 E. 1.5, VD.2018.223 vom 24. Oktober 2019 E. 1.3 und VD.2018.21 vom 25. September 2019 E. 1.4). Danach ist das bisherige materielle Recht auf alle Verfahren anwendbar, die erstinstanzlich vor Inkrafttreten des neuen Rechts auf Gesuch hin von Amtes wegen eingeleitet worden sind (BGer 2C_130/2010 vom 25.Juni2010 E.1.2, 2C_663/2009 vom 23.Februar2010 E.1 und 2C_745/2008 vom 24.Februar 2009 E.1.2.3; BVGE 2008/1 E. 2; VGE VD.2010.39 vom 28.April 2011 E.2.1, VD.2010.199 vom 19. April 2011 E. 2 und VD.2010.189 vom 9. Februar 2011 E. 2.1 [alle zum Inkrafttreten des AuG]). Massgebend ist dabei der Zeitpunkt, in dem die betroffene Person von der Eröffnung des Verfahrens in Kenntnis gesetzt worden ist (vgl. BGer 2C_478/2010 vom 17.November 2010 E.1, 2C_837/2009 vom 27.Mai 2010 E.1, 2C_663/2009 vom 23.Februar 2010 E.1 und 2C_745/2008 vom 24. Februar 2009 E. 1.2.4). Diese Praxis beansprucht auch für die Revision vom 16.Dezember 2016 Geltung.

Demgegenüber bestimmt sich das Verfahrensrecht gemäss den allgemeinen Übergangsbestimmungen des AuG bzw. AIG (Art. 126 Abs. 2) nach dem neuen Recht (VGE VD.2019.64 vom 19. August 2019 E. 1.4, VD.2019.18 vom 22. Juli 2019 E. 2.1 und VD.2019.75 vom 26. Juni 2019 E. 1.4). Dies entspricht dem allgemeinen intertemporalrechtlichen Grundsatz, wonach neue Verfahrensbestimmungen ab ihrem Inkrafttreten grundsätzlich von allen Instanzen sofort anzuwenden sind (VGE VD.2019.64 vom 19. August 2019 E. 1.4, VD.2019.18 vom 22. Juli 2019 E. 2.1 und VD.2019.75 vom 26.Juni 2019 E. 1.4; vgl. BGE 136 II 187 E. 3.1 S. 189; Tschannen/ Zimmerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Bern 2014, § 24 N 20).

Das vorliegende Verfahren ist mit dem Gesuch des Rekurrenten um Erteilung einer Härtefallbewilligung vom 13. Februar 2017 eingeleitet worden. Folglich beurteilt sich der vorliegende Fall mit den Erwägungen der Vorinstanz nach den materiellen Be-stimmungen des alten Rechts. Revidierte Verfahrensbestimmungen stehen nicht zur Diskussion. Im Folgenden wird deshalb die Bezeichnung AuG verwendet.

2.

Mit seinem Rekurs rügt der Rekurrent zunächst eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs im Verfügungsverfahren im Zusammenhang mit der Kenntnisgabe des medizinischen Consultings des SEM vom 19. Juni 2017.


2.1 Die Vorinstanz hat dazu erwogen, der Rekurrent mache eine schwerwiegende Verletzung seines rechtlichen Gehörs geltend, weil das Migrationsamt seine Verfügung vom 18.Januar2018 im Wesentlichen auf das medizinische Consulting des SEM vom 19.Juni2017 gestützt habe, welches ihm jedoch erst nach deren Erlass zugestellt worden sei. Demzufolge habe er vor Erlass der Verfügung weder Kenntnis dieses Consultings noch die Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt (angefochtener Entscheid, E.3). Die Vorinstanz hat dem Rekurrenten beigepflichtet, dass ihm das Migrationsamt das medizinische Consulting des SEM vor Erlass der Verfügung hätte zur Kenntnis bringen müssen und demnach sein rechtliches Gehör verletzt worden ist. Da ihm das Consulting aber von der mit umfassender Kognition urteilenden Rekursinstanz mit dem Zwischenentscheid vom 26. Januar 2018 zugestellt worden sei und er sich dazu in der Folge habe äussern können, sei die Gehörsverletzung im vorinstanzlichen Verfahren geheilt worden (angefochtener Entscheid, E.5). Dies bestreitet der Rekurrent mit seinem Rekurs und macht geltend, da der Kerngehalt seines rechtlichen Gehörs verletzt worden sei, sei die angefochtene Verfügung aufgrund der schwerwiegenden Gehörsverletzung aufzuheben (Rekursbegründung, Rz5ff.). Darin kann dem Rekurrenten nicht gefolgt werden.


2.2 Gemäss Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung (BV, SR 101) haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser Anspruch umfasst unter anderem das Recht, über alle entscheidrelevanten Vorgänge und Grundlagen informiert zu werden (Anspruch auf vorgängige Orientierung), sowie das Recht, sich zu allen rechtserheblichen Punkten vor dem Entscheid zu äussern (Anspruch auf vorgängige Äusserung; vgl. Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Auflage, Zürich 2013, Rz214; Rhinow/Koller/Kiss/Thurnherr/Brühl-Moser, Öffentliches Prozessrecht, Grundlagen und Bundesrechtspflege, 3. Auflage, Basel 2014, Rz 317). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur und seine Verletzung führt im Regelfall ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 137 I 195 E. 2.2 S.197 und 135 I 187 E. 2.2 S. 190). Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des Gehöranspruchs kann aber ausnahmsweise geheilt werden, wenn das rechtliche Gehör vor einer Rechtsmittelinstanz nachgeholt wird, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht über dieselbe Überprüfungsbefugnis verfügt wie die Vorinstanz (BGE 137I195 E.2.3.2 S.197 und 133I201 E.2.2 S.204f.; vgl. Rhinow/Koller/Kiss/Thurnherr/Brühl-Moser, a.a.O., Rz 314). Selbst bei schwerwiegenden Verletzungen ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Heilung möglich, wenn die Rückweisung an die Vorinstanz zu unnötigen Verzögerungen des Verfahrens führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 136V117 E.4.2.2.2 S.126f., 132V387 E.5.1 S.390 und 133I201 E.2.2 S.204f.; VGE VD.2019.197 vom 7. Mai 2020 E. 3.2.2 und VD.2019.197 vom 7. Mai 2020 E. 3.2.2 mit weiteren Hinweisen).


2.3 Vorliegend kann offenbleiben, wie schwer die unbestrittene Verletzung des Anspruchs auf vorgängige Orientierung und Äusserung im Verfügungsverfahren durch die unterbliebene Edition des Consultingberichts des SEM wiegt. Mit der Vorinstanz ist festzustellen, dass der Rekurrent im departementalen Rekursverfahren Einblick in dieses Dokument erhalten hat und sich dazu hat äussern können. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat (angefochtener Entscheid, E.5), verfügte sie sowohl in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht über die gleiche Kognition wie die verfügende Behörde (vgl. § 45 OG). Die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz hätte daher mit den Erwägungen der Vorinstanz zu einer unnötigen, den Anspruch auf beförderliche Beurteilung verletzenden Verzögerung des Verfahrens geführt.


3.

3.1 In der Sache ist unbestritten, dass dem Rekurrenten die aufgrund seiner mittlerweile geschiedenen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen erteilte Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zum Verbleib bei seiner Ehefrau rechtskräftig nicht mehr verlängert worden ist, sodass ihm aktuell ein Aufenthaltsanspruch in der Schweiz fehlt. Er macht aber geltend, es sei ihm aufgrund seines heutigen Gesundheitszustandes eine Härtefallbewilligung im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG zu erteilen.


3.2 Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat (angefochtener Entscheid, E.8), kann gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG von den Zulassungsvoraussetzungen gemäss Art. 18-29 AuG abgewichen werden, um schwerwiegenden persönlichen Härtefällen wichtigen öffentlichen Interessen Rechnung zu tragen. Liegt ein schwerwiegender persönlicher Härtefall vor, kann eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Dabei handelt es sich um eine Ermessensbewilligung, auf deren Erteilung gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich kein Anspruch besteht (BGE 137II 345 E.3.2.1 S.348; BGer 2C_373/2013 vom 8.Mai2013 E.3.1, ferner BGer 2C_669/2020 vom 28.August 2020 E.2.2.1). Die Behörde hat ihr Ermessen aber rechtsgleich, willkürfrei und verhältnismässig auszuüben (VGE VD.2017.88 vom 27.September2017 E.5.1; Good/Bosshard, in: Caroni et al. [Hrsg.], Handkommentar AuG, Bern Art.30 N 2; Spescha, in: Spescha et al. [Hrsg.], Kommentar Migrationsrecht, 5. Auflage, Zürich 2019, Art. 30 AuG N1).


Die Beurteilung des Vorliegens eines Härtefalles erfolgt nach Art. 31 Abs. 1 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit in der vorliegend massgeb-lichen Fassung (VZAE, SR142.201) anhand einer Vielzahl von Kriterien. Dazu gehören mit Bezug auf die Situation des Rekurrenten seine Integration in der Schweiz (lit.a), die Respektierung der Rechtsordnung (lit.b), seine Familienverhältnisse (lit.c), seine finanziellen Verhältnisse sowie sein Wille zur Teilhabe am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung (lit.d), die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz (lit. e), sein Gesundheitszustand (lit. f) sowie die Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung im Herkunftsstaat (lit.g). Art.30 Abs.1 lit.b AuG kommt dabei Ausnahmecharakter zu und die Voraussetzungen zur Anerkennung eines Härtefalls sind restriktiv zu handhaben. Die betroffene Person muss sich in einer persönlichen Notlage befinden. Das bedeutet, dass ihre Lebens- und Existenzbedingungen, gemessen am durchschnittlichen Schicksal von ausländischen Personen, in gesteigertem Masse in Frage gestellt sein müssen bzw. die Verweigerung einer Abweichung von den Zulassungsvoraussetzungen für sie mit schweren Nachteilen verbunden wäre. Bei der Beurteilung eines Härtefalles müssen sämtliche Umstände des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt werden. Eine lang dauernde Anwesenheit und eine gute soziale und berufliche Integration sowie klagloses Verhalten reichen für sich alleine nicht aus, um einen schwerwiegenden persönlichen Härtefall zu begründen. Vielmehr wird vorausgesetzt, dass die ausländische Person so enge Beziehungen zur Schweiz unterhält, dass von ihr nicht verlangt werden kann, in einem anderen Land, insbesondere in ihrem Heimatstaat, zu leben. Im Zusammenhang mit dem schwerwiegenden persönlichen Härtefall sind ausschliesslich humanitäre Gesichtspunkte ausschlaggebend, wobei der Schwerpunkt auf der Verankerung in der Schweiz liegt. Im Rahmen einer Gesamtschau sind jedoch auch der Gesundheitszustand einer Person und die Möglichkeiten einer Wiedereingliederung im Herkunftsland mitzuberücksichtigen. Diese Prüfung kann nicht losgelöst von den persönlichen, familiären und ökonomischen Schwierigkeiten erfolgen, denen eine ausländische Person in ihrem Heimatstaat ausgesetzt wäre (BVGer C-188/2014 vom 15.März2016 E.5.4; VGE VD.2019.14/15 vom 22. Januar 2020 E. 2.2, VD.2018.20 vom 19. März 2018 E. 4.2.3 und VD.2017.88 vom 27.September 2017 E.5.1). Aufgrund gesundheitlicher Probleme darf nur dann auf die Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs geschlossen werden, wenn eine notwendige medizinische Behandlung im Heimatland fehlt und die Rückkehr zu einer raschen und lebensgefährlichen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands führen würde (vgl. BGE 137II305 E.4.2 S.311f.; VGE VD.2013.156 vom 22. Dezember 2014 E. 4.2). Die Tatsache, dass die medizinische Versorgung in der Schweiz höheren Standards entspricht, genügt für die Annahme eines Härtefalles nicht (BVGer C-188/2014 vom 15. März 2016 E. 6.3.4.1; VGE VD.2019.14 vom 22. Januar 2020 E. 2.2).


3.3 Die Vorinstanz hat dazu erwogen, dass der Rekurrent gemäss Arztbericht seines behandelnden Psychiaters, Dr. B____, FMH Psychiatrie, vom 19. Juni 2016 unter einer depressiven Störung mit mittelgradigen bis schweren Episoden leide, weshalb der Rekurrent nun schon seit acht Jahren bei ihm in psychiatrischer Behandlung sei und regelmässig Antidepressiva einnehme. Aufgrund des Wegweisungsverfahrens habe sich die gesundheitliche Situation des Rekurrenten deutlich verschlechtert, was sich auch auf seine psychische Verfassung (gereizt, impulsiv, Schlafstörungen) und sein Sozialverhalten (Konzentrationsstörungen bei der Arbeit, Probleme in der Zusammenarbeit) ausgewirkt habe. Mit Schreiben vom 3. Februar 2017 habe Dr. B____ ausgeführt, der Rekurrent befinde sich seit dem Jahr 2002 bei ihm in langjähriger, regelmässiger psychiatrischer Behandlung. Nach seiner Beurteilung habe eine Wegweisung verheerende Folgen für den Rekurrenten, da er sämtliche Verbindungen zum Heimatland verloren habe und in der Schweiz verwurzelt sei (angefochtener Entscheid, E.10). Auffällig sei bei dieser Beurteilung - so die Vorinstanz weiter (angefochtener Entscheid, E.11) - bereits die Diskrepanz bezüglich der berichteten Behandlungdauer. Zudem werde nicht ausgeführt, inwiefern eine Wegweisung verheerende Folgen für seine Gesundheit haben sollte bzw. weshalb ihm die Behandlung im Heimatland und ein Arztwechsel nicht zumutbar sein sollten. Gemäss dem aufgrund der Diagnose des behandelnden Psychiaters eingeholten medizinischen Consulting des SEM vom 19. Juni 2017 sei eine psychiatrische Behandlung in Algerien in zwei öffentlichen und einem privaten Spital möglich. Darüber hinaus seien auf der Webseite Psy Algerie Namen und Adressen von psychiatrischen Praxen für verschiedene Regionen, unter anderem auch für die Region Oran, aufgeschaltet. Rund die Hälfte der 13 Universitätsspitäler im Land verfügten über ein Department für Psychiatrie und 16 Einrichtungen hätten sich sogar auf Psychiatrie spezialisiert. Die ambulante psychiatrische Versorgung werde vor allem durch Polikliniken erbracht. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass der Gesundheitszustand des Rekurrenten in seiner Heimat nötigenfalls auch durch eine stationäre Behandlung gegebenenfalls in der Form des betreuten Wohnens stabilisiert werden könne. Gemäss dem Bericht seien diverse Medikamente zur Behandlung von Depressionen in Algerien verfügbar (Medizinisches Consulting des SEM vom 19.Juni 2017, S. 2). Dem Bericht zufolge sei daher eine Behandlung einer Depression auch in Algerien möglich und die erforderlichen Medikamente zur Behandlung einer Depression (u.a. Antidepressiva) seien erhältlich. Inwieweit diese Behandlungsmöglichkeiten und Medikamente für die Behandlung des Krankheitsbilds des Rekurrenten ungeeignet sein sollten, mache er nicht substantiiert geltend. Da aufgrund gesundheitlicher Probleme ein Aufenthaltsanspruch nur in sehr ausserordentlichen Fällen - etwa wenn die betroffene Person an einer unmittelbar lebensbedrohlichen, im Herkunftsland nicht behandelbaren Krankheit leide - resultieren könne, der Rekurrent das Bestehen einer solchen lebensbedrohlichen Krankheit jedoch nicht darlege und er bis zu seiner rechtskräftigen Wegweisung trotz seiner Krankheit einer Erwerbstätigkeit habe nachgehen können, reiche der geltend gemachte Gesundheitszustand nicht aus, um die Voraussetzungen für die Erteilung einer Härtefallbewilligung nach Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG zu erfüllen.

3.4

3.4.1 Mit seinem Rekurs macht der Rekurrent zunächst unter Verweis auf einen Arztbericht von Dr. B____ geltend, dass weder fachliche Gespräche noch Medikamente seine Beheimatung «konsumieren» könnten, weshalb eine Ausweisung verheerende Folgen hätte (Rekursbegründung, Rz9).

Mit Schreiben vom 16. Juni 2016 (Beilage 2 zur Eingabe des Rekurrenten vom 13.Februar 2018 an das Migrationsamt) hat Dr. B____ ausgeführt, «die Ausweisung nach 23 Jahren in Europa und 17 Jahren in der Schweiz wäre für ihn verheerend, hat er doch nach der langen Absenz sämtliche Verbindungen zur Heimat verloren (mit Ausnahme einer Schwester) und ist hier verwurzelt». Mit Schreiben vom 13.Februar 2018 berichtete Dr. B____ demgegenüber von einer «sozialen Isolation» und einer «drohenden Verwahrlosung», welche die erhebliche Verstärkung der depressiven Symptomatik «potenziere». Immerhin schilderte er den Bestand eines «faktischen Konkubinats» des Rekurrenten mit seiner geschiedenen Ehefrau und deren Sohn, welche in einer benachbarten Wohnung auf dem gleichen Stockwerk im gleichen Haus lebten. Demgegenüber sei deren Tochter ausgezogen. Diese «ehe-adäquate Beziehung zur Partnerin und das gemeinsame Nest mit den Kindern» sei für den Rekurrenten eine «tragende Struktur, die ihm Geborgenheit und Halt» gebe. Dieses Zusammenleben mit der Familie und die Arbeit» hätten «ihn hier zunehmend verwurzeln und die Beziehung zu seiner angestammten Heimat verlieren lassen». Er habe die Mentalität und die Lebensweise der Schweizer verinnerlicht und fühle sich in der eigenen Heimat fremd.

Diese Situation hat sich zwischenzeitlich erheblich verändert. Zunächst hat der Rekurrent per 22.Januar2018 sein teilzeitliches Arbeitsverhältnis im zweiten Arbeitsmarkt bei der [...] AG verloren und ist seither arbeitslos (vgl. auch den Austrittsbericht der UPK vom 8. Mai 2019 [Beilage zur Rekursbegründung]). In der Folge hat sich auch die Wohnsituation verändert. Wie einem Schreiben der Abteilung Sucht an den Vertreter des Rekurrenten vom 10. Mai 2019 entnommen werden kann, habe dieser in der Schweiz «nur wenig soziale Kontakte» und auch seine Wohnung verloren, weshalb er aus der Hospitalisierung in der UPK vom 4. März bis zum 2. Mai 2019 «in nicht geklärte Wohnverhältnisse» ausgetreten sei und «derzeit in der Notschlafstelle» übernachte. Dies wird im Austrittsbericht der UPK vom 8. Mai 2019 bestätigt. Diesem kann weiter entnommen werden, dass der Rekurrent nach eigenen Angaben die Wohnung verloren habe und über keine Tagesstruktur und wenig soziale Kontakte verfüge. Da er nichts zu tun habe, konsumiere er Drogen. Offenbar besteht damit die «ehe-adäquate Beziehung» zu seiner Ex-Frau nicht mehr und kann der Rekurrent auch nicht mehr auf ihre Unterstützung zurückgreifen. Trotz der Unterstützung durch den klinikinternen Sozialdienst der UPK ist von einer irgendwie gearteten Unterstützung des Rekurrenten durch seine geschiedene Ehefrau keine Rede. Eine solche Hilfe wird vom Rekurrenten im vorliegenden Verfahren auch nicht geltend gemacht. Überhaupt fehlt es an jeder Substantiierung, welche sozialen Kontakte der Rekurrent hier pflegt, aus denen auf eine persönliche Verwurzelung geschlossen werden könnte. Daraus folgt, dass die nach Auffassung seines behandelnden Psychiaters für eine Verwurzelung in der Schweiz konstitutiven Elemente heute fehlen.

3.4.2 Weiter macht der Rekurrent geltend, die Abklärungen des SEM seien nicht geeignet, ihm in Algerien eine adäquate Behandlungsmöglichkeit zu bescheinigen. Das medizinische Consulting äussere sich nicht zur Frage, ob die Behandlung die Medikamente aus medizinischer Sicht ausreichend und damit adäquat seien. Zur Begründung verweist er auf die Stellungnahme von Dr. B____ vom 13. Februar 2018 (Rekursbegründung, Rz10).

Dem genannten Schreiben des behandelnden Psychiaters können keine Feststellungen entnommen werden, die den von der Vorinstanz zutreffend zusammengefassten Ausführungen im medizinischen Consulting des SEM vom 19. Juni 2017 (vgl. angefochtener Entscheid, E.11) entgegenstehen würden. Auch verzichtet der Rekurrent erneut darauf, substantiiert darzulegen, inwieweit die darin genannten Behandlungs- und Medikationsmöglichkeiten mit Bezug auf sein eigenes Krankheitsbild ungenügend sein sollten. Soweit er auf seine Verwurzelung in der Schweiz verweist, welche einer Behandlung in der Heimat entgegenstehe, kann er eine solche gerade nicht substantiieren. Vielmehr ist wie ausgeführt von einer zunehmenden Isolation des Rekurrenten in der Schweiz auszugehen.

3.4.3 Mit seinem Rekurs bestreitet der Rekurrent einen wirksamen Zugang zu den benötigten Medikamenten und der Betreuung. Er macht geltend, dass landesabwesende Algerier nicht mehr gesetzlich sozialversichert seien und daher sämtliche Kosten selber übernehmen müssten (Rekursbegründung, Rz11f.). Zum Beleg bezieht er sich auf das Paper der Schweizerischen Flüchtlingshilfe «Algerien: Behandlung von Sarkoidose; Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse» vom 21.September 2018 (abrufbar unter https://www.ecoi.net/en/file/local/2002665/180921-alg-zugang-gesundheit-das.pdf). Dieses stützt die Behauptung aber nicht. Einerseits bezieht es sich auf eine somatische Multisystemerkrankung. Zudem wird festgestellt, dass die Frage des Zugangs von nach Algerien zurückkehrenden Personen gerade nicht habe geklärt werden können. Die Behauptung des Rekurrenten ist daher unbelegt. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die vom SEM beschriebene Grundversorgung für den Rekurrenten nicht zugänglich ist (vgl. auch BGer 2C_467/2018 vom 3. September 2018 E.2.3). Bestehen gemäss den Abklärungen des SEM in staatlichen Institutionen Behandlungsmöglichkeiten, so ist die Behauptung im Übrigen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch nicht geeignet, eine Wegweisung als bundesrechts- konventionswidrig erscheinen zu lassen (BGer 2C_268/2013 vom 21.Juni 2013 E.3.5). Soweit der Rekurrent auf unzureichende personelle Ressourcen und Ausrüstungen sowie nicht weiter konkretisierte «gravierende Mängel» des Gesundheitswesens in Algerien verweist (Rekursbegründung, Rz13), ist darauf hinzuweisen, dass die Berufung auf einen höheren Standard der medizinischen Versorgung in der Schweiz nicht zulässig ist, soweit diese im Heimatland grundsätzlich gewährleistet ist (BGer 2C_268/2013 vom 21. Juni 2013 E. 3.4 mit Hinweis auf BGE 128 II 200 E. 5.3 S. 209 und BGer 2C_833/2011 vom 6. Juni 2012 E. 3.3.2).

3.4.4 Auch die in diesem Zusammenhang erfolgende Berufung des Rekurrenten auf Art.3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, SR0.101) geht fehl (vgl. Rekursbegründung, Rz11). Wie das Bundesgericht festgestellt hat, liegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ein aussergewöhnlicher Fall, in dem eine aufenthaltsbeendende Massnahme unter Verbringung einer gesundheitlich angeschlagenen Person in ihren Heimatstaat Art. 3 EMRK verletzt, nur dann vor, wenn für diese Person im Fall der Rückschiebung die konkrete Gefahr besteht, dass sie aufgrund fehlender angemessener Behandlungsmöglichkeiten fehlenden Zugangs zu Behandlungen einer ernsthaften, rapiden und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustands ausgesetzt wird, die intensives Leiden eine wesentliche Verringerung der Lebenserwartung nach sich zieht (BGer 2D_14/2018 vom 13. August 2018 E. 4.2 mit Hinweis auf EGMRE i.S. Paposhvili gegen Belgien vom 13.Dezember2016 [Nr.41738/10] § 183). Eine solche Gefahr wird vom Rekurrenten nicht konkretisiert und ergibt sich auch nicht aus den vorliegenden Arztberichten. Es fehlt daher an der hinreichenden Konkretisierung eines sogenannten «real risk» (BGer 2D_14/2018 vom 13. August 2018 E. 4.3).

3.5

3.5.1 Weiter rügt der Rekurrent eine Verletzung der Verhältnismässigkeit und macht diesbezüglich eine falsche Sachverhaltsfeststellung geltend. Er habe seit seiner 1993 im Alter von 26 Jahren erfolgten Ausreise nach Italien einen Grossteil seines Erwachsenenlebens in Europa und ausserhalb Algeriens verbracht. In Anbetracht seiner langjährigen Anwesenheitsdauer, der schlechten Integrationschancen im Herkunftsland, seines Gesundheitszustandes sowie der nicht adäquaten medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland habe er ein grosses persönliches Interesse am Verbleib in der Schweiz. Er verweist dabei auf die Feststellung seines behandelnden Psychiaters, dass ihm in Algerien eine Reintegration wohl nicht möglich sei. Er habe seit mehreren Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Familie im Herkunftsland. Dem stehe ein geringes öffentliches Interesse an der Wegweisung des Rekurrenten gegenüber, welches von seinen privaten Interessen überwogen würde. Seine Wegweisung sei daher unverhältnismässig (Rekursbegründung, Rz14f.).

3.5.2 Darin kann dem Rekurrenten nicht gefolgt werden. Wie das Migrationsamt bereits bei seiner Wegweisung mit der rechtskräftig gewordenen Verfügung vom Verfügung vom 17.Juli2015 festgestellt hat, wiesen bereits die Tatsache des Konsums von Betäubungsmitteln (vgl. Strafbefehl vom 13.August 2009) und die begangenen Diebstähle (vgl. die Urteile des Strafbefehlsrichters vom 21. September 2009 und 2.Dezember 2010) während der Bestreitung seines Lebensunterhalts mit der Unterstützung durch die Sozialhilfe auf eine erfolglose Integration hin. Hinzu kommt die erhebliche Verschuldung des Rekurrenten (vgl. den Betreibungsregisterauszug vom 15.Juli 2015 mit 7 Betreibungen im Betrag von CHF 35'540.65 und 9 Verlustscheinen im Betrag von CHF 23'499.40). Wie dem Austrittsbericht der UPK vom 8. Mai 2019 (Beilage zur Rekursbegründung) entnommen werden kann, hat er aufgrund seiner Situation in der Schweiz erneut mit dem Konsum von Drogen begonnen, welcher offensichtlich gar zu einer erneuten, psychiatrischen Entzugsbehandlung geführt hat (Ärztliches Zeugnis UPK vom 2. September 2020 [Beilage zur Eingabe des Rekurrenten vom 3.September2020]). Dem Austrittsbericht der UPK vom 8.Mai2019 ist ferner zu entnehmen, dass der Rekurrent in nicht gesicherte Wohnverhältnisse austrat und vorderhand in der Notschlafstelle zu übernachten gedachte. Dass sich seine Wohnverhältnisse wieder stabilisiert hätten und er inzwischen wieder über eine feste bedarfsgerechte Wohnung verfügen würde, ist nicht bekannt und kann aufgrund seiner Domizilnahme beim "Schwarzen Peter" auch nicht angenommen werden. Der Rekurrent sieht sich, wie seine kürzlich erfolgte Anmeldung bei der IV zeigt (Anmeldebestätigung der IV-Stelle Basel-Stadt vom 6.Oktober2020 [Beilage zur Eingabe vom 24.November2020), offenbar nicht mehr in der Lage, künftig noch eine regelmässige Erwerbsarbeit auszuüben. Allerdings ergeben sich aus seiner Eingabe vom 24.November 2020 auch keinerlei Anhaltspunkte, wie aussichtsreich sein Gesuch um Zusprechung einer IV-Rente ist und wie es ihm gelingen könnte, mittels einer Rente und allfälliger Ergänzungsleistungen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Rekurrent erscheint weiterhin von Sozialhilfe bzw. Nothilfe abhängig. Sowohl in beruflicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht muss ihm daher eine ungenügende Integration in der Schweiz attestiert werden, wo er auch sozial desintegriert erscheint. Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, eine weitere Belastung der öffentlichen Wohlfahrt künftig zu vermeiden.

Dieses gewichtige öffentliche Interesse vermag das private Interesse des Rekurrenten an einem weiteren Verbleib in der Schweiz nicht zu überwiegen. Entgegen seinen Behauptungen (Rekursbegründung, Rz15) verfügt er durchaus über familiäre Beziehungen in seiner Heimat. So leben seine Geschwister, Neffen und Nichten in Algerien. Diese besuchte er im Februar 2013. Entgegen der Information seines behandelnden Psychiaters, Dr. B____, welcher mit Schreiben vom 13.Februar 2018 ausführte, dass der Rekurrent seit vier Jahren nicht mehr in Algerien gewesen sei, hielt er sich vom 8.bis zum 22.Januar2015 zum Besuch seiner kranken Schwester in seiner Heimat auf. Daraus muss auf eine intensiv gelebte familiäre Beziehung geschlossen werden. Es kann daher nicht davon gesprochen werden, dass er über keine Kontakte mehr zu seinen Angehörigen verfügt. Auch wenn diese ihn nicht bei sich aufnehmen können, so heisst dies nicht, dass sie ihm nicht familiäre Unterstützung bieten könnten.

3.6

3.6.1 Schliesslich trägt der Rekurrent vor, dass seine Wegweisung unmöglich respektive unzumutbar sei (Rekursbegründung, Rz16 f.). Soweit er sich dabei auf den Wechsel seiner medizinischen Betreuung bezieht, kann auf die obigen Erwägungen verwiesen werden (E.3.4.3f. vorstehend). Weiter bringt der Rekurrent vor, dass ihm die Einreise mittels eines Passagierscheines (recte wohl: Passierschein) ohne gültigen Pass unter Würdigung seines Gesundheitszustandes nicht zumutbar sei. Dies wird nicht weiter begründet, sodass darauf nicht weiter einzutreten ist.

3.6.2 Immerhin macht der Rekurrent unter Verweis auf die Berichte seines behandelnden Psychiaters vom 19. Juni 2016, 3. Februar 2017 und 12. Februar 2018 geltend, dass eine Wegweisung nach Algerien nach der langen Abwesenheit verheerende Folgen für seine psychische Gesundheit hätte. Dies sei im Arztbericht vom 13.Februar 2018 dahingehend konkretisiert worden, dass er aufgrund seiner Neigung zu depressiver Problemverarbeitung, seiner rigiden psychischen Struktur und seines fortgeschrittenen Alters nicht im Stande wäre, in Algerien Fuss zu fassen und sich zu integrieren. Seine Wegweisung wäre daher unmöglich bzw. unzumutbar (Rekursbegründung, Rz11). Soweit der Rekurrent damit implizit auf die Gefahr eines Suizids verweist, kann er daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Zwar gab er auch gegenüber der UPK an, es bestünden zeitweise Suizidgedanken. Zumindest im stationären Rahmen wurde aber eine akute Eigengefährdung verneint (Austrittsbericht vom 8.Mai2019 [Beilage zur Rekursbegründung]). Eine konkret drohende Suizidalität im Falle eines Wegweisungsvollzuges wird aber weder vom Rekurrenten noch von seinem Psychiater konkret behauptet. Diesbezüglich wäre zudem festzustellen, dass der wegweisende Staat gemäss der Praxis des EGMR nicht verpflichtet ist, vom Vollzug einer Ausweisung Abstand zu nehmen, falls der wegzuweisende Ausländer für den Fall des Vollzuges mit Suizid droht (Hugi Yar, in: Uebersax/Rudin/ HugiYar/Geiser, Ausländerrecht, 2.Auflage, Basel2009, §10.165). Der unausweichlich bevorstehende Wegweisungsvollzug stellt für die damit konfrontierte ausländische Person regelmässig in nachvollziehbarer Weise eine nicht unerhebliche psychische Belastung dar. Dieser Belastung kommt aber im ausländerrechtlichen Kontext grundsätzlich keine Bedeutung zu, weil eine geltend gemachte Gefährdung konkrete Formen aufweisen muss, um zur Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs nach Art. 83 Abs. 4 AuG führen zu können. Relevant für die Frage der Zumutbarkeit ist dagegen eine reaktiv auf einen bevorstehenden Wegweisungsvollzug auftretende und ernsthaft gesundheitsgefährdende psychische Störung lebensbedrohlichen Ausmasses, soweit ihr für die Zeit vor und während der Rückreise in den Heimatstaat nicht medikamentös und mit einer persönlichen Betreuung begegnet werden kann (BVGE D-2004/2011 vom 23. Januar 2013, E. 8.3.4). Ergreift der wegweisende Staat Massnahmen, um die Umsetzung der Suiziddrohung zu verhindern, vermag die Ausschaffung auch nicht gegen Art. 3 EMRK zu verstossen (VGE VD.2012.253 vom 5. April 2013 E. 2.3.2 mit Hinweis auf den Unzulässigkeitsentscheid des EGMR vom 7. Oktober 2004 i.S. D. und andere gegen Deutschland, Nr.33743/03, angeführt in Entscheidungen und Mitteilungen der [vormaligen] Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2005 Nr. 23 E. 5.1 S. 212). Der Rekurrent macht vorliegend nicht ansatzweise geltend, dass er im Zusammenhang mit dem Vollzug seiner Wegweisung nicht angemessen vor einer allfälligen Selbstgefährdung geschützt werden könnte.

3.7 Aus dem Gesagten folgt, dass die Vorinstanz zu Recht die Voraussetzungen eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalls nach Art.30 Abs.1 lit.bAuG verneint hat. Der Rekurs ist damit abzuweisen.

4.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Rekurrent dessen Kosten. Obwohl der Rekurrent im vorliegenden Verfahren kaum Argumente vorzubringen vermochte, welche nicht bereits von der Vorinstanz zutreffend beurteilt worden sind, kann ihm aufgrund der konkreten Bedeutung des Verfahrens im vorliegenden Einzelfall gleichwohl die unentgeltliche Prozessführung bewilligt werden. Die Kosten des Verfahrens mit einer Gebühr von CHF 1'200.- gehen daher zulasten des Staates. Seinem unentgeltlichen Vertreter ist ein Honorar aus der Gerichtskasse auszurichten. Da dieser es unterlassen hat, dem Gericht seinen Aufwand auszuweisen, ist der angemessene Aufwand zu schätzen. In Berücksichtigung der bereits im vorinstanzlichen Verfahren erfolgten und abgegoltenen Vertretung, deren Argumentation weitgehend hat übernommen werden können, wie auch des Verzichts auf eine Vernehmlassung der Vorinstanz und damit auf die Notwendigkeit einer Replik erscheint ein Aufwand von rund sechs Stunden und mithin eine Entschädigung von CHF 1'200.- inkl. notwendige Auslagen angemessen.



Demgemäss erkennt das Verwaltungsgericht (Dreiergericht):


://: Der Rekurs wird abgewiesen.


Der Rekurrent trägt die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Rekursverfahrens mit einer Gebühr von CHF1'200.-, einschliesslich Auslagen. Die Kosten gehen zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege zu Lasten der Gerichtskasse.


Dem unentgeltlichen Rechtsbeistand des Rekurrenten, Advokat [...], wird für das verwaltungsgerichtliche Rekursverfahren ein Honorar von CHF1'200.-, einschliesslich Auslagen und zuzüglich 7,7% MWST von CHF92.40, aus der Gerichtskasse ausgerichtet.


Mitteilung an:

- Rekurrent

- Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt

- Justiz- und Sicherheitsdepartement Basel-Stadt

- Staatssekretariat für Migration (SEM)


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Der Gerichtsschreiber

Dr. Alexander Zürcher



Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.


Ob an Stelle der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.



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