Zusammenfassung des Urteils UV.2017.33 (SVG.2018.39): Sozialversicherungsgericht
Eine Reinigungsfrau hatte bei der Arbeit einen Unfall und erlitt Verletzungen an Schulter, Arm und Rippen. Nach einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit wurde sie wieder zu 100% arbeitsfähig erklärt. Die Unfallversicherung beendete jedoch die Leistungen, was zu einer Einsprache führte. Nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung wurde entschieden, dass die Unfallkausalität weiter abgeklärt werden muss, da die Beschwerdeführerin weiterhin Beschwerden hatte. Die Beschwerde wurde gutgeheissen, die Sache zur weiteren Abklärung zurückgewiesen und die Beschwerdegegnerin musste die Parteikosten übernehmen.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | UV.2017.33 (SVG.2018.39) |
Instanz: | Sozialversicherungsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 19.12.2017 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Anspruch auf Heilkosten und Taggeld infolge eines Unfalls. |
Schlagwörter: | Unfall; Beschwerden; Schulter; Sinne; Arbeit; Einsprache; Bericht; Sozialversicherungsgericht; Bundesgericht; Parteien; Einspracheentscheid; Abklärung; Gesundheit; Anspruch; Recht; Behandlung; Verbesserung; Operation; Bereich; Hinweise; Taggeld; Unfalls; Arbeitsfähigkeit; Leistungen; Akten; Gutachten; Kausalzusammenhang |
Rechtsnorm: | Art. 42 BGG ;Art. 44 ATSG ;Art. 47 BGG ;Art. 95 BGG ; |
Referenz BGE: | 119 V 335; 122 V 157; 125 V 456; 129 V 177; 133 V 57; 134 V 109; 140 V 130; |
Kommentar: | Ueli Kieser, ATSG- 3.Auflage, Zürich, Art. 43 ATSG, 2015 |
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt
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URTEIL
vom 19. Dezember 2017
Mitwirkende
lic. iur. K. Zehnder (Vorsitz), C. Müller, Dr. med. C. Karli
und Gerichtsschreiberin MLaw L. Marti
Parteien
A____
vertreten durch B____
Beschwerdeführerin
C____
vertreten durch D____
Beschwerdegegnerin
Gegenstand
UV.2017.33
Einspracheentscheid vom 12.Mai 2017
Anspruch auf Heilkosten und Taggeld infolge eines Unfalls.
Tatsachen
I.
a) Die 1961 geborene Beschwerdeführerin arbeitete (unter anderem) seit dem 1.Januar 1998 als Reinigungsfrau bei der E____ AG, Basel. Über diese ist sie bei der Beschwerdegegnerin obligatorisch unfallversichert. Am 5.März 2016 stürzte sie bei der Arbeit von einer Leiter und erlitt dabei Prellungen an Schulter, Arm und Rippen (Schadenmeldung UVG vom 8.März 2016, Beschwerdeantwortbeilage [AB]67). In der Folge war die Beschwerdeführerin zunächst zu 100% arbeitsunfähig. Ab dem 6.Juni 2016 war sie noch zu 50% arbeitsunfähig und ab dem 20.Juni 2016 wurde ihr wieder eine volle Arbeitsfähigkeit attestiert (Unfallschein UVG, AB68). Im Juni 2016 nahm die Beschwerdeführerin denn auch die Arbeit wieder auf (vgl. Unfallschein UVG, Akte68, Patientenakteneintrag von Dr.F____ vom 27.Juni 2016, AB45, und Telefonnotiz vom 6.Juni 2016, AB8). Die Beschwerdegegnerin erbrachte die gesetzlichen Leistungen für die Unfallfolgen in Form von Taggeld und Heilkosten (vgl. Schreiben vom 15.und vom 21.April 2016, Akten99 bis 104, vom 28.April 2016, Akten88 bis 96, und vom 7.Juni und vom 7.Juli 2016 betreffend Taggeld, Akten73 bis 86).
b) Am 6.Februar 2017 verfügte die Beschwerdegegnerin die Einstellung ihrer Leistungen per 31.Januar 2017 (AB61). Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am 10.Februar 2017 Einsprache (AB60). In ihrem Einspracheentscheid vom 12.Mai 2017 hielt die Beschwerdegegnerin an ihrer Verfügung fest und wies die Einsprache ab (AB54).
II.
a) Mit Beschwerde vom 12.Juni 2017 beim Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wird beantragt, der Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 12.Mai 2017 sei aufzuheben und es sei die Sache zur ergänzenden Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts und zur Einholung eines Gutachtens an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird die unentgeltliche Verbeiständung mit B____ als Rechtsvertreter beantragt.
b) Die Beschwerdegegnerin schliesst mit Beschwerdeantwort vom 30.August 2017 (Postaufgabe 1.September 2017) auf Abweisung der Beschwerde.
c) In der Replik vom 4.Oktober 2017 und in der Duplik vom 17.November 2017 halten die Parteien an ihren im ersten Schriftenwechsel gestellten Anträgen fest.
d) Mit Schreiben vom 3.November 2017 reicht die Beschwerdeführerin eine Bestätigung von Dr.G____, Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, ein.
III.
Mit Verfügung vom 1.September 2017 weist die Instruktionsrichterin das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung ab.
IV.
Nachdem keine der Parteien die Durchführung einer Parteiverhandlung verlangt hat, findet am 19.Dezember 2017 die Urteilsberatung der Kammer des Sozialversicherungsgerichts statt.
Entscheidungsgründe
1. Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt ist gemäss Art.56 Abs.1 und Art.57 des Bundesgesetzes vom 6.Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) in Verbindung mit §82 Abs.1 des basel-städtischen Gerichtsorganisationsgesetzes vom 3.Juni 2015 (GOG; SG 154.100) und §1 Abs.1 des kantonalen Sozialversicherungsgerichtsgesetzes vom 9.Mai 2001 (SVGG; SG 154.200) als einzige kantonale Instanz in sachlicher Hinsicht zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art.58 Abs.1 ATSG. Die Beschwerde wurde rechtzeitig erhoben (Art.60 ATSG) und auch die übrigen formellen Beschwerdevoraussetzungen sind erfüllt. Infolgedessen ist auf die Beschwerde einzutreten.
Kann von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung im Sinne von Art.19 Abs.1 UVG mehr erwartet werden und sind zugleich die Voraussetzungen von Art.21 Abs.1 UVG (Pflegeleistungen und Kostenvergütungen nach Festsetzung einer Invalidenrente) nicht erfüllt, hat der Unfallversicherer keine Heilbehandlung mehr zu übernehmen. Der obligatorische Krankenversicherer tritt an seine Stelle (BGE 140 V 130, 132 E.2.2 und BGE 134 V 109, 115 E.4.2).
3.4. Gemäss Art.43 Abs.1 ATSG prüft der Versicherungsträger die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein. Was notwendig ist, ergibt sich aus dem Umfang der Abklärungen, die vorzunehmen sind, und daraus, in welcher Tiefe dies der Fall ist; der Versicherungsträger hat abzustecken, welche Bereiche im jeweiligen Fall massgebend sind (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3.Auflage, Zürich 2015, Art.43 N18 f.). Es liegt im Ermessen des Rechtsanwenders, über die notwendigen Abklärungsmassnahmen zu befinden (BGE 122 V 157, 160 E.1b).Aus diesen Berichten von Dr.F____ wird deutlich, dass die Beschwerdeführerin, auch als sie wider zu 100% ihrer Arbeit nachging, stets Beschwerden hatte. Ausserdem zeigt sich, dass Dr.F____ zumindest bei gewissen Beschwerden davon ausging, dass diese eine Unfallfolge darstellten. Eine ausführliche Begründung dieser Annahme findet sich jedoch in keinem der Patientenakteneinträge.
4.4. Im Bericht vom 1.März 2017 diagnostizierten die Ärzte des K____spitals [...] (AB56) eine traumatisierte AC-Gelenksarthrose am Schultergürtel links, mit sekundärem Impingement-Syndrom nach Schulterkontusion am 5.März 2016, sowie ein Status nach zweimaliger Schulterinfiltration (die erste am 31. Mai 2016, die zweite am 13.September 2016 fecit Dr.F____). Sie führten dazu namentlich aus, dass sie diese Diagnose als Folge des Unfalls interpretierten, da die Beschwerden der Beschwerdeführerin mit einem adäquaten Trauma begonnen hätten. Am 29.Mai 2017 bestätigte Dr.L____, es sei durchaus nachvollziehbar, dass es zu einer Aktivierung vorbestehender degenerativer Veränderungen gekommen sei und somit der Unfall für die geklagten Beschwerden verantwortlich sei. Zudem erklärte Dr.L____, es müsse davon ausgegangen werden, dass durch eine Gelenksanierung eine deutliche Besserung der Beschwerden zu erreichen wäre. Durch weitere Verzögerungen seien die Sehnen der Rotatorenmanschette gefährdet und die Schmerzen könnten sich zentralisieren (Beschwerdebeilage [BB]3). Auch aus diesen Berichten ergeben sich zumindest Hinweise darauf, dass die Beschwerden der Beschwerdeführerin unfallkausal sein könnten. Zudem wird zur Operation geraten. Eine solche fand gemäss dem Bericht von Dr.G____ vom 27.Oktober 2017 (Beilage zum Schreiben der Beschwerdeführerin vom 3.November 2017) am 11.Juli 2017 statt. Dr.G____ diagnostizierte einen Status nach Arthroskopie Schulter links mit Bizeptstenotomie, Acromioplastik und ACG-Teilresektion am 11.Juli 2017 bei posttraumatischem Impingement mit/bei posttraumatisch aktivierter AC-Gelenksarthrose, Instabilität lange Bizepssehne Schulter links. Dazu hielt er fest, es könne mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass ein nicht unerheblicher Teil der Beschwerden der Beschwerdeführerin auf eine traumatisch Läsion des Pulley mit nachfolgender Instabilität der langen Bizepssehne, welche sich die Beschwerdeführerin im Rahmen des Sturzes im Juni 2016 zugezogen habe, zurückzuführen gewesen sei.Auch Dr.G____ spricht sich somit für eine Unfallkausalität der Restbeschwerden der Beschwerdeführerin sowie der im Juli 2017 durchgeführten Operation aus. Er begründet dies jedoch nicht weiter.
4.5. Zusammengefasst trifft es wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht zu, dass die behandelnden immer wieder auf eine Unfallkausalität (oder zumindest eine Teilkausalität im Sinne einer Aktivierung der Arthrose durch den Unfall) hinweisen bzw. von einer solchen ausgehen. Keiner der behandelnden Ärzte begründet dies jedoch ausführlich genug, sodass darauf abgestellt werden könnte. Wie von den Parteien richtig festgestellt, ist die Beweisregel post hoc ergo propter hoc beweisrechtlich nicht zulässig (vgl. BGE 119 V 335, 341 E.2b/bb sowie Bundesgerichtsurteile 8C_403/2012 vom 19.Juni 2012 E.3.3 mit Hinweisen und 8C_744/2013 vom 10.Januar 2014 E.3.2). Das bedeutet, dass es nicht genügt, dass die Beschwerdeführerin vor dem Unfall keine Beschwerden hatte, um anzunehmen, dass alle Beschwerden, welche die Beschwerdeführerin beklagt, auf den Unfall vom 5.März 2016 zurückzuführen sind. Allerdings ist diesbezüglich bisher auch keine spezifische medizinische Abklärung erfolgt. Dies erstaunt, zumal auch der beratende Arzt der Beschwerdegegnerin, Dr.H____ zumindest von einer Teilkausalität der Beschwerden ausging (vgl. insbesondere Bericht vom 4.Januar 2017, AB42). Es genügt nicht, auf die nicht zulässige Beweisregel post hoc ergo propter hoc hinzuweisen. Vielmehr muss abgeklärt werden, ob denn die weiterhin beklagten Beschwerden im konkreten Fall unfallkausal bzw. zumindest teilweise unfallkausal sind nicht.Wie oben unter E.3.2. dargelegt, obliegt es der Beschwerdegegnerin, zu beweisen, dass kein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den fortbestehenden Beschwerden mehr besteht, bzw. dass der status quo sine eingetreten ist und dass die derzeitige Behandlung auch ohne das Unfallereignis notwendig geworden wäre. Aufgrund der vorliegenden Akten kann dies jedoch nicht als bewiesen angesehen werden. Die Beschwerdegegnerin hat daher im Rahmen ihrer Untersuchungspflicht (vgl. E.3.4.) weitere medizinische Abklärungen in Form eines neutralen Gutachtens gemäss Art. 44 ATSG zu treffen um festzustellen, in wie fern die fortbestehenden Beschwerden der Beschwerdeführerin unfallkausal sind. Dabei ist namentlich auch die im Juli 2017 Operation zu berücksichtigen.
4.6. Soweit die Beschwerdegegnerin im Übrigen das Erreichen des Endzustandes damit begründet, die Beschwerdeführerin sei wieder zu 100% arbeitsfähig, weshalb eine weitere Heilbehandlung nicht ins Gewicht fallen würde und auch eine Operation keinesfalls auch nur zu geringfügigen therapeutischen Fortschritten führen könne, kann ihr nicht gefolgt werden. Wie unter E.3.3. dargelegt, trifft es zwar grundsätzlich zu, dass eine 100%ige Arbeitsfähigkeit ein Argument für die Einstellung der Leistungen darstellt. Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass Schulterschmerzen bei einer Putzfrau zumindest längerfristig, wenn nicht gar kurzfristig, zu erheblichen Einschränkungen führen kann. Putzen ist eine körperliche Tätigkeit, welche in der Regel häufige Schulterbewegungen und auch Belastungen der Schulter mit sich bringt (z.B. beim Tragen von Wasserkesseln, Putzen an nicht leicht zugänglichen Stellen, Überkopfarbeiten etc.). Wenngleich die Arbeitsfähigkeit vom Pensum her nicht eingeschränkt ist, bedeutet dies nicht, dass die Schmerzen sich nicht anderweitig in der Arbeitsfähigkeit bzw. auf die Leistungsfähigkeit niederschlagen. Können die Schmerzen mit einer Operation behoben werden, so ist nicht nur von der Verbesserung der Befindlichkeit der Beschwerdeführerin auszugehen, sondern von einer längerfristigen Verbesserung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit.
Demgemäss erkennt das Sozialversicherungsgericht:
://: In Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom 12.Mai 2017 aufgehoben und die Sache zur Einholung eines neutralen Gutachtens an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.
Das Verfahren ist kostenlos.
Die Beschwerdegegnerin bezahlt der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von CHF3300.-- (inkl. Auslagen) zuzüglich Mehrwertsteuer von CHF264.--.
Sozialversicherungsgericht BASEL-STADT
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
lic. iur. K. Zehnder MLaw L. Marti
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG]). Die Beschwerdefrist kann nicht erstreckt werden (Art. 47 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegründe sind in Art. 95 ff. BGG geregelt.
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, in dreifacher Ausfertigung zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat den Anforderungen gemäss Art. 42 BGG zu genügen; zu beachten ist dabei insbesondere:
a) Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten;
b) in der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt;
c) die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat, ebenso der angefochtene Entscheid.
Geht an:
- Beschwerdeführerin
- Beschwerdegegnerin
- Bundesamt für Gesundheit
Versandt am:
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