| Appellationsgericht Dreiergericht |
SB.2022.124
URTEIL
vom 2. November 2023
Mitwirkende
lic. iur. Marc Oser, Dr. Annatina Wirz, MLaw Manuel Kreis
und Gerichtsschreiberin MLaw Mateja Smiljic
Beteiligte
A____, geb. [...] Berufungskläger
[...] Beschuldigter
vertreten durch [...], Advokat,
[...]
gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Berufungsbeklagte
Binningerstrasse 21, 4001 Basel
Gegenstand
Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen
vom 28. September 2022
betreffend Verletzung der Verkehrsregeln
Sachverhalt
Mit Strafbefehl vom 21. Juli 2021 wurde A____ wegen Verletzung der Verkehrsregeln sowie Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über den Strassenverkehr (Nichtbeachten des Vorschriftssignals «Fussgängerzone» und Nichtmitführen eines Fahrzeugausweises), begangen am 26. September 2020, zu einer Busse von gesamthaft CHF 120.–, bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von zwei Tagen, verurteilt. Zudem wurden ihm die Verfahrenskosten von insgesamt CHF 205.30 auferlegt, wobei der von A____ mit Datum vom 20. Juli 2021 bereits überwiesene Betrag in der Höhe von CHF 20.– mit der Busse und den Verfahrenskosten verrechnet wurde.
Am 25. Juli 2021 erhob A____ Einsprache gegen diesen Strafbefehl, woraufhin die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren am 16. März 2022 an das Strafgericht Basel-Stadt überwies. Mit weiterer Eingabe vom 11. Juli 2022 und unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich ergangenen Bundesgerichtsurteils 6B_684/2021 vom 22. Juni 2022 reichte die Staatsanwaltschaft den inhaltlich gleichlautenden Strafbefehl dem Strafgericht Basel-Stadt nochmals ein, dieses Mal versehen mit der handschriftlichen Unterschrift der zuständigen Staatsanwältin. A____, nunmehr vertreten durch [...], Advokat, erhob hiergegen mit Eingabe vom 5. August 2022 vorsorglich wiederum Einsprache.
Mit Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen vom 28. September 2022 wurde A____ der Verletzung der Verkehrsregeln und des Nichtmitführens von Ausweisen Bewilligungen i.S. des Strassenverkehrsgesetzes schuldig erklärt und verurteilt zu einer Busse von CHF 120.– (bei schuldhafter Nichtbezahlung zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe). Zudem wurden ihm die Verfahrenskosten von insgesamt CHF 205.30 sowie eine Urteilsgebühr von CHF 500.– auferlegt. Das Kostendepot im Betrag von CHF 20.– wurde mit der Busse verrechnet.
Gegen dieses Urteil hat A____ (nachfolgend: Berufungskläger) mit Eingabe vom 30. September 2022 Berufung angemeldet und mit Eingabe vom 21. Dezember 2022 bzw. 14. Juni 2023 die Berufung erklärt sowie begründet. Darin beantragt er einen Freispruch vom Vorwurf der Verletzung der Verkehrsregeln in Bezug auf das Nichtbeachten des Vorschriftssignals «Fussgängerzone». Die Staatsanwaltschaft hat weder Nichteintreten auf die Berufung beantragt noch Anschlussberufung erklärt. Mit Berufungsantwort vom 10. Juli 2023 begehrt die Staatsanwaltschaft die kostenpflichtige Abweisung der Berufung und die vollumfängliche Bestätigung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils. Mit Verfügung vom 11. Juli 2023 hat der instruierende Appellationsgerichtspräsident gestützt auf Art. 406 Abs. 1 lit. c StPO das schriftliche Verfahren angeordnet.
Die Tatsachen und die Einzelheiten der Standpunkte der Parteien ergeben sich, soweit für den vorliegenden Entscheid relevant, aus dem erstinstanzlichen Urteil und den nachfolgenden Erwägungen.
Erwägungen
1. Formelles
1.1 Gemäss Art. 398 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) unterliegt das angefochtene Urteil des Einzelgerichts in Strafsachen der Berufung an das Appellationsgericht. Der Berufungskläger ist gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO zur Berufung legitimiert. Diese ist nach Art. 399 StPO form- und fristgemäss angemeldet und erklärt worden, so dass auf sie einzutreten ist. Zuständiges Berufungsgericht ist gemäss § 88 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, SG 154.100) das Dreiergericht des Appellationsgerichts.
1.2 Nach Art. 406 Abs. 1 lit. c StPO kann das Berufungsgericht die Berufung in einem schriftlichen Verfahren behandeln, wenn ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils bilden und mit der Berufung nicht ein Schuldspruch wegen eines Verbrechens Vergehens beantragt wird (vgl. Zimmerlin, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Auflage 2020, Art. 406 N 6). Dies ist vorliegend der Fall. Die Parteien wurden mit Verfügung vom 23. Dezember 2022 bereits darauf hingewiesen, dass vorgesehen sei, ein schriftliches Verfahren durchzuführen. Mit Verfügung vom 11. Juli 2023 wurde dieses angeordnet. Der vorliegende Entscheid ist nach durchgeführtem Schriftenwechsel auf dem Zirkulationsweg ergangen (Art. 406 Abs. 3 und 4 in Verbindung mit 390 Abs. 2 bis 4 StPO). Die Verfahrensakten wurden beigezogen.
1.3 Im Rahmen einer Berufung wird der vorinstanzliche Entscheid grundsätzlich bezüglich sämtlicher Tat-, Rechts- und Ermessensfragen frei überprüft (Art. 398 Abs. 3 StPO). Bildeten hingegen – wie vorliegend – ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so schränkt Art. 389 Abs. 4 StPO die Kognition der Berufungsinstanz ein. In solchen Fällen können mit der Berufung nur Rechtsfehler die offensichtlich unrichtige bzw. auf Rechtsverletzung beruhende Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden (Art. 398 Abs. 4 StPO). Neu sind behauptete Tatsachen und Beweise, die im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht worden sind. Nicht neu in diesem Sinne ist ein Beweis, dessen Abnahme bereits vor erster Instanz beantragt, aber abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht entscheidet somit aufgrund der bereits vor erster Instanz vorgebrachten Behauptungen und der bestehenden Beweislage. Rechtsfragen überprüft das Berufungsgericht hingegen auch bei Übertretungen mit freier Kognition. Die inhaltliche Begrenzung des Berufungsthemas in Art. 398 Abs. 4 StPO schränkt die Überprüfungsbefugnis diesbezüglich nicht ein. Ebenso überprüft das Berufungsgericht den Kostenspruch mit voller Kognition (vgl. Zimmerlin, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Auflage 2020, Art. 398 N 23; Bähler, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar StPO, 3. Auflage 2023, Art. 398 StPO N 6; AGE SB.2018.48 vom 17. Mai 2019 E. 1.2, SB.2018.110 vom 2. April 2019 E. 1.3).
Der Berufungskläger hat mit seiner Berufungserklärung vom 21. Dezember 2022 eine E-Mail-Korrespondenz zwischen ihm und dem Leiter [...] des Kantons Basel-Stadt, [...], vom 4. Juni 2021 resp. eine solche vom 14. Juni 2021 eingereicht, mit dem Antrag, diese seien im Berufungsverfahren als Beweismittel zu berücksichtigen. Diese neuen Beweismittel sind im vorinstanzlichen Verfahren nicht Aktenbestandteil geworden, weshalb sie unter dem Gesichtspunkt von Art. 398 Abs. 4 StPO im Berufungsverfahren nicht zulässig sind. Daran vermag auch die Klammerbemerkung des Berufungsklägers in seiner Berufungsbegründung vom 14. Juni 2023, wonach es sich hierbei um die Äusserung einer rechtlichen Interpretation und letztlich nicht um ein Beweismittel handle, nichts zu ändern (vgl. Berufungsbegründung, Akten S. 169). Die Nachrichten datieren vom 4. und 14. Juni 2021, die erstinstanzliche Hauptverhandlung fand am 28. September 2022 statt. Es wäre für den Berufungskläger folglich möglich gewesen, die Nachrichten des Leiters [...] mit dessen Interpretation zur Auslegung der Bewilligung dem Einzelgericht in Strafsachen rechtzeitig einzureichen.
1.4 Das Berufungsgericht überprüft das erstinstanzliche Urteil nur in den angefochtenen Punkten (Art. 404 Abs. 1 StPO). Der Berufungskläger beantragt im Hauptbegehren einen vollumfänglichen Freispruch vom Vorwurf der Verletzung der Verkehrsregeln in Bezug auf das Nichtbeachten des Vorschriftssignals «Fussgängerzone» und ficht gleichzeitig die damit verbundene Busse und die Kostenfolgen an. Nicht angefochten und in Rechtskraft erwachsen ist hingegen die erstinstanzliche Verurteilung in Bezug auf die Widerhandlung wegen Nichtmitführens von Ausweisen Bewilligungen (vgl. Berufungserklärung, Akten S. 141; Berufungsbegründung, Akten S. 165).
1.5
1.5.1 Der Berufungskläger stellt in formeller Hinsicht die Gültigkeit des dem Urteil vom 28. September 2022 zugrunde liegenden Strafbefehls vom 21. Juli 2021 in Frage. Nach Ansicht des Berufungsklägers sei dieser aufgrund der fehlenden Originalunterschrift einer Staatsanwältin resp. eines Staatsanwalts ungültig und die Vorinstanz hätte ihn aufheben sowie den Fall zur Durchführung eines neuen Vorverfahrens an die Staatsanwaltschaft zurückweisen müssen. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Bundesgerichts 6B_684/2021 vom 22. Juni 2022. Dem Berufungskläger sei zu keinem Zeitpunkt ein Strafbefehl mit Originalunterschrift zugestellt worden, erst anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung und auf erneute Geltendmachung hin sei ihm die auf dem Strafbefehl vom 21. Juli 2021 ergänzte Originalunterschrift gezeigt worden. Die Originalunterschrift der Staatsanwältin sei zudem erst ein Jahr nach Erhebung der Einsprache gegen den Strafbefehl angefügt worden. Allerdings sei der Strafbefehl zu diesem Zeitpunkt zufolge der Einsprache bereits dahingefallen. Es genüge nicht, dass ein bereits dahingefallener Strafbefehl nachträglich mit einer Originalunterschrift versehen werde. Die diesbezügliche Haltung des Einzelgerichts in Strafsachen widerspreche der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Das Bundesgericht habe im Übrigen eine Heilung durch eine eigenhändig unterzeichnete Überweisungsverfügung an das Gericht als nicht möglich beurteilt. Der Strafbefehl vom 21. Juli 2021 sei im Ergebnis ungültig.
1.5.2 Diesen Ausführungen des Berufungsklägers kann nicht gefolgt werden. Die Staatsanwaltschaft hat – im Nachgang zum Bundesgerichtsurteil 6B_684/2021 vom 22. Juni 2022 (inzwischen in der amtlichen Sammlung publiziert als BGE 148 IV 445) – mit Eingabe vom 11. Juli 2022 den Strafbefehl vom 21. Juli 2021 nochmals dem Strafgericht eingereicht, dieses Mal ergänzt um die handschriftliche Unterschrift der zuständigen Staatsanwältin. Die Pflicht zur Unterschrift leitet das Bundesgericht im genannten Urteil aus Art. 356 Abs. 1 StPO in Verbindung mit Art. 325 StPO und Art. 110 Abs. 1 StPO ab (a.a.O., E. 1.5.1). Der Strafbefehl bzw. die Anklageschrift müsse gemäss Art. 110 Abs. 1 StPO unterschrieben werden, da die Staatsanwaltschaft als Partei gemäss Art. 104 Abs. 1 lit. c StPO gelte. Bei fehlender Unterzeichnung von schriftlichen Eingaben wird den Parteien stets die Möglichkeit gegeben, dies nachzuholen (vgl. Art. 110 Abs. 4 StPO, Art. 385 Abs. 2 StPO). So wurde auch dem Berufungskläger nach Einreichung seiner Einsprache vom 25. Juli 2021 mit Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 27. Juli 2021 eine nochmalige Frist von zehn Tagen angesetzt, um eine handschriftlich unterschriebene Einsprache einzureichen, was er mit seiner Eingabe vom 29. Juli 2021 nachgeholt hat (vgl. Akten S. 24, 26). Die gleiche Möglichkeit muss auch die Staatsanwaltschaft in der vorliegenden Konstellation haben. Der ursprünglich mängelbehaftete Strafbefehl vom 21. Juli 2021 ist von der Staatsanwaltschaft mit dem Nachholen der eigenhändigen Unterschrift nach Massgabe der gesetzlichen Vorgaben nachgebessert worden. Diese Nachbesserung erfolgte, anders als im vom Bundesgericht beurteilten Fall 6B_684/2021 vom 22. Juni 2022, nicht nur mittels einer unterschriebenen Überweisungsverfügung, sondern indem der ursprüngliche Strafbefehl nachträglich mit der Originalunterschrift versehen wurde. Damit ist die Staatsanwaltschaft den Vorgaben des Bundesgerichts im vorliegenden Fall nachgekommen. Insbesondere hat die Staatsanwaltschaft sofort nach Ergehen des Bundesgerichtsentscheids von sich aus reagiert und ihre bisher gelebte Praxis an die neue Bundesgerichtspraxis angepasst. Hätte sie dies nicht getan, hätte das Einzelgericht in Strafsachen gemäss Art. 356 Abs. 5 StPO den Strafbefehl aufheben und das Verfahren an die Staatsanwaltschaft zurückweisen müssen. Diese hätte dann einen neuen, formgültig unterzeichneten Strafbefehl erlassen können. Mit ihrem Vorgehen hat die Staatsanwaltschaft einen prozessualen Leerlauf verhindert. Bis zum Zeitpunkt der Nachbesserung war die fehlende eigenhändige Unterschrift seitens des Berufungsklägers auch nicht beanstandet worden. Der Bedeutung der Rechtssicherheit im Strafrecht ist mit diesem Vorgehen jedenfalls Genüge getan und der Berufungskläger ging keiner Rechte verlustig.
2. Materielles
2.1 In materieller Hinsicht ist fraglich, ob sich der Berufungskläger der Verletzung der Verkehrsregeln wegen Missachtens des Vorschriftssignals «Fussgängerzone» nach Art. 90 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG, SR 741.01) in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 22c Abs. 1 der Signalisationsverordnung (SSV, SR 741.21) schuldig gemacht hat.
Im Zentrum steht dabei ein Vorfall vom 26. September 2020: Anlässlich einer Patrouillenfahrt hatte die Polizeidienstangestellte [...] festgestellt, dass der Personenwagen [...] beim Barfüsserplatz geradeaus in die Steinenvorstadt (Fussgängerzone) gefahren und von dort aus in die Stänzlergasse abgebogen war, wo er schliesslich um 07.30 Uhr angehalten und kontrolliert wurde (vgl. Akten S. 35). Der vorgeworfene Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen und wird vom Berufungskläger auch nicht bestritten (Akten S. 108, 121, 167). Unerheblich sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Berufungsklägers zur Frage, was sich vorher gegebenenfalls noch ereignet haben soll, denn er ist vorinstanzlich nur für die Übertretung in der Steinenvorstadt / Stänzlergasse verurteilt worden.
Der Berufungskläger verlangt einen Freispruch vom Vorwurf der Verletzung der Verkehrsregeln, wobei er bereits im Einspracheverfahren geltend gemacht hat, dass er aufgrund seiner Bewilligung für den Stadtmarkt auf dem Marktplatz (Marktfahrerbewilligung) über eine Durchfahrtsbewilligung für die Innenstadt verfüge, weshalb er keine Verkehrsregelverletzung begangen habe (vgl. Akten S. 12, 26). Streitig ist im vorliegenden Fall somit einzig, ob der Berufungskläger dazu berechtigt war, die Fussgängerzone am besagten Ort zu durchfahren.
2.2 Das Einzelgericht in Strafsachen ist in rechtlicher Hinsicht zum Schluss gelangt, dass die besagte Bewilligung ausnahmsweise die Zufahrt zum Stadtmarkt auf den Marktplatz erlaube. Diese Bewilligung sei indessen restriktiv auszulegen, da sie eine Ausnahme vom Grundsatz darstelle, wonach die Kernzone der Innenstadt motorfahrzeugfrei sei. Sie dürfe nicht als Carte Blanche verstanden werden, welche zur Fahrt durch die gesamte Innenstadt berechtige. Vielmehr rechtfertige sie einzig und alleine das Befahren derjenigen Fussgängerzonen, welche vom Marktplatz aus nicht auf den für den Autoverkehr vorgesehenen Strassen umfahren werden könnten. Die Fahrtroute sei daher so zu wählen, dass die Fussgängerzone auf direktestem Weg passiert werde. Sei es möglich und zumutbar, eine Route zu befahren, welche nicht durch die motorfahrzeugfreie Fussgängerzone führe, so sei diese zu wählen. Um vom Marktplatz zum Erdbeergraben zu gelangen, hätte der Berufungskläger daher die Route via Eisengasse, Schifflände, Blumenrain und Petersgraben wählen müssen. Dieser Weg wäre umso mehr angezeigt gewesen, als dem Berufungskläger aufgrund der bei der Hinfahrt gewählten Route unweigerlich klar sein musste, dass die Theaterstrasse aufgrund der dortigen Baustelle nicht befahrbar gewesen sei. Die Zufahrtsbewilligung zum Marktplatz, welche einen integrierten Bestandteil der Marktfahrerbewilligung darstelle, vermöge seine Fahrt durch die Steinenvorstadt und die Stänzlergasse aus diesem Grund nicht zu rechtfertigen, weshalb er sich der Verletzung der Verkehrsregeln strafbar gemacht habe.
2.3 Der Berufungskläger hält auch im Berufungsverfahren an seinen bisherigen Vorbringen fest und rügt ferner, ihm werde vom Gericht vorgeschrieben, welche Route er vom Marktplatz zu seinem Parkplatz am Erdbeergraben hätte nehmen müssen. Gemäss Zufahrtsverordnung sei es Marktfahrern jedoch gestattet, die Kernzone der Innenstadt trotz Fahrverbot zu befahren. Dies mit dem Zweck, den Marktfahrern ihre Tätigkeit auf dem Marktplatz zu ermöglichen und auch zu vereinfachen. Die Verordnung enthalte keine Vorschrift darüber, welche Route die Marktfahrer zu wählen hätten. Die Marktfahrerbewilligung halte fest, dass diese die Zufahrt auf den Marktplatz gemäss der Zufahrtsverordnung erlaube. Damit sei selbstredend auch die Wegfahrt vom Marktplatz gemeint. Folglich stellten weder die anwendbare Verordnung noch die Marktfahrerbewilligung Vorschriften über die zu wählende Route auf. Die Durchfahrt durch die Kernzone sei ihm damit zufolge Marktfahrerbewilligung erlaubt. Eine Beschränkung auf den von der Vorinstanz aufgezeigten Weg sei demgegenüber nicht enthalten. Bei der von ihm gewählten Route vom Marktplatz zu seinem Parkplatz am Erdbeergraben handle es sich unbestrittenermassen um die kürzeste Strecke. Sowohl er wie auch zahlreiche andere Marktfahrer nutzten die Strecke durch die Innenstadt regelmässig, um vom Marktplatz zu ihren Parkplätzen am Erdbeergraben und umgekehrt zum Marktplatz zu gelangen. Die Vorinstanz habe die Zufahrtsverordnung zu seinen Ungunsten ausgelegt, obwohl der Wortlaut klar sei. Es könne nicht bestraft werden, was ausdrücklich mit klarem Wortlaut erlaubt sei.
2.4
2.4.1 Die Kernzone der Innenstadt ist nach dem «Neuen Verkehrskonzept Innenstadt» seit dem Jahr 2015 aufgegliedert in Fussgängerzonen, Begegnungszonen sowie Achsen des öffentlichen Verkehrs mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h (https://www.polizei.bs.ch/verkehr/strassenverkehr/zufahrt-innenstadt.html; Verordnung betreffend die ausnahmsweise Zufahrt in die Innenstadt [Zufahrtsverordnung, SG 952.300]). Wie bereits von der Vorinstanz zutreffend festgehalten, ist die Kernzone der Innenstadt grundsätzlich motorfahrzeugfrei und die Zufahrt mit Motorfahrzeugen in die Kernzone nur sehr eingeschränkt erlaubt. Die Zufahrtsverordnung regelt deshalb, wer trotz allgemeinen Fahrverbots unter welchen Voraussetzungen die Kernzone Innenstadt ausnahmsweise befahren darf (§ 1 Abs. 2 Zufahrtsverordnung). Es trifft zwar zu, dass die Marktfahrerbewilligung des Berufungsklägers die Zufahrt auf den Marktplatz gem.s Zufahrtsverordnung erlaubt (vgl. Akten S. 29; § 1 Abs. 1 lit. h Zufahrtsverordnung, wonach die Zufahrt mit Bewilligung gemäss Verordnung betreffend Messen und Märkte in der Stadt Basel eine Ausnahme vom allgemeinen Fahrverbot bildet). Die sich in den Akten befindliche Marktfahrerbewilligung des Berufungsklägers enthält demgegenüber keine Vorschriften über die zu wählende Route, da sie hauptsächlich über die Modalitäten des Standplatzes auf dem Marktplatz Auskunft gibt. Gleiches gilt für die Zufahrtsverordnung selbst. Der Berufungskläger geht jedoch fehl in der Annahme, dass es sich bei der Zufahrtsbewilligung um eine «generelle Durchfahrtsbewilligung für die Innenstadt» handelt, die ihn dazu berechtigt, beliebig durch die Kernzone der Innenstadt zu fahren. Dem Ziel des Verkehrskonzepts Innenstadt folgend sind grundsätzlich nicht die Fussgängerzonen, sondern die ebenfalls zur Verfügung stehenden Achsen des öffentlichen Verkehrs mit Tempo-30-Zone für eine solche Durchfahrt zu wählen. Würde die Marktfahrerbewilligung resp. die Zufahrtsverordnung nach den Vorstellungen des Berufungsklägers ausgelegt, so hätte dies wohl eine Vielzahl von Fahrten durch die meist direkt zu durchfahrenden Fussgängerzonen zur Folge und liefe dem Ziel der mit diesem Verkehrskonzept in der Innenstadt beabsichtigen Motorfahrzeugfreiheit diametral zuwider. Der Berufungskläger selbst bezeichnet die Route durch die Fussgängerzonen denn auch als kürzeste und daher wohl auch als potentiell beliebteste Strecke zum Parkplatz am Erdbeergraben für die Marktfahrer (vgl. Berufungsbegründung, Akten S. 169). Die Zufahrt zum Marktplatz ist also grundsätzlich gestützt auf die Marktfahrerbewilligung gerechtfertigt, allerdings primär auf den für den Autoverkehr vorgesehenen Strassen, also den Achsen des öffentlichen Verkehrs mit Tempo-30 und nicht durch die dafür nicht geeigneten Fussgängerzonen.
2.4.2 Zu diesem Schluss führt auch die folgende Überlegung: Auch Taxis dürfen im Rahmen von Bestellfahrten sowie für Fahrten zu den Taxistandplätzen die Kernzone der Innenstadt befahren (§ 2 Abs. 1 lit. c Zufahrtsverordnung). Laut dem von der Kantonspolizei Basel-Stadt gestützt auf die Zufahrtsverordnung herausgegebenen «Merkblatt Taxifahrten in der motorfahrzeugfreien Kernzone der Basler Innenstadt» gilt dabei folgender Grundsatz (vgl. https://www.polizei.bs.ch/verkehr/strassenverkehr/zufahrt-innenstadt.html): «Bei einer Bestellfahrt Zufahrt zu einem Taxistandplatz sind in der Kernzone grundsätzlich die ÖV-Achsen zu benutzen. In der Begegnungszone und v.a. in der Fussgängerzone darf nur gefahren werden, um einen Fahrgast zu bringen zu holen. Es ist so lange wie möglich auf der ÖV-Achse zu bleiben». Was bereits für Taxifahrzeuge, die als halböffentliches Verkehrsmittel den öffentlichen Verkehr ergänzen, gilt, muss umso mehr für den motorisierten Individualverkehr Geltung haben. Dass er sich dieser Tatsache bewusst ist, anerkennt der Berufungskläger selbst, hat er doch mehrfach ausgesagt, seit 17 Jahren den Markplatz vom Bahnhof herkommend immer über die gleiche Route anzufahren resp. wieder zu verlassen: Bahnhof, Heuwaage, Theater, Barfüsserplatz, Falknerstrasse, Gerbergasse, Marktplatz und wieder retour in umgekehrter Richtung (Akten S. 108). Das vom Berufungskläger anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung auf die Frage hin, wieso er beim Barfüsserplatz nicht nach rechts Richtung Kohlenberg abgebogen sei, erwähnte Verbot zum Rechtsabbiegen betrifft ausserdem nur schwere Motorwagen (vgl. Akten S. 104; Anhang 2 SSV, Sig. 5.21). Er hätte somit auch dort abbiegen können und nicht geradeaus durch die Steinenvorstadt fahren müssen. Ebenso wäre es ihm freigestanden, den Barfüsserplatz über den Steinenberg Richtung Bankverein zu verlassen und sich von dort aus zum Parkplatz am Erdbeergraben zu begeben.
2.4.3 Unbehelflich ist auch die Berufung des Berufungsklägers auf die Korrespondenz zwischen ihm und dem Leiter [...] des Kantons Basel-Stadt. Wie vorstehend (E. 1.3) ausgeführt, ist diese erstmals im Berufungsverfahren eingereichte Korrespondenz nicht zu berücksichtigen. Selbst wenn sie berücksichtigt werden könnte, würde sie am dargelegten Ergebnis nichts ändern: Der Berufungskläger macht geltend, selbst der Leiter [...] habe per E-Mail bestätigt, dass die Anfahrtsroute via Barfüsserplatz problemlos möglich sei, da es den üblichen Innenstadt-Perimeter betreffe. Aus den vom Berufungskläger erwähnten Nachrichten ist demgegenüber nicht ableitbar, ob diese Einschätzung des Leiters [...] die vorliegend infrage stehende Fussgängerzone Steinenvorstadt betrifft, da er nur von der Zufahrtsroute via Barfüsserplatz spricht. Am 4. Juni 2021 schreibt er im Weiteren lediglich, dass mehrere Marktfahrer bei der Zufahrt Richtung Marktplatz gebüsst worden seien, aber wo genau, geht daraus nicht hervor. In diesem Mailwechsel ist von den Problemen der Zufahrt am Marktplatz in allgemeiner Art die Rede und nicht speziell von der vom Berufungskläger gewählten Route im vorliegenden Fall, weshalb er hieraus nichts zu seinen Gunsten ableiten kann.
2.4.4 Im Ergebnis ist der Schuldspruch des Einzelgerichts in Strafsachen wegen Verletzung der Verkehrsregeln (Nichtbeachten des Vorschriftssignals «Fussgängerzone») nicht zu beanstanden und daher zu bestätigen.
3. Die Strafzumessung ist vom Berufungskläger zu Recht nicht angefochten worden. Strafrahmen bildet Art. 90 Abs. 1 SVG, wonach eine Verletzung der Verkehrsregeln mit Busse bestraft wird. Ebenfalls wird mit Busse bestraft, wer eine Widerhandlung nach Art. 99 SVG begeht. Die von der Vorinstanz ausgesprochene Busse für die vorliegende Verkehrsregelverletzung (Nichtbeachten des Vorschriftssignals «Fussgängerzone») sowie für die Widerhandlung wegen Nichtmitführens von Ausweisen Bewilligungen richtet sich nach der Ordnungsbussenverordnung (OBV, SR 741.031) und ist nicht zu beanstanden.
4. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Berufung vollumfänglich abzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Berufungskläger dessen Kosten mit Einschluss einer Urteilsgebühr von CHF 1'000.– zu tragen (Art. 428 Abs. 1 Satz 1 StPO). Eine Parteientschädigung kann ihm unter diesen Umständen nicht ausgerichtet werden.
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):
://: Es wird festgestellt, dass folgender Punkt des Urteils des Einzelgerichts in Strafsachen vom 28. September 2022 mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist:
- Schuldspruch wegen Nichtmitführens von Ausweisen Bewilligungen i.S. des Strassenverkehrsgesetzes.
A____ wird in Abweisung seiner Berufung – nebst dem bereits rechtskräftigen Schuldspruch wegen Nichtmitführens von Ausweisen Bewilligungen – der Verletzung der Verkehrsregeln (Nichtbeachten des Vorschriftssignals «Fussgängerzone») schuldig erklärt. Er wird verurteilt zu einer Busse von CHF 120.– (bei schuldhafter Nichtbezahlung 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe),
in Anwendung von Art. 90 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes und Art. 22c Abs. 1 der Signalisationsverordnung sowie Art. 99 Abs. 1 lit. b des Strassenverkehrsgesetzes und Art. 106 des Strafgesetzbuches.
Das Kostendepot des Berufungsklägers von CHF 20.– wird mit der Busse verrechnet.
A____ trägt die Kosten von CHF 205.30 und eine Urteilsgebühr von CHF 500.– für das erstinstanzliche Verfahren sowie die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens mit Einschluss einer Urteilsgebühr von CHF 1'000.– (inkl. Kanzleiauslagen, zuzüglich allfällige übrige Auslagen).
Mitteilung an:
- Berufungskläger
- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt
- Strafgericht Basel-Stadt
- Kantonspolizei Basel-Stadt, Verkehrsabteilung
- VOSTRA-Koordinationsstelle
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Der Präsident Die Gerichtsschreiberin
lic. iur. Marc Oser MLaw Mateja Smiljic
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.