Zusammenfassung des Urteils IV.2020.44 (SVG.2021.98): Sozialversicherungsgericht
Der 1952 geborene Beschwerdeführer hat sich 2002 bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung angemeldet und erhielt 2007 eine ganze Invalidenrente. Später beantragte er eine Hilflosenentschädigung, die ihm zunächst mittleren Grades zugesprochen wurde. Nach einer Überprüfung im Jahr 2013 und einem erneuten Antrag auf Revision im Jahr 2017, lehnte die IV-Stelle eine Erhöhung der Entschädigung ab. Der Beschwerdeführer legte dagegen Beschwerde ein, die jedoch vom Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt abgewiesen wurde. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 800,- sind vom Beschwerdeführer zu tragen.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | IV.2020.44 (SVG.2021.98) |
Instanz: | Sozialversicherungsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 16.12.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Hilflosenentschädigung mittleren Grades. Revisionsweise Erhöhung abgelehnt (Urteil Nr. 9C_326_2021 vom 25.6.2021) |
Schlagwörter: | IV-Akte; Hilflosigkeit; Überwachung; Hilfe; Abklärung; Hilflosenentschädigung; IV-Stelle; Person; Lebensverrichtung; Lebensverrichtungen; Anspruch; Grades; Beschwerdeführers; Bericht; Verfügung; Dritthilfe; Gesundheit; Gesundheitszustand; Grundpflege; Recht; Bundesgericht; Sozialversicherungsgericht; Basel |
Rechtsnorm: | Art. 17 ATSG ;Art. 42 BGG ;Art. 47 BGG ;Art. 9 ATSG ;Art. 95 BGG ; |
Referenz BGE: | 121 V 90; 121 V 91; 125 V 297; 133 V 108; |
Kommentar: | - |
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt
|
URTEIL
vom 16. Dezember 2020
Mitwirkende
Dr. G. Thomi (Vorsitz), lic. iur. M. Fuchs, lic. iur. R. Schnyder
und Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Gmür
Parteien
A____
Beschwerdeführer
IV-Stelle Basel-Stadt
Rechtsdienst, LangeGasse7, Postfach, 4002Basel
Beschwerdegegnerin
Gegenstand
IV.2020.44
Verfügung vom 12. März 2020
Hilflosenentschädigung mittleren Grades. Revisionsweise Erhöhung abgelehnt.
Tatsachen
I.
Der 1952 geborene Beschwerdeführer meldete sich am 6. Dezember 2002 unter dem Hinweis auf Lungenkrebs zum Bezug von Leistungen der Eidgenössischen Invalidenversicherung (IV) an (IV-Akte 1). Nach erfolgten medizinischen und erwerblichen Abklärungen sprach die IV-Stelle dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 13. November 2007 ab November 2003 eine ganze Invalidenrente zu (IV-Akte 57).
Am 27. Mai 2008 beantragte der Beschwerdeführer die Ausrichtung einer Hilflosenentschädigung; er sei in allen alltäglichen Lebensverrichtungen auf Hilfe Dritter sowie auf Hilfe im Rahmen der Grundpflege angewiesen (IV-Akte 60). Daraufhin nahm die IV-Stelle am 12. März 2009 eine Abklärung betreffend Hilflosigkeit des Beschwerdeführers vor. Mit Bericht vom 12. März 2009 kommt der Abklärungsdienst zum Schluss, der Beschwerdeführer benötige in vier allgemeinen Lebensverrichtungen Dritthilfe sowie Hilfe im Rahmen der Grundpflege (IV-Akte 65). Mit Verfügung vom 22. Juni 2009 sprach die IV-Stelle eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades zu (IV-Akte 73). Im Rahmen einer ersten Überprüfung des Anspruches auf Hilflosenentschädigung wurde der Anspruch bestätigt (vgl. IV-Akten 76 und Mitteilung vom 23. Juli 2010, IV-Akte 80).
Am 4. Juni 2013 erfolgte eine weitere Überprüfung des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung. In diesem Zusammenhang gab der Beschwerdeführer an, der Gesundheitszustand habe sich seit anfangs 2013 verschlimmert (IV-Akte 85). Nach Einholung eines Arztberichts bei der Pneumologie des B____ (IV-Akte 98) teilte die IV-Stelle dem Beschwerdeführer am 28. April 2014 mit, der Anspruch auf Hilflosenentschädigung sei unverändert (IV-Akte 99).
Am 23. August 2017 ersuchte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf demente, einige Stunden andauernde Episoden und daraus folgender Überwachungsbedürftigkeit um Revision der Hilflosenentschädigung (IV-Akte 143). Mit Vorbescheid vom 29. November 2017 kündigte die IV-Stelle an, sie werde auf das Leistungsbegehren nicht eintreten, da nicht glaubhaft dargelegt worden sei, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten Mitteilung wesentlich verändert hätten (IV-Akte 163). Dagegen wehrte sich der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 28. Dezember 2017 (IV-Akte 181). Daraufhin holte die IV-Stelle medizinische Unterlagen und eine Abklärung betreffend Hilflosigkeit ein (IV-Akte 207). Nachdem der regionalärztliche Dienst (RAD) dazu Stellung genommen hatte (vgl. ärztliche RAD-Beurteilung vom 4. Februar 2020, IV-Akte 220), erliess die IV-Stelle gestützt auf die vorerwähnten Abklärungen am 12. März 2020 eine Verfügung. Darin hielt sie fest, sie trete auf das Leistungsbegehren nicht ein, da eine nochmalige umfangreiche Abklärung keine neuen Tatsachen ergeben habe (IV-Akte 221).
II.
Dagegen erhebt der Beschwerdeführer am 14. April 2020 beim Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt Beschwerde. Darin beantragt er sinngemäss, die Verfügung vom 12. März 2020 sei aufzuheben und es sei ihm eine Hilflosenentschädigung schweren Grades zuzusprechen.
Mit Beschwerdeantwort vom 30. Juni 2020 schliesst die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde.
Mit Replik vom 28. September 2020 hält der Beschwerdeführer sinngemäss an den gestellten Rechtsbegehren fest.
III.
Am 16. Dezember 2020 findet vor dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt in Anwesenheit des Beschwerdeführers, der Ehefrau des Beschwerdeführers, C____, sowie des Vertreters der IV-Stelle, D____, die mündliche Hauptverhandlung statt. Der Beschwerdeführer bzw. die als Auskunftsperson geladene Ehefrau des Beschwerdeführers sind befragt worden. Anschliessend kamen die Parteien zum Vortrag. Für die Ausführungen kann auf das Verhandlungsprotokoll und die nachstehenden Erwägungen verwiesen werden.
Entscheidungsgründe
1.
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt ist als einzige kantonale Instanz sachlich zuständig zum Entscheid über die vorliegende Streitigkeit (§ 82 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes vom 3. Juni 2015 betreffend die Organisation der Gerichte und der Staatsanwaltschaft [Gerichtsorganisationsgesetz, GOG; SG 154.100]). Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 69 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20). Da die Beschwerde rechtzeitig erhoben worden ist (Art. 60 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]) und auch die übrigen formellen Beschwerdevoraussetzungen erfüllt sind, ist darauf einzutreten.
Die Hilflosigkeit gilt als schwer, wenn die versicherte Person vollständig hilflos ist. Dies ist der Fall, wenn sie in allen alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist und überdies der dauernden Pflege der persönlichen Überwachung bedarf (Art 37 Abs. 1 der Verordnung über die Invalidenversicherung vom 17. Januar 1961 (IVV; SR 831.201).
Eine Hilflosigkeit mittleren Grades liegt vor, wenn die versicherte Person trotz der Abgabe von Hilfsmitteln (1.) in den meisten - das heisst nach der Rechtsprechung in mindestens vier (BGE 121 V 90 E. 3b) - alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist (2.) in mindestens zwei alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist und überdies einer dauernden persönlichen Überwachung bedarf (Art. 37 Abs. 2 lit. a und b IVV) (3.) in mindestens zwei alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter und überdies dauernd auf lebenspraktische Begleitung im Sinne von Art. 38 IVV angewiesen ist (Art. 37 Abs. 2 lit. c IVV).
Die Hilflosigkeit gilt gemäss Art. 37 Abs. 3 IVV als leicht, wenn die versicherte Person trotz der Abgabe von Hilfsmitteln in mindestens zwei alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen ist (lit. a); einer dauernden persönlichen Überwachung bedarf (lit. b); einer durch das Gebrechen bedingten ständigen und besonders aufwendigen Pflege bedarf (lit. c); wegen einer schweren Sinnesschädigung eines schweren körperlichen Gebrechens nur dank regelmässiger und erheblicher Dienstleistungen Dritter gesellschaftliche Kontakte pflegen kann (lit. d); dauernd auf lebenspraktische Begleitung im Sinne von Art. 38 IVV angewiesen ist (lit. e).
3.3. Ändert sich der Grad der Hilflosigkeit in erheblicher Weise, so wird die Hilflosenentschädigung von Amtes wegen auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt aufgehoben (Art. 17 ATSG i.V.m. Art. 35 Abs. 2 IVV). Anlass zur Revision einer Hilflosenentschädigung gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die geeignet ist, den Grad der Hilflosigkeit und damit den Anspruch auf Hilflosenentschädigung zu beeinflussen. Ob eine solche Änderung eingetreten ist, beurteilt sich durch Vergleich des Sachverhaltes im Zeitpunkt der letzten, der versicherten Person eröffneten rechtskräftigen Verfügung, welche auf einer materiellen Prüfung des Leistungsanspruchs mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung beruht, mit demjenigen zur Zeit der streitigen Verfügung (BGE 133 V 108, E. 5.4). Dagegen stellt die bloss unterschiedliche Beurteilung der Auswirkungen eines im Wesentlichen unverändert gebliebenen Gesundheitszustandes für sich allein genommen keinen Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG dar (zur Invalidenrente: Bundesgerichtsurteil vom 3. November 2008, [9C_562/2008], E. 2.1).Die Abklärungsperson hält diesbezüglich im Bericht vom 7. Juni 2019 fest, dass diese Anfälle nach Beginn im Jahr 2014 ca. 6 - 10 x pro Jahr aufgetreten seien. Der letzte durchgemachte Anfall sei im Oktober 2017 aufgetreten. Daher könne retrospektiv von einer Überwachungsbedürftigkeit im Zeitraum zwischen Mai 2014 und Oktober 2017 ausgegangen werden. Danach bestehe kein Bedarf an persönlicher Überwachung mehr. Ebenfalls liege keine Eigen- Fremdgefährdung vor (IV-Akte 207, S. 8).
Die Darlegungen der Abklärungsperson als auch die medizinischen Akten (vgl. E. 4.1.) legen nahe, dass keine dauernde persönliche Überwachung (mehr) notwendig ist. Der Beschwerdeführer erlitt seinen letzten Anfall im Oktober 2017, wie sich dem Bericht vom 5. September 2018 von Dr. E____ als auch den Angaben des Beschwerdeführers anlässlich der Abklärung vom 28. Mai 2019 entnehmen lässt (IV-Akten 197, 207 und 212). Zudem erwähnt Dr. E____ mit Bericht vom 4. Juli 2019, dass sich der Beschwerdeführer seit längerem nicht mehr in neurologischer Behandlung befinde (IV-Akte 212). Bei dieser Ausgangslage ist fraglich, ob die dauernde persönliche Überwachung aufgrund der Epilepsie-artigen Episoden über längere Zeitdauer erforderlich ist und damit ein gewisses Mass an Intensität aufweist. Dies kann vorliegend aber offen gelassen werden. Selbst wenn die Notwendigkeit der dauernden persönlichen Überwachung bejaht wird, hätte der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf eine höhere Hilflosenentschädigung. Aus den Abklärungsberichten betreffend Hilflosigkeit vom 12. März 2009 als auch vom 7. Juni 2019 geht hervor, dass der Beschwerdeführer maximal in vier alltäglichen Lebensverrichtungen auf Dritthilfe angewiesen ist (IV-Akten 65 und 207). Damit der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Hilflosigkeit schweren Grades hätte, wird unter anderem vorausgesetzt, dass in allen sechs alltäglichen Lebensverrichtungen Dritthilfe erforderlich ist (vgl. E. 3.2. und KISH, Stand: 2018, Rz. 8008 und 8010). Dies kann nach dem Vorerwähnten jedoch verneint werden. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer zusätzlich dauernde Hilfe im Rahmen der Grundpflege, lebenspraktische Begleitung und - allenfalls - persönliche Überwachung benötigt (IV-Akte 207). Denn die in Art. 37 IVV genannten Varianten für die einzelnen Hilflosigkeitsstufen sind abschliessend. Andere Anspruchskombinationen mit Überwachung, lebenspraktischer Begleitung und/oder Sonderfällen führen nicht zu einem höheren Leistungsanspruch (KISH, Stand: 2018, Rz. 8009.1).
4.4. Zusammenfassend ergibt sich, dass sich die eingetretene Veränderung des Gesundheitszustandes auf die Hilflosigkeit des Beschwerdeführers nicht auswirkt, so dass er weiterhin Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades hat. Die IV-Stelle hat somit zu Recht - gestützt auf den RAD-Bericht vom 4. Februar 2020 - mit Verfügung vom 12. März 2020 festgehalten, eine dauerhafte Verschlechterung der Hilflosigkeit sei nicht ausgewiesen und es könne weiterhin von einer Hilflosigkeit mittleren Grades ausgegangen werden (IV-Akte 221).Demgemäss erkennt das Sozialversicherungsgericht:
://: Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Beschwerdeführer trägt die ordentlichen Kosten, bestehend aus einer Gebühr von Fr. 800.--.
Sozialversicherungsgericht BASEL-STADT
Der Präsident Die Gerichtsschreiberin
Dr. G. Thomi lic. iur. A. Gmür
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG]). Die Beschwerdefrist kann nicht erstreckt werden (Art. 47 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegründe sind in Art. 95 ff. BGG geregelt.
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, in dreifacher Ausfertigung zuzustellen. Die Beschwerdeschrift hat den Anforderungen gemäss Art. 42 BGG zu genügen; zu beachten ist dabei insbesondere:
a) Die Beschwerdeschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten;
b) in der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt;
c) die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat, ebenso der angefochtene Entscheid.
Geht an:
- Beschwerdeführer
- Beschwerdegegnerin
- Bundesamt für Sozialversicherungen
Versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.