| Appellationsgericht Einzelgericht |
HB.2019.60
ENTSCHEID
vom 27. Juli 2023
Mitwirkende
lic. iur. Christian Hoenen
und Gerichtsschreiber Dr. Beat Jucker
Beteiligte
A____ Gesuchstellerin
c/o JVA Hindelbank,
von Erlachweg 2, 3324 Hindelbank
Gegenstand
Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten
(Entscheid des Appellationsgerichts vom 4. Oktober 2019)
Sachverhalt
Mit rechtskräftigem Entscheid vom 4. Oktober 2019 wies der Einzelrichter des Appellationsgerichts eine Beschwerde von A____ (Gesuchstellerin) gegen ein vom Zwangsmassnahmengericht am 12. September 2019 abgewiesenes Haftentlassungsgesuch (aus der Untersuchungshaft) ab und auferlegte ihr Verfahrenskosten von CHF 500.–. Mit Schreiben vom 23. Mai 2023 hat die Gesuchstellerin um Erlass dieser Kosten ersucht.
Erwägungen
1.
Gemäss Art. 425 der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) können Forderungen aus Verfahrenskosten unter bestimmten Voraussetzungen gestundet, herabgesetzt erlassen werden. Verfahrenskosten im Sinne von Art. 425 StPO sind die Kosten des Strafverfahrens und die Gerichtsgebühren, nicht jedoch Geldstrafen Bussen. Zuständig für den Entscheid ist nach der genannten Bestimmung «die Strafbehörde». Da der Kanton Basel-Stadt von der grundsätzlich gegebenen Befugnis der Kantone, die Zuständigkeit zur Stundung zum Erlass von Kosten auch an andere Behörden wie beispielsweise Gerichtsverwaltungen Inkassostellen der Strafbehörden zu übertragen (vgl. dazu Domeisen, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art. 425 StPO N 2), keinen Gebrauch gemacht hat (§ 44 des Gesetzes über die Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung [EG StPO, SG 257.100]), sind Gesuche um Erlass der Verfahrenskosten von dem Gericht zu entscheiden, welches als letzte kantonale Instanz die Tragung der Verfahrenskosten festgelegt hat. Die funktionelle Zuständigkeit innerhalb des Gerichts liegt gemäss § 43 Abs. 3 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG, SG 154.100) beim Einzelgericht (statt vieler: AGE SB.2019.112 vom 14. Juli 2021 E. 1). Der Entscheid vom 4. Oktober 2019 wurde durch das Appellationsgericht erlassen, weshalb zur Behandlung des Kostenerlassgesuchs dessen Instruktionsrichter zuständig ist.
2.
2.1 Art. 425 StPO schafft die Möglichkeit, Forderungen aus Verfahrenskosten zu stunden oder, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person, herabzusetzen zu erlassen. Für eine Herabsetzung einen Erlass müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person derart angespannt sein, dass eine (ganze teilweise) Kostenauflage unbillig erscheint. Das ist dann der Fall, wenn die Betroffene mittellos ist die Höhe der Kosten zusammen mit ihren übrigen Schulden ihre Resozialisierung beziehungsweise ihr finanzielles Weiterkommen ernsthaft gefährden kann (vgl. dazu Griesser, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 2020, Art. 425 N 1a; Domeisen, a.a.O., Art. 425 StPO N 4; vgl. statt vieler AGE SB.2017.15 vom 27. Mai 2020 E. 2.1).
2.2 Mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Appellationsgerichts SB.2020.111 vom 29. März 2022 (bestätigt in BGer 6B_1123/2022 vom 26. Januar 2023) wurde festgestellt, dass die Gesuchstellerin die Tatbestandsmerkmale des Mordes gemäss Art. 112 des Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0) in rechtswidriger Weise erfüllt hat, diesbezüglich aber wegen Schuldunfähigkeit nicht strafbar sei (Art. 19 Abs. 1 StGB). Indes wurde über sie in Anwendung von Art. 375 Abs. 1 StPO eine Verwahrung gemäss Art. 19 Abs. 3 und 64 Abs. 1 StGB angeordnet. Daraus erhellt, dass der Gesuchstellerin auch zukünftig die Freiheit entzogen sein wird, sodass sie neben dem unpfändbaren Pekulium (Art. 83 StGB) keinerlei Einnahmen generieren kann. Da im Verfahren SB.2020.111 zufolge Schuldunfähigkeit auch keine Kosten erhoben wurden, rechtfertigt es sich, der Gesuchstellerin – ohne auf ihre Vorbringen im Gesuch vom 23. Mai 2023 näher einzugehen – die Verfahrenskosten von CHF 500.– zu erlassen.
3.
Das Erlassgesuch ist demgemäss gutzuheissen. Auf die Erhebung einer Gerichtsgebühr ist zu verzichten (§ 40 des Gerichtsgebührenreglements [GGR, SG 154.810]).
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):
://: In Gutheissung des Gesuchs werden die mit Entscheid des Appellationsgerichts vom 4. Oktober 2019 auferlegten Verfahrenskosten von CHF 500.– erlassen.
Es werden keine Kosten erhoben.
Mitteilung an:
- Gesuchstellerin
- Justiz- und Sicherheitsdepartement, Finanzen und Controlling
- Rechnungswesen der Gerichte
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Der Präsident Der Gerichtsschreiber
lic. iur. Christian Hoenen Dr. Beat Jucker
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.