Zusammenfassung des Urteils HB.2017.45 (AG.2017.852): Appellationsgericht
Die Staatsanwaltschaft führt ein Strafverfahren gegen A____ wegen versuchten Diebstahls, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. A____ wurde am 27. November 2017 verhaftet und das Zwangsmassnahmengericht ordnete Untersuchungshaft bis zum 28. Dezember 2017 an. A____ hat Beschwerde gegen diese Verfügung eingereicht, mit dem Antrag auf Aufhebung und sofortige Entlassung. Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Gericht entscheidet, dass die Beschwerde abgewiesen wird und A____ die Verfahrenskosten tragen muss.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | HB.2017.45 (AG.2017.852) |
Instanz: | Appellationsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 21.12.2017 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Anordnung der Untersuchungshaft bis zum 28. Dezember 2017 / Verlängerung der Untersuchungshaft bis zum 25. Januar 2018 |
Schlagwörter: | Flucht; Basel; Beschuldigte; Diebstahl; Zwangsmassnahmengericht; Schweiz; Staatsanwaltschaft; Gericht; Basel-Stadt; Entscheid; Ersatzmassnahme; Recht; Anordnung; Prozessordnung; Fluchtgefahr; Honorar; Bundesgericht; Appellationsgericht; Einzelgericht; Verfügung; Untersuchungshaft; Verfahren; Chiasso; Person; Rechtsmittel; Eröffnung |
Rechtsnorm: | Art. 221 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 42 BGG ;Art. 428 StPO ;Art. 48 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Einzelgericht |
HB.2017.45
ENTSCHEID
vom 21. Dezember 2017
Mitwirkende
lic. iur. Christian Hoenen
und Gerichtsschreiber lic. iur. Aurel Wandeler
Beteiligte
A____, geb. [...] Beschwerdeführer
c/o Untersuchungsgefängnis Waaghof, Beschuldigter
InnereMargarethenstrasse18, 4051Basel
vertreten durch [...] Advokatin,
[...]
gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerdegegnerin
Binningerstrasse 21, 4001Basel
Gegenstand
Beschwerde gegen eine Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts
vom 30. November 2017
betreffend Anordnung der Untersuchungshaft vorläufig bis zum
28. Dezember 2017
Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft führt gegen A____ ein Strafverfahren wegen Verdachts auf versuchten Diebstahl, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch (versuchter Einbruchsdiebstahl). Der Beschuldigte wurde am 27. November 2017 beim Grenzübergang Chiasso einer Kontrolle unterzogen und aufgrund einer Ausschreibung im Fahndungssystem RIPOL verhaftet. Mit Verfügung vom 30. November 2017 ordnete das Zwangsmassnahmengericht Basel-Stadt über ihn Untersuchungshaft vorläufig bis zum 28. Dezember 2017 an.
Dagegen erhob der Beschuldigte, vertreten durch [...] mit Eingabe vom 4. Dezember 2017 Beschwerde. Er beantragt die kostenfällige Aufhebung der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 30. November 2017 und seine unverzügliche Entlassung aus der Haft. Die Staatsanwaltschaft lässt mit Eingabe vom 12. Dezember 2017 die Abweisung der Beschwerde beantragen. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 erklärte der Beschuldigte, auf eine Replik zu verzichten.
Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen.
Erwägungen
1.
Die verhaftete Person kann Entscheide über die Anordnung und Verlängerung der Untersuchungs- Sicherheitshaft mit Beschwerde anfechten (Art. 393 Abs. 1 lit.c und Art. 222 der Strafprozessordnung [StPO, SR 312.0]). Zuständiges Beschwerdegericht ist das Appellationsgericht als Einzelgericht (§ 17 lit. b des Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung und § 93 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]). Das Rechtsmittel ist nach Art. 396 Abs.1 StPO innert zehn Tagen nach Eröffnung des Entscheids schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen. Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten. Die Kognition des Beschwerdegerichts ist nach Art.393 Abs.2StPO frei.
2.
Die Anordnung Verlängerung von Untersuchungs- Sicherheitshaft ist nach Art.221 Abs.1 StPO zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens Vergehens dringend verdächtig ist und zudem Flucht-, Kollusions- Fortsetzungs- resp. Wiederholungsgefahr besteht. Die Haft muss überdies verhältnismässig sein. Sie ist aufzuheben, sobald Ersatzmassnahmen zum gleichen Ziel führen (Art.197 Abs.1 lit.c, Art.212 Abs.2 lit.c StPO), und darf nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe (Art.212 Abs.3 StPO).
3.
Für die Bejahung des dringenden Tatverdachts ist der Nachweis konkreter Verdachtsmomente erforderlich, aufgrund derer das inkriminierte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte (BGE 137IV122 E.3.2 S.126
Dem Beschwerdeführer wird beschuldigt, am 23. April 2017 um 01:15 Uhr versucht zu haben, in die Liegenschaft [...] in Basel einzubrechen, um einen Diebstahl zu begehen. Zu diesem Zweck habe er die Scheibe der Terrassentür eingeschlagen und einen Sachschaden von CHF 1438.- verursacht. In der Folge habe er jedoch von seinem weiteren Vorhaben Abstand genommen und die Flucht ergriffen, nachdem die Bewohnerin vom Lärm aufgeweckt worden war und dem Geräusch nachgegangen sei. Die Polizei konnte auf dem Boden vor der Terrassentür Blut feststellen, welches von der Täterschaft stammen musste. Die so hinterlassene DNA-Spur konnte A____ zugeordnet werden.
Der dringende Tatverdacht ist vorliegend klar gegeben. Der Beschuldigte streitet nicht ab, vor Ort gewesen zu sein. Seine Version, er habe lediglich im Haus übernachten wollen, vermag den - angesichts der gesamten Umstände naheliegenden - Verdacht, dass er einen Diebstahl habe begehen wollen, nicht zu erschüttern. Eine Sachbeschädigung und einen versuchten Hausfriedensbruch räumt er mit seiner Version sogar ausdrücklich ein (Protokoll der Verhandlung vor dem Zwangsmassnahmengericht vom 30. November 2017 S. 3). Die Glaubhaftigkeit seiner Behauptung, dass ein Landsmann die treibende Kraft gewesen sei und er bis fast zuletzt von einem legalen Schlafplatz ausgegangen sein will, muss an dieser Stelle nicht abschliessend beurteilt werden. Der dringende Tatverdacht ist bezüglich aller erwähnten Tatbestände gegeben.
4.
Das Zwangsmassnahmengericht hat Flucht- und Fortsetzungsgefahr als Haftgründe bejaht. Fluchtgefahr liegt vor, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich der Beschwerdeführer, wenn er in Freiheit wäre, der Strafverfolgung und dem Vollzug der Strafe durch Flucht Untertauchen entziehen würde. Dabei sind neben der Schwere der drohenden Sanktion die gesamten Lebensverhältnisse, namentlich familiäre und soziale Bindungen, berufliche und finanzielle Situation, Alter, Gesundheit sowie Reise- und Sprachgewandtheit, in Betracht zu ziehen (BGer1B_281/2015 vom 15. September 2015 E. 2.2, 1B_251/2015 vom 12. August 2015 E. 3.1; Forster, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art. 221 StPO N5; Schmid, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Auflage, Zürich 2013, N 1022). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind mögliche Ersatzmassnahmen, insbesondere Ausweis- und Schriftensperren (Art. 237 Abs. 2 lit. b StPO) Meldepflichten (Art. 237 Abs. 2 lit. d StPO), zwar unter Umständen geeignet, einer gewissen Fluchtneigung der beschuldigten Person vorzubeugen, aufgrund ihrer geringeren Wirksamkeit jedoch bei ausgeprägter Fluchtgefahr unzureichend (BGer1B_715/2012 vom 18.Dezember 2012 E.3.1.2 und 3.4.2). Gleiches gilt für die Ersatzmassnahme der Sicherheitsleistung gemäss Art.237 Abs.2 lit.a StPO (vgl. BGer 1B_251/2015 vom 12.August 2015 E.3.2), wobei eine solche bei mittellosen Beschuldigten als wirksame Ersatzmassnahme grundsätzlich ausser Betracht fällt (BGer 1B_251/2015 vom 12.August 2015 E.4.5, 1B_325/2014 vom 16.Oktober 2014 E.3.5; AGE HB.2017.3 vom 22.Februar 2017).
Die Vorinstanz hat die Fluchtgefahr zu Recht und mit zutreffender Begründung angenommen. Der Beschuldigte ist rumänischer Staatsangehöriger ohne Beziehung zur Schweiz. Es muss befürchtet werden, dass er bei einer allfälligen Entlassung angesichts der drohenden Strafe die Schweiz verlassen würde. Dass er eigens aus Italien eingereist sei, um sich den hiesigen Behörden zu stellen und den Schaden wieder gutzumachen, wie er vor dem Zwangsmassnahmengericht geltend machte und im Beschwerdeverfahren wiederholt, vermag nicht zu überzeugen. Solches steht nicht nur im Widerspruch zu seinen eigenen, unterschriftlich bestätigten, Aussagen anlässlich seiner Anhaltung in Chiasso, wonach er in die Schweiz einreisen wolle, um Arbeit zu suchen (Sono partito alcuni giorni fad al mio paese, con lintenzione di raggiungere la Svizzera in cerca di lavoro. Mi piacerebbe andare a Basilea, Verbale dinterrogarorio, Chiasso, 27.11.2017, bei den Akten). Es erweist sich auch aufgrund zahlreicher weiterer Umstände, für welche auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft verwiesen werden kann, als vollkommen lebensfremd und unglaubhaft.
5.
Da das Vorhandensein eines einzigen besonderen Haftgrundes für die Anordnung von Haft genügt (statt vieler: BGE 1B_59/2010 vom 30. März 2011 E. 2; AGE HB.2017.8 vom 10. März 2017 E. 4), kann die Frage der Fortsetzungsgefahr offen gelassen werden.
6.
Der in der Schweiz mehrfach wegen Diebstahls vorbestrafte Beschuldigte hat im Falle einer Verurteilung mit einer Freiheits- Geldstrafe zu rechnen, die von ihrer Dauer Anzahl Tagessätze her die verfügte Haft übersteigt (Verurteilungen in der Schweiz gemäss Strafregisterauszug: 25.7.2015, Ministero pubblico del cantone Ticino Bellinzona, Diebstahl und Hehlerei, bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu CHF 30.-, Probezeit 2 Jahre; 10.6.2016, Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, Zürich, Diebstahl, mehrfacher versuchter Diebstahl, Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu CHF30.-). Daran würde voraussichtlich auch eine weitere einmalige Haftverlängerung noch nichts ändern. Die Untersuchungshaft erweist sich somit als verhältnismässig. Wirksame Ersatzmassnahmen sind angesichts der Fluchtgefahr nicht ersichtlich.
7.
Aus dem Ausgeführten ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dem Beschwerdeführer dessen Kosten mit einer Gebühr von CHF 500.- aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO).
Der amtlichen Verteidigerin sind für ihre Bemühungen aus der Gerichtskasse ein angemessenes Honorar sowie eine Spesenentschädigung auszurichten. Dafür kann auf ihre Honorarnote verwiesen werden. Zur Anwendung gelangt der übliche Stundenansatz von CHF200.- (zuzüglich MWST). Der Beschwerdeführer ist gemäss Art.135 Abs. 4 StPO verpflichtet, dem Gericht das dem amtlichen Verteidiger entrichtete Honorar zurückzuzahlen, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):
://: Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Beschwerdeführer trägt die ordentlichen Kosten des Verfahrens mit einer Gebühr von CHF 500.-, einschliesslich Auslagen.
Der amtlichen Verteidigerin, [ ], werden für das Beschwerdeverfahren ein Honorar von CHF 700.- und eine Auslagenentschädigung von CHF 16.50, zuzüglich 8% MWST von CHF 57.30, aus der Gerichtskasse zugesprochen. Art. 135 Abs. 4 der Strafprozessordnung bleibt vorbehalten.
Mitteilung an:
- Beschwerdeführer
- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt
- Zwangsmassnahmengericht Basel-Stadt
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Der Präsident Der Gerichtsschreiber
lic. iur. Christian Hoenen lic. iur. Aurel Wandeler
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.
Die amtliche Verteidigung kann gegen einen allfälligen Entscheid betreffend ihre Entschädigung für das zweitinstanzliche Verfahren gemäss Art.135 Abs.3 lit.b der Strafprozessordnung (StPO) innert 10 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde beim Bundesstrafgericht (Viale Stefano Franscini 7, Postfach 2720, 6501 Bellinzona) erheben (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 6B_360/2014 vom 30.Oktober 2014).
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