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Urteil Appellationsgericht (BS - DGS.2023.27)

Zusammenfassung des Urteils DGS.2023.27: Appellationsgericht

Der Fall betrifft ein Ausstandsbegehren gegen den ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten im Kanton Basel-Stadt. Der Gesuchsteller, A____, beantragt die Befragung von C____ als Zeugen im Zusammenhang mit einem Strafverfahren wegen Urkundenfälschung. Der Strafgerichtspräsident lehnt den Beweisantrag ab, da er den Zeitpunkt der Antragstellung als verspätet ansieht und die Aussage von C____ als nicht relevant erachtet. Es entsteht ein Streit darüber, ob die Ablehnung des Beweisantrags den Anschein der Befangenheit des Richters erweckt. Letztendlich wird festgehalten, dass die Ablehnung eines Beweisantrags allein keinen Ausstandsgrund darstellt, es sei denn, es liegen krasse und wiederholte Verfahrensfehler vor, die die Unparteilichkeit des Richters in Frage stellen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts DGS.2023.27

Kanton:BS
Fallnummer:DGS.2023.27
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung: Einzelgericht
Appellationsgericht Entscheid DGS.2023.27 vom 15.09.2023 (BS)
Datum:15.09.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Gericht; Beweis; Gesuch; Gesuchs; Gesuchsteller; Gerichtspräsident; Verfahren; Verfügung; Beweisantrag; Verfahrens; Ausstand; Gründung; Verfahren; Befragung; Antrag; Gerichtspräsidenten; Stellung; Recht; Ablehnung; Behauptung; Beweise; Bundesgericht; Gesellschaft; Beweisantrags
Rechtsnorm: Art. 104 StPO ;Art. 318 StPO ;Art. 331 StPO ;Art. 345 StPO ;Art. 42 BGG ;Art. 48 BGG ;Art. 56 StPO ;Art. 58 StPO ;Art. 59 StPO ;
Referenz BGE:116 Ia 135; 131 I 113; 136 I 229; 140 I 271; 140 I 326; 141 IV 178; 143 IV 69;
Kommentar:
Keller, Donatsch, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2020

Entscheid des Verwaltungsgerichts DGS.2023.27



Geschäftsnummer: DGS.2023.27 (AG.2023.564)
Instanz: Appellationsgericht
Entscheiddatum: 15.09.2023 
Erstpublikationsdatum: 20.09.2024
Aktualisierungsdatum: 20.09.2024
Titel: Ausstandsbegehren gegen den a.o. Strafgerichtspräsidenten
 
 

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht

 

 

DGS.2023.27

 

ENTSCHEID

 

vom 15. September 2023

 

 

Mitwirkende

 

lic. iur. Christian Hoenen

und Gerichtsschreiber MLaw Martin Seelmann, LL.M.

 

 

 

Beteiligte

 

A____, geb. [...]                                                                     Gesuchsteller

[...]

vertreten durch [...], Advokat,

[...]

 

gegen

 

Strafgericht Basel-Stadt                                                  Gesuchsgegner

Schützenmattstrasse 20, Postfach 375, 4009 Basel

 

 

Gegenstand

 

Ausstandsbegehren gegen den a.o. Strafgerichtspräsidenten

 

(im Verfahren SG.2018.132)

 


Sachverhalt

 

Gegen A____ (nachfolgend: Gesuchsteller) und zwei Mitbeschuldigte wird ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf mehrfache Erschleichung einer falschen Beurkundung und mehrfache Anstiftung zur Urkundenfälschung im Amt geführt. Das Verfahren wurde nach Abschluss der Untersuchung am 31. Mai 2018 an das Strafgericht Basel-Stadt überwiesen (SG.2018.132).

 

Mit Verfügung der Strafgerichtspräsidentin vom 1. Dezember 2021 wurde die Verfahrensleitung auf den ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten B____ übertragen. Mit Eingabe vom 4. Juli 2023 hat der Gesuchsteller ein Ausstandsgesuch gegen den ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten gestellt. Letzterer hat das Gesuch mit begründetem Antrag vom 7. Juli 2023 auf Nichteintreten, eventualiter Abweisung, an das Appellationsgericht weitergeleitet. Dazu hat der Gesuchsteller mit Eingabe vom 2. August 2023 repliziert. Mit Eingabe vom 8. August 2023 hat der ausserordentliche Strafgerichtspräsident sodann zum Schreiben des Gesuchstellers vom 2. August 2023 Stellung genommen. Hierzu hat sich der Gesuchsteller schliesslich mit Eingabe vom 31. August 2023 vernehmen lassen.

 

Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen.

 

 

Erwägungen

 

1.

1.1      Gemäss Art. 58 der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) hat eine Partei, welche den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen will, der Verfahrensleitung ein entsprechendes Gesuch zu stellen. Die betroffene Person nimmt dazu Stellung. Über Ablehnungsgesuche gegen das Strafgericht einzelne seiner Mitglieder entscheidet gemäss Art. 59 Abs. 1 lit. b StPO ohne weiteres Beweisverfahren und endgültig die Beschwerdeinstanz. Im Kanton Basel-Stadt übt das Appellationsgericht als Einzelgericht die Funktion des Beschwerdegerichts aus (§ 4 Abs. 1 lit. c des Gesetzes über die Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung [EG StPO, SG 257.100] in Verbindung mit § 93 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]).

 

1.2      Der Gesuchsteller ist als beschuldigte Person im gegen ihn geführten Strafverfahren Partei (Art. 104 Abs. 1 StPO) und somit gemäss Art. 58 Abs. 1 StPO zur Stellung von Ausstandsbegehren legitimiert. Das Ausstandsbegehren ist sodann rechtzeitig vorgebracht worden (vgl. BGE 140 I 271 E. 8.4.5; BGer 1B_514/2017 vom 19. April 2018 E. 3.2, 1B_100/2015 vom 8. Juni 2015 E. 4.1), weshalb darauf einzutreten ist.

 

2.

2.1

2.1.1   Der Gesuchsteller lässt als Ausstandsgrund resp. Ausstandsgründe vorbringen, dass es zur Klärung wichtiger Fragen und zur Ermittlung des Sachverhalts absolut notwendig sei, C____ vor dem Strafgericht als Zeugen zu befragen. Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident habe diesen Beweisantrag jedoch mit der Begründung abgewiesen, dass der Beweisantrag schon viel früher hätte gestellt werden können, eine Ladung von C____ bis zum 25. August 2023 nicht vollzogen werden könne und dass der Beweisantrag in materieller Hinsicht nicht erheblich sei. Es könne jedoch festgestellt werden, dass B____ bis zum 12. Juni 2023 den Antrag auf Ladung des Zeugen nie explizit abgewiesen, geschweige denn begründet habe, warum die Aussagen von C____ nicht relevant sein sollten. Insofern sei die Stellung des Antrags auf Ladung des Zeugen vom 12. Juni 2023 nicht verspätet, sondern bloss eine Wiederholung des nach wie vor hängigen und unbeantworteten gleichlautenden Antrags anderer Parteien, ganz abgesehen davon, dass der Antrag gar nicht «verspätet» gestellt werden könne, sondern auch noch vor Schluss des Beweisverfahrens «rechtzeitig» gestellt werden könnte.

 

Hinsichtlich der durch den ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten vorgebrachten Unmöglichkeit der Ladung des Zeugen bis zum 25. August 2023 sei daran zu erinnern, dass der einzige noch zur Diskussion stehende Sachverhalt, die Gründung der [...], erst im August 2024 verjähre. Es bestehe somit nach wie vor ein Zeitfenster von einem Jahr, um den Zeugen auf einen Hauptverhandlungstermin zu laden. Hinzu komme, dass für die Hauptverhandlung wohl ein Tag ausreiche, da nur noch ein Sachverhalt zu beurteilen sei. Dieser Tag werde bis in einem Jahr wohl realisierbar sein. Hinzu komme, dass C____ auch vorsorglich einvernommen werden könne, wenn er zum neuen Hauptverhandlungstermin nicht abkömmlich sei.

 

Betreffend die behauptete Unerheblichkeit der Aussage des Zeugen in materieller Hinsicht habe der Gesuchsteller immer ausgesagt, dass er C____ nicht kenne und nie mit ihm direkten Kontakt gehabt habe, insbesondere nicht, was die konkreten Gründungsumstände angehe. Gemäss Anklage sei auf Weisung von D____ das Gründungskapital am 8. Juli 2009 vom [...]-Konto einbezahlt worden. Weiter sei bekannt, dass der letzte Arbeitstag des Gesuchstellers bei der [...] der 17. August 2009 gewesen sei. Somit habe er ab diesem Datum mit diesem Sachverhalt nichts mehr zu tun gehabt, die Gründung sei erst am 24. August 2009 erfolgt. Insbesondere sei dem Gesuchsteller nicht bekannt gewesen, was zwischen C____ und D____ betreffend Gesellschaftskapital ab dem 17. August 2009 vereinbart besprochen worden sei. Offenkundig sei aber unklar gewesen, wie die Zahlung der [...] an diese habe zurückerstattet werden sollen, Fakt sei auf jeden Fall, dass die Rückzahlung des Gesellschaftskapitals erst am 20. November 2009, also über drei Monate nach dem Austritt des Gesuchstellers, vom Firmenkonto erfolgt sei, womit der Gesuchsteller ganz offensichtlich damit nichts mehr zu tun gehabt habe. Es ergebe sich daraus weiter, dass nicht bereits im August 2009 habe klar gewesen sein können, wie die Rückzahlung des Gesellschaftskapitals erfolgen solle – vom Firmenkonto durch eine Zahlung von C____ an die [...]. Da die Darstellung über die Verantwortlichkeiten, die Vereinbarungen und das Treffen von Absprachen mit C____ zwischen D____ und dem Gesuchsteller auseinandergegangen seien, könne nur C____ selbst Auskunft darüber geben, mit wem er was bezüglich Gesellschaftskapital besprochen habe. Aus diesem Grund sei das Ergebnis seiner Befragung nicht «unerheblich», sondern im Gegenteil essentiell zur Beurteilung des Anklagevorwurfs. Die gegenteilige Auffassung des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten sei völlig unverständlich. Entsprechend ergebe sich, dass letzterer einerseits die Parteirechte der Beschuldigten missachte. Andererseits sei B____ ganz offensichtlich nicht daran interessiert, die materielle Wahrheit zu eruieren, und das angeblich zur Vermeidung einer weiteren Verfahrensverzögerung. Dies erwecke nicht nur den Anschien der Befangenheit (was bereits ausreichend wäre), sondern der ausserordentliche Strafgerichtspräsident sei ganz offensichtlich befangen.

 

2.1.2   Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident entgegnet in seiner Stellungnahme vom 7. Juli 2023, dass er mit Verfügung vom 29. Juni 2023 ausführlich zum Beweisantrag des Gesuchstellers vom 12. Juni 2023 Stellung genommen habe. Darin habe er dargelegt, inwiefern der Beweisantrag verspätet erfolgt sei und eine Beweiserhebung über Tatsachen verlangt werde, die unerheblich seien. Dass die Befragung von C____ zu spät beantragt worden sei, sei offensichtlich und einzig dem Gesuchsteller zuzuschreiben. Zwar könnten Beweisanträge unter Beachtung von Art. 345 StPO zweifelsohne bis zum Abschluss des Beweisverfahrens gestellt werden. Die Abnahme solchermassen beantragter Beweise müsse allerdings mit verhältnismässigem Aufwand möglich sein.

 

Die Parteien hätten vorliegend mit Beweisverfügung vom 25. März 2022 bzw. Verfügung vom 20. April 2022 die Gelegenheit erhalten, Beweisanträge zu stellen. Seither, aber bereits im Vorverfahren, seien sie zudem im Besitz der Akten gewesen. Der Gesuchsteller habe mit Eingabe vom 3. Mai 2022 Beweisanträge gestellt. So habe er den Beizug der «Kurzbeurteilung [...]» sowie die Zustellung von Unterlagen verlangt. Mit Eingabe vom 25. Mai 2022 habe er ferner die Einforderung weiterer Dokumente sowie die Befragung von E____ als Zeugen beantragt. Gleichzeitig habe er sich das Recht vorbehalten, weitere Beweisanträge nach Zustellung des Inhaltsverzeichnisses zu den Separatbeilagen zu stellen. Schliesslich habe er erst mit Datum vom 12. Juni 2023 erstmalig den Antrag auf Befragung von C____ als Zeugen/Auskunftsperson gestellt.

 

Das Appellationsgericht habe bereits mit Entscheid vom 22. November 2022 festgehalten, dass ein Inhaltsverzeichnis über die Separatbeilagen nicht nachträglich erstellt werden müsse. Das Bundesgericht habe sodann mit Verfügung vom 14. Februar 2023 der in der Folge gegen den Entscheid des Appellationsgerichts erhobenen Beschwerde keine aufschiebende Wirkung erteilt. Der Gesuchsteller hätte somit den erst am 12. Juni 2023 gestellten Beweisantrag seinem Vorbehalt entsprechend bereits erheblich früher stellen können, zumal er anhand der Akten gewusst habe, was er mit seiner Eingabe vom 4. Juli 2023 bekräftigt habe, dass sich C____ mutmasslich in Frankreich aufhalte und dessen Vorladung auf dem Rechtshilfeweg ein erhebliches Mass an Zeit in Anspruch nehmen würde. Zudem sei es dem Mitbeschuldigten D____ ohne weiteres möglich gewesen, denselben Beweisantrag bereits Anfang 2022 zu stellen. Insofern werde der Anschein erweckt, dass der Beweisantrag weniger dessen Entlastung als vielmehr der Verfahrensverzögerung diene.

 

Das offenbar vom Gesuchsteller bei jedem Versuch der Verfahrensbeschleunigung vorgebrachte Argument, die Verfahrensverzögerung sei einzig dem Gericht anzulasten und Verfahrensbeschleunigung sei keine taugliche Begründung für Verfahrenshandlungen, gebe nur die halbe Wahrheit wieder. Die Leitung des vorliegenden Verfahrens sei im Dezember 2021 von der bisherigen Verfahrensleiterin auf den heutigen Vorsitz übergegangen. Seit Anfang 2022 führten einzig die Verfahrens- und Beweisanträge der Angeklagten zu Verfahrensverzögerungen, wobei der Anschein erweckt werde, dies geschehe, um sich in die Verjährung zu retten. Insofern sei die Behauptung nachweislich falsch, dass einzig das Strafgericht die Verfahrensdauer zu verantworten habe. Bei dieser Ausgangslage wiege auch das Argument, es stünde noch über ein Jahr bis zum Eintritt der Verjährung zur Verfügung, nicht besonders schwer. Seit nunmehr über eineinhalb Jahren werde die Durchführung einer Hauptverhandlung erschwert.

 

Ebenso nicht nachvollziehbar sei die in diesem Zusammenhang tatsachenwidrig vorgebrachte Behauptung, der ausserordentliche Strafgerichtspräsident habe sich in der Vergangenheit noch nie zur Befragung von C____ geäussert. Diesbezüglich sei auf die Verfügung vom 9. Mai 2022, Begründung zu Ziffer 1, ad Antrag 4, zu verweisen, auf die unzählige weitere in der Folge ergangene Verfügungen referenzieren würden. B____ habe mit Verfügung vom 29. Juni 2023 zudem zu berücksichtigen gehabt, dass das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren mittlerweile bereits mehrfach festgestellt habe, dass ein erhöhtes öffentliches Interesse, das Strafverfahren möglichst zügig und insbesondere vor Eintritt der Verjährung zum Abschluss zu bringen, vorliege. Insofern sei die Behauptung vom Gesuchsteller nicht zu hören und eine durch nichts zu begründende Unterstellung, dem ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten gehe es offensichtlich einzig darum, das Verfahren voranzutreiben, ohne dabei an der materiellen Wahrheit interessiert zu sein. So werde er gerade vom Bundesgericht, aber auch von der Strafprozessordnung angehalten, das Verfahren beförderlich zu führen.

 

Die materielle Wahrheit könne anhand unterschiedlicher Beweise ergründet werden. Zu der im Anklagepunkt I umschriebenen Gesellschaftsgründung lägen zahlreiche und umfangreiche objektive Beweismittel vor (E-Mails zwischen C____ und den Angeklagten 1 und 2, Gründungsunterlagen, Kontobewegungen, HR-Anmeldung, Rechnung an C____ etc.). Diese seien teilweise eindeutig. Eine Befragung von C____ lasse bei dieser Ausgangslage im Hinblick auf die rechtlich relevanten Fragen schlichtweg keine neuen Erkenntnisse erwarten, welche die objektiv festgehaltenen Umstände umzustossen vermögen würden.

 

2.1.3   Der Gesuchsteller bringt replikweise vor, dass zutreffend sei, dass der ausserordentliche Strafgerichtspräsident den Parteien mit Verfügung vom 25. März 2022 resp. 20. April 2022 gemäss Art. 331 Abs. 2 StPO Frist zur Stellung von Beweisanträgen angesetzt habe. Wer diese Frist nicht einhalte und damit Beweisanträge verspätet stelle, verliere aber deshalb sein Beweisantragsrecht nicht, sondern habe allenfalls als einzige Konsequenz die möglichen Kosten- und Entschädigungsfolgen zu tragen, die aus einer verspäteten Antragstellung resultieren könnten. Diese bestimme Art. 331 Abs. 2 StPO ausdrücklich so. Dem halte der ausserordentliche Strafgerichtspräsident entgegen, der Antrag auf Ladung von C____ diene einzig der Verfahrensverschleppung und dazu, sich auch bezüglich dieses letzten noch offenen Anklagepunkts in die Verjährung zu retten und zu diesem Zweck die Durchführung einer Hauptverhandlung zu erschweren, der Beweisantrag werde somit rechtmissbräuchlich gestellt und zudem mit tatsachenwidrigen Behauptungen begründet. All dies sei nachweislich unzutreffend. Tatsachenwidrig solle die Behauptung des Gesuchstellers sein, dass der ausserordentliche Strafgerichtspräsident die Ablehnung der Ladung von C____ noch nie begründet habe. Er verweise dazu namentlich auf seine Verfügung vom 9. Mai 2022, Begründung zur Ziff. 1 ad Antrag 4. In dieser Verfügung habe der ausserordentliche Strafgerichtspräsident ausgeführt, strafrechtlich zu beurteilen sei, ob der Beschuldigte D____ bei der Gründung bereits die Absicht gehabt habe, das Gründungskapital nach erfolgter Eintragung ins Handelsregister wieder an sich bzw. die [...] zu überweisen, und dass zu dieser inneren Tatsache die Auftraggeber der Gründung keine rechtserheblichen Aussagen machen könnten. Diese Behauptung sei für den einzig noch relevanten Fall der [...] unzutreffend und B____ übersehe, dass die Gründung der [...] sich anders abgespielt habe als in anderen Fällen, was sich bereits aus dem Sachverhalt ergebe. Zu diesen für die Beurteilung relevanten Punkten habe sich aber der ausserordentliche Strafgerichtspräsident nachweislich gerade nicht geäussert, sodass seine Behauptung, er habe die Ablehnung von C____ bereits rechtsgenüglich begründet, sich als tatsachenwidrig herausstelle.

 

Sodann sei der Umstand, dass der Gesuchsteller die Adresse von C____ habe mitteilen können, darin begründet, dass ersterer, nachdem er am 12. Juni 2023 den Antrag auf Ladung von C____ gestellt habe, selbst Nachforschungen über den aktuellen Wohnsitz von C____ habe anstellen lassen, weil er nicht darauf vertraut habe, dass Staatsanwaltschaft Gericht sich ernstlich um diese Information kümmern würden, was sie augenfällig auch nicht getan hätten. Der Gesuchsteller habe somit die konkrete Wohnadresse von C____ erst nach dem 12. Juni 2023 erfahren, womit in deren Bekanntgabe mit Eingabe vom 4. Juli 2023 auch keine Verfahrensverzögerung liege.

 

Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident nehme des Weiteren eine antizipierte Beweiswürdigung vor, wenn er in seiner Stellungnahme auf S. 3, zweiter Absatz, ausführe, eine Befragung von C____ lasse bei dieser Ausgangslage im Hinblick auf die rechtlich relevanten Fragen schlichtweg keine neuen Erkenntnisse erwarten, welche die objektiv festgehaltenen Umstände umzustossen vermögen würden. Diese Behauptung sei offensichtlich in verschiedener Hinsicht willkürlich und stelle damit auch eine willkürliche und damit unzulässige antizipierte Beweiswürdigung dar. In objektiver Hinsicht sei nicht festgehalten festgestellt, was bezüglich Rückzahlung des dargeliehenen Gründungskapitals zwischen C____ (Darlehensnehmer) und der [...] (Darlehensgeberin) vereinbart gewesen sei. Diese Frage sei aber zentral, denn gemäss Handelsregister-Eintrag sei D____ Geschäftsführer der [...] und zudem alleine zeichnungsberechtigt für diese gewesen, sodass er dieses Mandat im Interesse der Gesellschaft und des Eigners der Gesellschaft auszuführen gehabt habe, wenn er sich nicht dem strafrechtlichen Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung habe aussetzen wollen. Damit seien die Instruktionen des Eigners der Gesellschaft von zentraler Bedeutung, und das erst recht dann, wenn die Staatsanwaltschaft behaupte, der Eigner sei bloss willenloses Werkzeug bei dieser Gründung gewesen. Insofern seien die Aussagen von C____ für die strafrechtliche Beurteilung sehr wohl von Bedeutung. Falsch sei diesbezüglich die Behauptung des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten, dass Antworten von C____ auf diese Fragen die objektiv festgestellten Umstände nicht umzustossen vermögen würden. Zum einen stünden bezüglich dieser Fragen eben gerade keine objektiv feststellbaren Umstände fest, namentlich nicht zur Frage, was bezüglich Rückzahlung des Darlehens vereinbart worden sei und aus welchen Mitteln diese erfolgen solle. Wenn der ausserordentliche Strafgerichtspräsident behaupten wollte, diesbezüglich bestünden objektive Beweismittel, dann wäre das offensichtlich aktenwidrig. Zum anderen seien das sehr wohl neue Erkenntnisse, welche insbesondere für den Gesuchsteller entlastend sein dürften, einerseits die Frage, mit wem C____ die Rückzahlung des Darlehens vereinbart gehabt habe und andererseits die zweite Frage, wann diese Vereinbarung über die Rückzahlung (bzw. den Umstand, dass dafür das Gesellschaftskapital verwendet werde) getroffen worden sei, namentlich ob das vor nach dem Ausscheiden vom Gesuchsteller aus der [...] erfolgt sei.

 

Die Behauptung des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten, dass aus diesen Angaben von C____ keine neuen Erkenntnisse bezüglich der rechtlich relevanten Fragen zu erwarten seien, sei ganz offenkundig willkürlich, denn es seien für die Frage nach der Strafbarkeit des Gesuchstellers ganz entscheidende Fragen. Wer Angaben zu diesen Fragen als rechtlich irrelevant bezeichne, habe offenkundig die sich stellenden rechtlichen Fragen nicht begriffen. Die Ablehnung der Befragung von C____ verletze somit offenkundig die Verteidigungsrechte des Gesuchstellers und beraube ihn der Möglichkeit, für ihn entlastende Umstände nachweisen zu können. Wenn der ausserordentliche Strafgerichtspräsident dem Gesuchsteller diese Möglichkeit vorenthalte, dann erwecke er damit ganz offensichtlich den Anschein der Befangenheit, was bekanntlich dafür ausreiche, dass er in den Ausstand zu treten habe.

 

Mehr als entlarvend seien die Ausführungen von B____ selbst in seiner Verfügung vom 28. Juli 2023 in Beantwortung von neuerlichen Beweisanträgen des mitbeschuldigten D____. Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident führe dort auf S. 2, zweites Lemma in fine selbst aus, die Verfahrensleitung lehne diese Beweisanträge ab, wenn damit die Beweiserhebung über Tatsachen verlangt werde, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt bereits rechtsgenüglich erwiesen seien. Angaben von C____ dazu, was bezüglich Rückzahlung des von der [...] vorgeschossenen Gesellschaftskapitals abgemacht gewesen sei, insbesondere dazu, aus welchen Mitteln die Rückzahlung desselben an die [...] erfolge, und mit wem er dies vereinbart gehabt habe, seien jedoch wohl kaum unerhebliche Tatsachen, klarerweise nicht offenkundig, könnten diese Tatsachen der Strafbehörde auch gar nicht bereits bekannt sein und seien sie ganz offensichtlich nicht bereits rechtsgenüglich erwiesen. Durch die Ablehnung dieses Beweisantrages verletze der ausserordentliche Strafgerichtspräsident mehrfach die Bestimmungen der Strafprozessordnung gravierend, so etwa die Beweisabnahmepflicht i.S. von Art. 318 Abs. 2 StPO, die Bestimmung über das Recht des Beschuldigten gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, SR 0.101), Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken und die damit verbundene Pflicht der Strafbehörden, solche Zeugen zu laden, den Untersuchungsgrundsatz. Alle diese Verletzungen seien gravierende Rechtsverletzungen, die hier in gehäufter Form auftreten würden und gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung für sich alleine genommen bereits geeignet seien, den Anschein der Befangenheit zu erwecken, sodass der ausserordentliche Strafgerichtspräsident in den Ausstand zu treten habe.

 

Was die Verfahrensverzögerung betreffe, habe B____, wie zu erwarten, schon nur den Versuch, C____ als Zeugen/Auskunftsperson zu laden mit dem Argument der Verfahrensverzögerung abgelehnt. Auch dieses Vorgehen sei rechtsmissbräuchlich. Hätte ersterer nach Eingang des Beweisantrages das Rechtshilfeverfahren in die Wege geleitet, wären mehr als zwei Monate zur Verfügung gestanden, um dieses durchzufuhren. Hätte sich am ersten angesetzten Verhandlungstag, bekanntlich dem 25. August 2023, ergeben, dass die Vorladung von C____ noch nicht habe erfolgen können, so hätte die Verhandlung auf die bereits vorsorglich vorgesehenen Reservetage (21. und 22. September 2023) vertagt werden können. Hätte sich am 21. September 2023 gezeigt, dass eine Vorladung nach wie vor nicht habe erfolgen können, hätte immer noch diskutiert und dannzumal entschieden werden können, ob die Hauptverhandlung abgeboten und vor Eintritt der Verjährung (also vor Ende August 2024) durchgeführt werde, womit nochmals fast ein Jahr zur Verfügung gestanden hätte, C____ vorladen zu lassen. Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident habe aber offensichtlich kein Interesse daran, C____ zu hören, wenn er a priori auf diese Möglichkeit unter Hinweis auf eine weitere Verfahrensverzögerung und die eintretende absolute Verjährung verzichte. Beide Argumente seien falsch. Wenn das Strafgericht eine nicht begründbare Verfahrensverzögerung von rund drei Jahren zu verantworten habe, sei eine Verfahrensverzögerung von eineinhalb Jahren, welche durch (berechtigte) Demarchen der Verteidigung verursacht worden sei, immer noch unerheblich und hinzunehmen, auf jeden Fall aber kein Grund, berechtigte Beweisanträge abzuweisen.

 

Was schliesslich den Vorwurf anbelange, dass tatsachenwidrige Behauptungen aufgestellt worden seien, wodurch das Ausstandsbegehren rechtsmissbräuchlich sei, so treffe dies nicht zu. Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident sehe diese in der Behauptung, er habe sich zum Beweisantrag auf Ladung von C____ noch nicht geäussert, was falsch sei. So sei ausführlich dargelegt worden, dass ersterer sich eben gerade nicht zu den relevanten Fragen geäussert habe, welche bei der Beurteilung der Ladung von C____ zu beachten seien, und insofern sei die Ablehnung der Ladung von C____ unter den aufgeworfenen Aspekten bis heute unbegründet geblieben. Der unzutreffende Vorwurf von B____ an die Verteidigung, sie bediene sich bedenklicher Verteidigungsmittel, begründe in sich selbst einen Ablehnungsgrund, sodass der ausserordentliche Strafgerichtspräsident bereits aus diesem Grund allein in den Ausstand treten müsste, ganz abgesehen von allen übrigen genannten Gründen.

 

2.1.4   Mit Duplik vom 8. August 2023 erwiderte der ausserordentliche Strafgerichtspräsident, dass die Unterstellungen, er wolle beispielsweise die Verteidigungstätigkeit des Gesuchstellers diskreditieren er habe «offenkundig die sich stellenden rechtlichen Fragen gar nicht begriffen», den gebotenen Anstand vermissen liessen. Welches Motiv er haben sollte, die Verteidigungstätigkeit des Gesuchstellers zu diskreditieren, lasse letzterer unbeantwortet. Sodann sei die weitere Unterstellung, er stelle falsche Behauptungen auf, tatsachenwidrig und haltlos. Der Mitangeklagte D____ habe mit Eingabe vom 22. März 2022 beantragt, es seien die Auftraggeber, darunter C____, als Zeugen zu befragen. Diesen Antrag habe er mit Eingabe vom 26. April 2022 wiederholt, woraufhin der ausserordentliche Strafgerichtspräsident mit Verfügung vom 9. Mai 2022, zugestellt an sämtliche Parteien, darüber befunden habe. Die Ablehnung der Befragung von C____ sei entgegen der Behauptung begründet gewesen. Ein angebliches, vor der Gründung der [...] abgeschlossenes Darlehen zwischen der [...] und C____ sei zu diesem Zeitpunkt von D____ nicht eingewendet worden. Im Übrigen habe der Gesuchsteller nie Einwände gegen die Begründung in der Verfügung vom 9. Mai 2022 erhoben. Angesichts des Ausstandgesuchs vom 4. Juli 2023, worin geschrieben werde «Meines Wissens haben Sie sich in der Folge aber nie dazu geäussert, ob Sie der Ladung von C____ stattgeben nicht», liege der Schluss nahe, dass der Gesuchsteller von der Verfügung vom 9. Mai 2022 erst zufolge Stellungnahme des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten vom 7. Juli 2023 Kenntnis genommen haben könnte. Insofern bleibe es tatsachenwidrig, wenn behauptet werde, B____ habe sich noch nie dazu geäussert, ob C____ vorgeladen werden solle.

 

Des Weiteren sei es dem ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten nicht möglich, sich «genau zu diesen, schlussendlich relevanten Punkten» zu äussern, wenn der Gesuchsteller diese erstmals mit Replik vom 2. August 2023 begründet vorbringe. Zuvor habe sich der ausserordentliche Strafgerichtspräsident, wie mit Verfügung und Stellungnahme vom 7. Juli 2023 erläutert, im Hinblick auf den vom Gesuchsteller am 12. Juni 2023 gestellten Antrag auf Befragung von C____ ausführlich auseinandergesetzt und die Ablehnung kurz begründet, wie dies Art. 331 Abs. 3 StPO verlange. Diesbezüglich seien zudem an die Parteien mehrere Verfügungen im Hinblick auf den von D____ gleichlautend gestellten Antrag ergangen.

 

Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident habe sodann nie ausgeführt, dass das Beweisantragsrecht verliere, wer mit Beweisverfügung gesetzte Fristen nicht einhalte. Dennoch sei ein Beweisantrag – in einem Verfahren, bei dem die Verjährung drohe umso mehr – auch in zeitlicher Hinsicht sowie unter Berücksichtigung des Verhaltens der Parteien zu würdigen. Der Beweisantrag vom 12. Juni 2023 erscheine offenkundig als verfahrensverschleppend gestellt. Der Gesuchsteller habe mit Eingabe vom 12. Juni 2023 beantragt, es sei die Adresse von C____ von der Staatsanwaltschaft zu edieren, und falls die Staatsanwaltschaft diese nicht habe, vom Strafgericht in Erfahrung zu bringen. Mit Eingabe vom 4. Juli 2023 habe er plötzlich die Adresse von C____ präsentiert. Wenn er per se nicht darauf vertraut habe, dass Staatsanwaltschaft Gericht sich ernstlich um diese Information kümmern würden, hätte er bereits vor Stellung seines Beweisantrags Nachforschungen zur Wohnadresse von C____ tätigen können. Beweisanträge müssten stets durchführbar sein. Wenn die Wohnadresse einer zu befragenden Person unbekannt sei, was den Akten entnommen werden könne, habe die antragsstellende Partei dazu beizutragen, die Wohnadresse zu eruieren und diese mitzuteilen – angesichts des ausländischen Wohnsitzes von C____ und des allenfalls notwendigen Rechtshilfeverfahrens frühzeitig. Es sei bekannt, dass eine Vorladung und allfällige Befragung eines in Frankreich ansässigen Zeugen auf dem Rechtshilfeweg in einem Verfahren, bei der es sich um keine Haftsache handle, innert zweier Monate nicht vollzogen werden könne. Der Gesuchsteller vermöge zudem nach wie vor keinen tauglichen Grund vorzubringen, weshalb der nach seinem Dafürhalten relevante Beweisantrag auf Befragung von C____ in Kenntnis aller Umstände derart spät gestellt worden sei, zumal es dem Mitangeklagten D____ möglich gewesen sei, den Antrag bereits erheblich früher ins Verfahren einzubringen. Die Verantwortung für das im Ergebnis verspätete Stellen des Beweisantrags liege einzig beim Gesuchsteller.

 

Zudem würden für die Befragung von C____ anlässlich der Hauptverhandlung nicht problemlos ausreichende Reserven zur Verfügung stehen die Möglich bestehen, die Hauptverhandlung abzubieten und auf ein späteres Datum zu verschieben. Es seien alleine im Instruktionsverfahren seit Ende 2021 zahlreiche Beschwerden bis vor Bundesgericht, nicht weniger als fünf Ausstandsgesuche gegen den ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten, Revisionsgesuche vor Bundesgericht vom Mitangeklagten D____ sowie eine Beschwerde bis vor Bundesgericht und zwei Ausstandsgesuche vom Gesuchsteller ergriffen bzw. gestellt worden. Ebenso hätten bislang aufgrund zahlreicher Beweis- und Verfahrensanträge über 90 verfahrensleitende Verfügung erlassen werden müssen. Angesichts dieses Verhaltens der Angeklagten lasse sich die Dauer der Hauptverhandlung schwer prognostizieren und drohe bei neuerlicher Verschiebung der Hauptverhandlung die Verjährung sämtlicher Tatvorwürfe, was es gemäss Erwägungen des Bundesgerichts zu verhindern gelte. Ausserdem ergebe sich die Widersprüchlichkeit der Verteidigungstätigkeit des Gesuchstellers auch daraus, dass er mit Beschwerde das fehlende Inhaltsverzeichnis über die Separatbeilagen bemängelt habe, dass es ihm ohne ein solches nicht möglich sei, entlastende belastende Momente zu ergründen. Er könne nun allerdings Aktenfundstellen aus den Separatbeilagen ohne weiteres benennen, die ihn entlasten sollten. Der Gesuchsteller sei offenkundig auch ohne zusätzliches Inhaltsverzeichnis über die Separatbeilagen in der Lage, sich zu verteidigen, weshalb an erwähnter hängiger Beschwerde wohl kein rechtlich geschütztes Interesse mehr bestehe, wobei eine allfällige diesbezügliche Mitteilung an das Bundesgericht dem Appellationsgericht überlassen werde.

 

Unabhängig von der Frage nach dem rechtzeigen bzw. widersprüchlichen Stellen des Beweisantrags bleibe die Befragung von C____ aus verschiedenen Gründen unerheblich. So sei vom Gericht die Frage rechtlich zu beurteilen, ob C____ anhand der vorhandenen und in der Verfügung vom 7. Juli 2023 erwähnten Beweismittel wie angeklagt rechtlich zweifelsfrei als «vorsatzloses Werkzeug der Angeklagten 1 und 2» gelten bzw. dessen Handeln den Angeklagten zugerechnet werden könne. Diese Beurteilung könne es anhand der bereits vorliegenden objektiven Beweise willkürfrei vornehmen. Dass das Gericht dabei dem Standpunkt der Staatsanwaltschaft folgen werde, sei nie in Aussicht gestellt worden und lasse sich auch nicht aus den bisherigen Verfahrenshandlungen des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten ableiten. Sodann würden die umfangreichen objektiven Beweise, entgegen den Behauptungen des Gesuchstellers, keinerlei Hinweise auf ein vor der Gründung abgeschlossenes Darlehen zwischen der [...] und C____ sowie eine «nur am Rande» erfolgte Involvierung des Gesuchstellers in die Gründung der [...] liefern. Im Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung habe die Absicht bestanden, das Kapital nach Verurkundung und Handelsregistereintrag wiederum abzuziehen. Das Geld zur ausschliesslichen und freien Verfügung der [...] sei wirtschaftlich entsprechend in Tat und Wahrheit gar nie vorhanden gewesen. Ausserdem hätten die Angeklagten im Vorverfahren zunächst ein Geständnis über den mittlerweile angeklagten Sachverhalt ablegen wollen. Von einem vor der Gründung abgeschlossenes Darlehen zwischen der [...] und C____ sei damals nie die Rede gewesen. Ebenso hätte dieser Einwand ohne weiteres im Vorverfahren Instruktionsverfahren längst eingebracht werden können.

 

Des Weiteren sei für die Beurteilung der angeklagten Urkundendelikte einzig massgebend, was gegenüber einem Beamten einer Person öffentlichen Glaubens erklärt worden sei. Es gehe einzig um die Wahrheit der beurkundeten Willenserklärung. Die Erklärung, wonach das Gründungskapital zur ausschliesslichen Verfügung der [...] stehe, bleibe unwahr, wenn das Kapital kurzzeitig nach der Gründung wieder abzogen werde und hierüber bereits im Zeitpunkt der Gründung Klarheit bestanden habe. Einzig entscheidend sei, dass der hinterlegte Betrag der Gesellschaft effektiv nicht zur Verfügung gestanden habe, wie dies beurkundet worden sei. Die Rückzahlung des Gründungskapitals per 23. November 2009, also keine drei Monate nach der Gründung, habe der Rechtsprechung folgend als «umgehend» zu gelten. Ob der Gesuchsteller in diesem Zeitpunkt noch bei [...] angestellt gewesen sei, sei im Hinblick auf die beantragte Befragung von C____ unerheblich.

 

Die Ablehnung der Befragung von C____ habe nicht zur Folge, dass dieser wie angeklagt zwangsläufig als «vorsatzloses Werkzeug der Angeklagten 1 und 2» betrachtet werden müsse. Es sei Aufgabe der Staatsanwaltschaft, zu beweisen, dass C____ als «vorsatzloses Werkzeug» agiert habe. Es sei nicht Aufgabe der Angeklagten, Gegenteiliges zu beweisen. Sei C____ nicht derart zu qualifizieren, erübrige sich die Beurteilung einer allfälligen Erschleichung einer falschen Beurkundung beim Notar im Hinblick auf die Angeklagten. Ebenso gänzlich irrelevant sei in diesem Fall das vom Gesuchsteller vorgebrachte Darlehenskonstrukt. Ob ein «vorsatzloses Werkzeug der Angeklagten 1 und 2» vorliege nicht, könne anhand der vorhandenen Akten beurteilt werden. Müsse das Gericht anhand der objektiven Beweise davon ausgehen, dass C____ bloss eine «société vide» bzw. einen «coquille vide» habe gründen wollen, sei seine Erklärung gegenüber dem Notar mutmasslich falsch gewesen. In einer Befragung, wie diese vom Gesuchsteller gefordert werde, würde sich C____ somit selbst belasten bzw. dem Risiko aussetzen müssen, in der Folge strafrechtlich verfolgt zu werden. Daher seien vom ihm keine keine glaubhaften Aussagen zu erwarten.

 

Schliesslich versuche der Gesuchsteller Tatsachen zur Verfügung vom 28. Juli 2023 vorzubringen, zu denen er sich in seinem ursprünglichen Ausstandsgesuch zur Begründung der angeblichen Voreingenommenheit des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten ausschweige, weshalb diese nicht zu hören seien.

 

2.1.5   Mit Eingabe vom 30. August 2023 bringt der Gesuchsteller vor, dass es nicht zutreffend sei, dass gezielt tatsachenwidrige Behauptungen aufgestellt würden. Diese Vorwürfe diskreditierten mithin die Verteidigungstätigkeit. Es sei des Weiteren nicht nachvollziehbar, warum die Aussage von C____ unerheblich sein solle, wenn es um eine Gründung gehe, die in dessen Auftrag erfolgt sei.

 

Tatsache sei, dass B____ in der Verfügung vom 9. Mai 2022 die Abweisung der Befragung von C____ nicht explizit begründet, sondern pauschal die Einvernahme der Auftraggeber von Gesellschaftsgründungen abgewiesen habe. Die vorgegebene Begründung sei jedoch nicht nachvollziehbar und verkenne die sich stellenden rechtlichen Fragen und die Beweise, die dafür zur Verfügung stehen würden. Des Weiteren habe der ausserordentliche Strafgerichtspräsident nicht zwischen Firmengründungen «auf Vorrat» und solchen, die nur konkret gestützt auf einen Auftrag des Kunden erfolgt sei seien, unterschieden. Bei Firmengründungen auf Kundenwunsch sei ganz natürlicherweise davon auszugehen, dass die Frage, wie und v.a. von wem das Gesellschaftskapital geleistet werde, mit dem Kunden diskutiert werde.

 

Selbst wenn dies für B____ irrelevant sein sollte, so treffe dies für den Gesuchsteller nicht zu, der zum Zeitpunkt der fraglichen Gründung gar nicht mehr bei der [...] beschäftigt gewesen sei und insbesondere keine Kenntnis darüber gehabt habe, was diesbezüglich zwischen D____ und C____ besprochen worden sei, ihm aber dennoch Mittäterschaft bei einer Schwindelgründung vorgeworfen werde. Insofern seien die Ausführungen betreffend Gewährung eines Darlehens von D____ der [...] an C____ nicht neu, sondern auch dem ausserordentlichen Gerichtspräsidenten hätte sich die Frage stellen müssen, aus welchem Rechtsgrund die [...] das Gründungskapital leiste. Die Ablehnung des Antrags auf Befragung von C____ verletze damit die Verteidigungsrechte und zudem das Recht des Gesuchstellers gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK, die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen zu bewirken.

 

Sodann könnte das Beweisantragsrecht nicht rechtsmissbräuchlich geltend gemacht werden, wenn man es nicht verliere. Verfahrensverzögerung und -Verschleppung lägen nicht vor, zum Zeitpunkt der Stellung des Beweisantrages wäre es noch über ein Jahr gegangen, bis das letzte Delikt verjähre, für eine Vorladung innert zweier Monate haben mithin überhaupt keine Notwendigkeit bestanden. Eine Verfahrensverschleppung liege auch nicht vor, da D____ denselben Antrag bereits mehr als ein Jahr früher gestellt gehabt habe, B____ die Einvernahme von Entlastungszeugen aber generell abgelehnt habe (und eben nicht spezifisch auf C____ bezogen), sodass in der Wiederholung desselben Antrages wohl kaum eine Verfahrensverschleppung liegen könne. Die Verteidigung müsse keine Abklärungen zur Wohnadresse eines Zeugen tätigen, mindestens nicht solche, die über eine einfache Abfrage von Telefonbüchern hinausgehe, sondern es wäre von Anbeginn weg Sache der Staatsanwaltschaft gewesen, die Adresse von C____ zu eruieren. Nachdem der Gesuchsteller den Beweisantrag gestellt gehabt habe, habe er über eine Privatdetektei die Adresse von C____ eruieren können. Zu solchen Abklärungen sei die beschuldigte Person beim besten Willen nicht verpflichtet. Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident werde dem Gesuchsteller ferner unbegründet in denselben Topf wie D____, wenn er sich darüber beklage, dass während des Instruktionsverfahrens über 90 verfahrensleitende Verfügungen hätten erlassen werden müssen und unzählige Beschwerden, teilweise bis ans Bundesgericht, das Verfahren verzögern würden. Tatsache sei, dass der Gesuchsteller für maximal zehn verfahrensleitende Verfügungen verantwortlich sei, für ein Beschwerdeverfahren bis vor Bundesgericht und nun ein zweites Ausstandsverfahren.

 

Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident werfe dem Gesuchsteller ferner Widersprüchlichkeit vor, wenn er einerseits das Fehlen eines Inhaltsverzeichnisses für die Separatbeilagen bemängle und nun aus diesen zitiere. Dies sei zynisch. B____ rege an, dass somit an der «hängigen Beschwerde» kein rechtlich geschütztes Interesse mehr bestehe und das Bundesgericht entsprechend zu informieren sei, was aber dem Appellationsgericht überlassen werde. Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident kenne offenbar die Akten nur unvollständig, wenn er nicht wisse, dass das Bundesgericht auf die entsprechende Beschwerde nicht eingetreten sei. Sein «Vorschlag» zeuge aber erneut davon, dass er die Verteidigungstätigkeit erschweren wolle, indem er sich in Verfahren einmische, die ihn nicht beträfen und insofern nichts angehen würden, was wiederum einen Ausstandsgrund darstelle.

 

Überdies nimmt der Gesuchsteller noch ausführlich Stellung zu den Ausführungen des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten hinsichtlich der Beweislage im Rahmen der von diesem vorgenommenen antizipierten Beweiswürdigung. Gestützt auf diverse Beweismittel komme letzterer in seiner Eingabe wörtlich zu folgendem Schluss: «Im Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung bestand somit die Absicht, das Kapital nach Verurkundung und Handelsregistereintrag wiederum abzuziehen. Das Geld zur ausschliesslichen und freien Verfügung der [...] war wirtschaftlich somit in Tat und Wahrheit gar nie vorhanden». Damit setze der ausserordentliche Strafgerichtspräsident einen neuen Ausstandsgrund, nämlich jenen der Vorbefassung: er sei offensichtlich in seinem Urteil nicht mehr frei, sondern habe sich bereits dahingehend festgelegt, dass zum Zeitpunkt der Gründung das Kapital der Gesellschaft nicht zur freien Verfügung gestanden habe und wirtschaftlich gar nie vorhanden gewesen sei, womit der Tatbestand der Schwindelgründung ohne Abwartens der Hauptverhandlung und ohne Würdigung der an dieser zu erhebenden Beweise und der Stellungnahmen der Betroffenen dazu bereits angenommen worden sei. Das sei der klassische Fall einer Vorbefassung, womit der ausserordentliche Strafgerichtspräsident, ungeachtet aller bisherigen und künftigen Ausführungen, allein aus diesem Grund in den Ausstand treten müsse.

 

Des Weiteren sei die Frage, ob die Rückzahlung des Gründungskapitals per 23. November 2009, drei Monate nach der Gründung, als «umgehend» zu gelten habe, wie der ausserordentliche Strafgerichtspräsident ausführe, ein zu diskutierender Punkt, der den Gesuchsteller nicht betreffe, da er damals nicht mehr bei der [...] beschäftigt gewesen sei. Die Aussage von B____ belege aber ein weiteres Mal, dass er eine vorgefasste Meinung habe, da er sich bereits festgelegt habe, dass eine Rückzahlung nach drei Monaten «umgehend» sei. Diese Festlegung sei für die rechtliche Beurteilung der Sache von Relevanz, womit ein weiteres Mal belegt sei, dass der ausserordentliche Strafgerichtspräsident eine vorgefasste Meinung habe und der Ausgang des Verfahrens nicht mehr offen sei, weshalb er somit wegen Befangenheit in den Ausstand treten müsse.

 

Falsch sei schliesslich, dass nur dann Beweisanträge erheblich seien, wenn die Beweise geeignet seien, das Urteil in bedeutender Form zu beeinflussen. Diese Auslegung finde zum ersten im Wortlaut der Strafprozessordnung keine Stütze und zum zweiten könne zum vornherein gar nicht gesagt werden, ob das Beweismittel in bedeutender Form das Urteil beeinflusse, denn das komme ganz auf das Ergebnis der Beweiserhebung an, die man zum vornherein eben gerade nicht kenne, namentlich wenn es – wie bei der erstmalig durchzuführenden Befragung von C____ – ein neues Beweismittel sei.

 

2.2      Gemäss Art. 30 Abs. 1 der Bundesverfassung (BV, SR 101) und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht ohne Einwirken sachfremder Umstände beurteilt wird. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken, ohne dass für die Ablehnung verlangt wäre, dass die Richterperson tatsächlich befangen ist (vgl. dazu BGE 141 IV 178 E. 3.2.1, 140 III 221 E. 4.1; BGer 1B_315/2020 vom 23. September 2020 E. 5.1; Keller, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 2020, Art. 56 StPO N 31 ff.). Solche Umstände können entweder in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Eine gewisse Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen in die Unabhängigkeit des Gerichts kann bei den Parteien insbesondere dann entstehen, wenn ein Richter in einem anderen, die gleiche Streitsache betreffenden Verfahren in einem früheren Stadium desselben Verfahrens bereits tätig war. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob sich der Richter durch seine frühere Mitwirkung in einzelnen Punkten bereits in einem Mass festgelegt hat, das ihn nicht mehr als unvoreingenommen und dementsprechend das Verfahren als nicht mehr offen erscheinen lässt (BGE 140 I 326 E. 5.1, 133 I 1 E. 6.2; BGer 1B_549/2017 vom 16. Februar 2018 E. 2). In Konkretisierung dieser grundrechtlichen Garantien hat gemäss Art. 56 StPO eine in einer Strafbehörde tätige Person unter anderem dann in den Ausstand zu treten, wenn sie in einer anderen Stellung in der gleichen Sache tätig war (lit. b) aus anderen Gründen befangen sein könnte (lit. f). Ist die Gerichtsperson in derselben Stellung mit der gleichen Sache mehrfach befasst, liegt kein Fall der Vorbefassung im Sinne von Art. 56 lit. b StPO vor. Eine Mehrfachbefassung in diesem Sinn kann aber im Rahmen von Art. 56 lit. f StPO massgeblich werden (BGer 1B_549/2017 vom 16. Februar 2018 E. 2, 1B_97/2017 vom 7. Juni 2017 E. 2.1 f.). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung begründet grundsätzlich keine Voreingenommenheit, wenn ein Richter schon vor dem eigentlichen Sachentscheid prozessuale Anordnungen trifft, auch wenn dabei bereits gewisse materielle Gesichtspunkte zu würdigen sind. Damit eine unzulässige Vorbefassung gegeben ist, müssen zusätzlich tatsächliche Gegebenheiten hinzutreten, welche ihrerseits den Anschein der Befangenheit zu erwecken vermögen (BGE 131 I 113 E. 3.7; BGer 1B_51/2019 vom 28. März 2019 E. 2, 1B_434/2017 vom 4. Januar 2018 E. 4.4, 1B_549/2017 vom 16. Februar 2018 E. 2). Dem Richter ist es nicht verwehrt, sich aufgrund der Akten eine vorläufige Meinung zu bilden, solange er innerlich frei ist, aufgrund der in der Verhandlung vorgetragenen Argumente zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Die Garantie der Unvoreingenommenheit ist erst verletzt, wenn der Anschein erweckt wird, der Richter habe sich bereits so festgelegt, dass daran die Argumente der Verteidigung nichts mehr zu ändern vermöchten (vgl. zum Ganzen BGer 1B_51/2019 vom 28. März 2019 E. 2, 1B_151/2017 vom 14. Juni 2017 E. 2 m.w.H.). Dementsprechend stellt die Ablehnung eines Beweisantrags durch das verfahrensleitende Gerichtsmitglied für sich allein keinen Ausstandsgrund dar, zumal solche gemäss Art. 331 Abs. 3 StPO an der Hauptverhandlung erneut gestellt werden können (vgl. BGE 116 Ia 135 E. 3b; BGer 1B_51/2019 vom 28. März 2019 E. 2, 1B_549/2017 vom 16. Februar 2018 E. 2, 1B_1/2017 vom 7. März 2017 E. 2.1, 1B_703/2011 vom 3. Februar 2012 E. 2.6). Wie das Bundesgericht ausführt, fordert das Richteramt, rasch Entscheidungen über bestrittene und schwierige Fragen zu treffen. Werden dabei Verfahrensfehler begangen, sind diese in erster Linie im Rechtsmittelverfahren zu rügen und lassen sich grundsätzlich nicht als Begründung für den Ausstand heranziehen (BGer 1B_144/2021 vom 30. August 2022 E. 4.2; BGE 143 IV 69 E. 3.2). Nur krasse und wiederholte Verfahrensfehler, die einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen, sich einseitig zu Lasten einer Prozesspartei auswirken und eine auf fehlende Distanz und Neutralität beruhende Haltung vermitteln, vermögen eine Vorbefassung im Sinne des Gesetzes zu begründen. Die Qualifikation allfälliger Fehler als Ausstandsgrund, d.h. der Charakter als schwerwiegender Mangel, muss dabei als solcher offensichtlich sein bzw. die Unparteilichkeit Voreingenommenheit klar erkennen lassen (vgl. BGE 143 IV 69 E. 3.2, 141 IV 178 E. 3.2.3, 114 la 153 E. 3b/bb; BGer 1B_620/2020 vom 23. Februar 2021 E. 3.3, 1B_269/2019 vom 9. Dezember 2019 E. 4.4.1, 1B_181/2017 vom 2. Juni 2017 E. 3.2; AGE DGS.2020.6 vom 29. Juli 2020 E. 2.2.3.2, DGS.2019.34 vom 19. November 2020 E. 2, BES.2019.42 vom 26. Juli 2019 E. 2.2.2.2). Es ist nicht der Zweck des Ausstandsverfahrens, den Parteien zu erlauben, die von der Verfahrensführung getroffenen Zwischenentscheide in Frage zu stellen (BGE 143 IV 69 E. 3.2; BGer 1B_549/2017 vom 16. Februar 2018 E. 2). Die Beschränkung der selbständigen Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden kann mithin nicht dadurch umgangen werden, dass die analogen Rügen in einem Ablehnungsverfahren erhoben werden (BGer 1B_549/2017 vom 16. Februar 2018 E. 2 1B_181/2017 vom 2. Juni 2017 E. 3.2).

 

2.3      Der Gesuchsteller versucht, den Anschein der Befangenheit beim ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten vorliegend insbesondere im Zusammenhang mit der Abweisung eines Beweisantrags – Antrag auf Befragung von C____ vom 12. Juni 2023 – in der Verfügung vom 29. Juni 2023 nachzuweisen. Begründet wurde der abweisende Entscheid des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten dabei mit der nicht rechtzeitig möglichen Vorladung von letzterem aufgrund seines unbekannten Aufenthaltsorts sowie der materiellen Unerheblichkeit des Beweisantrags.

 

2.3.1   Soweit der Gesuchsteller sich mit der Begründung der Abweisung der Beweisanträge auseinandersetzt und insbesondere die darin vorgenommene antizipierte Beweiswürdigung in Frage stellt sowie daraus Schlüsse zieht, sind seine Rügen im Ausstandsverfahren grundsätzlich verfehlt. Denn auf diese Weise würde er, wie dargelegt, die Beschränkung der selbständigen Anfechtbarkeit prozessualer Zwischenentscheide umgehen, was auf eine im Ausstandsverfahren unzulässige Überprüfung der Rechtmässigkeit des Beweisergänzungsentscheides hinausliefe. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Gesuchsteller die Verletzung der «Beweisabnahmepflicht i.S. von Art. 318 Abs. 2 StPO», der «Bestimmung über das Recht des Beschuldigten gemäss Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK, Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken und die damit verbundene Pflicht der Strafbehörden, solche Zeugen zu laden», die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes rügt, da er sich auch hier auf die Frage bezieht, ob der Beweisantrag zu (Un-)Recht abgewiesen wurde nicht. Entsprechend ist nicht vertiefter darauf einzugehen, ob die Ablehnung des Beweisantrags rechtmässig war nicht – wie der Gesuchsteller detailliert darzulegen versucht –, soweit sich daraus nicht eine geradezu «willkürliche und damit unzulässige antizipierte Beweiswürdigung» des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten ergeben sollte, die den Anschein der Befangenheit zu erwecken vermag.

 

2.3.2   Eine solche unzulässige antizipierte Beweiswürdigung versucht der Gesuchsteller insbesondere mit der Vorbefasstheit von B____ zu begründen. Fest steht, dass der ausserordentliche Strafgerichtspräsident neben seiner summarischen Begründung in seiner ursprünglichen Verfügung auch in seinen Stellungnahmen seine Sicht der Dinge dargelegt hat. Dass er sich beim instruktionsrichterlichen Entscheid über den Verzicht auf weitere Beweisabnahmen mit gewissen Umständen «vorbefassen» muss – was vom Gesuchsteller u.a. in Bezug auf die Äusserungen von B____, dass zum Zeitpunkt der Gründung das Kapital der Gesellschaft nicht zur freien Verfügung gestanden habe und dass eine Rückzahlung nach drei Monaten «umgehend» sei, als (neue) Ausstandsgründe vorgebracht wird –, ergibt sich daraus, dass der Instruktionsrichter das vorläufige Beweisergebnis hypothetisch um die Fakten des Beweisantrags zu ergänzen und zu würdigen hat. Die Ablehnung des Beweisantrags im Sinne einer antizipierten Beweiswürdigung ist dann zulässig, wenn die zu beweisende Tatsache nach dieser Würdigung als unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt bereits rechtsgenügend erwiesen anzusehen ist (BGer 6B_1090/2018 vom 17. Januar 2019; BGE 136 I 229 E. 5.3, 134 I 140 E. 5.3, je m.H.). Dass sich die Verfahrensleitung hinsichtlich begehrter Beweiserhebungen «festlegt», ist dem System mithin immanent – der Grundsatz der antizipierten Beweiswürdigung besagt nichts Anderes, als dass die Verfahrensleitung im Rahmen einer vorausschauenden Überprüfung ihre Schlüsse betreffend die Relevanz von Beweisen zieht. Die Ableitung einer «Vorbefassung» irgendwie gearteten Befangenheit durch die Vornahme einer antizipierten Beweiswürdigung ist dagegen systemwidrig (vgl. auch AGE DG.2012.8 vom 14. Juni 2012 E. 3.2).

 

2.3.3   Festzuhalten ist aber immerhin Folgendes: Die Ausführungen von B____ werden grundsätzlich unter Nennung von konkreten Aktenstellen untermauert [vgl. etwa Verfügung vom 29. Juni, S. 2; Stellungnahme vom 7. Juli 2023, S. 3] und erscheinen insofern nicht als unsachlich offensichtlich willkürlich. Zudem werden seine Aussagen im gleichen Zusammenhang durch seine Feststellung relativiert, dass er nie in Aussicht gestellt habe, dem Standpunkt der Staatsanwaltschaft zu folgen, was sich auch nicht aus seinen bisherigen Verfahrenshandlungen ableiten lasse. So führte B____ aus, dass die Ablehnung der Befragung von C____ nicht zur Folge habe, dass dieser wie angeklagt zwangsläufig als «vorsatzloses Werkzeug der Angeklagten 1 und 2» betrachtet werden müsse. Es sei Aufgabe der Staatsanwaltschaft, zu beweisen, dass C____ als «vorsatzloses Werkzeug der Angeklagten 1 und 2» agiert habe. Es sei nicht Aufgabe der Angeklagten, Gegenteiliges zu beweisen (Stellungnahme vom 8. August 2023, S. 6). Ob den Gesuchsteller überhaupt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit treffe bzw. er die angeklagten Tatbestände erfülle, sei durch das Gericht zu beurteilen (Stellungnahme vom 7. Juli 2023, S. 3).

 

Nicht zu folgen ist dem Gesuchsteller sodann darin, der ausserordentliche Strafgerichtspräsident weise den Anschein von Befangenheit auf, da er vorbringe, dass durch den Gesuchsteller tatsachenwidrige Behauptungen aufgestellt worden seien, wodurch das Ausstandsbegehren rechtsmissbräuchlich sei. Der ausserordentliche Strafgerichtspräsident sehe dies in der Behauptung, er habe sich zum Beweisantrag auf Ladung von C____ noch nicht geäussert, was falsch sei. Festzuhalten ist nämlich, dass B____ in seiner Verfügung vom 9. Mai 2022, Begründung zur Ziff. 1 ad Antrag 4, die Anträge auf Befragung der «Auftraggeber» bereits abgewiesen und dies – summarisch – begründet hatte. Ob die entsprechende Begründung – wie vom Gesuchsteller moniert wird – in Bezug auf C____ unzutreffend sei resp. die Ablehnung des Beweisantrags in Bezug auf letzteren nicht rechtsgenüglich begründet worden sei, ist wiederum eine Frage, die nicht als Rüge im Ausstandsverfahren zu behandeln ist, da darin kein offensichtlicher Anschein der Befangenheit erkannt werden kann.

 

Sofern der Gesuchsteller ferner ausführt, dass falsch sei, dass nur dann Beweisanträge erheblich seien, wenn die Beweise geeignet seien, das Urteil in bedeutender Form zu beeinflussen, da dies etwa im Wortlaut der Strafprozessordnung keine Stütze finde, so ist darauf hinzuweisen, dass der ausserordentlichen Strafgerichtspräsident diesen Standpunkt unter Verweis auf die h.L. (vgl. Stellungnahme vom 8. August 2023, S. 6) vertreten hat, was ebenfalls nicht zu beanstanden ist.

 

Wenn der Gesuchsteller schliesslich vorbringt, der ausserordentliche Strafgerichtspräsident habe «offenkundig die sich stellenden rechtlichen Fragen gar nicht begriffen» «kenne offenbar die Akten nur unvollständig», so wäre seinem Begehren auch aus diesem Grund allein kein Erfolg beschieden, da die «blosse (fachliche) Inkompetenz» eines Richters nämlich keinen selbstständigen Ausstandsgrund bildet (vgl. Boog, in: Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2023, Art. 56 StPO N 61a m.H. auf die Rspr.).

 

2.3.4   Sofern der Gesuchsteller die Begründung der Abweisung rügt, der Beweisantrag sei verspätet gestellt worden, so ist ihm zwar zuzustimmen, dass das Beweisantragsrecht nicht verloren geht, wenn mit Beweisverfügung gesetzte Fristen nicht eingehalten werden (dies bestreitet auch der ausserordentliche Strafgerichtspräsident nicht), und das Strafgericht selbst einen grossen Teil der Verfahrensverzögerung zu verantworten hat. Jedoch hat auch das Bundesgericht im vorliegenden Strafverfahren klargestellt, dass das Verfahren ohne Verzögerung fortgeführt werden müsse. Dem Gesuchsteller ist jedoch immerhin darin zuzustimmen, dass das Argument der Verfahrensverzögerung nicht der (Haupt-)Grund für die Abweisung des Gesuchs sein kann. So mag auch die Formulierung des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten überspitzt sein, der Antrag auf Ladung von C____ diene einzig der «Verfahrensverschleppung» und werde «rechtsmissbräuchlich» gestellt, jedoch hat B____ in seiner Begründung als Hauptgrund im Rahmen einer antizipierten Beweiswürdigung (vgl. vorne E. 2.3.1) dargelegt, weshalb die Vorladung und Einvernahme von C____ auch resp. insbesondere aus diesem Grund abzulehnen sei.

 

Festzuhalten ist jedoch, dass der Gesuchsteller selbst angibt, dass er die Wohnadresse von C____ erst nach dem 12. Juni 2023 erfahren und mit Eingabe vom 4. Juli 2023 bekanntgegeben habe, weshalb es diesbezüglich dem ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten nicht zum Nachteil gereichen kann, dass er den Beweisantrag mit Verfügung vom 29. Juni 2023 auch in Unkenntnis über den damaligen Aufenthaltsort von C____ abgewiesen hat. Ferner ist auch fraglich, weshalb der Gesuchsteller den Antrag auf Befragung von C____ nicht bereits früher «wiederholt» hat, wenn ihm bereits vor mehr als einem Jahr klar gewesen sein sollte, dass die Abweisung des Antrags vom 9. Mai 2022 keine für ihn ausreichende Begründung enthalten haben sollte.

 

2.3.5   Nach dem Gesagten mag zwar die Art, wie der ausserordentliche Strafgerichtspräsident teilweise die Abweisung des Beweisantrags begründete, in der Wortwahl etwas unglücklich sein. Die Abweisung des Antrags auf Vorladung von C____ im Rahmen der antizipierten Beweiswürdigung lässt jedoch keine Willkür erkennen. Auch in sonstiger Hinsicht ist im heutigen Zeitpunkt jedenfalls ein schwerwiegender, wiederholter Verfahrensmangel, der einen Ausstand zu begründen vermöchte, nicht ersichtlich.

 

In der anstehenden Hauptverhandlung sind noch weitere, umfassende Beweiserhebungen sowie eine vertiefte Beweiswürdigung ausstehend. Im Übrigen kann der Gesuchsteller seinen Beweisantrag in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht nochmals stellen. Dieses wird gegebenenfalls konkret zu prüfen haben, ob die Ablehnung des Beweisantrags zu Recht erfolgte – u.a. etwa aufgrund des nun bekannten Aufenthaltsorts von C____ eine Befragung doch angebracht wäre. Gesamthaft betrachtet entsteht zumindest nicht der Anschein, B____ habe sich bereits auf eine Weise festgelegt, dass er innerlich nicht mehr frei wäre, aufgrund der in der Verhandlung vorzutragenden Argumente zu einem anderen Ergebnis zu gelangen.

 

3.

Der Gesuchsteller vermag demnach insgesamt nicht, eine – mehrere – den Ausstand begründende Tatsache(n) glaubhaft zu machen. Insbesondere sind auch keine wiederholten materiellen und prozessualen Rechtsfehler seitens des ausserordentlichen Strafgerichtspräsidenten ersichtlich, die einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen, sich einseitig zu Lasten einer Prozesspartei auswirken und eine auf fehlende Distanz und Neutralität beruhende Haltung vermitteln würden. Daraus folgt die Abweisung seines Gesuchs.

 

4.

Bei diesem Ausgang des Ausstandsverfahrens hat der Gesuchsteller dessen Kosten zu tragen (Art. 59 Abs. 4 StPO), wobei die Gebühr auf CHF 800.– festzusetzen ist (vgl. § 33 des Reglements über die Gerichtsgebühren, SG 154.810).

 

 

Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):

 

://:        Das Ausstandsgesuch gegen den a.o. Strafgerichtspräsidenten B____ wird abgewiesen.

 

Der Gesuchsteller trägt die Kosten des Ausstandsverfahrens mit einer Gebühr von CHF 800.–, einschliesslich Auslagen.

 

Mitteilung an:

-       Gesuchsteller

-       a.o. Strafgerichtspräsident B____

 

APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT

 

Der Präsident                                                            Der Gerichtsschreiber

 

 

lic. iur. Christian Hoenen                                         MLaw Martin Seelmann, LL.M.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.

 



 
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