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Urteil Appellationsgericht (BS - BES.2021.35 (AG.2021.448))

Zusammenfassung des Urteils BES.2021.35 (AG.2021.448): Appellationsgericht

A____ erstattete am 7. November 2018 auf der Polizeiwache Clara in Basel Strafanzeige wegen Sachentziehung gegen B____. Die Staatsanwaltschaft trat auf die Strafanzeige nicht ein, da die Eigentumsverhältnisse nicht eindeutig geklärt waren. A____ erhob daraufhin Beschwerde, die vom Appellationsgericht Basel-Stadt gutgeheissen wurde. Es wurde entschieden, dass das Strafverfahren gegen B____ wieder aufgenommen werden soll. Die Kosten des Verfahrens wurden nicht erhoben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts BES.2021.35 (AG.2021.448)

Kanton:BS
Fallnummer:BES.2021.35 (AG.2021.448)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid BES.2021.35 (AG.2021.448) vom 09.07.2021 (BS)
Datum:09.07.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Nichtanhandnahme
Schlagwörter: Staatsanwaltschaft; Nichtanhandnahme; Eigentum; E-Mail; Verfahren; Vorakten; Verfügung; Container; Tanks; Verfahrens; Schweiz; Appellationsgericht; Eigentumsverhältnisse; Beschwerdeführers; Nichtanhandnahmeverfügung; Schweizerische; Eingabe; Prozessvoraussetzungen; Entscheid; Schweizerischen; Auszug; Aneignung; Verfahren; Behälter; Einzelgericht
Rechtsnorm: Art. 2 StPO ;Art. 324 StPO ;Art. 42 BGG ;Art. 428 StPO ;Art. 48 BGG ;
Referenz BGE:138 IV 86; 143 IV 241;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts BES.2021.35 (AG.2021.448)

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht



BES.2021.35


ENTSCHEID


vom 29. Juni 2021



Mitwirkende


lic. iur. Christian Hoenen

und a.o. Gerichtsschreiberin MLaw Salome Nertz




Beteiligte


A____ Beschwerdeführer

[...]

gegen


B____ Beschwerdegegnerin

[...] Beschuldigte


Gegenstand


Beschwerde gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft

vom 2. Februar 2021


betreffend Nichtanhandnahme



Sachverhalt


Am 7. November 2018 erstattete A____ (Beschwerdeführer) auf der Polizeiwache Clara in Basel Strafanzeige wegen Sachentziehung gegen B____ (Beschwerdegegnerin). Hintergrund des Vorwurfs bilden zwei Fischtanks und ein Container, welche der Beschwerdeführer im April 2018 an seinen Kollegen C____ ausgeliehen hat, welcher zu diesem Zeitpunkt bei der Beschwerdegegnerin wohnte. Im Juni 2018 zog C____ bei der Beschwerdegegnerin aus und liess die Tanks und Container vorerst dort. Anschliessend habe der Beschwerdeführer offenbar erfolglos versucht, seine Tanks von der Beschwerdegegnerin zurück zu erhalten.


Mit Schreiben vom 10. April 2020 forderte die Staatsanwaltschaft den Beschwerdeführer auf, Unterlagen zu den Eigentumsverhältnissen der beanzeigten Tanks und Container einzureichen. In der Folge machte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 27. Juli 2020 Rechtsverzögerung geltend und forderte die Staatsanwaltschaft auf, ihm den Verfahrensstand mitzuteilen und die nächsten Verfahrensschritte zu eröffnen. Mit Schreiben vom 30. Juli 2020 teilte die Staatsanwaltschaft daraufhin dem Beschwerdeführer mit, er habe auf das Schreiben vom 10. April 2020 betreffend Eigentumsverhältnisse nie reagiert. Solange nicht klar sei, wer wirklich der rechtmässige Besitzer dieser Container sei, würden vorerst keine weiteren Ermittlungen getätigt.


Mit Verfügung vom 2.Februar 2021 trat die Staatsanwaltschaft auf die Strafanzeige des Beschwerdeführers vom 7. November 2018 nicht ein, da der fragliche Straftatbestand die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt seien (Ziffer 1). Die Kosten wurden zulasten des Staates verlegt (Ziffer2).


Gegen diese Nichtanhandnahmeverfügung erhob A____ am 22. Februar 2021 Beschwerde. Er beantragt, die Verfügung sei aufzuheben und das Verfahren sei an die Hand zu nehmen. Weiter ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und rechtliches Gehör, alles unter o/e-Kostenfolge zulasten der Beschwerdegegnerin.


Mit Verfügung vom 31. Mai 2021 erhielt die Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zur Beschwerde, auf welche sie mit Eingabe vom 4. Juni 2021 verzichtete.


Die Beschwerdegegnerin B____ hat innert mit verfahrensleitender Verfügung vom 16. Juli 2021 bis zum 16. August 2021 angesetzter Frist keine fakultative Stellungnahme zur Beschwerde eingereicht.


Der vorliegende Entscheid ist aufgrund der Akten ergangen, unter Beizug der Vorakten [...]. Die Einzelheiten der Standpunkte ergeben sich, soweit für den vorliegenden Entscheid von Bedeutung, aus den nachfolgenden Erwägungen.



Erwägungen

1.

Nichtanhandnahmeverfügungen der Staatsanwaltschaft können mit Beschwerde bei der Beschwerdeinstanz angefochten werden (Art.393 Abs.1 lit.a sowie Art.310 Abs.2 in Verbindung mit Art.322 Abs.2 der Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO; SR312.0]). Zuständiges Beschwerdegericht ist das Appellationsgericht als Einzelgericht (§§88 Abs.1 und 93 Abs.1 Ziff.1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG; SG 154.100]). Die Kognition des Beschwerdegerichts ist frei und somit nicht auf Willkür beschränkt (Art.393 Abs.2 StPO). Der Beschwerdeführer hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids und ist somit zur Beschwerde legitimiert (Art.382 Abs.1 StPO). Die Beschwerde wurde an einem My-Post-24-Automaten, betrieben durch die Schweizerische Post, aufgegeben. Die Einsicht in den Track&Trace-Auszug hat ergeben, dass die undatierte Beschwerde am 22. Februar 2021 und somit rechtzeitig zu Handen des Appellationsgerichts der Schweizerischen Post übergeben wurde (vgl. Verfügung des Verfahrensleiters des Appellationsgerichts vom 31. Mai 2021). Auf die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist einzutreten.


2.

2.1 Die Staatsanwaltschaft begründete die Nichtanhandnahme des Strafverfahrens gegen B____ damit, dass die Eigentumsverhältnisse an den betreffenden Gegenständen nicht eindeutig feststünden. Trotz Aufforderung sei seitens des Beschwerdeführers kein Nachweis betreffend die Eigentumsverhältnisse erbracht worden. Überhaupt sei kein Wille der Beschuldigten, die Sache(n) zu entziehen, nachgewiesen worden, weshalb der Tatbestand nicht eindeutig erfüllt sei und das Verfahren nicht anhand genommen werde.


2.2 Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde im Wesentlichen geltend, die Beschwerdegegnerin habe im Rahmen der Anzeigeerstattung telefonisch bereits zugegeben, dass sie wisse, dass die Tanks nicht in ihrem Eigentum stünden, sie diese aber nicht herausgeben wolle. Aus Ziff. b der Nichtanhandnahmeverfügung vom 2. Februar 2021 bzw. aus den entsprechenden Aussagen der Beschwerdegegnerin gehe hervor, dass sie vom Eigentum des Beschwerdeführers an den Tanks ausgehe. Weiter führt er aus, er habe entgegen den Ausführungen in Ziff. c der Nichtanhandnahmeverfügung den Kaufvertrag der Fischtanks - zusammen mit einer Eingabe, auf welche er keinen Zugriff mehr habe - bereits am 24. Mai 2020 eingereicht. Nachweisen könne er die Einreichung dieser Eingabe allerdings nicht. Zudem habe er Zeugen angegeben, welche nicht kontaktiert worden seien. Ferner gibt der Beschwerdeführer an, es sei ihm seit dem Auszug von C____ und dessen Mitbewohnerin «[...]» bei der Beschwerdegegnerin nicht ermöglicht worden, die Gegenstände abzuholen. Dies sei bis zum heutigen Tage der Fall. Es gehe sodann aus den Belegen hervor, dass die Beschwerdegegnerin die Gegenstände für sich selbst verwende. Schliesslich beantragt der Beschwerdeführer, die Untersuchung sei auf «unrechtmässige Aneignung respektive Diebstahl» zu erweitern.


3.

Nach Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme, sobald aufgrund der Strafanzeige des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind. Wie bei der Frage, ob ein Strafverfahren über eine Verfahrenseinstellung durch die Strafverfolgungsbehörde erledigt werden kann, gilt auch bezüglich der Nichtanhandnahme der aus dem Legalitätsprinzip fliessende Grundsatz «in dubio pro duriore» (Art. 5 Abs. 1 der Bundesverfassung [BV, SR 101] und Art. 2 Abs. 1 StPO in Verbindung mit Art. 309 Abs. 1, Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO; vgl. BGE 138 IV 86 E. 4.2; BGer 6B_274/2019 vom 28. Februar 2020 E. 2.3, 6B_856/2013 vom 3.April 2014 E. 2.2 und 1B_253/2012 vom 19. Juli 2012 E. 2.1). Danach darf die Nichtanhandnahme gestützt aufArt. 310 Abs. 1 lit. a StPO nur in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen ergehen, so bei offensichtlicher Straflosigkeit, wenn der Sachverhalt mit Sicherheit nicht unter einen Straftatbestand fällt, bei eindeutig fehlenden Prozessvoraussetzungen. Die Strafverfolgungsbehörde und die Beschwerdeinstanz verfügen in diesem Rahmen über einen gewissen Ermessensspielraum. Im Zweifelsfall, wenn die Nichtanhandnahmegründe nicht mit absoluter Sicherheit gegeben sind, muss das Verfahren jedoch eröffnet werden (vgl. BGE 143 IV 241 E. 2.2.1, 137 IV 219 E. 7, je mit Hinweisen; Omlin, in: Basler Kommentar, 2.Auflage 2014, Art.310 StPO N 9; AGE BES.2018.89 vom 17. Oktober 2018 E.2.1f.).


4.

4.1 Vor dem Hintergrund von Art. 310 Abs. 1 lit a StPO ist zu prüfen, ob im hier zu beurteilenden Fall eine Sachentziehung nach Art. 141 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0) eindeutig nicht vorliegt. Der Tatbestand ist erfüllt, wenn jemand dem Berechtigten ohne Aneignungsabsicht eine bewegliche Sache entzieht und ihm dadurch einen erheblichen Nachteil zufügt.


4.2 Als Beilage zur Beschwerde reicht der Beschwerdeführer einen Kaufvertrag ein, wonach er am 12. Mai 2018 von der [...] AG vier Fischtanks gekauft haben soll. Aus dem E-Mail-Verkehr zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin zwischen dem 9. und dem 15. August 2018 geht hervor, dass C____ die Beschwerdegegnerin aufgefordert hat, dem Beschwerdeführer «seine» Container herauszugeben. Die Beschwerdegegnerin stellt sich auf den Standpunkt, sie habe nicht gewusst, dass diese dem Beschwerdeführer gehörten. Sie würde die Behälter nun selbst verwenden, weshalb der Beschwerdeführer sie nicht mehr einfach abholen könne. Ferner gibt sie an, den grossen blauen Behälter könne sie entbehren, allerdings erst ab Herbst (E-Mail der Beschwerdegegnerin vom 9. August 2018, siehe Vorakten). Hierauf reagierte der Beschwerdeführer und hielt fest, er bestehe auf sein Eigentumsrecht und forderte die Beschwerdegegnerin auf, ihm innert 24 Stunden mitzuteilen, wie er sein Eigentum umgehend abholen könne (E-Mail des Beschwerdeführers vom 10.August 2018, siehe Vorakten). Daraufhin führte die Beschwerdegegnerin aus, C____ habe ihr bei seinem Auszug gesagt, sie könne die Behälter nutzen und dies tue sie nun auch (E-Mail der Beschwerdegegnerin vom 10.August 2018, siehe Vorakten). Als der Beschwerdeführer erneut festhielt, dass er Eigentümer sei und Abmachungen zwischen ihr und C____ dies nicht tangierten, entgegnete die Beschwerdegegnerin - nach angeblicher Rücksprache mit einem Rechtsbeistand - die Gegenstände seien zu ihrem Eigentum geworden, da C____ sie bei seinem Auszug bei ihr gelassen habe (E-Mail des Beschwerdeführers vom 13. August 2018; E-Mail der Beschwerdegegnerin vom 15. August 2018, siehe Vorakten). Schliesslich bot sie indessen an, dem Beschwerdeführer im Herbst «alle Dinge» zurückzugeben (E-Mail der Beschwerdegegnerin vom 15.August 2018, siehe Vorakten).


4.3 Aufgrund der genannten Unterlagen können die Eigentumsverhältnisse der betreffenden Tanks und Container nicht als eindeutig beurteilt werden. Im genannten E-Mail-Verkehr gibt die Beschwerdegegnerin an, sie habe nicht gewusst, dass der Beschwerdeführer Eigentümer der Tanks und Container sei und bestreitet die Eigentümerschaft grundsätzlich nicht (E-Mails der Beschwerdegegnerin vom 9. und 10.August 2018, siehe Vorakten). Dies wird dadurch bestätigt, dass sie letztendlich anbietet, der Beschwerdeführer könne «alle Dinge» im Herbst abholen. Jedoch betont sie davor mehrfach, sie würde die Behälter nun verwenden und der Beschwerdeführer könne sie nicht einfach abholen (E-Mails der Beschwerdegegnerin vom 9., 10.und 15. August 2018, siehe Vorakten). Die Beschwerdegegnerin führt sogar aus, die Gegenstände würden zu ihrem Eigentum, da sie sich bei ihr befänden (E-Mail der Beschwerdegegnerin vom 15. August 2018, siehe Vorakten). Zudem stellt sich bezüglich des Tatbestands der unrechtmässigen Aneignung die Frage, ob die Beschwerdegegnerin - wenn auch nur vorübergehend - über einen Aneignungswillen verfügte (vgl. Beschwerde, S. 2). Es handelt sich somit nicht um einen sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fall und die fraglichen Straftatbestände und Prozessvoraussetzungen können nicht als eindeutig nicht erfüllt qualifiziert werden. Wie bereits ausgeführt, muss das Verfahren, wenn die Nichtanhandnahmegründe nicht mit absoluter Sicherheit gegeben sind, im Zweifelsfall eröffnet werden.


5.

Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen. Die angefochtene Verfügung ist aufzuheben und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, das Strafverfahren gegen B____ an die Hand zu nehmen.


Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind hierfür keine Kosten zu erheben (Art. 428 Abs. 1 StPO). Dem Beschwerdeführer ist mangels anwaltlicher Vertretung keine Parteientschädigung zuzusprechen.



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):


://: In Gutheissung der Beschwerde wird die Nichtanhandnahmeverfügung vom 2. Februar 2021 aufgehoben und die Staatsanwaltschaft angewiesen, das Strafverfahren gegen B____ an die Hand zu nehmen.


Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.


Mitteilung an:

- Beschwerdeführer

- Beschwerdegegnerin

- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Der Präsident Die a.o. Gerichtsschreiberin

lic. iur. Christian Hoenen MLaw Salome Nertz

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.



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