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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:BES.2021.30 (AG.2021.247)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid BES.2021.30 (AG.2021.247) vom 15.04.2021 (BS)
Datum:15.04.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Verfügung vom 10. Februar 2021
Schlagwörter: Beschwerde; Beschwerdeführer; Staatsanwaltschaft; Werden; Gemäss; Gericht; Verfahren; Betäubungsmittel; Kosten; Gerichts; Beweisverlust; Verfügung; Unentgeltliche; Erhoben; Dessen; Februar; Rechtsnachteil; Appellationsgericht; Rechtspflege; Beweisantrag; Kokain; Analyse; Beschwerdeführers; Februar; Stehen; Basel-Stadt; Antrag; Vorliegend; Schweiz; Werden
Rechtsnorm: Art. 394 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 48 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht



BES.2021.30


ENTSCHEID


vom 14.April 2021



Mitwirkende


lic. iur. Liselotte Henz

und a.o. Gerichtsschreiber MLaw Lukas von Kaenel




Beteiligte


A____, geb. [...] Beschwerdeführer

c/o Untersuchungsgefängnis Basel-Stadt, Beschuldigter

InnereMargarethenstrasse18, 4051Basel


gegen


Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerdegegnerin

Binningerstrasse21, 4001Basel



Gegenstand


Beschwerde gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft

vom 10. Februar 2021


betreffend Abweisung eines Beweisantrages



Sachverhalt


Die Staatsanwaltschaft führt ein Strafverfahren gegen A____ (Beschwerdeführer) wegen Verdachts auf qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Geldwäscherei. Der Beschwerdeführer wird beschuldigt, zusammen mit seiner Ehefrau einen umfangreichen Kokain- und Haschischhandel aus der gemeinsamen Wohnung heraus betrieben zu haben. Mit Schreiben vom 8.Februar 2021 beantragte der Beschwerdeführer bei der Staatsanwaltschaft die Entnahme und Analyse einer Haarprobe. Damit solle zwecks seiner Entlastung festgestellt werden, welche Betäubungsmittel er konsumiere und in welcher Menge. Die Staatsanwaltschaft wies den Beweisantrag mit Verfügung vom 10.Februar 2021 ab. Sie begründete die Abweisung im Wesentlichen damit, dass eine Haaranalyse im Hinblick auf die Vorwürfe des qualifizierten Verkaufs von Kokain und der Geldwäscherei keine Erkenntnisse zu liefern vermöge und der regelmässige Kokainkonsum des Beschwerdeführers nicht in Abrede gestellt würde.


Gegen diese Verfügung richtet sich die mit handschriftlicher Eingabe vom 15.Februar 2021 erhobene Beschwerde, die der Beschwerdeführer offensichtlich ohne Mitwirkung seines amtlichen Verteidigers aus dem Hauptverfahren erhob. Darin verlangt der Beschwerdeführer, es sei die Verfügung unter o/eKostenfolge aufzuheben und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, die beantragte Beweiserhebung durchzuführen. Zudem sei ihm die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen. Die Staatsanwaltschaft hat sich am 16.März 2021 mit dem Antrag auf vollumfängliche Abweisung der Beschwerde vernehmen lassen. Der Beschwerdeführer hielt mit Replik vom 8.April 2021 an seinen Begehren fest und reichte mit ihr zwei Zeitungsartikel ein. Die Parteistandpunkte ergeben sich, soweit für den Entscheid von Relevanz, aus den nachfolgenden Erwägungen.



Erwägungen


1.

1.1 Gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft kann grundsätzlich gemäss Art.393 Abs.1 lit.a der Strafprozessordnung (StPO, SR312.0) innert 10Tagen schriftlich und begründet Beschwerde erhoben werden (Art.396 Abs.1 StPO). Zuständiges Beschwerdegericht ist das Appellationsgericht als Einzelgericht (§88 Abs.1 in Verbindung mit § 93 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG154.100]). Die Kognition des Appellationsgerichts ist frei und somit nicht auf Willkür beschränkt (vgl. Art.393 Abs.2 StPO). Die Beschwerde ist entsprechend den Erfordernissen von Art.396 StPO form und fristgemäss eingereicht worden.


1.2

1.2.1 Vom Grundsatz, wonach gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft Beschwerde erhoben werden kann, bestehen Ausnahmen. Die Beschwerde ist namentlich nicht zulässig gegen die Ablehnung von Beweisanträgen durch die Staatsanwaltschaft, wenn der Antrag ohne Rechtsnachteil vor dem erstinstanzlichen Gericht wiederholt werden kann (Art.394 lit.b StPO). Ein Rechtsnachteil im Sinne dieser Bestimmung liegt vor allem dann vor, wenn die Beweisabnahme keinen Aufschub verträgt, insbesondere weil sonst ein Beweisverlust droht (BGer1B_73/2014 vom 21.Mai 2014 E.1.4, 1B_331/2016 vom 23.November 2016 E.1.7 [wonach die Beschwerde nur möglich ist, wenn ein definitiver Beweisverlust droht]; vgl. auch BGer1B_189/2012 vom 17.August 2012 E.2.1). Auch in der Literatur wird im Zusammenhang mit dem Rechtsnachteil gemäss Art.394 lit.b StPO ausschliesslich auf den Aspekt eines drohenden Beweisverlusts verwiesen (Guidon, in:Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art. 394 StPO N6; Keller, in:Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3.Auflage, Zürich 2020, Art.394 N3; Schmid/Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3.Auflage, Zürich 2018, Art.394 N3; vgl. zum Ganzen AGEBES.2019.180 vom 5.September 2019 E.1.2.1, BES.2019.42 vom 26.Juli 2019 E.1.2.2, BES.2017.60 vom 18.August 2017 E.1.2). Der Nachweis eines konkret drohenden Beweisverlusts muss vom Beschwerdeführer erbracht werden (Keller, a.a.O., Art.394 N3; Schmid/Jositsch, a.a.O., Art.394 N3).


1.2.2 Der Beschwerdeführer begründet sein Begehren betreffend die Entnahme einer Haarprobe zusammengefasst damit, dass sein Konsumverhalten mit einer solchen Analyse genauer nachgewiesen werden könne. Die bereits durchgeführte Urinprobe sei in dieser Hinsicht nicht genügend aufschlussreich (act.2 S.3). Weiter führt der Beschwerdeführer aus, dass die Zeitspanne des Konsums für die Feststellung relevant sei, ob er Handel mit Betäubungsmitteln betrieben oder solche lediglich selbst konsumiert habe (act.2 S.5).


1.2.3 Der Beschwerdeführer legt indessen mit keinem Wort dar, inwiefern ihm bei einer Wiederholung seines Beweisantrags vor dem Sachgericht ein nicht wiedergutzumachender Nachteil oder gar ein Beweisverlust im Sinne von Art. 394 lit. b StPO drohen würde. Solches ist auch nicht ersichtlich. Eine Haarprobe kann jederzeit abgenommen werden. Die Aussagekraft einer solchen Probe hängt davon ab, wie lange das Haar ist. Dies wiederum hat letztlich einzig der Beschwerdeführer in der Hand. Der vorliegend in Frage stehende Beweisantrag des Beschwerdeführers kann folglich ohne Rechtsnachteil vor dem erstinstanzlichen Gericht wiederholt werden. Wie die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 25.März 2021 mitteilte, wurde inzwischen Anklage erhoben und das Verfahren wurde am 24.März 2021 dem Gericht zur Beurteilung überwiesen (act.5). Dort kann der Antrag erneut gestellt werden. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten (AGEBES.2019.180 vom 5.September 2019 E.1.2.3, BES.2017.60 vom 18.August 2017 E.1.2, BES.2015.147 vom 4.Januar 2016 E.1.2.3).


2.

Ergänzend ist festzuhalten, dass die Beschwerde auch materiell unbegründet ist. Selbst wenn von einem drohenden Beweisverlust ausgegangen würde, wäre die Beschwerde im Sinne der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (act.3) abzuweisen. Die Entnahme und Analyse einer Haarprobe macht grundsätzlich nur dort Sinn, wo fraglich ist, ob die beschuldigte Person überhaupt Betäubungsmittel konsumiert hat. Dass der Beschwerdeführer vorliegend Kokain konsumierte, ist aber unbestritten und ergibt sich auch aus der immunochemischen Untersuchung des Urins. Eine weitere Analyse, wie sie gemäss den Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Replik (act.6) in anderen Verfahren vorgenommen worden sei, ist vorliegend nicht notwendig.


Wird vom Beschwerdeführer nun sinngemäss eine Abhängigkeitserkrankung im Sinne von Art.19 Abs.3 lit.b des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG, SR812.121) geltend gemacht, so wird es Sache des urteilenden Gerichts sein, diese Aussagen zu verifizieren und zu beurteilen. Immerhin ist in diesem Zusammenhang auf die widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers hinzuweisen. So verneinte er anlässlich der Einvernahme vom 19.November 2020 noch jegliche Abhängigkeit von Betäubungsmitteln, Alkohol oder anderen Suchtmitteln sowie das Leiden an einer Krankheit. Weiter gab der Beschwerdeführer in der genannten Einvernahme anlässlich der Befragung zur Person an, dass er stets gearbeitet habe und am 2.November 2020 eigentlich eine neue Stelle angetreten hätte. Zudem bezifferte er den Beschäftigungsgrad mit circa 70Prozent und den Lohn mit CHF3'000.-. Diese Umstände sprechen gegen eine Abhängigkeitserkrankung im Sinne von Art.19 Abs.3 lit.b BetmG.


3.

3.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer gemäss Art.428 Abs.1 StPO dessen Kosten mit einer Entscheidgebühr von CHF500.- (einschliesslich Auslagen) zu tragen (vgl.§21 Abs. 2des Gerichtsgebührenreglements [GGR, SG154.810]).


3.2 Der Beschwerdeführer beantragt die unentgeltliche Rechtspflege. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege gemäss Art.29 Abs.3 der Bundesverfassung (BV, SR101) und Art.6 Ziff.3 lit.c der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, SR0.101) gewährleistet zwar jedem Betroffenen ohne Rücksicht auf seine finanzielle Situation den tatsächlichen Zugang zum Gerichtsverfahren. Er bezieht sich indessen nur auf die (einstweilige) Befreiung von Kosten, welche den Zugang zum Verfahren beschränken oder erschweren. Ist das Verfahren jedoch abgeschlossen, stehen Art.29Abs.3BV und Art.6 Ziff.3 lit.c EMRK einer Kostenauflage nicht entgegen. Daher können die Kosten des Rechtsmittelverfahrens in Anwendung von Art.428 Abs.1 StPO auch auferlegt werden, wenn die Voraussetzungen zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gegeben sind (BGer6B_847/2017 vom 7.Februar 2018 E.5).


Bei diesem Ergebnis erübrigt sich grundsätzlich die Prüfung, ob die Voraussetzungen gemäss Art.29 BV zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im vorliegenden Fall gegeben sind. Im Lichte der vorstehenden Begründung (E.1.2) erweist sich das Begehren indessen ohnehin als aussichtslos, hat doch der Beschwerdeführer mit keinem Wort dargelegt und ist auch nicht ersichtlich, inwiefern er durch die Wiederholung seines Antrags vor dem Strafgericht einen Rechtsnachteil erleiden könnte (vgl. AGE BES.2017.60 vom 18.August 2017 E.2, BES.2015.147 vom 4.Januar 2016 E.2).



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):


://: Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.


Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit einer Gebühr von CHF500.- (einschliesslich Auslagen).


Mitteilung an:

- Beschwerdeführer

- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt

- Verteidiger (Orientierungskopie)


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Präsidentin Der a.o. Gerichtsschreiber

lic. iur. Liselotte Henz MLaw Lukas von Kaenel

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.



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