Zusammenfassung des Urteils BES.2020.209 (AG.2021.50): Appellationsgericht
Der Beschwerdeführer A____ hat gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerde beim Appellationsgericht eingereicht, da er eine Widerhandlung gegen das Behindertengleichstellungsgesetz geltend machte. Das Appellationsgericht entschied, dass die Beschwerde nicht zulässig sei, da der Beschwerdeführer kein rechtlich geschütztes Interesse nachweisen konnte. Es wurde festgestellt, dass die Beschwerde auch in der Sache abzuweisen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer wurde von den Gerichtskosten befreit.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | BES.2020.209 (AG.2021.50) |
Instanz: | Appellationsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 28.12.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Nichtanhandnahme (BGer-Urteil vom 3. März 2021) |
Schlagwörter: | Beschwerde; Staatsanwaltschaft; Basel; Basel-Stadt; Verfügung; Nichtanhandnahme; Appellationsgericht; Anzeige; Nichtanhandnahmeverfügung; Entscheid; Verfahren; Person; Rechte; Bundesgericht; Einzelgericht; Eröffnung; Verbindung; Rechten; Verfahren; Personen; Beschwerdeschrift; Verhalten; Verfahrens; Schweiz; Über; Christian |
Rechtsnorm: | Art. 115 StPO ;Art. 118 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 42 BGG ;Art. 428 StPO ;Art. 48 BGG ;Art. 91 StPO ; |
Referenz BGE: | 141 IV 380; |
Kommentar: | - |
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Einzelgericht |
BES.2020.209
ENTSCHEID
vom 23. Dezember 2020
Mitwirkende
lic. iur. Christian Hoenen
und a.o. Gerichtsschreiberin MLaw Nhi Trieu
Beteiligte
A____, geb. [...] Beschwerdeführer
[...]
gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerdegegnerin
Binningerstrasse 21, 4001Basel
[...] Beschwerdegegner
[...] Beschuldigter
[...]
Gegenstand
Beschwerde gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft
vom 20. Oktober 2020
betreffend Nichtanhandnahme
Sachverhalt
Am 7. September 2020 erstattete A____ (nachfolgend Beschwerdeführer) bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Strafanzeige gegen [...] wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz, SR 151.3). Mit Nichtanhandnahmeverfügung vom 20. Oktober 2020 trat die Staatsanwaltschaft auf die Strafanzeige nicht ein, da der fragliche Straftatbestand eindeutig nicht erfüllt sei. Die Kosten verlegte sie zulasten des Staates.
Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 3.November 2020 Beschwerde beim Appellationsgericht erhoben. Er beantragt sinngemäss die Aufhebung der Nichtanhandnahmeverfügung. Zudem sei die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die Strafanzeige zu verpflichten, «die Eröffnung eines Strafverfahrens an die Hand zu nehmen».
Auf die Einholung einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft wurde verzichtet. Der vorliegende Entscheid ist aufgrund der Akten ergangen.
Erwägungen
1.
1.1 Nichtanhandnahmeverfügungen der Staatsanwaltschaft können innert zehn Tagen mittels Beschwerde bei der Beschwerdeinstanz angefochten werden (Art. 393 Abs. 1 lit.a und Art. 310 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 322 Abs. 2 der Strafprozessordnung [StPO, SR 312.0]). Zu deren Beurteilung ist das Appellationsgericht als Einzelgericht zuständig (§ 88 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 Abs.1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]), welches nach Art.393 Abs.2 StPO mit freier Kognition urteilt.
1.2
1.2.1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Übertretungsstrafbehörden (Art. 393 Abs.1 lit. a StPO). Es können Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung, die unvollständige unrichtige Feststellung des Sachverhalts sowie die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 393 Abs. 2 StPO). Die Beschwerde ist innert zehn Tagen ab Eröffnung des Entscheides bzw. der Verfügung schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO).
1.2.2 Mit der vorliegenden Beschwerde wird die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft vom 20. Oktober 2020 angefochten. Diese Verfügung stellt ein taugliches Beschwerdeobjekt dar. Sie wurde dem Beschwerdeführer am 24. Oktober 2020 zugestellt, womit die Rechtsmittelfrist am 25. Oktober 2020 zu laufen begann (Art.90 Abs. 1 StPO) und am 3. November 2020 endete. Das auf den 3. November 2020 datierte und am selben Tag der Schweizerischen Post aufgegebene Beschwerdeschreiben (vgl. dazu Sendungsnummer [...]) ist somit innert Frist erfolgt (Art. 91 Abs.2 StPO). Die Beschwerde gegen die angefochtene Verfügung ist fristgemäss erhoben worden.
1.3
1.3.1 Gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO ist jede Partei zur Erhebung von Rechtsmitteln legitimiert, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Zu den im kantonalen Verfahren beschwerdeberechtigten Parteien gehören auch Anzeigestellende, welche durch die beanzeigten Delikte selbst und unmittelbar in ihren Rechten verletzt worden sind und ausdrücklich erklären, sich am Strafverfahren als Straf- Zivilkläger zu beteiligen (Art.104 Abs.1 lit. b StPO in Verbindung mit Art. 115 und 118 StPO; vgl. BGE 141 IV 380 E.2.3.1 S. 384 f.; BGer1B_426/2015 vom 17.Mai 2016 E.1.4; AGEBES.2015.77 vom 14. März 2016).
1.3.2 Aus der Anzeigestellung allein kann demnach kein Beschwerderecht abgeleitet werden. Ein Anzeigesteller hat gemäss Art.301 Abs. 2 StPO «bloss» Anspruch darauf, dass ihm die Strafverfolgungsbehörden auf Anfrage mitteilen, ob ein Strafverfahren eingeleitet und wie es erledigt wird. Weitergehende Verfahrensrechte stehen ihm, wenn er weder im Sinne von Art. 115 StPO geschädigt noch Privatkläger gemäss Art. 118 StPO ist, gestützt auf die ausdrückliche Vorschrift von Art.301Abs.3StPO nicht zu. Nach der konstanten Rechtsprechung des Bundesgerichts und der herrschenden Lehre gilt nur jene Person als im Sinne von Art. 115 StPO unmittelbar geschädigt, die Trägerin des Rechtsgutes ist, das durch die fragliche Strafbestimmung vor Verletzung Gefährdung geschützt werden soll. Im Zusammenhang mit Strafnormen, die nicht primär Individualrechtsgüter schützen, gelten praxisgemäss nur diejenigen Personen als Geschädigte, die durch die darin umschriebenen Tatbestände in ihren Rechten beeinträchtigt werden, sofern diese Beeinträchtigung unmittelbare Folge der tatbestandsmässigen Handlung ist (BGE138 IV 258 E. 2.3 S. 263; Mazzucchelli/Postizzi, in: Basler Kommentar, 2.Auflage 2014, Art. 115 StPO N21).
1.3.3 Dritte, deren Rechte durch die konkrete Straftat nur mittelbar bzw. reflexartig verletzt werden, sind nicht geschädigte Personen nach Art. 115 StPO, können sich folglich auch nicht als Privatklägerschaft konstituieren (Art. 118 Abs. 1 StPO) und sind somit nicht zur Beschwerdeerhebung legitimiert. Es ist damit vorab zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch die von ihm beanzeigten Delikte unmittelbar betroffen und damit zur Beschwerdeerhebung legitimiert ist.
1.4
1.4.1 Der Beschwerdeführer stellt sich in seiner Strafanzeige auf den Standpunkt, dass die Trottoirs und Fusswege in Basel-Stadt übermässig mit Pflanzen, Reklamereiter, Warenauslagen usw. zugestellt würden. Solche seien erschwerende Hindernisse für Rollstuhlfahrer und stellten eine erhebliche Gefahr für Sehbehinderte dar. Folglich würden Fussgänger und Behinderte diskriminiert. [...] nehme in diesem Zusammenhang seine Aufsichtspflichten nicht wahr.
1.4.2 Mit Blick auf das rechtlich geschützte Interesse ist festzuhalten, dass in der Beschwerdeschrift vom 3.November 2020 nicht dargelegt worden ist, inwiefern sich das beanzeigte Verhalten schädigend zu Lasten des Beschwerdeführers ausgewirkt hat. Zwar führt er einlässlich aus, auf welche Weise sich der Beschwerdegegner durch sein Verhalten gegenüber behinderten Personen strafbar gemacht haben soll. Es ist indes nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer entgegen den in Rechtsprechung und Lehre verlangten Vorgaben (vgl. Guidon, in: Basler Kommentar, 2.Auflage 2014, Art. 396 StPO N 9c; OGerZHUH130041 vom 26. April 2013 E.1.4) auch nicht aufgezeigt, inwiefern sich das fragliche Verhalten schädigend auf ihn selbst ausgewirkt hat und er damit unmittelbar in seinen Rechten verletzt worden wäre.
2.
2.1 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass infolge fehlender Legitimation nicht auf die Beschwerde einzutreten ist, wobei darauf hinzuweisen bleibt, dass die Beschwerde mit der zutreffenden Begründung der Staatsanwaltschaft auch in der Sache abzuweisen gewesen wäre. Schlechterdings unhaltbar und völlig unbelegt ist schliesslich der erst in der Beschwerde erhobene Vorwurf, [...] habe sich der Korruption schuldig gemacht.
2.2 Bei diesem Ausgang des Verfahrens hätte der Beschwerdeführer grundsätzlich dessen Kosten zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Auf eine Kostenauflage ist aber umständehalber zu verzichten (§ 40 Abs. 1 Gerichtsgebührenreglement [GGR, SG154.810]).
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):
://: Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
Es werden keine Kosten erhoben.
Mitteilung an:
- Beschwerdeführer
- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt
- [...]
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Der Präsident Die a.o. Gerichtsschreiberin
lic. iur. Christian Hoenen MLaw Nhi Trieu
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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