Kanton: | BS |
Fallnummer: | BES.2020.156 (AG.2021.112) |
Instanz: | Appellationsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 03.02.2021 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Nichtanhandnahme |
Schlagwörter: | Beschwerde; Nichtanhandnahme; Beschwerdeführerin; Beschuldigte; Staatsanwaltschaft; Beschwerdegegner; Verfahren; Beschuldigten; Beschwerdegegnerin; Rechtlich; Verfahrens; Patienten; Geltend; Aufgrund; Aufnahme; Vorliegend; Tatbestand; Geltend; Werden; Erfüllt; Kosten; Nachbesserung; Betrugs; Relevant; Leistung; Seien; Schweiz; August; Nichtanhandnahmeverfügung; Strafverfahren |
Rechtsnorm: | Art. 42 BGG ; Art. 428 StPO ; Art. 48 BGG ; Art. 7 StPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: |
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Einzelgericht |
BES.2020.156
ENTSCHEID
vom 3. Februar 2021
Mitwirkende
Dr. Patrizia Schmid
und Gerichtsschreiber lic. iur. Christian Lindner
Beteiligte
A____ Beschwerdeführerin
[...]
vertreten durch [...], Rechtsanwalt,
[...]
gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerdegegnerin
Binningerstrasse 21, 4001 Basel
B____ Beschwerdegegner
[...] Beschuldigter
Gegenstand
Beschwerde gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft
vom 29. Juli 2020
betreffend Nichtanhandnahme
Sachverhalt
Am 13. Mai 2020 erstattete die A____ Anzeige gegen ihren ehemaligen Mitarbeiter B____, da dieser anlässlich seines Vorstellungsgesprächs falsche Angaben darüber gemacht habe, ob er seine ärztlichen Leistungen mit der Krankenkasse abrechnen könne. Dadurch habe er sich ein Anstellungsverhältnis erschlichen, im Rahmen dessen ihm geldwerte Leistungen in Form seines Lohnes zugekommen seien. Weiter habe er für die fotografische Dokumentation von Anamnese und Diagnose Patienten und Geschäftsdokumente statt mit der Kamera des Arbeitgebers mit dem privaten Handy aufgenommen. Schliesslich macht die Anzeigestellerin geltend, der Beschuldigte habe wiederholt und systematisch Nachkorrekturen zur Behandlung vorgenommen, diese den Patienten aber ohne Wissen und Genehmigung der Geschäftsleitung nicht in Rechnung gestellt.
Die Staatsanwaltschaft verfügte am 29. Juli 2020 die Nichtanhandnahme des Verfahrens.
Dagegen hat die Anzeigestellerin am 13. August 2020 Beschwerde erheben lassen. Es wird beantragt, die Nichtanhandnahmeverfügung sei aufzuheben und die Beschwerdegegnerin anzuweisen, ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten einzuleiten, unter Kostenfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin. Die Staatsanwaltschaft hat sich am 25. September 2020 vernehmen lassen und beantragt, die Beschwerde sei kostenfällig abzuweisen. Der Beschuldigte hat am 9. September 2020 eine unaufgeforderte Stellungnahme eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat am 27. Oktober 2020 repliziert.
Die Einzelheiten der entscheidrelevanten Parteistandpunkte ergeben sich aus den nachfolgenden Erwägungen.
Erwägungen
1.
Nichtanhandnahmeverfügungen der Staatsanwaltschaft können mit Beschwerde bei der Beschwerdeinstanz angefochten werden (Art.393 Abs.1 lit.a sowie Art.310 Abs.2 in Verbindung mit Art.322 Abs.2 der Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO; SR312.0]). Zuständiges Beschwerdegericht ist das Appellationsgericht als Einzelgericht (§§88 Abs.1 und 93 Abs.1 Ziff.1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG; SG 154.100]). Die Kognition des Beschwerdegerichts ist frei und somit nicht auf Willkür beschränkt (Art.393 Abs.2 StPO). Die Beschwerdeführerin hat zumindest teilweise (siehe dazu E. 2.4.4) ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids und ist somit zur Beschwerde legitimiert (Art.382 Abs.1 StPO).
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Verfügung vom 29. Juli 2020 erst am 3.August 2020 erhalten zu haben, was plausibel erscheint (der 29. Juli war ein Samstag, am Montag war der 1. August). Die Beschwerde ist somit fristgerecht erfolgt und auf die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung ist einzutreten.
2.
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, nach Art. 7 Abs. 1 StPO seien die Strafbehörden verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit ein Verfahren einzuleiten und durchzuführen, wenn ihnen Straftaten oder auf Straftaten hinweisende Verdachtsgründe bekannt würden. Eine Nichtanhandnahme setze voraus, dass sicher sei, dass der Sachverhalt unter keinen Straftatbestand falle. Ob ein Strafverfahren durch Nichtanhandnahme erledigt werden könne, sei gleich wie bei der Verfahrenseinstellung nach dem Grundsatz in dubio pro duriore zu entscheiden, und eine Nichtanhandnahme dürfe grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit bzw. offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen erfolgen. Im vorliegenden Fall habe die Beschwerdegegnerin nicht einmal ansatzweise geprüft, ob bzw. inwiefern der Beschuldigte die Beschwerdeführerin getäuscht habe, um in den Genuss von geldwerten Vorteilen zu gelangen. Auch die unbefugte Benutzung des Mobiltelefons durch den Beschuldigten für die Vornahme von Aufnahmen von Patientinnen sei nicht abgeklärt worden. Aufgrund der erhobenen Tatvorwürfe drängten sich indes die Durchführung von Befragungen des Beschuldigten sowie von allfälligen Zeugen sowie die Auswertung des Mobiltelefons des Beschuldigten geradezu auf.
2.2 Die Beschwerdegegnerin hat in ihrer Vernehmlassung geäussert, gemäss Art. 310 Abs. 1 Bst. a StPO verfüge die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme des Verfahrens, wenn aufgrund der Strafanzeige feststehe, dass die fraglichen Straftatbestände oder die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt seien, was vorliegend der Fall sei.
2.3 Die Beschwerdegegnerin hält in ihrer Replik daran fest, dass die erforderlichen Abklärungen nicht getätigt worden seien. Eine Einstellung bzw. Nichtanhandnahme durch die Staatsanwaltschaft sei nur bei klarer Straflosigkeit rechtmässig.
2.4
2.4.1 Die Staatsanwaltschaft hat die Nichtanhandnahme des Verfahrens verfügt, weil die fraglichen Straftatbestände eindeutig nicht erfüllt seien (Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO). Dies ist zulässig, wenn der Sachverhalt mit grosser Wahrscheinlichkeit unter keinen strafrechtlichen Tatbestand fällt, so dass die Führung eines Strafverfahrens geradezu aussichtslos erscheint. Im Zweifel gilt der Grundsatz in dubio pro duriore (statt vieler BGer 6B_962/2013 vom 1. Mai 2014, E. 3.2).
2.4.2 Die Staatsanwaltschaft verneint bezüglich falscher Informationen beim Vorstellungsgespräch das Vorliegen eines Betrugs, da die Lohnzahlung nicht aufgrund der Anstellung per se, sondern aufgrund der im Anschluss daran erbrachten Arbeitsleistung erfolgt sei. Die Anstellung des Beschuldigten habe nicht direkt zu einer Vermögensverfügung geführt.
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist für die Erfüllung des Betrugstatbestands eine aufgrund der Täuschung unmittelbar erfolgende Vermögensverminderung notwendig, ohne dass dafür noch Zwischenhandlungen des Täters nötig sind (vgl. BGer 6B_24/2018 vom 22. Mai 2019, E. 3.3. m.w.H.). Eine solche ist vorliegend nicht gegeben. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren somit in diesem Punkt zu Recht nicht an die Hand genommen. Die Beschwerdeführerin ist weder in ihrer Beschwerde noch in der Replik auf die Begründung für die Nichtanhandnahme eingegangen. Sie macht lediglich geltend, es seien weitere Abklärungen bezüglich der Frage der Täuschung vorzunehmen. Dies ist jedoch vorliegend nicht erforderlich, denn wenn es an einer direkten Vermögensverfügung mangelt, ist der Betrugstatbestand ohnehin nicht erfüllt.
2.4.3 Die Staatsanwaltschaft begründet die Nichtanhandnahme betreffend das nicht in Rechnung stellen von Nachbesserungen damit, dass Nachbesserungen der ärztlichen Leistung bzw. der ästhetischen und plastischen Chirurgie aufgrund des Auftragsverhältnisses zwischen Arzt und Praxis geschuldet und somit nicht separat abrechenbar seien. Es fehle daher an einem rechtlich relevanten Schaden.
Es ist zwar festzuhalten, dass wohl zu differenzieren wäre, ob eine Nachbesserung wegen einer unsorgfältigen Behandlung oder einer Komplikation vorliegt. Je nachdem könnte eine Nachbesserung separat abzurechnen sein. Auch hierzu wird weder in der Beschwerde noch in der Replik etwas ausgeführt. Die Frage kann aber offenbleiben, denn im Übrigen wäre hier das Tatbestands-Merkmal der Arglist nicht gegeben, ist doch anzunehmen, dass der Arbeitgeber durch einen Blick in die Patientendokumentation bzw. in die Abrechnung hätte ersehen können, dass der Beschuldigte den Patienten resp. der Krankenkasse diese Leistungen nicht zusätzlich verrechnet hat. Der Tatbestand des Betrugs wäre somit auch hier nicht erfüllt.
2.4.4 Bezüglich der Verwendung des eigenen Mobiltelefons für Fotos etc. hat die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme damit begründet, dass kein strafrechtlicher Tatbestand ersichtlich sei, weil keine unrechtmässige Verwendung der Bilder geltend gemacht werde.
Diese Argumentation greift zwar zu kurz, stellt doch Art. 179quater StGB (Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte) eine solche Aufnahme per se unter Strafe, ohne dass die weitere Verwendung der Bilder relevant wäre (Donatsch et al, Kommentar StGB 2018, Art. 179 quater N 5). Da dem Beschuldigten nicht vorgeworfen wird, er habe die Aufnahmen heimlich angefertigt, sondern lediglich, dass er nicht die dafür vorgesehene Kamera verwendet habe, ist indes von einer (zumindest konkludenten) Einwilligung der Patienten in die Aufnahmen auszugehen. Auch setzt eine Strafverfolgung einen Strafantrag voraus, welchen die Klinik nicht in Vertretung der betroffenen Patienten stellen kann. Die Beschwerdeführerin ist hier nicht in ihren eigenen Interessen tangiert und nicht beschwerdelegitimiert. Es ist daher in diesem Punkt nicht auf die Beschwerde einzutreten.
2.4.5 Zusammenfassend handelt es sich bei den beanzeigten Handlungen des Beschuldigten um Verhaltensweisen, welche soweit sie die Beschwerdeführerin überhaupt tangieren nicht strafrechtlich relevant sind und allenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen haben könnten, die im entsprechenden Verfahren geltend zu machen wären.
3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird, womit die Beschwerdeführerin in Anwendung von Art. 428 Abs. 1 StPO die Verfahrenskosten mit einer Entscheidgebühr von CHF 1'000. aufzuerlegen sind. Die Gebühr ist mit dem geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe zu verrechnen.
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):
://: Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Verfahrens mit einer Gebühr von CHF1'000.-. Der Kostenvorschuss von CHF 1'000. wird damit verrechnet.
Mitteilung an:
- Beschwerdeführerin
- Beschwerdegegnerin
- Beschwerdegegner
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber
Dr. Patrizia Schmid lic. iur. Christian Lindner
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.
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