E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Appellationsgericht (BS - BES.2019.228 (AG.2020.9))

Zusammenfassung des Urteils BES.2019.228 (AG.2020.9): Appellationsgericht

Der Beschwerdeführer A____ ist in einem Strafverfahren wegen verschiedener Delikte in Untersuchungshaft. Er beantragte Akteneinsicht, was von der Staatsanwaltschaft zunächst teilweise abgelehnt wurde. Daraufhin legte er Beschwerde ein, um Einsicht in weitere Unterlagen zu erhalten. Das Appellationsgericht entschied, dass die Verfahrenstrennung gerechtfertigt war und der Beschwerdeführer kein Recht auf Einsicht in alle Akten der Mitbeschuldigten hatte. Die Beschwerde wurde abgewiesen, und der Beschwerdeführer muss die Gerichtskosten tragen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts BES.2019.228 (AG.2020.9)

Kanton:BS
Fallnummer:BES.2019.228 (AG.2020.9)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid BES.2019.228 (AG.2020.9) vom 24.12.2019 (BS)
Datum:24.12.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Akteneinsicht
Schlagwörter: Verfahren; Verfahrens; Recht; Beschwer; Staatsanwaltschaft; Mitbeschuldigte; Akten; Gericht; Verfahren; Mitbeschuldigten; Interesse; Beschuldigte; Beschwerdeführers; Einsicht; Person; Verfügung; Beschuldigten; Gericht; Verfahrenstrennung; Verfahrensakten; Unterlagen; Anspruch; Basel; Akteneinsicht; Untersuchung; Personen; Verteidigung
Rechtsnorm: Art. 101 StPO ;Art. 30 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 393 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 42 BGG ;Art. 48 BGG ;Art. 5 StPO ;Art. 6 StPO ;
Referenz BGE:133 II 81; 140 IV 172; 141 IV 220; 142 III 138;
Kommentar:
Keller, Donatsch, Kommentar zur schweizerischen Strafprozessordnung, Art. 393 OR, 2014

Entscheid des Verwaltungsgerichts BES.2019.228 (AG.2020.9)

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht



BES.2019.228


ENTSCHEID


vom 24. Dezember 2019



Mitwirkende


lic. iur. Liselotte Henz

und Gerichtsschreiberin lic. iur. Barbara Noser Dussy




Beteiligte


A____, geb. [...] Beschwerdeführer

c/o Untersuchungsgefängnis Basel-Stadt, Beschuldigter

InnereMargarethenstrasse18, 4051Basel

vertreten durch [...], Advokat,

[...]

gegen


Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerdegegnerin

Binningerstrasse 21, 4001 Basel



Gegenstand


Beschwerde gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft

vom 14. Oktober 2019


betreffend Akteneinsicht



Sachverhalt


Gegen A____ (nachfolgend: Beschwerdeführer) ist ein umfangreiches Strafverfahren wegen gewerbsmässigen Betrugs, gewerbsmässiger Hehlerei, mehrfacher Anstiftung zu Check- und Kreditkartenmissbrauch und Urkundenfälschung hängig. Er befindet sich seit dem 30. Oktober 2018 in Haft. Am 12. September 2019 kündigte die Staatsanwaltschaft den Abschluss der Strafuntersuchung und die Anklageerhebung an und setzte Frist bis zum 20. September 2019 zur Stellung von allfälligen Beweisanträgen. Mit Schreiben vom 12. September 2019 ersuchte der Verteidiger des Beschwerdeführers, [...], um Gewährung der Akteneinsicht. Am 17.September 2019 wurde ihm ein USB -Stick mit den gescannten Verfahrensakten des Beschwerdeführers (2'428 Seiten) ausgehändigt. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2019 beantragte er, es sei ihm auch Einsicht in sämtliche "Separat-Beilagen" zu gewähren, d.h. "in sämtliche im Zusammenhang mit der gegen den Beschuldigten und gegen dessen Mitbeschuldigten geführten Strafuntersuchungen mittels behördlicher Rechtshilfe bei Behörden mittels Editionsaufforderungen bei natürlichen und juristischen Personen eingeholten Unterlagen". Darüber hinaus beantragte er die Gewährung von Einsicht in sämtliche Rechtshilfeersuchen, in sämtliche Editionsbegehren sowie in sämtliche Unterlagen, welche Mitbeschuldigte Dritte im Zusammenhang mit der gegen den Beschuldigten und gegen dessen Mitbeschuldigten geführten Strafuntersuchungen eingereicht haben. Mit Verfügung vom 14. Oktober 2019 wies die Staatsanwaltschaft diese Begehren ab. Sie begründete dies damit, dass sämtliche dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Dokumente, welche für die Beurteilung seines Verfahrens von Relevanz seien und aus anderen Verfahren stammten, in Kopie bei den jeweiligen Einvernahmen in die Verfahrensakten aufgenommen worden seien. Die Verteidigung sei somit im Besitz einer aktuellen und vollständigen Kopie der Verfahrensakten.


Gegen diese Verfügung richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 23. Oktober 2019, mit der beantragt wird, die Verfügung der Staatsanwaltschaft sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, dem Beschwerdeführer und seiner Verteidigung Einsicht in die folgenden Dokumente zu gewähren:

· Sämtliche Separat-Beilagen, d.h. sämtliche im Zusammenhang mit der gegen den Beschuldigten und gegen dessen Mitbeschuldigte geführten Strafuntersuchungen mittels behördlicher Rechtshilfe bei Behörden mittels Editionsaufforderungen bei natürlichen und juristischen Personen eingeholten Unterlagen;

· sämtliche Rechtshilfeersuchen und Editionsbegehren, welche im Zusammenhang mit der gegen den Beschwerdeführer und dessen Mitbeschuldigte geführten Strafuntersuchungen erfolgt sind;

· sämtliche Unterlagen, welche Mitbeschuldigte Dritte im Zusammenhang mit der gegen den Beschuldigten und dessen Mitbeschuldigte geführten Strafuntersuchungen eingereicht haben.

Alles unter o/e Kostenfolge, unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung resp. amtlichen Verteidigung an den Beschwerdeführer. Die Staatsanwaltschaft hat sich am 20. November 2019 mit dem Antrag auf kostenfälliges Nichteintreten auf die Beschwerde, eventualiter deren Abweisung vernehmen lassen. Mit Eingabe vom 3. Dezember 2019 hat der Beschwerdeführer repliziert. Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen.



Erwägungen


1.

1.1 Gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. a der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) ist gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft die Beschwerde zulässig. Zuständiges Beschwerdegericht ist das Appellationsgericht als Einzelgericht (§88 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG 154.100]), welches gemäss Art. 393 Abs. 2 StPO mit freier Kognition entscheidet. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden (Art. 396 StPO).


1.2

1.2.1 Die Staatsanwaltschaft beantragt im Hauptstandpunkt Nichteintreten auf die Beschwerde, da mit der Anklageerhebung vom 25. Oktober 2019 das Verfahren beim Strafgericht anhängig gemacht worden sei. Es sei nun Sache des zuständigen Sachrichters, über den Beizug von Akten weiterer Verfahren zu entscheiden. Entsprechende Anträge seien beim Strafgericht einzureichen. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, das Verfahren sei erst nach der Beschwerdeerhebung von der Staatsanwaltschaft auf das Strafgericht übergegangen, so dass das Verfahren allenfalls gegenstandslos geworden wäre. Allerdings sei im vorliegenden Fall vom Erfordernis eines aktuellen praktischen Interesses abzusehen, da sich die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage jederzeit und unter gleichen und ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an ihrer Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse bestehe und eine rechtzeitige gerichtliche Prüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre.


1.2.2 Die Legitimation zur Beschwerde setzt gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung des angefochtenen Entscheids voraus. Dieses Erfordernis soll sicherstellen, dass das Gericht konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet (BGE 133 II 81 E. 3 S. 84, 125 I 394 E.4a S. 397; je mit Hinweisen). Ein rechtlich geschütztes Interesse ergibt sich daraus, dass die betreffende Person durch den angefochtenen Entscheid unmittelbar in ihren Rechten betroffen, d.h. beschwert ist (Schmid/Jositsch, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Auflage, Zürich2017, N 1458). Die Beschwer muss im Zeitpunkt des Rechtsmittelentscheids grundsätzlich noch gegeben bzw. aktuell sein (Lieber, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2.Auflage, Zürich 2014, Art.382 N7 und13). Das aktuelle Interesse bestimmt sich nach der Zielsetzung der erhobenen Beschwerde (vgl. BGer 1B_351/2012 vom 20.September 2012 E. 1.2.1). Fehlt es bereits bei der Beschwerdeeinleitung am aktuellen Rechtsschutzinteresse, ist auf die Eingabe nicht einzutreten. Fällt die Aktualität hingegen nachträglich weg, kommt es zur Abschreibung der Beschwerde (AGEBES.2019.99 vom 10.Juli 2019 E. 1.3.3, BES.2018.12 vom 5.Dezember 2018 E. 1.3.1, BES.2017.204 vom 1. Februar 2018 E. 1.2; Ziegler/Keller, in: BaslerKommentar, 2. Auflage 2014, Art. 382 StPO N 2).

Nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Appellationsgerichts als auch des Bundesgerichts ist vom Erfordernis eines aktuellen praktischen Interesses dann abzusehen, wenn sich die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage jederzeit und unter gleichen und ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an ihrer Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige (bundes-)gerichtliche Prüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (AGE BES.2015.141 vom 22. Dezember 2015 E. 3.4; BGer 1B_351/2012 vom 20.September 2012 E. 2.3.3; Guidon, a.a.O., N 244 ff.). Mit grundsätzlicher Bedeutung ist dabei nicht die Bedeutung für den Betroffenen gemeint. Sie bezieht sich vielmehr auf eine klar umschriebene, ganz spezifische Frage grundlegender Art (Keller, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Auflage, Zürich 2014, Art. 393 N 36) (vgl. zum Ganzen AGE BES.2019.141 vom 29.August 2019 E.1.3.3).


1.2.3 Der Übergang der Verfahrenshoheit von der Staatsanwaltschaft zum Gericht während der Hängigkeit eines Beschwerdeverfahrens gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft führt nicht automatisch zum Wegfall des aktuellen Rechtsschutzinteresses, könnten doch sonst sämtliche Verfügungen, welche die Staatsanwaltschaft kurz vor der Überweisung der Akten ans Strafgericht erlässt, nicht auf dem Rechtsmittelweg überprüft werden. Ein Akteneinsichtsgesuch kann erst im Zeitpunkt des Abschlusses des staatsanwaltschaftlichen Untersuchungsverfahrens gestellt werden. Die Überprüfung der entsprechenden Verfügung der Staatsanwaltschaft vor der Überweisung des Falls ist daher kaum je möglich. Entsprechend der Rechtsprechung ist daher im vorliegenden Fall auf das Erfordernis eines aktuellen praktischen Interesses zu verzichten und auf die Beschwerde einzutreten.


2.

2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Abtrennung seines Verfahrens von den Verfahren gegen die Mitbeschuldigten verletze den Grundsatz der Verfahrenseinheit. Da eine Verfahrenszusammenlegung aus faktischen Gründen nicht mehr möglich erscheine, gebiete es der Grundsatz der Verfahrenseinheit, dass dem Beschwerdeführer die Einsicht in sämtliche Separat-Beilagen, Rechtshilfeersuchen, Editionsbegehren und in sämtliche von Mitbeschuldigten und Dritten eingereichte Unterlagen gewährt werde.


2.2 Gemäss Art. 29 Abs.1 lit.b StPO werden Straftaten gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn Mittäterschaft Teilnahme vorliegt. Der Grundsatz der Verfahrenseinheit bezweckt die Verhinderung sich widersprechender Urteile und dient der Prozessökonomie. Nach Art. 30 StPO können die Staatsanwaltschaft und die Gerichte allerdings aus sachlichen Gründen Strafverfahren trennen. Das Erfordernis der sachlichen Gründe impliziert, dass eine Verfahrenstrennung die Ausnahme bleiben muss. Die sachlichen Gründe müssen objektiv sein. Die Verfahrenstrennung soll vor allem der Verfahrensbeschleunigung dienen beziehungsweise eine unnötige Verzögerung vermeiden helfen. So stellt das Beschleunigungsgebot (Art.5 StPO, Art.29 Abs.1 der Bundesverfassung [BV, SR 101], Art.6 Ziff.1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [EMRK, SR 0.101]) oft einen sachlichen Grund gemäss Art.30 StPO dar, eine Verfahrenstrennung vorzunehmen auf eine Verfahrensvereinigung zu verzichten. Denkbar sind aber auch andere sachliche Gründe, welche sich auf Charakteristika des Verfahrens, des Täters der Tat beziehen, wie etwa eine grosse Anzahl Mittäter bei Massendelikten, langwierige Auslieferungsverfahren von Mitbeschuldigten im Ausland, die Unerreichbarkeit von Mitbeschuldigten, das Drohen der Verjährung hinsichtlich einzelner Taten das Drohen einer Verletzung des Beschleunigungsgebots hinsichtlich einzelner beschuldigter Personen. Letztlich dienen auch diese Gründe insbesondere der Verfahrensbeschleunigung und der Prozessökonomie (zum Ganzen: BGE138 IV 214 E. 3.2 S.319, 138 IV 29 E.3.2 S. 31; BGer 6B_135/2018 vom 22.März 2019 E. 1.2, 6B_1030/2015 vom 13.Januar 2017 E. 2.3.1, 1B_124/2016 vom 12. August 2016 E.4.4, 1B_86/2015 vom 21. Juli 2015 E. 2.1 [Pra 2015 Nr. 89], je mit Hinweisen; Bartetzko in: Basler Kommentar StPO, 2.Auflage, 2014, Art. 30 N 3-4a). Die Frage, ob zureichende sachliche Gründe im Sinne von Art. 30 StPO für eine Verfahrenstrennung vorliegen, lässt sich nicht absolut beantworten, sondern impliziert stets eine Abwägung der verschiedenen berührten Interessen im konkreten Einzelfall (AGE SB.2015.119 vom 29.November 2016 E. 2.1.2).


2.3 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besteht bezüglich der Einvernahmen von Beschuldigten in separat geführten Verfahren kein Anspruch auf Teilnahme (BGE 141 IV 220 E. 4.5 S. 229 f.; 140 IV 172 E. 1.2.3 S. 176); die getrennte Verfahrensführung geht daher mit einer erheblichen Beschränkung der Teilnahmerechte einher. Der separat Beschuldigte hat in den abgetrennten Verfahren zudem nicht denselben Anspruch auf Akteneinsicht wie eine Partei (Art. 101 Abs. 1 StPO). Er ist dort nötigenfalls als Auskunftsperson zu befragen bzw. als nicht verfahrensbeteiligter Dritter zu behandeln. Die Akteneinsicht ist an (nicht verfahrensbeteiligte) Dritte nur zu gewähren, wenn diese dafür ein wissenschaftliches ein anderes schützenswertes Interesse geltend machen und der Einsichtnahme keine überwiegenden öffentlichen privaten Interessen entgegenstehen (Art. 101 Abs. 3 StPO). Diese Einschränkung der Teilnahmerechte von Beschuldigten in getrennten Verfahren im Vergleich zu Mitbeschuldigten im gleichen Verfahren ist vom Gesetzgeber implizit vorgesehen und hinzunehmen (BGE 140 IV 172 E. 1.2.3 S.176). Es ist jedoch an die gesetzlichen Ausnahmevoraussetzungen einer Verfahrenstrennung ein strenger Massstab anzulegen (BGer 6B_135/2018 vom 22. März 2019 E. 1.2, 1B_553/2018 vom 20.Februar 2019 E. 2.3 mit Hinweisen).


3.

3.1 Die Frage des Umfangs der Akteneinsicht hängt nach dem Gesagten davon ab, ob sachliche Gründe für eine Verfahrenstrennung vorlagen und diese somit zu Recht erfolgt ist. Die Verfahrenstrennung wurde zwar in der Beschwerde beanstandet, ist jedoch nicht Anfechtungsobjekt, zumal die entsprechenden Rechtsmittelfristen längst abgelaufen sind. Der Beschwerdeführer macht selbst geltend, dass eine Verfahrenszusammenlegung aus faktischen Gründen nicht mehr möglich erscheine. Er ist jedoch der Ansicht, dass es der Grundsatz der Verfahrenseinheit gebiete, dass er in sämtliche Verfahrensakten der in separaten Verfahren beurteilten Mitbeschuldigten Einsicht erhalte.


3.2 Es ist zunächst festzuhalten, dass die Verfahrenstrennung zu Recht erfolgt ist, da ausreichend sachliche Gründe dafür vorlagen. Die abgetrennten Verfahren betreffen eine Vielzahl von Personen, welche Mittäter, gleichzeitig aber auch Geschädigte bzw. Opfer des Beschwerdeführers sind. Müssten alle diese Personen in einem einzigen Strafverfahren beurteilt werden, würde dies zu einer enormen Verkomplizierung und Verlängerung des Verfahrens und Verzögerung der Hauptverhandlung führen. Es käme in diesem Fall noch lange nicht zu einem Verfahrensabschluss. Eine derart lange Verfahrensdauer wäre nicht nur den (teilweise bereits mittels Strafbefehlen beurteilten) Mitbeschuldigten und Geschädigten unzumutbar, sondern würde sich namentlich auch zu Ungunsten des Beschwerdeführers selbst auswirken, welcher sich aufgrund von Fortsetzungs- und Fluchtgefahr in Haft befindet (vgl. HB.2019.67 vom 25. November 2019). Ein solches Vorgehen würde in Bezug auf das Strafverfahren des Beschwerdeführers und seiner Mitbeschuldigten das Beschleunigungsgebot gemäss Art. 5 StPO verletzen, bei welchem es sich um einen wichtigen Teil des Anspruchs auf ein faires Verfahren handelt, das auch in Art. 29 Abs. 1 der Bundesverfassung und in Art. 6 Ziff. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist.


3.3 Ist nach dem Gesagten die Verfahrensabtrennung zu Recht erfolgt, so handelt es sich bei den Akten der abgetrennten Verfahren um formell fremde Akten, in die der Beschwerdeführer nur soweit ein Einsichtsrecht hat, als sie in seinem Verfahren relevant sind. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Strafverfolgungsbehörden im Verfahren des Beschwerdeführers darauf abstützen wollen (BGE 140 IV 172 E. 1.3 S.176). Daraus folgt, dass primär die Strafverfolgungsbehörden - die Staatsanwaltschaft bzw. nach der Überweisung das zuständige Gericht - darüber entscheiden, welche verfahrensfremden Akten im Verfahren des Beschwerdeführers relevant sind. Dabei sind sie an den in Art. 6 StPO statuierten Untersuchungsgrundsatz gebunden, wonach sie von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen abklären und dabei die belastenden und entlastenden Umstände mit gleicher Sorgfalt untersuchen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat der Beschuldigte diesbezüglich kein Mitspracherecht, und es geht nicht an, dass er Einsicht in sämtliche Akten der abgetrennten Verfahren erhält, um gestützt darauf selbst zu entscheiden, welche Akten in seinem eigenen Verfahren relevant sind. Der Verfahrensfairness ist Genüge getan, wenn sämtliche Akten, auf welche sich die Strafverfolgungsbehörden in seinem Verfahren abstützen, in seine Verfahrensakten Eingang finden, und Aussagen von Beschuldigten aus getrennt geführten Verfahren nur dann gegen ihn verwertet werden, wenn er mit den betroffenen Personen konfrontiert worden ist, ihnen Fragen stellen und ihre Aussagen in Zweifel ziehen konnte.


3.4 Im vorliegenden Fall hat die Staatsanwaltschaft geltend gemacht, sie habe sämtliche Akten aus den abgetrennten Verfahren, welche für das Verfahren des Beschwerdeführers relevant seien, und sämtliche ihm in den Konfrontationseinvernahmen vorgehaltenen Unterlagen in Kopie in seine Verfahrensakten integriert. Der Beschwerdeführer hat keine Begründung dafür geliefert, warum darüber hinaus sämtliche Akten der abgetrennten Verfahren seiner Mitbeschuldigten in seinem Verfahren von Relevanz sein sollen. Soweit solche Unterlagen nicht gegen ihn verwendet werden zu seiner Entlastung beitragen, sind sie es nicht.


4.

4.1 Aus dem Gesagten folgt, dass die Beschwerde abzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer gemäss Art.428 Abs.1 StPO dessen Kosten mit einer Urteilsgebühr von CHF600.-.


4.2 Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung resp. amtliche Verteidigung für das Beschwerdeverfahren. Er macht geltend, er sei infolge seiner Inhaftierung nicht in der Lage, ein Erwerbseinkommen zu erzielen und könne daher weder einen Gerichtskostenvorschuss noch die mit der Ausarbeitung der Beschwerde (und der Replik) anfallenden Anwaltskosten bezahlen.


Gemäss Art. 29 Abs. 3 Satz 1 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 Satz 2 BV). Nach der Rechtsprechung sind Begehren als aussichtslos anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie - zumindest vorläufig - nichts kostet (BGE 142 III 138 E. 5.1 S. 139 f. mit Hinweisen).


Der verfassungsmässig garantierte Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege befreit den Betroffenen nicht generell von Verfahrens- Vertretungskosten, sondern bloss (einstweilig) von Kosten, welche den Zugang zum Verfahren beschränken erschweren, wie zum Beispiel die Verpflichtung zur Leistung von Kostenvorschüssen anderer Sicherheitsleistungen, die vom Gesetz im Hinblick auf die weitere Durchführung des Verfahrens vorgesehen sind (BGer 6B_847/2017 vom 7. Februar 2018 E. 5). Da die Strafprozessordnung nur bei der Privatklägerschaft, nicht aber bei Beschuldigten die Möglichkeit zur Erhebung von Sicherheitsleistungen bzw. Kostenvorschüsse für das Rechtsmittelverfahren vorsieht (Art.383 Abs. 1 StPO) und demgemäss vom Beschwerdeführer kein Kostenvorschuss verlangt worden ist, ist sein diesbezügliches Gesuch gegenstandslos geworden.


Der Antrag auf unentgeltliche Vertretung resp. amtliche Verteidigung im Beschwerdeverfahren ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen. Die Behauptungen des Beschwerdeführers, er habe Anspruch auf Einsicht in verfahrensfremde Akten resp. es habe keine sachlichen Gründe für eine Abtrennung seines Strafverfahrens von den Verfahren seiner Mitbeschuldigten resp. Geschädigten gegeben, sind haltlos. Der Beschwerdeführer hat keinerlei stichhaltige Argumente vorgebracht, inwiefern die Akten der Mitbeschuldigten - über die von der Staatsanwaltschaft in seine Verfahrensakten integrierte Teile hinaus - für sein Strafverfahren relevant sein sollen.



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):


://: Die Beschwerde wird abgewiesen.


Der Beschwerdeführer trägt die ordentlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens mit einer Gebühr von CHF 600.- (einschliesslich Auslagen).


Der Antrag auf unentgeltliche Verbeiständung resp. amtliche Verteidigung im Beschwerdeverfahren wird abgewiesen.


Mitteilung an:

- Beschwerdeführer

- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt



APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

lic. iur. Liselotte Henz lic. iur. Barbara Noser Dussy

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer diplomatischen konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.



Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.