| Appellationsgericht als Verwaltungsgericht Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht |
AUS.2024.34
URTEIL
vom 2. Juli 2024
Beteiligte
Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,
Spiegelgasse 12, Postfach, 4001 Basel
gegen
A____, geb. [...], von Marokko
zurzeit im Gefängnis Bässlergut, Freiburgerstrasse 48, 4057 Basel
Gegenstand
Verfügung des Migrationsamtes vom 2. Juli 2024
betreffend Vorbereitungshaft im Dublin-Verfahren Art. 76a AIG
Sachverhalt
Der marokkanische Staatsangehörige A____ wurde mit Strafbefehlen vom 3. Dezember 2023 und vom 8. Januar 2024 je des Diebstahls und der rechtswidrigen Einreise schuldig erklärt. Im ersten Strafbefehl wurde er deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 90 Tagen und im zweiten zu einer Freiheitsstrafe von 180 Tagen verurteilt. Er befand sich infolgedessen seit dem 8. Januar 2024 in Haft und im Strafvollzug und wurde am 2. Juli 2024 bedingt aus dem Strafvollzug entlassen und dem Migrationsamt überstellt. Bereits mit Verfügung des Staatssekretariats für Migration (SEM) vom 18. Januar 2024 ist A____ aus der Schweiz weggewiesen worden, wobei ihm gleichzeitig mitgeteilt worden war, dass eine Überstellung in die Niederlande erfolgen werde. Die ursprünglich auf den Tag der Entlassung geplante Rückführung in die Niederlande konnte allerdings nicht durchgeführt werden, da gemäss Auskunft der Behörden der Niederlande die Länderzuständigkeit nach dem Dubliner Übereinkommen für A____ am 16. Juni 2024 auf Frankreich übergegangen sei. Am 19. Juni 2024 teilte das Migrationsamt A____ mit, dass er voraussichtlich nach Frankreich überstellt werden müsse. Dagegen hatte A____ grundsätzlich nichts einzuwenden, hielt allerdings fest, dass er die Schweiz selbständig nach Italien zu verlassen wünsche.
Mit Verfügung vom 2. Juli 2024 hat das Migrationsamt die Dublin Vorbereitungshaft für die Dauer vom 2. Juli bis 20. August 2024 angeordnet. A____ hat die gerichtliche Überprüfung der Haftanordnung verlangt. Dieser Entscheid ergeht unter Beizug der Vorakten im schriftlichen Verfahren.
Erwägungen
1.
1.
Gemäss Art. 80a Abs. 3 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG, SR 142.20) wird die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft in Dublin-Fällen auf Antrag der inhaftierten Person durch eine richterliche Behörde in einem schriftlichen Verfahren überprüft. Diese Überprüfung kann jederzeit beantragt werden. Die Frist, innert welcher die Überprüfung zu erfolgen hat, ist der genannte Bestimmung nicht zu entnehmen. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung richtet sich die zulässige Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls. Als Richtschnur dazu hat allerdings die Frist von 96 Stunden nach Art. 80 Abs. 2 AIG zu gelten, welche nicht deutlich überschritten werden sollte (BGE 142 I 135 E. 3.1). Mit der heutigen Überprüfung der Haft wird diese Frist ohne weiteres eingehalten.
2.
Gemäss Art. 64a Abs. 1 AIG erlässt das SEM eine Wegweisungsverfügung gegen eine Person, sofern die Zuständigkeit zur Durchführung eines Asyl- und Wegweisungsverfahrens gemäss der Dublin III Verordnung einem anderen Dublin-Staat zukommt. A____ ist mit Verfügung des SEM vom 18. Januar 2024 aus der Schweiz weggewiesen und es ist ihm mitgeteilt worden, dass eine Überstellung in die Niederlande erfolgen werde. Nachdem die Zuständigkeit zur Rückübernahme vor Verbüssung der Freiheitsstrafe auf Frankreich übergegangen ist, ist die Rücküberstellung in die Niederlande nicht mehr möglich. Das SEM hat am 18. Juni 2024 Frankreich um Rückübernahme ersucht. Die Antwort ist noch ausstehend. Damit wurde vorliegend zu Recht Vorbereitungshaft nach Art. 76a Abs. 3 lit. a AIG angeordnet.
3.
3.1 Die zuständige Behörde kann die betroffene ausländische Person gemäss Art. 76a Abs. 1 AIG zur Sicherstellung der Wegweisung in den für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staat in Haft nehmen, wenn im Einzelfall konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass sich diese der Durchführung der Wegweisung entziehen will (lit. a), die Haft verhältnismässig ist (lit. b) und sich weniger einschneidende Massnahmen nicht wirksam anwenden lassen (lit. c). Art. 76a Abs. 2 AIG normiert Gründe, welche als konkrete Indizien befürchten lassen, die betroffene Person werde sich der Wegweisung entziehen. Es handelt sich um objektive gesetzliche Kriterien für die Annahme von Fluchtgefahr. Die angegebenen Haftgründe decken sich über weite Strecken mit den Haftgründen der Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft nach den Art. 75 f. AIG (Botschaft zur Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands vom 7. März 2014, BBl S. 2675 ff., 2702). Ob eine erhebliche Fluchtgefahr tatsächlich besteht, bedarf zusätzlich der Prüfung im Einzelfall (Zünd, in: Spescha et al. [Hrsg.], Kommentar Migrationsrecht, 5. Auflage, Zürich 2019, Art. 76a AIG N 3; Baumann/ Göksu, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Zürich/St. Gallen 2022, Rz 80; statt vieler BGE 148 II 169 E. 2.2). Die betroffene Person kann zur Sicherstellung des Vollzugs während der Zeit ab Rückübernahmeantrag bis zum Eingang einer Antwort durch den angefragten Staat sowie dem Erlass der Wegweisungsverfügung für sieben Wochen in Haft genommen werden (Art. 76a Abs. 3 lit. a AIG).
3.2 Das Migrationsamt begründet die angeordnete Haft sinngemäss mit dem Vorliegen einer Untertauchensgefahr. Dem ist zuzustimmen. A____ hat am 29. Oktober 2022 in der Niederlande ein Asylgesuch eingereicht (s. Meldung EURODAC). Trotzdem hat er die Niederlande verlassen, was belegt, dass er sich nicht an behördliche Anordnungen hält. Dass er weiterhin nicht verstehen will, dass ihm das Reisen innerhalb von Europa als Asylsuchender ohne Reisepapiere untersagt ist, belegt sodann seine Angabe, er wolle selbständig nach Italien ausreisen. Sein Verhalten in der Schweiz lässt sodann darauf schliessen, dass er das europäische Asylwesen missbraucht, um sich als Kriminaltourist in Europa aufzuhalten. Es liegt demnach ein Haftgrund nach Art. 76a Abs. 2 lit. b AIG vor. Gleichzeitig A____ in der Schweiz mit der Begehung von Diebstählen zweimal eines Verbrechens schuldig gemacht und ist dafür rechtskräftig verurteilt worden. Folglich liegt auch der Haftgrund von Art. 76a Abs. 2 lit. h AIG vor.
Gleichzeitig ist nicht ersichtlich, welche mildere Massnahme ausser der Haft, die Rückführung von A____ nach Frankreich sicherstellen könnte, da ihn etwa eine regelmässige Meldepflicht eine Eingrenzung offensichtlich nicht davon abhalten werden, sich weiterhin illegal in Europa aufzuhalten und dafür unterzutauchen bzw. sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen.
4.
Das Dublinoffice des SEM hat den Antrag auf Rückübernahme von A____ an Frankreich am 18. Juni 2024 gestellt und damit unmittelbar nachdem die Niederlande eine Rücküberführung von A____ nach dem 15. Juni 2024 definitiv abgelehnt hat. Das Migrationsamt kommt damit seinem Auftrag, das Verfahren voranzutreiben nach; das Beschleunigungsgebot wurde bislang eingehalten. Die Haft erweist sich als rechtmässig und angemessen.
5.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben (§ 4 Gesetz über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht [SG 122.300]).
Demgemäss erkennt die Einzelrichterin:
://: Die über A____ angeordnete Dublin Vorbereitungshaft ist vom 2. Juli bis und mit 20. August 2024 rechtmässig und angemessen.
Dieses Urteil ist in einer für ihn verständlichen Sprache durch das Migrationsamt zu eröffnen.
Mitteilung an:
- A____
- Migrationsamt
- SEM
VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT
Die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht
lic. iur. Barbara Grange
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
Der inhaftierte Ausländer kann jederzeit ein Haftentlassungsgesuch einreichen beim Verwaltungsgericht Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.
Dieses Urteil wurde A____ durch das Migrationsamt
in ______________________ Sprache eröffnet
Datum:
Unterschrift A____
Unterschrift Migrationsamt: