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Urteil Appellationsgericht (BS - AUS.2023.48)

Zusammenfassung des Urteils AUS.2023.48: Appellationsgericht

Ein algerischer Staatsangehöriger, der in die Schweiz eingereist war und ein Asylgesuch stellte, wurde aufgrund seines unkooperativen Verhaltens und seiner Weigerung, Reisepapiere zu beschaffen, inhaftiert. Das Migrationsamt ordnete eine Durchsetzungshaft bis zum 14. Januar 2024 an, da eine zwangsweise Ausschaffung nicht möglich war. Der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht bestätigte die Haftanordnung und entschied, dass keine Kosten für das Gerichtsverfahren erhoben werden. Die Gewinnerperson ist männlich.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AUS.2023.48

Kanton:BS
Fallnummer:AUS.2023.48
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung: Verwaltungsgericht Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht
Appellationsgericht Entscheid AUS.2023.48 vom 18.12.2023 (BS)
Datum:18.12.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beurteilte; Ausländer; Durchsetzung; Durchsetzungshaft; Migration; Ausreise; Migrationsamt; Basel; Ausländerrecht; Beurteilten; Behörde; Umstände; Anordnung; Wegweisung; Verhalten; Behörden; Zwangsmassnahmen; Schweiz; Reisepapiere; Vollzug; Ausschaffung; Basel-Stadt; Entscheid; Migrationsamts; Einzelrichter; Algerien; Befragung; Person
Rechtsnorm: Art. 78 AIG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AUS.2023.48



Geschäftsnummer: AUS.2023.48 (AG.2023.759)
Instanz: Appellationsgericht
Entscheiddatum: 18.12.2023 
Erstpublikationsdatum: 21.12.2023
Aktualisierungsdatum: 21.12.2023
Titel: Anordnung Durchsetzungshaft
 
 

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht

 

AUS.2023.48

 

URTEIL

 

vom 18. Dezember 2023

 

 

 

Beteiligte

 

Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,

Spiegelgasse 12, Postfach, 4001 Basel

 

gegen

 

A____, geb. [...] 1988, von Algerien,

zurzeit im Gefängnis Bässlergut,

Freiburgerstrasse 48, 4057 Basel

 

 

Gegenstand

 

Verfügung des Migrationsamtes vom 15. Dezember 2023

 

betreffend Anordnung Durchsetzungshaft


Sachverhalt

 

Der algerische Staatsangehörige A____ (nachfolgend: Beurteilter), geb. [...] 1988, reiste 18. Januar 2021 in die Schweiz ein und stellte gleichentags ein Asylgesuch. Dieses Asylgesuch lehnte das Staatssekretariat für Migration (SEM) mit Entscheid vom 2. März 2021 ab und wies ihn mit einer Ausreisefrist bis 6. April 2021 aus der Schweiz und dem Schengen-Raum weg. Die hiergegen erhobene Beschwerde schrieb das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 20. April 2021 als gegenstandslos ab, nachdem der Beurteilte seit dem 13. März 2021 unkontrolliert abgereist war bzw. als verschwunden galt und seine Rechtsvertreterin auch keinen Aufenthaltsort hatte nennen können. Am 21. April 2021 setzte das SEM dem Beurteilten eine neue Frist für die Ausreise bis am 16. Juni 2021. In der Folge stellte der Beurteilte unter anderer Identität in Deutschland ein Asylgesuch, woraufhin am 26. Mai 2021 das SEM erstmalig einer Rückübernahme von Deutschland im Rahmen des Dublinverfahrens zustimmte. Eine Überstellung konnte jedoch verschiedentlich nicht umgesetzt werden. Am 4. Mai 2022 meldete sich der Beurteilte am Schalter des Migrationsamts Basel-Stadt, woraufhin das Wegweisungsverfahren wieder aufgenommen wurde. Das Migrationsamt hielt ihn in der Folge zur regelmässigen Vorsprache an, derweil es sich in Zusammenarbeit mit dem SEM darum bemühte, für ihn infolge seiner Weigerung, Reisepapiere zu beschaffen, einen Termin für eine konsularische Befragung (Counselling), zu erhalten. Am 15. Dezember 2023 nahm die Kantonspolizei den Beurteilten im Auftrag des Migrationsamts anlässlich einer Vorsprache fest. Nach Befragung und Gewährung des rechtlichen Gehörs hat das Migrationsamt gleichentags über den Beurteilten eine Durchsetzungshaft bis zum 14. Januar 2024 angeordnet. Am 18. Dezember 2023 hat vor dem Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht (nachfolgend: Haftrichter) unter Beizug eines Dolmetschers und in Anwesenheit des zuständigen Mitarbeiters des Migrationsamts eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Dabei ist der Beurteilte befragt worden. Auf seine Ausführungen wie auch diejenigen des Mitarbeiters des Migrationsamts wird auf das Protokoll verwiesen. Das vorliegende Urteil einschliesslich der Rechtsmittelbelehrung ist den Beteiligten mündlich erläutert und schriftlich ausgehändigt worden.

 

 

Erwägungen

 

1.

Die erstmalige Anordnung der Durchsetzungshaft ist spätestens nach 96 Stunden durch eine richterliche Behörde aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu überprüfen (Art. 78 Abs. 4 des Ausländer- und Integrationsgesetzes [AIG, SR 142.20]). Diese Frist ist mit der heutigen gerichtlichen Verhandlung eingehalten.

 

2.

2.1      Hat eine ausländische Person ihre Pflicht zur Ausreise aus der Schweiz innerhalb der ihr angesetzten Frist nicht erfüllt und kann die rechtskräftige Weg- Ausweisung aufgrund ihres persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden, so darf sie in Durchsetzungshaft genommen werden, um der Ausreisepflicht Nachachtung zu verschaffen, sofern die Anordnung der Ausschaffungshaft nicht zulässig ist keine andere, mildere Massnahme zum Ziel führt (Art. 78 Abs. 1 AIG).

 

Die Durchsetzungshaft setzt voraus, dass der Vollzug der Aus- Wegweisung wegen des persönlichen Verhaltens des Ausländers nicht durchführbar ist. Es bedarf zum einen eines Zusammenhangs zwischen dem Verhalten des Ausländers und dem Vollzugshindernis und es muss zum anderen der Ausländer in der Lage sein, die von ihm verschuldete Undurchführbarkeit zu beseitigen. Hat die betroffene Person keinen Einfluss auf die Umstände der Undurchführbarkeit der Wegweisung, darf die Durchsetzungshaft nicht angeordnet werden (Baumann/Göksu, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Zürich/St. Gallen 2022, Rz 103; Businger, Ausländerrechtliche Haft, Zürich 2015, S. 199). Die Anordnung von Durchsetzungshaft kommt immer nur dann in Frage, wenn die Voraussetzungen der Ausschaffungshaft nicht (mehr) gegeben sind und keine mildere Massnahme zur Verfügung steht. Die Subsidiarität der Durchsetzungshaft zeigt auf, dass die Behörden trotz renitenten Verhaltens einer ausländischen Person ihrerseits alle Vorkehrungen treffen müssen, um eine Aus- Wegweisung auch gegen den Willen des betroffenen Ausländers vollziehen zu können. Erst nach Ausschöpfung sämtlicher Mittel kann, wenn der Vollzug gleichwohl nicht gelingt, als letztes Mittel Durchsetzungshaft angeordnet werden (Baumann/Göksu, a.a.O., Rz 104; Businger, a.a.O., S. 205).

 

2.2      Der Beurteilte wurde mit dem abschlägigen Asylentscheid des SEM vom 2. März 2021 aus der Schweiz weggewiesen. Die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 20. April 2021 als gegenstandslos abgeschrieben, nachdem er seit dem 13. März 2021 unkontrolliert abgereist war bzw. als verschwunden galt und seine Rechtsvertreterin auch keinen Aufenthaltsort hatte nennen können. Mit Schreiben vom 21. April 2021 setzte das SEM eine neue Frist für die Ausreise bis am 16. Juni 2021 an. Nachdem der Beurteilte sich zwischenzeitlich in Deutschland aufgehalten hatte, meldete er sich am 4. Mai 2022 am Schalter des Migrationsamts zurück. Seither ist der Beurteilte wiederkehrend vergeblich aufgefordert worden, sich zwecks Ausreise aus der Schweiz um Reisepapiere zu kümmern. Die schweizerischen Behörden sind von Anfang an darum bemüht gewesen, die Wegweisung vollziehen zu können. Seit Ende November 2022 ist bekannt, dass die algerischen Behörden den Beurteilten als algerischen Staatsangehörigen anerkannt haben (E-Mail SEM vom 28. November 2022). In der Folge gab der Beurteilte wiederholt zu verstehen, dass er unter keinen Umständen bereit ist, bei der Beschaffung von Reisepapieren mitzuwirken und in sein Heimatland auszureisen (vgl. zuletzt Befragungsprotokoll vom 15. Dezember 2023, S. 2 f.). Auch aus der heutigen Befragung des Beurteilten ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass sich an dieser Weigerungshaltung etwas geändert hat. Im Gegenteil, er beharrt darauf, nicht nach Algerien zurückkehren zu wollen. Wie das Migrationsamt in seiner Haftanordnungsverfügung ausgeführt hat, ist derzeit offen, wann die nächsten Counsellings, die konsularischen Ausreisegespräche mit Vertretern der algerischen Behörden, stattfinden werden. Der Beurteilte kann darum nicht den zuständigen Behörden zwecks Ausstellung von Reisedokumenten zugeführt werden. Eine zwangsweise Ausschaffung nach Algerien ist unter diesen Umständen nicht möglich, der Vollzug der Wegweisung scheitert an der fortgesetzten Kooperationsverweigerung des Beurteilten. In Frage kommt derzeit einzig eine freiwillige Rückkehr des Beurteilten. Gemäss E-Mail des SEM vom 12. Dezember 2023 ist geplant, die Kantone anfangs Januar 2024 über die Fortsetzung der konsularischen Ausreisegespräche zu informieren. Nach den Erfahrungen der letzten Monate, in denen die Counsellings immer wieder verschoben wurden, erscheint es zum heutigen Zeitpunkt jedoch sehr offen, ob die für Mitte Januar 2024 angekündigten Ausreisegespräche tatsächlich stattfinden werden und in deren Gefolge der Beurteilte bei Vorliegen von Ersatzreisepapieren nach Algerien zurückgeschafft werden könnte. Da die zwangsweise Ausschaffung derzeit realistischerweise nicht absehbar ist, kann auch keine Ausschaffungshaft nach Art. 76 AIG angeordnet werden. Demzufolge bleibt einzig die Anordnung einer Durchsetzungshaft, damit der Beurteilte zur Mitwirkung bei der Beschaffung von Reisepapieren und der Organisation seiner Rückkehr bewegt werden kann.

 

2.3      Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss jeweils aufgrund der Umstände im Einzelfall beurteilt werden, ob die Durchsetzungshaft (noch) geeignet bzw. erforderlich erscheint und nicht gegen das Übermassverbot verstösst (BGE 134 I 92 E. 2.3.2 und 133 II 97 E. 2.2; Hugi Yar, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: Uebersax et al. [Hrsg.], Ausländerrecht, 3. Auflage, Basel 2022, Rz 12.132). Dabei ist dem Verhalten des Betroffenen, den die Papierbeschaffung allenfalls erschwerenden objektiven Umständen sowie dem Umfang der von den Behörden bereits getroffenen Abklärungen Rechnung zu tragen und zu berücksichtigen, wieweit der Ausländer es tatsächlich in der Hand hat, die Festhaltung zu beenden, indem er seiner Mitwirkungs- bzw. Ausreisepflicht nachkommt (BGE 134 I 92 E. 2.3.2 und 134 II 201 E. 2.2.2). Das mutmassliche künftige Verhalten des Betroffenen ist gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung jeweils aufgrund sämtlicher Umstände abzuschätzen. Ein erklärtes konsequent unkooperatives Verhalten bildet dabei nur einen unter mehreren zu berücksichtigenden Gesichtspunkten, andernfalls die Festhaltung umso weniger angeordnet werden könnte, je renitenter sich die betroffene Person zeigt und je stärker sie versucht, ihre Ausschaffung zu hintertreiben (BGE 134 I 92 E. 2.3.2).

 

Die vorliegend angeordnete Durchsetzungshaft erweist sich angesichts der bestehenden Umstände als verhältnismässig. Der Beurteilte hat bislang beharrlich die Mitwirkung an der Beschaffung von Reisedokumenten und seiner Ausreise verweigert. Dem Beurteilten ist es aber ohne Weiteres möglich und zumutbar, zwecks Erhalt von Reisepapieren Kontakt mit den algerischen Behörden aufzunehmen. Er ist seit dem 4. Mai 2022 zurück in der Schweiz und hätte mindestens solange, also über anderthalb Jahre, genügend Gelegenheit gehabt, sich freiwillig um die Beschaffung von (Ersatz-)Reisepapieren zu bemühen und seine Ausreise zu organisieren. Ein milderes Mittel als die Inhaftierung, namentlich die Freilassung, kommt nicht in Frage, weil der Beurteilte seine Freiheit bislang nicht genutzt hat, freiwillig auszureisen, obschon er hierzu genügend Zeit gehabt hätte. Der Beurteilte hat es selber in der Hand, mitzuwirken und damit seine Inhaftierung abzukürzen. Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse am Vollzug der rechtskräftigen Wegweisung. Die erstmalige Anordnung der Durchsetzung von einem Monat erweist sich unter diesen Umständen in jeder Hinsicht als angemessen (zur maximalen Haftdauer vgl. Art. 79 AIG).

 

2.4      Die angeordnete Durchsetzungshaft von einem Monat erweist sich nach dem Gesagten als recht- und verhältnismässig.

 

3.

Für das Gerichtsverfahren werden keine Kosten erhoben (§ 4 Gesetz über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, SG 122.300).

 

 

 

Demgemäss erkennt der Einzelrichter:

 

://:        Die über A____ angeordnete Durchsetzungshaft wird bestätigt bis zum 14. Januar 2024.

 

            Es werden keine Kosten erhoben.

 

            Mitteilung an:

-       A____

-       Migrationsamt Basel-Stadt

-       Staatssekretariat für Migration

 

 

VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT

 

Der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht

 

 

 

Dr. Alexander Zürcher

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

 

Der inhaftierte Ausländer kann einen Monat nach der Haftüberprüfung ein Haftentlassungsgesuch einreichen beim Verwaltungsgericht Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

 

 

 

Hinweis

 

Dieses Urteil wurde dem Ausländer am heutigen Tag mündlich erläutert und schriftlich ausgehändigt.

 



 
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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