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Urteil Appellationsgericht (BS - AUS.2023.46)

Zusammenfassung des Urteils AUS.2023.46: Appellationsgericht

Ein marokkanischer Staatsangehöriger, A____, wurde nach einem Ladendiebstahl ohne Reisedokumente kontrolliert und festgenommen. Das Migrationsamt ordnete eine Dublin-Vorbereitungshaft für 7 Wochen an, da A____ in verschiedenen Ländern Asylanträge gestellt hatte und Anzeichen für Fluchtgefahr bestanden. A____'s Angaben wurden als widersprüchlich betrachtet, und die Haft wurde als notwendig erachtet, um ein Untertauchen zu verhindern. Die Einzelrichterin entschied, dass die Haft rechtmässig und angemessen ist, und es wurden keine Gerichtskosten erhoben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AUS.2023.46

Kanton:BS
Fallnummer:AUS.2023.46
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung: Verwaltungsgericht Einzelrichter in für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht
Appellationsgericht Entscheid AUS.2023.46 vom 06.12.2023 (BS)
Datum:06.12.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Migration; Migrationsamt; Dublin; Wegweisung; Italien; Vorbereitungs; Niederlanden; Asylantrag; Vorbereitungshaft; Basel; Verfahren; Ausländer; Deutschland; Europa; Belgien; Asylgesuch; Person; Zwangsmassnahmen; Ausländerrecht; Dublin-Vorbereitungshaft; Überprüfung; Entscheid; Reise; Tante; Woche; Fingerabdrücke; Recht
Rechtsnorm: Art. 75 AIG ;Art. 76a AIG ;Art. 80 AIG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AUS.2023.46



Geschäftsnummer: AUS.2023.46 (AG.2023.741)
Instanz: Appellationsgericht
Entscheiddatum: 06.12.2023 
Erstpublikationsdatum: 08.12.2023
Aktualisierungsdatum: 08.12.2023
Titel: betreffend Vorbereitungshaft (Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens)
 
 

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht

 

AUS.2023.46

 

URTEIL

 

vom 6. Dezember 2023

 

 

 

Beteiligte

 

Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,

Spiegelgasse 12, Postfach, 4001 Basel

 

gegen

 

A____, geb. [...], von Marokko,

zurzeit im Gefängnis Bässlergut, Freiburgerstrasse 48,

4057 Basel

   

 

 

Gegenstand

 

Verfügung des Migrationsamtes vom 5. Dezember 2023

 

betreffend Vorbereitungshaft (Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens)


Sachverhalt

 

Der marokkanische Staatsangehörige A____ wurde nach einem Ladendiebstahl am 4. Dezember 2023 polizeilich kontrolliert und konnte sich dabei nicht mit Reisedokumenten ausweisen. Weitere Abklärungen ergaben, dass A____ im Schengener Informationssystem (SIS) zur «Personenfandung zwecks Wegweisung eines Drittstaatsangehörigen» ausgeschrieben ist. Der informierte Mitarbeiter des Migrationsamts ordnete daraufhin die Festnahme von A____ an. Mit Strafbefehl vom 5. Dezember 2023 wurde A____ wegen rechtswidriger Einreise unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu CHF 30.– sowie zu einer Busse von CHF 100.– verurteilt, wobei ihm ein Tag Freiheitsentzug an die Strafe angerechnet wurde. Nach Durchführung einer Befragung hat das Migrationsamt mit Verfügung vom 5. Dezember 2023 die Dublin-Vorbereitungshaft für die Dauer von 7 Wochen vom 4. Dezember 2023 bis 22. Januar 2024, 20.07 Uhr, angeordnet. A____ hat die gerichtliche Überprüfung der Haftanordnung beantragt. Der vorliegende Entscheid ergeht unter Beizug der Vorakten im schriftlichen Verfahren. Auf die Einzelheiten des Sachverhalts und der Parteivorbringen wird, soweit für den Entscheid von Relevanz, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

 

Erwägungen

 

1.

Gemäss Art. 80a Abs. 3 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG, SR 142.20) wird die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft in Dublin-Fällen auf Antrag der inhaftierten Person durch eine richterliche Behörde in einem schriftlichen Verfahren überprüft. Diese Überprüfung kann jederzeit beantragt werden. Die Frist, innert welcher die Überprüfung zu erfolgen hat, ist der genannte Bestimmung nicht zu entnehmen. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung richtet sich die zulässige Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls. Als Richtschnur dazu hat
allerdings die Frist von 96 Stunden nach Art. 80 Abs. 2 AIG zu gelten, welche nicht deutlich überschritten werden sollte (BGE 142 I 135 E. 3.1). Mit der heutigen Überprüfung der Haft wird diese Frist ohne weiteres eingehalten.

 

2.

2.1      Die zuständige Behörde kann die betroffene ausländische Person gemäss Art. 76a Abs. 1 AIG zur Sicherstellung der Wegweisung in den für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staat in Haft nehmen, wenn im Einzelfall konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass sich diese der Durchführung der Wegweisung entziehen will (lit. a), die Haft verhältnismässig ist (lit. b) und sich weniger einschneidende Massnahmen nicht wirksam anwenden lassen (lit. c). Art. 76a Abs. 2 AIG normiert Gründe, welche als konkrete Indizien befürchten lassen, die betroffene Person werde sich der Wegweisung entziehen. Es handelt sich um objektive gesetzliche Kriterien für die Annahme von Fluchtgefahr. Die angegebenen Haftgründe decken sich über weite Strecken mit den Haftgründen der Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft nach den Art. 75 f. AIG (Botschaft zur Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstands vom 7. März 2014, BBl S. 2675 ff., 2702). Ob eine erhebliche Fluchtgefahr tatsächlich besteht, bedarf zusätzlich der Prüfung im Einzelfall (Zünd, in: Spescha et al. [Hrsg.], Kommentar Migrationsrecht, 5. Auflage, Zürich 2019, Art. 76a AIG N 3; Baumann/ Göksu, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Zürich/St. Gallen 2022, Rz 80; statt vieler BGE 148 II 169 E. 2.2). Die betroffene Person kann zur Sicherstellung des Vollzugs zwischen der Eröffnung des Weg- Ausweisungsentscheid für maximal sechs Wochen in Haft genommen werden (Art. 76a Abs. 3 lit. c AIG).

 

2.2      Das Migrationsamt begründet die angeordnete Dublin-Vorbereitungshaft mit dem Umstand, dass A____ am 1. November 2020 in den Niederlanden, am 18. März 2023 in Deutschland und am 17. November 2023 in Italien je einen Asylantrag gestellt habe. Mit diesem Verhalten habe er sich jeweils dem Vollzug einer Wegweisung in den genannten Ländern entzogen und habe sich behördlichen Anordnungen gekonnt wiedersetzt. Sodann sei A____ sich bewusst, dass er rechtswidrig in Europa herumreise. Er selbst habe erklärt, in Deutschland wegen rechtswidrigen Aufenthalts kontrolliert worden zu sein. Er sei in den Niederlanden letztmals am 31. August 2023 kontrolliert und aus der Europäischen Union sowie aus dem Schengenraum weggewiesen worden. Gleichwohl halte er sich weiterhin in Europa auf und Reise innerhalb von Europa ohne Papiere.

 

2.3      A____ gab in der Befragung durch das Migrationsamt am 5. Dezember 2023 an, er habe einen marokkanischen Reisepass, der ihm vor zwei Tagen gestohlen worden sei. Er sei am 4. Dezember 2023 von Italien herkommend in die Schweiz eingereist, von wo aus der sich nach Frankfurt, Deutschland, habe begeben wollen. Er habe Marokko im Alter von ca. 14 Jahren verlassen und sei in einem Auto versteckt nach Spanien gereist. Dort habe er sich ungefähr 4 Jahre lang aufgehalten, aber keinen Asylantrag eingereicht. Von Spanien aus sei er nach Belgien, wo er bei einer Tante, die für ihn wie eine Mutter sei, gelebt habe. In Belgien habe er ca. 3,5 Jahre bei der Tante gelebt und ebenfalls keinen Asylantrag gestellt. Auf die Frage, ob er Belgien verlassen habe, gab er an, sich auch in Holland und für eine Woche in Italien aufgehalten zu haben. In Holland habe man ihm die Fingerabdrücke abgenommen, er habe aber auch dort keinen Asylantrag gestellt. Er wisse nicht mehr, wann das gewesen sei. In Italien habe er einen Asylantrag gestellt. Er habe dort vor ca. 2 Monaten eine Arbeitsgenehmigung für sechs Monate erhalten. Er habe nun aber seinem Arbeitgeber mitgeteilt, dass er seine kranke Tante in Belgien besuchen müsse. Auf Nachfrage gab er an, auch diese Arbeitsgenehmigung sei ihm gestohlen worden. Ausserdem sagte er aus, in Deutschland und in den Niederlanden seien ihm wegen seines illegalen Aufenthalts Fingerabdrücke abgenommen worden, er habe jedoch kein Asylgesuch stellen wollen. Nach der Abnahme der Fingerabdrücke sei er jeweils freigelassen worden.

 

2.4      Diese Angaben von A____ stehen im Widerspruch zu den über ihn erhobenen Daten, gemäss welchen er seit November 2020 in drei europäischen Ländern ein Asylgesuch eingereicht hat. Hinzu kommt, dass er auch unter Aliasnamen in Erscheinung getreten ist. Erfasst wurde er nämlich auch als [...] und als [...] (s. Meldung SIS). Sodann weist das Migrationsamt zu Recht darauf hin, dass er am 31. August 2023 in den Niederlanden eine Wegweisungsverfügung geltend für den gesamten Schengenraum und die europäische Union erhalten hat. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass A____ sich gemäss eigenen Angaben seit ca. dem Jahr 2015 illegal in Spanien und Belgien aufgehalten und erstmals im Jahr 2020 ein Asylgesuch in den Niederlanden gestellt hat. Seither hat er das Asylverfahren offensichtlich missbraucht, indem er in den Niederlanden, in Deutschland und in Italien wohl einzig um Asyl ersucht hat, um einer drohenden Wegweisung zu entgehen. Dafür spricht, dass er selber aussagte, dass er in den Niederlanden und in Deutschland keinen Asylantrag habe einreichen wollen, aber nach Abgabe seiner Fingerabdrücke jeweils wieder in Freiheit entlassen worden sei. Wenig glaubhaft sind sodann seine Angaben, wonach er einen marokkanischen Reisepass sowie eine Arbeitsbewilligung von Italien besessen haben will, die ihm vor kurzer Zeit gestohlen worden sein sollen. Schliesslich hat er sich betreffend die Auskünfte über seinen bisherigen Verbleib in Europa widersprochen, indem er zuerst angab, sich einzig eine Woche in Italien aufgehalten zu haben, um gleich darauf zu erklären, er habe in Italien vor ca. 2 Monaten eine Arbeitsgenehmigung erhalten. Widersprüchlich ist auch, dass er sich für 3,5 Jahre in Belgien bei der Tante aufgehalten haben will, obwohl sein erstes Asylgesuch aus dem Jahr 2020 datiert. Insgesamt ist davon auszugehen, dass A____ alles unternimmt, um sich einen illegalen Aufenthalt in Europa zu ermöglichen und dazu nicht davor zurückscheut, Asylgesuche einzureichen sowie seinen Namen jeweils leicht abzuändern, um einer Wegweisung zu entgehen. Die Haftgründe gemäss Art. 76a Abs. 2 lit. a und b AIG sind gegeben.

 

2.5      Gleichzeitig ist nicht ersichtlich, welche mildere Massnahme ein Untertauchen von A____ verhindern könnte. Da er sich bislang offenbar erfolgreich einer Wegweisung zu entziehen vermochte und sich im Asyl- und Wegweisungsverfahren nicht an behördliche Anordnungen gehalten hat, werden ihn etwa die Eingrenzung auf ein bestimmtes Gebiet des Kantons sowie eine regelmässige Meldepflicht nicht davon abhalten, sich entgegen den behördlichen Anweisungen für eine Rückführung in den zuständigen Dublin-Staat nicht freiwillig zur Verfügung zu halten, sondern in der Schweiz sonst wo in Europa (wieder) unterzutauchen. Die angeordnete Haft ist folglich notwendig. Nachdem 1 Tag Haft an die mit Strafbefehl vom 5. Dezember 2023 ausgesprochene Strafe angerechnet wird, beginnt die Dublin-Vorbereitungshaft allerdings erst am 5. Dezember 2023 und endet am 23. Januar 2023 (Art. 76a Abs. 3 lit. a AIG).

 

3.

Das Migrationsamt hat am 5. Dezember 2023 der zuständigen Bundesbehörde (Dublin Office) mitgeteilt, dass A____ gemäss den vorhandenen Informationen in der Schweiz keinen Asylantrag gestellt hat, aber bereits in drei Schengen-Staaten mit eingereichten Asylgesuchen erfasst ist. Gleichzeitig ersucht das Migrationsamt die Behörde, eine mögliche Rückübergabe an den zuständigen Vertragsstaat in die Wege zu leiten. Das Migrationsamt kommt damit seinem Auftrag, das Verfahren voranzutreiben nach; das Beschleunigungsgebot wurde bislang eingehalten

 

4.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben (§ 4 Gesetz über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht [SG 122.300]).

 

 

Demgemäss erkennt die Einzelrichterin:

 

 

://:        Die angeordnete Dublin-Vorbereitungshaft ist vom 5. Dezember 2023 bis zum 23. Januar 2024, 20.07 Uhr, rechtmässig und angemessen.

 

            Für das Gerichtsverfahren werden keine Kosten erhoben.

 

            Mitteilung an:

-       A____

-       Migrationsamt

-       Staatssekretariat für Migration

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT

 

Die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht

 

 

 

lic. iur. Barbara Grange


 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

 

Der inhaftierte Ausländer kann jederzeit ein Haftentlassungsgesuch einreichen beim Verwaltungsgericht Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

 

 

 

Bestätigung

 

 

Dieses Urteil wurde A____ durch das Migrationsamt

 

in _________________ Sprache eröffnet.

 

 

Datum:

 

 

Unterschrift Beurteilter:

 

 

Unterschrift Migrationsamt:

 

 

 

 



 
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