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Urteil Appellationsgericht (BS - AUS.2022.5 (AG.2022.57))

Zusammenfassung des Urteils AUS.2022.5 (AG.2022.57): Appellationsgericht

Ein aus Sierra Leone stammender Mann wurde in Basel vorläufig festgenommen, da er keine gültigen Einreisedokumente vorweisen konnte. Das Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt ordnete daraufhin eine Vorbereitungshaft im Rahmen des Dublin-Verfahrens für sieben Wochen an. Der Mann hatte zuvor in Italien Asyl beantragt, jedoch ohne die notwendigen Einreisevoraussetzungen in die Schweiz eingereist. Das Gericht entschied, dass die Haft rechtmässig und angemessen ist, und es wurden keine Kosten erhoben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AUS.2022.5 (AG.2022.57)

Kanton:BS
Fallnummer:AUS.2022.5 (AG.2022.57)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid AUS.2022.5 (AG.2022.57) vom 31.01.2022 (BS)
Datum:31.01.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Vorbereitungshaft nach Art. 76a AIG (Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens)
Schlagwörter: Migration; Migrationsamt; Verfahren; Basel; Beurteilte; Vorbereitung; Vorbereitungs; Schweiz; Basel-Stadt; Vorbereitungshaft; Ausländer; Überprüfung; Wegweisung; Italien; Verfahrens; Dublin-Verfahren; Wochen; Person; Frankreich; Kantons; Einzelrichter; Zwangsmassnahmen; Ausländerrecht; Sachverhalt; Einreise; Behörde; Bundesgericht
Rechtsnorm: Art. 75 AIG ;Art. 76a AIG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Spescha, Zünd, Kommentar Migrationsrecht, Art. 76 AIG SR, 2019

Entscheid des Verwaltungsgerichts AUS.2022.5 (AG.2022.57)

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht


AUS.2022.5


URTEIL


vom 31. Januar 2022




Beteiligte


Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,

Spiegelgasse 12, 4001 Basel


gegen


A____, [...], von Sierra Leone,

zurzeit in Haft im Gefängnis Bässlergut,

Freiburgerstr.48, 4057Basel


Gegenstand


Verfügung des Migrationsamts vom 28. Januar 2022


betreffend Vorbereitungshaft nach Art. 76a AIG (Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens)



Sachverhalt


Der aus Sierra Leone stammende A____ (Beurteilter) wurde am 28. Januar 2022 um 01.10 Uhr in der Schalterhalle des Bahnhofs SBB in Basel durch die Kantonspolizei einer Kontrolle unterzogen. Dabei konnte er lediglich eine italienische Identitätskarte, jedoch keinen Reisepass vorzeigen. Er wurde deshalb wegen des Verdachts auf rechtswidrige Einreise bzw. rechtswidrigen Aufenthalt vorläufig festgenommen und dem Migrationsamt Basel-Stadt (Migrationsamt) übergeben.


Am 28. Januar 2022 verfügte das Migrationsamt eine Vorbereitungshaft im Dublin-Verfahren nach Art. 76a des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG, SR 142.20) von sieben Wochen. Der Beurteilte ersuchte gleichentags um eine richterliche Überprüfung der angeordneten Haft.



Erwägungen


1.

Gemäss Art.80aAbs.3 AIG wird die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft in Dublin-Fällen auf Antrag der inhaftierten Person durch eine richterliche Behörde in einem schriftlichen Verfahren überprüft. Diese Überprüfung kann jederzeit beantragt werden. Die Frist, innert welcher die Überprüfung zu erfolgen hat, ist der Bestimmung nicht zu entnehmen. Das Bundesgericht hat indessen darauf hingewiesen, dass als Richtschnur die für die Überprüfung der ausländerrechtlichen Haft in Art.80Abs. 2 AIG festgelegten 96 Stunden zu gelten haben. Mit der heutigen Überprüfung der Haft wird diese Frist ohne weiteres eingehalten.


2.

2.1 Die zuständige Behörde kann die betroffene ausländische Person gemäss Art.76a Abs. 1 AIG zur Sicherstellung der Wegweisung in den für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staat in Haft nehmen, wenn im Einzelfall konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass sich diese der Durchführung der Wegweisung entziehen will (lit.a; vgl. nachfolgend E. 2.2), die Haft verhältnismässig ist (lit. b; vgl. nachfolgend E.2.4) und sich weniger einschneidende Massnahmen nicht wirksam anwenden lassen (lit. c; vgl. nachfolgend E. 2.3). Art. 76a Abs. 2 AIG normiert Gründe, welche als konkrete Indizien befürchten lassen, die betroffene Person werde sich der Wegweisung entziehen. Es handelt sich um objektive gesetzliche Kriterien für die Annahme von Fluchtgefahr. Die angegebenen Haftgründe decken sich über weite Strecken mit den Haftgründen der Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft nach den Art. 75 f. AIG (Botschaft zur Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstandes vom 7.März 2014 S. 2675 ff., 2702). Ob eine erhebliche Fluchtgefahr tatsächlich besteht, bedarf zusätzlich der Prüfung im Einzelfall (Zünd, in: Kommentar Migrationsrecht, Spescha et al. [Hrsg.], 5. Auflage 2019, Art. 76a AIG N 3). Die betroffene Person kann während der Vorbereitung des Entscheids über die Zuständigkeit für das Asylgesuch für maximal sieben Wochen in Haft genommen werden (Art. 76a Abs. 3 lit. a AIG). Das Dublin-Verfahren kommt auch zur Anwendung, wenn der Betroffene - wie vorliegend - in der Schweiz keinen Asylantrag gestellt hat, dies aber in einem anderen Dublinvertragsstaat getan hat (Botschaft zur Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstandes vom 7. März 2014 S. 2675 ff., 2702; VGE AUS.2019.75 vom 22. Oktober 2019 E.2.1).


2.2

2.2.1 Wie sich aus dem EURODAC-Trefferformular ergibt, hat der Beurteilte am 8.Februar 2018 in Italien (Ragusa) ein Asylgesuch gestellt. Obwohl auf seiner italienischen Identitätskarte explizit vermerkt ist, dass diese nicht zum Grenzübertritt berechtigt («non valida per l'Espatrio»), ist der Beurteilte nunmehr über den Grenzübergang Chiasso von Italien herkommend - ohne die notwendigen Einreisevoraussetzungen zu erfüllen - mit dem Zug in die Schweiz eingereist. Gemäss seinen Angaben anlässlich der Befragung beim Migrationsamt beabsichtigte er, nach Frankreich weiterzureisen, um seine Ausbildung weiterzuführen.


2.2.2 Der Umstand, dass der Beurteilte gemäss Effektenverzeichnis bei der Anhaltung einen Koffer und einen Rucksack mit persönlichen Effekten mitführte, zeigt, dass A____ Italien nicht mit der Absicht eines kürzeren Auslandsaufenthalts, sondern eines längeren, wenn nicht gar definitiven Verbleibs in Frankreich (oder anderenorts) entgegen den dortigen behördlichen Anweisungen und ohne die in der Schweiz geltenden Einreisebestimmungen zu beachten, verlassen hatte. Kommt dazu, dass die angeblich in Frankreich angestrebte Ausbildung nicht einmal ansatzweise konkretisiert wurde und dieses Reisemotiv angesichts seiner aufenthaltsrechtlichen Situation ohnehin nicht besonders glaubhaft erscheint. Es ist daher nach dem Gesagten äusserst unwahrscheinlich, dass sich der offenbar hochmobile Beurteilte im Falle seiner Freilassung einem geordneten Verfahren (= in der Schweiz abwarten, bis klar ist, in welches Land er zurückkehren kann/muss) unterziehen würde. Vielmehr ist anzunehmen, dass er entgegen den behördlichen Anordnungen weiterhin rechtswidrig im Schengen-Raum umherreisen (insbesondere wie beabsichtigt nach Frankreich) bzw. untertauchen würde und damit für die Behörden nicht mehr greifbar wäre (Art. 76a Abs. 2 lit. b AIG). Eine selbständige Rückreise nach Italien ist mangels gültiger Reisepapiere nicht möglich.


2.3 Es stellt sich im Weiteren die Frage, ob ein milderes Mittel als Haft vorhanden ist, welches ein Untertauchen des Beurteilten wirksam verhindern könnte. A____ verfügt nur über unwesentlich Bargeld (EUR 50.10 gemäss Festnahmerapport) und hat auch keinerlei Beziehungen zur Schweiz. Er könnte hier deshalb nirgendwo für die Dauer seines erzwungenen Aufenthalts günstig unterkommen. In dieser Situation erscheint der Anreiz für den Beurteilten, die Freiheit für eine erneute Weiterreise zu missbrauchen bzw. in der Schweiz unterzutauchen, hoch. Eine regelmässige Meldepflicht könnte den offensichtlich hochmobilen A____ kaum davon abhalten. Darüber hinaus besitzt er auch keinen Reisepass, der für die Dauer des Verfahrens beim Migrationsamt hinterlegt werden könnte, wobei ihn das Fehlen eines solchen - wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt - ohnehin nicht davon abgehalten hat, zu reisen. Die Haft ist somit zur Sicherstellung des weiteren Verfahrens notwendig.


2.4 Anhaltspunkte, welche die Haft des Beurteilten als unverhältnismässig erscheinen lassen würden, werden von diesem nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich, zumal es sich bei ihm um einen jungen, gesunden Mann handelt. Auch ist die Anordnung der Vorbereitungshaft für die maximal mögliche Dauer von sieben Wochen (Art. 76a Abs. 3 lit. a AIG) nicht zu beanstanden, da zunächst die Zuständigkeit des Rückübernahmestaates (mutmasslich Italien) zu prüfen ist und das Staatssekretariat für Migration (SEM) anschliessend die Wegweisung verfügen muss. Um dem Beschleunigungsgebot Rechnung zu tragen, hat das Migrationsamt das Dublin-Office erfreulicherweise bereits am 28. Januar 2022 über den zur Diskussion stehenden Sachverhalt informiert, damit dieses die notwendigen Abklärungen und die entsprechende Wegweisung in den mutmasslich zuständigen Dublin-Staat in die Wege leiten kann. Das Migrationsamt ist jedoch gehalten, auch im weiteren Fortgang des Verfahrens das Beschleunigungsgenbot zu wahren.


3.

Die Vorbereitungshaft im Rahmen des Dublin-Verfahrens erweist sich nach dem Gesagten als rechtmässig und angemessen. Für das vorliegende Verfahren werden keine Kosten erhoben (§ 4 des Gesetzes über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht [SG 122.300]).



Demgemäss erkennt der Einzelrichter:


://: Die über A____ angeordnete Vorbereitungshaft ist für sieben Wochen, das heisst vom 28. Januar 2022 bis zum 18. März 2022, rechtmässig und angemessen.


Es werden keine Kosten erhoben.


Der Entscheid ist A____ in einer für ihn verständlichen Sprache durch das Migrationsamt zu eröffnen.


Mitteilung an:

- A____

- Migrationsamt Basel-Stadt

- Staatssekretariat für Migration



VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT


Der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht

Dr. Beat Jucker

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.


Der inhaftierte Ausländer kann jederzeit ein Haftentlassungsgesuch einreichen beim Verwaltungsgericht Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.



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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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