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Urteil Appellationsgericht (BS - AUS.2021.43 (AG.2021.712))

Zusammenfassung des Urteils AUS.2021.43 (AG.2021.712): Appellationsgericht

Der nigerianische Staatsangehörige A____ wurde in Basel festgenommen, da er mit abgelaufenen Dokumenten und einem Einreiseverbot im Schengener Informationssystem unterwegs war. Das Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt verhängte daraufhin eine Vorbereitungshaft von sieben Wochen im Rahmen des Dublin-Verfahrens. Der Beurteilte beantragte eine richterliche Überprüfung der Haft, die daraufhin durchgeführt wurde. Das Gericht entschied, dass die Haft rechtmässig und angemessen sei, da konkrete Anzeichen für Fluchtgefahr vorlägen und kein milderes Mittel zur Sicherstellung des Verfahrens vorhanden sei. Der Richter, Dr. Beat Jucker, entschied, dass keine Kosten erhoben werden und dass der Beschluss dem Beurteilten mitzuteilen sei.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AUS.2021.43 (AG.2021.712)

Kanton:BS
Fallnummer:AUS.2021.43 (AG.2021.712)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid AUS.2021.43 (AG.2021.712) vom 24.12.2021 (BS)
Datum:24.12.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Vorbereitungshaft nach Art. 76a AIG (Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens)
Schlagwörter: Beurteilte; Migration; Basel; Verfahren; Migrationsamt; Schweiz; Wegweisung; Vorbereitung; Einreise; Basel-Stadt; Italien; Vorbereitungs; Vorbereitungshaft; Einreiseverbot; Beurteilten; Ausländer; Überprüfung; Person; Dublin-Verfahren; Wochen; Behörde; Frankreich; Verfahrens; Kantons; Einzelrichter; Zwangsmassnahmen; Ausländerrecht
Rechtsnorm: Art. 75 AIG ;Art. 76a AIG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Spescha, Zünd, Kommentar Migrationsrecht, Art. 76 AIG SR, 2019

Entscheid des Verwaltungsgerichts AUS.2021.43 (AG.2021.712)

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht


AUS.2021.43


URTEIL


vom 24. Dezember 2021




Beteiligte


Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,

Spiegelgasse 12, 4001 Basel


gegen


A____, [...], von Nigeria,

c/o Gefängnis Bässlergut,

Freiburgerstr.48, 4057Basel


Gegenstand


Verfügung des Migrationsamts vom 23. Dezember 2021


betreffend Vorbereitungshaft nach Art. 76a AIG (Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens)



Sachverhalt


Der nigerianische Staatsangehörige A____ (nachfolgend: der Beurteilte) wurde am 23. Dezember 2021 um 01.35 Uhr anlässlich der Kontrolle des FlixBus Mailand-Amsterdam an der Meret Oppenheim-Strasse in Basel durch Beamte der Kantonspolizei Basel-Stadt einer Kontrolle unterzogen. Dabei konnte er sich lediglich mit einem abgelaufenen französischen Asylausweis legitimieren, jedoch keinen Reisepass vorzeigen. Bei der Systemabfrage wurde zudem festgestellt, dass der Beurteilte im Schengener Informationssystem (SIS) mit einem Einreiseverbot belegt ist. Um 01.55 Uhr verfügte die Piketthabende des Migrationsamts Basel-Stadt die vorläufige Festnahme des Beurteilten. Bei der Kleider- und Effektendurchsicht auf der Polizeiwache Kannenfeld wurden zudem ein weiterer Asylausweis und eine Kopie eines solchen aus Italien (beide ebenfalls abgelaufen) gefunden.


Am 23. Dezember 2021 verfügte das Migrationsamt eine Vorbereitungshaft im Dublin-Verfahren nach Art. 76a des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG, SR142.20) von sieben Wochen. Der Beurteilte ersuchte gleichentags um eine richterliche Überprüfung der angeordneten Haft.



Erwägungen

1.

Gemäss Art.80aAbs.3 AIG wird die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft in Dublin-Fällen auf Antrag der inhaftierten Person durch eine richterliche Behörde in einem schriftlichen Verfahren überprüft. Diese Überprüfung kann jederzeit beantragt werden. Die Frist, innert welcher die Überprüfung zu erfolgen hat, ist der Bestimmung nicht zu entnehmen. Das Bundesgericht hat indessen darauf hingewiesen, dass als Richtschnur die für die Überprüfung der ausländerrechtlichen Haft in Art.80Abs. 2 AIG festgelegten 96 Stunden zu gelten haben. Mit der heutigen Überprüfung der Haft wird diese Frist ohne weiteres eingehalten.


2.

2.1 Die zuständige Behörde kann die betroffene ausländische Person gemäss Art.76a Abs. 1 AIG zur Sicherstellung der Wegweisung in den für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staat in Haft nehmen, wenn im Einzelfall konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass sich diese der Durchführung der Wegweisung entziehen will (lit.a; vgl. nachfolgend E. 2.2), die Haft verhältnismässig ist (lit. b; vgl. nachfolgend E.2.4) und sich weniger einschneidende Massnahmen nicht wirksam anwenden lassen (lit. c; vgl. nachfolgend E. 2.3). Art. 76a Abs. 2 AIG normiert Gründe, welche als konkrete Indizien befürchten lassen, die betroffene Person werde sich der Wegweisung entziehen. Es handelt sich dabei um objektive gesetzliche Kriterien für die Annahme von Fluchtgefahr. Als Anzeichen dafür, dass sich die betroffene Person der Durchführung der Wegweisung entziehen will, wird insbesondere deren Verhalten in der Schweiz im Ausland, welches darauf schliessen lässt, dass sie sich behördlichen Anordnungen widersetzt (Art. 76a Abs. 2 lit. b) das Betreten des Gebiets der Schweiz trotz Einreiseverbots (sowie fehlende Möglichkeit der sofortigen Wegweisung), angeführt. Die Haftgründe decken sich über weite Strecken mit den Haftgründen der Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft nach den Art. 75 f. AIG (Botschaft zur Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstandes vom 7.März 2014 S.2675 ff., 2702). Ob eine erhebliche Fluchtgefahr tatsächlich besteht, bedarf zusätzlich der Prüfung im Einzelfall (Zünd, in: Kommentar Migrationsrecht, Spescha et al. [Hrsg.], 5.Auflage 2019, Art. 76a AIG N 3). Die betroffene Person kann während der Vorbereitung des Entscheids über die Zuständigkeit für das Asylgesuch für maximal sieben Wochen in Haft genommen werden (Art. 76a Abs. 3 lit. a AIG). Das Dublin-Verfahren kommt auch zur Anwendung, wenn der Betroffene - wie vorliegend - in der Schweiz keinen Asylantrag gestellt hat, dies aber in einem anderen Dublinvertragsstaat getan hat (Botschaft zur Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstandes vom 7. März 2014 S. 2675 ff., 2702; VGE AUS.2021.20 vom 27. Mai 2021 E. 2.1, AUS.2019.75 vom 22. Oktober 2019 E.2.1).


2.2

2.2.1 Wie sich aus dem EURODAC-Trefferformular ergibt, hat der Beurteilte am 22.Juli bzw. am 12. November 2014 in Italien (Brindisi und Brescia) sowie am 11.September 2019 in Frankreich (570) ein Asylgesuch gestellt. Nur gut 15 Monate später, am 1.Dezember 2020, hat er in Italien (Brescia) erneut um Asyl ersucht, wo ihm am 9. Dezember 2020 gemäss E-Mail des Sirene-Büros auch ein fünf Jahre gültiges schengenweites Einreiseverbot eröffnet wurde. Nunmehr ist der Beurteilte von Mailand herkommend - ohne die notwendigen Einreisevoraussetzungen zu erfüllen und das schengenweite Einreiseverbot ignorierend - mit einem FlixBus in die Schweiz eingereist. Gemäss seinen Angaben gegenüber den Schweizer Behörden habe er - obwohl Familie und Freunde in Italien lebten - die Weihnachtstage in Frankreich verbringen wollen.

2.2.2 Nach dem Gesagten ist äusserst unwahrscheinlich, dass sich der offenbar hochmobile Beurteilte im Falle seiner Freilassung einem geordneten Verfahren (= in der Schweiz abwarten, bis klar ist, in welches Land er zurückkehren kann/muss) unterziehen würde. Vielmehr ist anzunehmen, dass er entgegen den behördlichen Anordnungen weiterhin rechtswidrig im Schengen-Raum umherreisen (insbesondere nach Frankreich Italien) bzw. untertauchen würde und damit für die Behörden nicht mehr greifbar wäre und sich der Durchführung der Wegweisung entziehen würde.

2.3 Es stellt sich im Weiteren die Frage, ob ein milderes Mittel als Haft vorhanden ist, welches ein Untertauchen des Beurteilten wirksam verhindern könnte. Der Beurteilte hat keinerlei Beziehungen zur Schweiz und trägt auch keine Kredit- bzw. Debitkarte auf sich. Der grösste Teil der bei ihm in den Effekten aufgefundenen EUR1'009.- Bargeld werden mutmasslich für die Kosten des noch auszufertigenden Strafbefehls (Verurteilung wegen rechtswidriger Einreise im Sinne von Art. 115 Abs.1 lit. a AIG) eingezogen werden. A____ könnte hier deshalb nirgendwo für die Dauer seines erzwungenen Aufenthalts günstig unterkommen. In dieser Situation erscheint der Anreiz für den Beurteilten, die Freiheit für eine erneute Weiterreise zu missbrauchen bzw. in der Schweiz unterzutauchen, hoch. Eine regelmässige Meldepflicht könnte den offensichtlich hochmobilen Beurteilten kaum davon abhalten. Darüber hinaus trägt er auch keinen Reisepass auf sich, der für die Dauer des Verfahrens beim Migrationsamt hinterlegt werden könnte, wobei ihn das Fehlen eines solchen - wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt - ohnehin nicht davon abgehalten hat, zu reisen und auch ein schengenweites Einreiseverbot besteht. Die Haft ist zur Sicherstellung des weiteren Verfahrens daher notwendig.


2.4 Anhaltspunkte, welche die Haft des Beurteilten als unverhältnismässig erscheinen lassen würden, sind nicht ersichtlich, zumal es sich bei ihm um einen jungen, gesunden Mann handelt. Auch ist die Anordnung der Vorbereitungshaft für die maximal mögliche Dauer von sieben Wochen (Art. 76a Abs. 3 lit. a AIG) nicht zu beanstanden, da die Zuständigkeit von zwei Staaten (Italien und Frankreich) zu prüfen ist und das Staatssekretariat für Migration (SEM) anschliessend die Wegweisung verfügen muss. Das Migrationsamt ist jedoch gehalten, das notwendige Verfahren mit einer Anfrage beim SEM zügig in die Wege zu leiten und damit das Beschleunigungsgenbot weiterhin zu wahren.


3.

Die Vorbereitungshaft im Rahmen des Dublin-Verfahrens erweist sich nach dem Gesagten als rechtmässig und angemessen. Für das vorliegende Verfahren werden keine Kosten erhoben (§ 4 des Gesetzes über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht [SG 122.300]).



Demgemäss erkennt der Einzelrichter:


://: Die über A____ angeordnete Vorbereitungshaft ist für sieben Wochen, das heisst vom 23. Dezember 2021 bis zum 10. Februar 2022, rechtmässig und angemessen.


Es werden keine Kosten erhoben.


Der Entscheid ist A____ in einer für ihn verständlichen Sprache durch das Migrationsamt zu eröffnen.


Mitteilung an:

- A____

- Migrationsamt Basel-Stadt

- Staatssekretariat für Migration (SEM)



VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT


Der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht

Dr. Beat Jucker

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.


Der inhaftierte Ausländer kann jederzeit ein Haftentlassungsgesuch einreichen beim Verwaltungsgericht Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.



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