Kanton: | BS |
Fallnummer: | AUS.2020.54 (AG.2020.655) |
Instanz: | Appellationsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 02.12.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Vorbereitungshaft nach Art 76a AIG (Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens) |
Schlagwörter: | Migrationsamt; Verfahren; Person; Dublin-Verfahren; Verfügt; Vorbereitung; Wegweisung; Werden; Dezember; Beurteilte; Behörde; Verfahrens; Schweiz; Überprüfung; Dublin-Verfahrens; Rechtlich; Deutschland; Befürchten; Entziehen; Wochen; Lassen; Identität; Grenzwache; Gemäss; Basel-Stadt; Rahmen; Fluchtgefahr; Bundesgericht; Angaben; Betroffene |
Rechtsnorm: | Art. 75 AIG ; Art. 76a AIG ; Art. 80a AIG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: |
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im |
AUS.2020.54
URTEIL
vom 2. Dezember 2020
Beteiligte
Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,
Spiegelgasse 12, Postfach, 4001 Basel
gegen
A____, von Algerien,
alias B____, von Algerien,
zurzeit: c/o Gefängnis Bässlergut,
Freiburgerstr.48, 4057Basel
Gegenstand
Verfügung des Migrationsamtes vom 1. Dezember 2020
betreffend Vorbereitungshaft nach Art 76a AIG (Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens)
Sachverhalt
A____, alias B____, von Algerien, wurde am 30. November 2020 auf der Passerelle des Bahnhofs SBB von der Grenzwache kontrolliert und um 14.55 Uhr angehalten, nachdem er sich mit keinerlei Reise- oder Identitätsdokumenten ausweisen konnte; er hat der Grenzwache die zweitgenannte Personalie angegeben und wurde dann der Kantonspolizei zuhanden des Migrationsamtes übergeben, welches die Festnahme verfügt hatte. Am 1. Dezember 2020 haben die vom Migrationsamt angefragten Deutschen Behörden vermeldet, die Peron sei EURODAC-positiv und habe in Deutschland am 6. November 2020 unter der Personalie A____, ein Asylgesuch gestellt. Die Staatsanwaltschaft hat A____, alias B____ mit Strafbefehl vom 1. Dezember 2020 der rechtswidrigen Einreise schuldig erklärt und bestraft mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu CHF 30.--, wobei der Vollzug aufgeschoben wurde bei einer Probezeit von 2 Jahren, sowie mit einer Busse von CHF 100.--, bei schuldhafter Nichtbezahlung ersatzweise einer Freiheitsstrafe von 1 Tag, wovon durch den Freiheitsentzug 1 Tag Geldstrafe getilgt ist. Gleichfalls am 1. Dezember 2020 hat das Migrationsamt A____ das rechtliche Gehör gewährt und Haft im Rahmen des Dublin-Verfahrens gemäss Art. 76a lit. a AIG für 7 Wochen bis 16. Januar 2021 verfügt. A____ hat gleichentags die gerichtliche Überprüfung der Haft beantragt.
Erwägungen
1.
Gemäss Art.80aAbs.3 AIG wird die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft in Dublin-Fällen auf Antrag der inhaftierten Person durch eine richterliche Behörde in einem schriftlichen Verfahren überprüft. Diese Überprüfung kann jederzeit beantragt werden. Die Frist, innert welcher diese Überprüfung zu erfolgen hat, ist der Bestimmung nicht zu entnehmen. Das Bundesgericht hat indessen darauf hingewiesen, dass als Richtschnur die für die Überprüfung der ausländerrechtlichen Haft in Art.80Abs. 2 AIG festgelegten 96 Stunden zu gelten haben. Mit der heutigen Überprüfung der Haft ist diese Frist gewahrt.
2.
2.1 Die zuständige Behörde kann die betroffene ausländische Person gemäss Art.76a Abs. 1 AIG zur Sicherstellung der Wegweisung in den für das Asylverfahren zuständigen Dublin-Staat in Haft nehmen, wenn im Einzelfall konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass sich diese der Durchführung der Wegweisung entziehen will (lit. a), die Haft verhältnismässig ist (lit. b) und sich weniger einschneidende Massnahmen nicht wirksam anwenden lassen (lit. c). Art. 76a Abs. 2 AIG normiert Gründe, welche als konkrete Indizien befürchten lassen, die betroffene Person werde sich der Wegweisung entziehen. Es handelt sich um objektive gesetzliche Kriterien für die Annahme von Fluchtgefahr. Die angegebenen Haftgründe decken sich über weite Strecken mit den Haftgründen der Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft nach den Art. 75 f. AIG (Botschaft zur Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstandes vom 7. März 2014 S. 2675 ff., 2702). Ob eine erhebliche Fluchtgefahr tatsächlich besteht, bedarf zusätzlich der Prüfung im Einzelfall (Zünd, in: Kommentar Migrationsrecht, Spescha et al. [Hrsg.], 4. Auflage 2015, Art. 76a AuG N 3). Die betroffene Person kann während der Vorbereitung des Entscheids über die Zuständigkeit für das Asylgesuch für maximal sieben Wochen in Haft genommen werden (Art. 76a Abs. 3 lit. a AIG). Das Dublin-Verfahren kommt auch zur Anwendung, wenn der Betroffene in der Schweiz keinen Asylantrag gestellt hat, dies aber in einem anderen Dublinvertragsstaat getan hat (Botschaft zur Weiterentwicklung des Dublin/Eurodac-Besitzstandes vom 7. März 2014 S. 2675 ff., 2702; AGE AUS.2016.24 vom 14. März 2016 E. 2.3).
2.2 Der Beurteilte ist gemäss Eurodac in Deutschland als Asylbewerber erfasst. Seinen Angaben der Grenzwache zufolge sei er in die Schweiz eingereist, um einen Freund in Genf zu besuchen. Dem Migrationsamt gegenüber hat er abweichend davon angegeben, er wolle nicht nach Genf, sondern nach Marseille. Auf Frage hin gab er an, im Falle einer Freilassung wolle er in der Schweiz Arbeit suchen; daran hielt er auf weitere Frage des Migrationsamtes hin nicht fest und kam darauf zurück, nach Marseille reisen zu wollen.
Damit hat der Beurteilte widersprüchliche Angaben gemacht. Weitere widersprüchliche Angaben hat er zu seiner Identität gemacht, indem er sich gegenüber der schweizerischen Grenzwache als B____ ausgegeben hat, gegenüber den deutschen Asylbehörden dagegen als A____. Damit hat er die Behörden über seine Identität getäuscht. Er verfügt über keine Identitätspapiere und hat keinerlei Bezug zur Schweiz. Deutschland hat er verlassen, obwohl er sich dort in einem Asylverfahren befindet. Diese Situation begründet Fluchtgefahr im Sinn der angeführten Rechtsgrundlagen. Der Beurteilte ist zur Einreise und zum Aufenthalt in der Schweiz nicht berechtigt. Das Verhalten des Beurteilten lässt somit befürchten, dass er sich der Durchführung der Wegweisung entziehen will. Insbesondere ist zu befürchten, dass er im Falle seiner Freilassung weiter eigenmächtig umherreisen (z.B. nach Marseille) und sich dem geordneten Verfahren damit entziehen würde. Weniger einschneidende Massnahmen als die Haft sind nicht ersichtlich, zumal der Beurteilte über keine Reisepapiere verfügt.
Der Wegweisungsvollzug nach Deutschland ist rechtlich und tatsächlich möglich und zumutbar. Zur Sicherstellung des Verfahrens erscheint die angeordnete Haft für 7 Wochen also notwendig und verhältnismässig, und sie ist rechtmässig.
3.
Die angeordnete Vorbereitungshaft im Rahmen des Dublin-Verfahrens erweist sich nach dem Gesagten für 7 Wochen und damit für die verfügte Dauer bis 16. Januar 2021 als rechtmässig und angemessen. Für das vorliegende Verfahren werden keine Kosten erhoben (§ 4 des Gesetzes über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht [SG 122.300]).
Demgemäss erkennt der Einzelrichter:
://: Die über A____, alias B____ angeordnete Vorbereitungshaft im Rahmen des Dublin-Verfahrens ist bis zum 16. Januar 2021 rechtmässig und angemessen.
Es werden keine Kosten erhoben.
Der Entscheid ist A____, alias B____ in einer für ihn verständlichen Sprache durch das Migrationsamt zu eröffnen.
Mitteilung an:
- A____, alias B____
- Migrationsamt Basel-Stadt
- Staatssekretariat für Migration.
VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT
Der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht
Dr. Peter Bucher
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
Die inhaftierte Person kann jederzeit beim Verwaltungsgericht Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel, ein Haftentlassungsgesuch einreichen. Über das Gesuch hat die richterliche Behörde innert acht Arbeitstagen in einem schriftlichen Verfahren zu entscheiden (Art. 80a Abs. 4 AIG).
Bestätigung
Dieses Urteil wurde A____, alias B____ durch das Migrationsamt
in _________________ Sprache eröffnet.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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