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Urteil Appellationsgericht (BS - AUS.2016.106 (AG.2016.856))

Zusammenfassung des Urteils AUS.2016.106 (AG.2016.856): Appellationsgericht

A____ aus Marokko wurde in Basel festgenommen, als er ohne gültige Dokumente nach Frankreich ausreisen wollte. Nachdem er sein Asylgesuch zurückgezogen hatte, erklärte er, dass er nach Marokko zurückkehren wolle. Das Migrationsamt ordnete daraufhin eine Ausschaffungshaft von 3 Monaten an. In einer Verhandlung wurde festgestellt, dass die Haft unverhältnismässig sei, da A____ ernsthaft plane, in seine Heimat zurückzukehren und somit keine Fluchtgefahr bestehe. Die Einzelrichterin entschied, dass A____ unverzüglich aus der Haft entlassen werden soll.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AUS.2016.106 (AG.2016.856)

Kanton:BS
Fallnummer:AUS.2016.106 (AG.2016.856)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid AUS.2016.106 (AG.2016.856) vom 27.12.2016 (BS)
Datum:27.12.2016
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Anordnung der Ausschaffungshaft
Schlagwörter: Migration; Migrationsamt; Ausländer; Beurteilte; Ausschaffung; Basel; Ausschaffungshaft; Asylgesuch; Einzelrichter; Marokko; Anordnung; Vollzug; Untertauchens; Verhandlung; Einzelrichterin; Untertauchensgefahr; Heimat; Basel-Stadt; Zwangsmassnahmen; Ausländerrecht; Italien; Beurteilten; Behörde; Verhalten; ässlich
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:128 II 241; 129 I 139;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AUS.2016.106 (AG.2016.856)

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht


AUS.2016.106


URTEIL


vom 27. Dezember 2016




Beteiligte


Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,

Spiegelgasse 12, 4001 Basel


gegen


A____, geb. [...], von Marokko,

zurzeit in Haft im Gefängnis Bässlergut,

Freiburgerstr.48, 4057Basel


Gegenstand


Verfügung des Migrationsamtes vom 23. Dezember 2016


betreffend Anordnung der Ausschaffungshaft


Sachverhalt


A____ stammt aus Marokko. Er wurde am 2. Dezember 2016 in Basel kontrolliert, als er versuchte, ohne gültige Dokumente nach Frankreich auszureisen. Im Anschluss an seine Kontrolle wurde er festgenommen und dem Migrationsamt Basel-Stadt übergeben. Dieses verfügte am 3. Dezember 2016 gestützt auf Art. 76a Abs. 1 bis 3 des Ausländergesetzes (AuG, SR 142.20) eine Vorbereitungshaft von sieben Wochen bis zum 19. Januar 2017. Nachdem A____ sein in der Schweiz eingereichtes Asylgesuch zurückgezogen und das betreffende Verfahren vom Bundesamt für Migration (SEM) deshalb als gegenstandslos abgeschrieben worden war, erklärte A____ gegenüber dem Migrationsamt, dass er nicht nach Italien, sondern nach Marokko zurückkehren wolle. Er habe diesbezüglich bereits Kontakt mit seiner heimatlichen Botschaft aufgenommen. Aufgrund dieses Sachverhalts wurde entschieden, das Dublin Rückübernahmegesuch nach Italien zwar weiterhin offen zu halten, primär aber den Vollzug der Wegweisung nach Marokko weiterzuverfolgen. Das Migrationsamt wies den Ausländer deshalb aus der Schweiz weg und verfügte am 23. Dezember 2016 neu gestützt auf Art. 76 AuG eine Ausschaffungshaft von 3 Monaten. In der heutigen Verhandlung ist A____ befragt worden, wofür auf das Protokoll verwiesen wird.



Erwägungen


1.

Der Beurteilte befindet sich bereits in einer bis zum 19. Januar 2017 angeordneten Haft gemäss Art. 76a AuG. Das Migrationsamt hat die heute zu überprüfende Ausschaffungshaft am Morgen des 23. Dezembers 2016 gestützt auf Art. 76 AuG verfügt und sie am Nachmittag des gleichen Tages dem Beurteilten eröffnet, womit die neue Haft an die Stelle der zuvor verfügten getreten ist. Gemäss Art.80 Abs. 2 AuG sind die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft spätestens nach 96 Stunden durch eine richterliche Behörde aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu überprüfen. Diese Frist ist mit der heutigen Verhandlung (27. Dezember 2016, 10.45 Uhr) eingehalten. Zuständig zur Überprüfung der Haft ist eine Einzelrichterin am Appellationsgericht als Verwaltungsgericht (vgl. § 2 des Gesetzes über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht [SG122.300]).


2.

2.1 Nach den gesetzlichen Vorschriften kann ein Ausländer zur Sicherstellung des Vollzugs eines erstinstanzlichen Weg- Ausweisungsentscheids in Haft genommen werden, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass er sich der Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil er der Mitwirkungspflicht nach Art. 90 AuG sowie Art. 8 Abs. 1 lit. a Abs. 4 AsylG nicht nachkommt (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 AuG). Untertauchensgefahr liegt regelmässig vor, wenn der Ausländer bereits einmal untergetaucht ist, behördlichen Auflagen keine Folge leistet, hier straffällig geworden ist, durch erkennbar unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben die Vollzugsbemühungen der Behörden zu erschweren versucht sonst klar zu erkennen gibt, dass er auf keinen Fall in sein Heimatland zurückzukehren bereit ist (BGE 128 II 241 E. 2.1 S. 243; 125 II 369 E. 3 b/aa S. 375). Untertauchensgefahr ist auch zu bejahen bei eigentlichen Täuschungsmanövern, um die Identität zu verschleiern bzw. die Papierbeschaffung zu erschweren (z.B. Verwendung gefälschter Papiere, Auftreten unter mehreren Namen). Das Gleiche gilt bei strafrechtlich relevantem Verhalten, ist bei einem straffällig gewordenen Ausländer doch eher als bei einem unbescholtenen davon auszugehen, er werde in Zukunft behördliche Anordnungen missachten (vgl. auch Art. 75 Abs. 1 lit. g und h AuG). Gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 AuG kann ein Ausländer ferner auch dann in Haft genommen werden, wenn sein Verhalten darauf schliessen lässt, dass er sich behördlichen Anordnungen widersetzt.


2.2 Das Migrationsamt begründet die Untertauchensgefahr einerseits damit, dass sich der Beurteilte nachweislich seit über einem Jahr illegal in diversen Ländern des Schengenraumes aufhält. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts reicht allerdings ein solcher illegaler Aufenthalt nicht aus, um Untertauchensgefahr zu begründen (vgl. statt vieler BGE 129 I 139 E. 4.2.1 S. 146 f.). Das Migrationsamt stützt sich denn auch zusätzlich auf den Umstand, dass der Beurteilte anlässlich seiner Verhaftung ein Asylgesuch eingereicht hat mutmasslich lediglich zum Zwecke der Verhinderung einer Rückschaffung in seine Heimat. Die Einreichung eines missbräuchlichen Asylgesuchs bildet bei der Vorbereitungshaft nach Art. 76a Abs. 2 lit. f und auch nach Art. 75 Abs. 1 lit. f AuG einen möglichen Haftgrund und kann insofern auch bei der Ausschaffungshaft gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b AuG von Bedeutung sein. Im Zeitpunkt der Anordnung der ersten Haft durch das Migrationsamt am 3.Dezember2016 durfte die Einreichung eines aussichtslosen Asylgesuchs, welches in klarem Zusammenhang mit der Verhaftung und dem drohenden Vollzug der Wegweisung des Beurteilten stand, auch entsprechend gewürdigt werden. In der Zwischenzeit hat der Beurteilte allerdings sein Asylgesuch zurückgezogen, weil er den Wunsch hegt, nach Marokko zurückzukehren. Diesen Wunsch hat er anlässlich der Verhandlung der Einzelrichterin erneut ausgesprochen und erklärt, seine Mutter sei schwer krank, sie werde bald sterben. Er hat offenbar auch bereits mit der Beschaffung eines Ersatzdokuments begonnen, indem er veranlasst hat, dass der marokkanischen Botschaft durch einen Freund in Italien eine Kopie seiner Geburtsurkunde und seines marokkanischen Führerausweises zugesandt werden. Es handelt sich somit eher nicht nur um eine vorgetäuschte Absicht. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Beurteilte nunmehr tatsächlich schnellstmöglich in seine Heimat reisen will, wie er das im Übrigen auch schon anlässlich seiner ersten Einvernahme beim Migrationsamt geäussert hat, bevor er sein Asylgesuch einreichte. Das Migrationsamt selbst geht offenbar auch davon aus, dass die durch den Beurteilten geäusserte Absicht der Rückkehr in die Heimat ernst gemeint ist. Da die Gefahr des Untertauchens immer auf einer Prognose beruht, kann absolute Sicherheit über das zukünftige Verhalten nie bestehen. Im vorliegenden Fall ist es nach dem Gesagten jedoch sehr zweifelhaft, ob der Beurteilte in Freiheit untertauchen würde. Nach seinen Angaben hat er in der Region einen Freund, bei dem er unterkommen könnte und der sicherlich bereit wäre, die Adresse dem Migrationsamt mitzuteilen. Auch kann ihm eine regelmässige Meldepflicht auferlegt werden. Angesichts der vorhandenen Zweifel erweist sich die Haft nicht länger als verhältnismässig. A____ ist deshalb unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Sollte der Beurteilte den ihm bei der Entlassung durch das Migrationsamt auferlegten Pflichten nicht nachkommen, steht eine erneute Anordnung von Ausschaffungshaft im Ermessen der Behörde.



Demgemäss erkennt die Einzelrichterin:


://: Die über A____ angeordnete Ausschaffungshaft ist unverhältnismässig. A____ ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen.


VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT


Die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht

lic. iur. Saskia Schärer



Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.



Hinweis


Dieses Urteil wurde dem Ausländer am heutigen Tag mündlich erläutert und schriftlich ausgehändigt.



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