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Urteil Appellationsgericht (BS - AUS.2016.105 (AG.2016.852))

Zusammenfassung des Urteils AUS.2016.105 (AG.2016.852): Appellationsgericht

Ein marokkanischer Staatsangehöriger wurde aufgrund eines Verstosses gegen ein Einreiseverbot im Schengenraum in Ausschaffungshaft genommen. Er machte widersprüchliche Angaben zu seiner Reisetätigkeit und Aufenthaltsdauer, was auf eine illegale Absicht hinweist. Zudem wurden Schlüssel gefunden, die darauf hindeuten, dass er sich bereits niedergelassen hat. Da er keine Reisepapiere besitzt und seine Identität nicht gesichert ist, wurde die Haft für drei Monate angeordnet. Die Einzelrichterin entschied, dass die Haft rechtmässig und angemessen ist, und es werden keine Kosten erhoben.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AUS.2016.105 (AG.2016.852)

Kanton:BS
Fallnummer:AUS.2016.105 (AG.2016.852)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid AUS.2016.105 (AG.2016.852) vom 21.12.2016 (BS)
Datum:21.12.2016
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Anordnung der Ausschaffungshaft
Schlagwörter: Ausländer; Migration; Migrationsamt; Schweiz; Behörde; Behörden; Ausschaffung; Basel; Italien; Ausländerrecht; Ausschaffungshaft; Deutschland; Einreise; Verhandlung; Vollzug; Schengen; Untertauchensgefahr; Aufenthalt; Zwangsmassnahmen; Verfügung; Deutschen; Aufenthalts; Schengenraum; Ausweisung; Kantons; Basel-Stadt; Verwaltungsgericht; Einzelrichter; Marokko
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:125 II 369; 127 II 168; 128 II 241; 129 I 139; 130 II 56;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AUS.2016.105 (AG.2016.852)

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht


AUS.2016.105


URTEIL


vom 21. Dezember 2016




Beteiligte


Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,

Spiegelgasse 12, Postfach, 4001 Basel


gegen


A____, geb. [...], von Marokko,

zurzeit im Gefängnis Bässlergut, Freiburgerstrasse48, 4057Basel


Gegenstand


Verfügung des Migrationsamtes vom 20. Dezember 2016


betreffend Anordnung der Ausschaffungshaft


Sachverhalt


Der gemäss eignen Angaben marokkanische Staatsangehörige A____ reiste am 18.Dezember 2016 mit dem Zug von Zürich Richtung Amsterdam, Holland. Im Zug wurde er von Mitarbeitern der Deutschen Bahn kontrolliert. Da er kein Bahnbillet hatte, wurde er am Bahnhof Offenburg, Deutschland, der Deutschen Polizei übergeben. Die Deutschen Behörden ersuchten sodann die Schweizer Behörden um Rückübernahme, woraufhin A____ am 19. Dezember 2016 via Kantonspolizei dem Migrationsamt zugeführt wurde.


Mit Strafbefehl vom 20. Dezember 2016 wurde A____ der rechtswidrigen Einreise und des rechtswidrigen Aufenthalts schuldig erklärt und zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 60 Tagessätzen, bei einer Probezeit von 2 Jahren, sowie zur Zahlung einer Busse von CHF 500.- verurteilt, wobei ein Tagessatz als durch einen Tag Freiheitsentzug abgegolten gilt.


Mit Verfügungen des Migrationsamt vom 20. Dezember 2016 wurde A____ aus der Schweiz weggewiesen und für die Dauer von drei Monaten in Aus-
schaffungshaft gesetzt. An der heutigen Gerichtsverhandlung wurde zur Sache befragt. Er führt aus, er habe keine Probleme, weder in Italien noch in Marokko. Er habe lediglich finanzielle Probleme. Er verstehe nicht, weshalb ihn die Schweizer Behörden in Haft genommen haben. Er habe nichts getan. Für sämtliche Ausführungen wird auf das Protokoll verwiesen.


Erwägungen


1.

Gemäss Art. 80 Abs. 2 Ausländergesetz (AuG, SR 142.20) sind die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft spätestens nach 96 Stunden durch eine richterliche Behörde aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu überprüfen. Diese Frist ist mit der heutigen Verhandlung und Haftüberprüfung eingehalten.


2.

Die Ausschaffungshaft setzt einen erstinstanzlichen Weg- Ausweisungsentscheid voraus, dessen Vollzug mit der entsprechenden Festhaltung sichergestellt werden soll. Die Verfügung muss (noch) nicht in Rechtskraft erwachsen sein (Busslinger/Segessenmann, Ausschaffung im Dublin-Verfahren, in: Rechtsschutz bei Schengen Dublin, Breitenmoser/Gless/Lagodny [Hrsg.], Zürich/St. Gallen 2013, S. 207, 214; Göksu, in: Handkommentar AuG, Caroni/Gächter/Thurnherr [Hrsg.], Bern 2010, Art. 76 AuG N 2). A____ wurde mit Verfügung des Migrationsamts vom 20. Dezember 2016 aus der Schweiz weggewiesen.



3.

3.1 Nach den gesetzlichen Vorschriften kann ein Ausländer zur Sicherstellung des

Vollzugs eines eröffneten erstinstanzlichen Weg- Ausweisungsentscheids insbesondere in Haft genommen werden, wenn Gründe nach Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. b, c, g h AuG vorliegen, so etwa wenn gegen eine Einreisesperre für das Gebiet der Schweiz verstossen wird (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. c AuG). Ausserdem kann er in Haft genommen werden, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass er sich der Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil er besonderen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 AuG), wenn Untertauchensgefahr vorliegt (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff.3 und 4 AuG). Dies ist regelmässig der Fall, wenn der Ausländer bereits einmal untergetaucht ist, behördlichen Auflagen keine Folge leistet, hier straffällig geworden ist, durch erkennbar unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben die Vollzugsbemühungen der Behörden zu erschweren versucht sonst klar zu erkennen gibt, dass er auf keinen Fall in sein Heimatland zurückzukehren bereit ist (BGE 128 II 241 E. 2.1 S. 243, 125 II 369 E. 3 b/aa S. 375). Untertauchensgefahr ist auch zu bejahen bei eigentlichen Täuschungsmanövern, um die Identität zu verschleiern bzw. die Papierbeschaffung zu erschweren (z.B. Verwendung gefälschter Papiere, Auftreten unter mehreren Namen). Das Gleiche gilt bei strafrechtlich relevantem Verhalten, ist bei einem straffällig gewordenen Ausländer doch eher als bei einem unbescholtenen davon auszugehen, er werde in Zukunft behördliche Anordnungen missachten (vgl. auch Art. 75 Abs. 1 lit. g und h AuG). Dass der Betroffene einer Ausreiseanordnung nicht Folge geleistet hat und sich illegal in der Schweiz aufhält, genügt hierfür allein allerdings nicht, ebenso wenig wie die Tatsache, dass er keine Papiere besitzt und nur mangelhaft an deren Beschaffung mitwirkt. Die Passivität des Ausländers kann jedoch, gleich wie das Fehlen eines festen Aufenthaltsorts die Mittellosigkeit, ein weiterer Hinweis dafür sein, dass er sich der Ausschaffung entziehen will (BGE 129 I 139 E 4.2.1 S. 146 f.).


Die Beurteilung der Untertauchensgefahr beruht auf einer Prognose. Diese ist in erster Linie vom Haftgericht vorzunehmen und zu begründen, letzteres nicht zuletzt deshalb, da das Haftgericht den Ausländer im Rahmen der obligatorischen mündlichen Verhandlung befragt und von ihm einen persönlichen Eindruck erhält (vgl. Hugi Yar, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: Ausländerrecht, Uebersax et al. [Hrsg.], 2. Auflage 2009, Rz. 10.94; Entscheid des Verwaltungsgerichts ZH VB.2014.00104 E. 4.3).


3.1 Das Migrationsamt begründet die angeordnete Haft mit dem Verstoss gegen ein von den italienischen Behörden am 19. Februar 2016 verhängtes und für den gesamten Schengenraum geltendes Einreiseverbot, dass noch bis zum 19. Februar 2019 gilt, sowie mit dem Bestehen einer Untertauchensgefahr.


3.2 Der Begründung des Migrationsamt ist beizupflichten. Gemäss eigenen Angaben wurde A____ in Italien mehrmals von der Polizei kontrolliert. Es ist deshalb davon auszugehen, dass ihm das Einreiseverbot bekannt war. Er wusste folglich, dass es ihm nicht gestattet ist, sich im Schengenraum zu bewegen und hat mit seiner regen Reisetätigkeit innerhalb von Europa dagegen verstossen. Dass er an der Verhandlung wiederholt aussagt, mit den italienischen Behörden habe er nie Probleme gehabt, zeigt, dass er in keiner Art und Weise gewillt ist, sich an das angeordnete Verbot zu halten.


Hinzu kommt, dass A____ widersprüchliche Angaben macht: gegenüber den Deutschen Behörden gab er an, mit dem Schiff von Marokko in die Türkei eingereist zu sein, gegenüber dem Migrationsamt gab er hingegen an, mit dem Flugzeug eingereist zu sein. Heute führte er aus, er sie mit dem Flugzeug in die Türkei und von dort aus mit dem Schiff nach Griechenland. Auch in Bezug auf die Dauer seines Aufenthalts in der Schweiz sagt er nicht einheitlich aus: in Deutschland behauptete er, bereits am 3. Dezember 2016 in die Schweiz eingereist zu sein, gegenüber dem Migrationsamt sagte er aus, sich erst seit 4 bis 5 Tagen in der Schweiz aufgehalten zu haben. Er will zudem in Mazedonien, Slowenien, Deutschland und Österreich gearbeitet und einzig in Italien keine Arbeit gefunden haben. Gleichwohl will der in Italien ungefähr 8 bis 10 Monate von den insgesamt ca. 18 Monaten Aufenthalt seit der Einreise in die Türkei gelebt haben. An der heutigen Verhandlung behauptet er nun, er habe nur in Italien gearbeitet und nicht in den anderen Ländern. Er habe aktuell via Deutschland nach Holland fahren wollen, um dort um Asyl zu ersuchen, weil man dann ca. EUR 350.- monatlich sowie eine Unterkunft erhalte. Nach Europa sei er gekommen, um Arbeit zu finden. Aus diesen Aussagen ergeht in aller Deutlichkeit, dass A____ sich illegal im Schengenraum aufhalten will, um sich sein Leben zu finanzieren, sei es mit Schwarzarbeit unter Ausnützung der Asylsysteme. In den Effekten des A____ wurden ausserdem zwei Schlüssel gefunden, was nahe legt, dass er sich entgegen seinen Aussagen vor seiner Inhaftnahme entweder in der Schweiz in Italien bereits häuslich niedergelassen hat. Dass er diese Schlüssel nur auf sich trägt, um nicht von den Behörden belästigt zu werden, wie er heute zur Protokoll gegeben hat, vermag nicht zu überzeugen. Letztlich ist noch nicht einmal die Identität des A____ gesichert, verfügt er doch über keine Reisepapiere. Mit seiner Kooperation in Freiheit kann vor diesem Hintergrund nicht gerechnet werden. Das Vorliegen von Untertauchensgefahr ist damit zu bejahen.


4.

4.1 Die Vorbereitungs- und die Ausschaffungshaft nach Art. 75 bis 77 AuG sowie die Durchsetzungshaft nach Art. 78 AuG dürfen zusammen in der Regel die maximale Haftdauer von sechs Monaten nicht überschreiten (Art. 79 Abs. 1 AuG). Weiter darf der Vollzug einer allfälligen Weg- Ausweisung nicht aus rechtlichen tatsächlichen Gründen undurchführbar sein (Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG; BGE 127 II 168 E. 2c S. 171 f.). Schliesslich muss die zuständige Behörde ohne Verzug über die Aufenthaltsberechtigung des Ausländers entscheiden (Art. 75 Abs. 2 AuG, Beschleunigungsgebot) und die Haft als Ganzes verhältnismässig sein (vgl. BGE 130 II 56 E. 1S. 58 und BGE 125 II 369 E. 3a S. 374 f.).


4.2 A____ will seine Reisedokumente verloren haben, wobei sie ihm gemäss seinen Angaben in Deutschland ins Wasser gefallen und gemäss seinen Angaben in der Schweiz gestohlen worden seien. Es ist davon auszugehen, dass es sich um Schutzbehauptungen handelt und A____ entweder ohne Dokumente in den Schengenraum einreiste sich dieser selbst entledigte diese irgendwo versteckt hält. Damit hat er es seinem eigenen Verhalten zuzuschreiben, wenn für die Abklärung seiner Identität sowie die Organisation seiner Ausweisung längere Zeit beansprucht wird. Es rechtfertigt sich die Anordnung der Haft für die Dauer von drei Monaten. Sollte, wie in der Haftverfügung angedeutet, eine Rückschaffung in ein europäisches Land gemäss dem Dublin-Verfahren möglich sein, wäre seitens des Migrationsamt nötigenfalls die Haft gemäss den Bestimmungen von Art. 76a. AuG anzuordnen. Sollte sich die Zuständigkeit eines anderen europäischen Landes aufgrund eines bilateralen Rückübernahmeabkommen ergeben, bleibt es bei der angeordneten Ausschaffungshaft nach Art. 76 AuG.


5.

Es werden keine Kosten erhoben (§ 4 Gesetz über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, SG, 122.300).



Demgemäss erkennt die Einzelrichterin:


://: Die über A____ angeordnete Ausschaffungshaft ist vom 19. Dezember 2016 bis 18. März 2017 rechtmässig und angemessen.


Es werden keine Kosten erhoben.


Mitteilung an:

- A____

- Migrationsamt

- Staatssekretariat für Migration


VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT


Die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht

lic. iur. Barbara Grange


Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.


Der inhaftierte Ausländer kann einen Monat nach der Haftüberprüfung ein Haftentlassungsgesuch einreichen beim Verwaltungsgericht Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.


Hinweis


Dieses Urteil wurde dem Ausländer am heutigen Tag mündlich erläutert und schriftlich ausgehändigt.



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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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