Zusammenfassung des Urteils EBVU 23.523: DEPARTEMENT BAU, VERKEHR UND UMWELT Rechtsabteilung
Die Wohnbaugenossenschaft A._____ hat Beschwerde gegen den Entscheid des Gemeinderats Q._____ eingereicht, der ihr Baugesuch für die Aufstockung eines Mehrfamilienhauses abgelehnt hat. Das Gericht hat festgestellt, dass private Vorhaben in Zonen für öffentliche Bauten und Anlagen nicht zulässig sind. Es wurde betont, dass Alterswohnungen im öffentlichen Interesse liegen und somit zonenkonform sein können, wenn sie einen engen funktionalen Zusammenhang mit Alters- und Pflegeheimen haben. Die geplanten Seniorenwohnungen der Wohnbaugenossenschaft wurden jedoch als nicht zonenkonform eingestuft, da sie nicht ausreichend zwecksicher waren und kein funktionaler Zusammenhang zu einem Alters- und Pflegeheim bestand. Die Entscheidung des Gerichts basierte auf der fehlenden Erfüllung der Kriterien für Alterswohnungen im öffentlichen Interesse.
Kanton: | AG |
Fallnummer: | EBVU 23.523 |
Instanz: | DEPARTEMENT BAU, VERKEHR UND UMWELT Rechtsabteilung |
Abteilung: | - |
Datum: | 18.12.2023 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | - |
Schlagwörter: | Zweck; Baute; Bauten; Anlagen; Alterswohnungen; Wohnungen; Pflegeheim; Zonen; Interesse; Gemeinde; Zonenkonformität; Zusammenhang; Mehrfamilienhaus; Gemeinderat; Baubewilligung; Zwecksicherung; Senioren; Pflegeheime; Wohnungsbau; Kanton; Seniorenwohnungen; Statuten; Recht; Wohnbaugenossenschaft; Aufgabe; Rechtsprechung; Urteil; Gebäude |
Rechtsnorm: | - |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | -, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2000 |
BVURA.23.523 ENTSCHEID vom 18. Dezember 2023 Wohnbaugenossenschaft A._____; Beschwerde gegen den Entscheid des Gemeinderats Q._____ vom 21. August 2023 betreffend Baugesuch für Aufstockung Mehrfamilienhaus, Parzelle aaa; Abweisung
Erwägungen (...) 3.3 In den Zonen für öffentliche Bauten und Anlagen dürfen nur öffentliche und öffentlichen Zwecken bzw. Interessen dienende Werke erstellt werden. Auch in der Gemeinde Q._____ ist die Zone ÖBA für Bauten und Anlagen bestimmt, die dem öffentlichen Interesse dienen (§ 14 Abs. 1 BNO). Private Vorhaben sind in der Zone ÖBA nicht zulässig; auch nicht als "provisorische", mit Beseitigungsrevers belastete Bauten (Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide [AGVE] 2000, S. 209 f. mit Hinweisen; CHRISTIAN HÄUPTLI in: Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, Bern 2013, § 15 N 90 ff.). Voraussetzung zur Festsetzung einer Zone für öffentliche Bauten und Anlagen ist auch, dass das geltend gemachte zukünftige Bedürfnis genügend konkretisiert ist. Es ist vom Gemeinwesen so genau wie möglich anzugeben, und die Errichtung der öffentlichen Baute muss mit einiger Sicherheit zu erwarten sein (AGVE 2000, S. 210). Die Arten der dem öffentlichen Interesse dienenden Bauten und Anlagen sind äusserst vielfältig. Die öffentlichen Bauten und Anlagen, d.h. Bauwerke, welche die öffentliche Hand in Erfüllung verfassungsmässiger Aufgaben erstellt, dienen dem Gemeinwesen unmittelbar durch ihren Gebrauchswert, entweder als Verwaltungsvermögen als Sachen im Gemeingebrauch (AGVE 2000, S. 211). Dazu gehören Schulhäuser, Spitäler, Gefängnisse, öffentliche Verwaltungsgebäude, Alters- und Pflegeheime usw. Solche Bauten dienen fraglos öffentlichen Zwecken. Zu den im öffentlichen Interesse liegenden Bauten und Anlagen gehören aber auch Bauten privater Bauherren, die im weitesten Sinne Aufgaben des modernen Leistungs- und Sozialstaates wahrnehmen helfen. Zu den öffentlichen Bauten und Anlagen zählen daher auch Schwimmbäder, Tennisanlagen (AGVE 1976, S. 238 ff.) und Schrebergartenanlagen (AGVE 1988, S. 340 ff.); an ihrem Bestehen wurde ein Allgemeininteresse bejaht. Selbst der Betrieb eines Pfadihauses liegt laut Verwaltungsgericht im öffentlichen Interesse und ist in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zonenkonform (AGVE 2000, S. 209 ff.). Demgegenüber gilt der private Wohnungsbau, selbst wenn er staatlich gefördert wird, im Planungs- und Baurecht nicht als öffentlicher Zweck (BERNHARD WALDMANN, Zonen für öffentliche Bauten und Anlagen, in: BR 2003, S. 89). Ob dies auch für den Bau von Alterswohnungen
gilt, ist umstritten (WALDMANN, a.a.O., S. 89) und wird nicht in allen Kantonen gleich gehandhabt. Anders als der von der Beschwerdeführerin genannte Kanton Zürich, welcher den Bau von Alterswohnungen in § 60 Abs. 2 des Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975 (PBG) explizit zur öffentlichen Aufgabe erklärt,
verfügt der Kanton Aargau über keine entsprechende Sonderbestimmung, aus der sich das öffentliche Interesse am Bau von Alterswohnungen und damit der Zonenkonformität in der Zone ÖBA direkt ableiten liesse. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist anerkannt, dass es sich bei Alters- und Pflegeheimen um Bauten und Anlagen im öffentlichen Interesse handelt. Alterswohnungen werden aufgrund ihrer Zweckbestimmung und ihres engen funktionalen Zusammenhangs zu Alters- und Pflegeheimen auch in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen als zonenkonform erachtet (vgl. Urteile des Bundesgerichts [BGer] 1C_99/2022 vom 25. April 2023, E. 8.1 sowie Urteil 1C_497/2020 vom 27. Juni 2022 E. 7.3.2 mit Hinweisen). So bejahte das Bundesgericht im angeführten Urteil vom 25. April 2023 die Zonenkonformität von Alterswohnungen in der Zone ÖBA aufgrund des engen räumlichen und funktionalen Zusammenhangs mit einem sich in derselben Zone befindlichen Alters- und Pflegezentrum. Für das betroffene Gebiet galt in jenem Fall ein Gestaltungsplan und der funktionale Zusammenhang mit dem Alters- und Pflegezentrum wie auch die Zweckbindung der Wohnungen wurden durch Sondernutzungsvorschriften sichergestellt. Zweckänderungen wurden in den Sondernutzungsvorschriften ausdrücklich ausgeschlossen. Für Mieter wurde ein Mindestalter festgelegt bzw. galt Pflegebedürftigkeit mindestens eines Familienmitglieds als Voraussetzung für ein Mietverhältnis. Ebenso galt die Pflicht, für alle Alterswohnungen ein im Baubewilligungsverfahren zu definierendes modulares Service- und Dienstleistungsangebot zur Verfügung zu stellen und die entsprechenden Auflagen im Grundbuch anzumerken. Weiter galten auch formelle Auflagen (z.B. Grundbucheintrag) zur Zwecksicherung der Alterswohnungen. Auch im Entscheid 1C_497/2020 bestand ein sehr enger funktionaler Zusammenhang zu einem Altersund Pflegeheim und die vorgesehene Nutzung als Alterswohnungen war zureichend und dauerhaft gesichert (a.a.O., E. 7.3.3). Entscheidend für die Zonenkonformität der Alterswohnungen sind nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung demnach deren gesicherte Zweckbestimmung und der enge funktionale Zusammenhang zu einem Alters- und Pflegeheim. 3.4 Die streitbetroffene Liegenschaft wurde vom Gemeinderat 2013 als "Mehrfamilienhaus (Seniorenwohnungen) mit Einstellhalle" bewilligt. Im
Gebäude befinden sich neben den Wohnungen ein öffentlich zugänglicher Veranstaltungsraum sowie ein weiterer Raum, in dem ursprünglich die Spitex untergebracht werden sollte, heute aber eine Praxis für Physiotherapie eingemietet ist. Den Akten ist nicht zu entnehmen und es wird von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet, dass in dem Mehrfamilienhaus weitere für Alters- und Pflegeheime typische Dienstleistungen wie Mahlzeiten ein Pflegedienst angeboten werden. Von einem Alters- und Pflegeheim, wie es der angeführten Rechtsprechung jeweils zugrunde lag, kann deshalb vorliegend nicht gesprochen werden. Dafür reichen ein öffentlicher Veranstaltungsraum und eine Praxis für Physiotherapie nicht aus. Das Mehrfamilienhaus selber stellt demnach kein Alters- und Pflegeheim dar, dessen Zonenkonformität in der Zone ÖBA zu anerkennen wäre. Ein enger funktionaler Zusammenhang zu einem als solches zu qualifizierenden Alters- und Pflegeheim wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Damit scheitert die Zonenkonformität der geplanten Wohnungen bereits am mangelnden funktionalen Zusammenhang zu einem Alters- und Pflegeheim. Die Zonenkonformität ist aber genauso aufgrund der mangelnden Zwecksicherung nicht gegeben. Alleine mit der Bezeichnung als "Seniorenwohnungen" in der Baubewilligung von 2013 ist die Zweckbindung noch nicht sichergestellt. So wird in Erwägung III. 3.1 der Baubewilligung ausgeführt, dass die in den Genossenschaftsstatuten festgehaltene Absicht, im Mehrfamilienhaus Seniorenwohnungen bereitzustellen, nicht bedeuten müsse, dass diese permanent nur von Senioren bewohnt werden dürften. § 2 der Statuten der Wohnbaugenossenschaft "Im Zentrum" lautet denn auch wie folgt:
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"Die Genossenschaft bezweckt in gemeinsamer Selbsthilfe ihrer Mitglieder die Beschaffung von preisgünstigen Wohnungen und den Bau eines Mehrfamilienhauses, unter Ausschluss jeder spekulativen Absicht. Die Wohnungen sollen insbesondere an Personen im AHV-Alter vermietet werden. Sie verfolgt im Besonderen den Zweck, den preisgünstigen Wohnungsbau im Sinne des eidgenössischen Wohnraumförderungs- sowie entsprechender kantonaler kommunaler Erlasse zu fördern." Wie der Gemeinderat zu Recht festhält, lässt die Formulierung "insbesondere" die Vermietung an jüngere Personen zu, wie es denn auch derzeit bei zwei Wohnungen tatsächlich der Fall ist (Replik, S. 4). Wenn nun wie ausgeführt weder die Baubewilligung für das bestehende Gebäude noch die Statuten eine genügende Zwecksicherung garantieren, vermag auch der Abtretungsvertrag vom 17. März 2014 diese Leistung nicht zu erbringen. So werden zum einen mit der Deklaration der Baubewilligung als integrierenden Bestandteil des Vertrages deren Unzulänglichkeiten übernommen. Zum andern bietet auch das zu Gunsten des Gemeinderats statuierte Rückkaufsrecht nicht genügend Gewähr für die Zwecksicherung. Dieses kommt gemäss Ziffer VII 2. lit. b) zwar zum Zug, wenn die Wohnbaugenossenschaft ihren Zweck so ändern würde, "dass der ursprüngliche Zweck (nämlich Erstellung und Betrieb von Seniorenwohnungen gemäss § 2 der Statuten) verloren ginge." Analog zur Bestimmung betreffend die Baubewilligung wird aber auch hier die nur ungenügende Zwecksicherung durch die Statuten übernommen und weitergeführt. Im Weiteren lässt sich auch kein öffentliches Interesse an den geplanten Wohnungen gestützt auf das Wohnungsbauförderungsgesetz (Gesetz über die Förderung des Baus von Alters-, Invaliden- und Familienwohnungen sowie die Regional- und Ortsplanung vom 14. Januar 1969; SAR 873.700) herleiten: Laut dem Wohnungsbauförderungsgesetz sind nur Alterswohnungen mit einer Wohnungsgrösse von 12 Zimmern für die Zuschussberechtigung relevant (§ 1 Abs. 2), wogegen im vorliegenden Fall laut Baugesuch 3 1/2-Zimmer-Wohnungen realisiert werden sollen. Diese Wohnungen sprengen den gesetzlich vorgesehenen Rahmen für förderungswürdige Alterswohnungen aber deutlich. Somit fehlt es auch in dieser Hinsicht an einem öffentlichen Interesse, die geplanten Wohnungen in der Zone ÖBA zu realisieren.
Dass der Gemeinderat 2013 das ursprüngliche Gebäude als zonenkonform ansah, ändert an der Beurteilung des vorliegenden Bauvorhabens nichts. Die Zonenkonformität der geplanten Erweiterung ist unabhängig von der damaligen Beurteilung durch den Gemeinderat heute (erneut) zu überprüfen. (...)
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