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Urteil DEPARTEMENT BAU, VERKEHR UND UMWELT Rechtsabteilung (AG - EBVU 22.77)

Zusammenfassung des Urteils EBVU 22.77: DEPARTEMENT BAU, VERKEHR UND UMWELT Rechtsabteilung

Die Beschwerdeführerin hat eine Rechtsverzögerungsbeschwerde gegen den Gemeinderat Q. eingereicht, da dieser das Baubewilligungsverfahren für den Umbau einer Mobilfunkanlage nicht fortsetzte. Die Zuständigkeit liegt beim BVU, da der Gemeinderat noch keinen Entscheid getroffen hat. Die Beschwerde wird aufgrund eines aktuellen Interesses der Beschwerdeführerin zugelassen. Es wird festgestellt, dass der Gemeinderat die Entscheidung über die Baubewilligung ungebührlich verzögert hat. Der Gemeinderat hat keine Kompetenz in Fragen des Immissionsschutzes und sollte daher die Zustimmung des BVU akzeptieren. Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Gemeinderat aufgefordert, das Verfahren zügig abzuschliessen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts EBVU 22.77

Kanton:AG
Fallnummer:EBVU 22.77
Instanz:DEPARTEMENT BAU, VERKEHR UND UMWELT Rechtsabteilung
Abteilung:-
DEPARTEMENT BAU, VERKEHR UND UMWELT Rechtsabteilung Entscheid EBVU 22.77 vom 12.12.2022 (AG)
Datum:12.12.2022
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Gemeinde; Gemeinderat; Recht; Entscheid; Baubewilligung; Abteilung; Verfahren; Baugesuch; Rechtsverzögerung; Umwelt; Fragen; Behörde; Verfügung; Zuständigkeit; Verfahrens; Zustimmung; Baubewilligungen; Kompetenz; Rechtsverzögerungsbeschwerde; Verordnung; Kompetenzen; Anfechtungsobjekt; Unterlagen; Gemeinderats; Vollzug; MERKER; Mobilfunkanlage
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
Streit, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 1900

Entscheid des Verwaltungsgerichts EBVU 22.77

EBVU 22.77

BVURA.22.77 ENTSCHEID vom 12. Dezember 2022 A._____; Rechtsverzögerungsbeschwerde gegen den Gemeinderat Q._____ (Schreiben vom 10. Januar 2022) betreffend Fortsetzung des Baubewilligungsverfahrens, Parzelle B (Baugesuch 2019/02); Gutheissung

Erwägungen 1. Eintreten 1.1 Zuständigkeit Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung sind anfechtbaren Entscheiden gleichgestellt (§ 41 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Dezember 2007 (Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG; SAR 271.200). Die Zuständigkeit bestimmt sich in diesen Fällen nach der allgemeinen Zuständigkeitsordnung in Verbindung mit dem hypothetischen Streitgegenstand (MICHAEL MERKER, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege [Kommentar zu den §§ 38­72 VRPG], 1998, § 40 N 18). Dieser besteht hier in dem von der Beschwerdeführerin am 8. Januar 2019 eingereichten Baugesuch für den Umbau einer bestehenden Mobilfunkanlage. Das BVU beurteilt Beschwerden gegen Entscheide der Gemeinderäte, die in Anwendung der Baugesetzgebung, einschliesslich der Gemeindebauvorschriften, ergangen sind (§ 13 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 der Verordnung über die Delegation von Kompetenzen des Regierungsrats vom 10. April 2013 [Delegationsverordnung, DelV; SAR 153.113], § 61 Abs. 1 der Bauverordnung vom 25. Mai 2011 [BauV; SAR 713.121], § 50 VRPG sowie § 4 Abs. 1 des Gesetzes über Raumentwicklung und Bauwesen vom 19. Januar 1993 [Baugesetz, BauG; SAR 713.100]). Ausgenommen sind jene Fälle, in denen der angefochtene Entscheid auf einer verbindlichen Weisung einem Teilentscheid eines Departements beruht und sich ein Beschwerdeantrag dagegen richtet; dann bleibt es bei der Zuständigkeit des Regierungsrats (vgl. § 9 Abs. 2 DelV, § 61 Abs. 2 BauV). Ein solcher Fall liegt vorliegend jedoch nicht vor, hat der Gemeinderat doch noch gerade keinen Entscheid erlassen, der sich auf den Teilentscheid der Abteilung für Baubewilligungen BVU vom 14. Mai 2019 stützen könnte (vgl. Erw. 1.2 hiernach). Der Antrag der Beschwerdeführerin, lautend auf Aufhebung des Entscheids der Abteilung Bau Planung und Umwelt vom 10. Januar 2022 und Anweisung an den Gemeinderat, das Baubewilligungsverfahren unverzüglich fortzusetzen, richtet sich damit auch nicht gegen den Teilentscheid der Abteilung für Baubewilligungen BVU vom 14. Mai 2019. Damit bleibt es bei der Zuständigkeit der Rechtsabteilung BVU zur Fällung des vorliegenden Entscheids.

1.2 Anfechtungsobjekt Anfechtungsobjekt sind einerseits Verfügungen und Entscheide, wenn sich die Behörde mit förmlichem Hoheitsakt weigert, einen materiellen Entscheid zu erlassen (Nichteintretensentscheid), wenn sie einen Entscheid unter Missachtung des rechtlichen Gehörs in Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeit, den Ausstand die Akteneinsicht fällt. Im Fall verfügungsloser Entscheidverweigerung bei der Rechtsverzögerung liegt keine Verfügung kein Entscheid vor. Ein Anfechtungsobjekt fehlt damit, die Verweigerung Verzögerung wird aber einer Verfügung gleichgestellt (MERKER, a.a.O, § 53 N 12 f.). Vorliegend hat der Gemeinderat weder einen Zwischenentscheid noch eine abschliessende Verfügung erlassen. Das von der Beschwerdeführerin als Anfechtungsobjekt bezeichnete Schreiben der Abteilung Bau Planung und Umwelt vom 10. Januar 2022 kann bereits insofern nicht Anfechtungsobjekt einer Verwaltungsbeschwerde sein, als es nicht vom Gemeinderat stammt. Es kann somit offengelassen werden, ob es sich hierbei um eine anfechtbare Verfügung handelt, wäre diese doch ­ selbst wenn die Verfügungsqualität zu bejahen wäre ­ zunächst gemäss § 39 Abs. 2 des Gesetzes über die Einwohnergemeinden vom 19. Dezember 1978 (Gemeindegesetz, GG; SAR 171.100) mittels schriftlicher Erklärung innert 10 Tagen beim Gemeinderat anzufechten. Erst dessen Entscheid wäre sodann der Verwaltungsbeschwerde i.S.v. § 50 Abs. 1 lit. b VRPG zugänglich. Nachdem die Beschwerdeführerin indes Rechtsverweigerung geltend macht, bedarf es nach dem Gesagten keines anfechtbaren Entscheids, weshalb ungeachtet dessen auf die Beschwerde einzutreten ist. 1.3 Legitimation Gemäss § 42 VRPG ist u.a. zur Beschwerde befugt, wer ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Aufhebung der Änderung des Entscheids hat (lit. a). Ein Interesse ist in der Regel nur dann schutzwürdig (vgl. § 42 lit. a VRPG), wenn es aktuell in einem qualifizierten Sinn künftig ist (vgl. Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide [AGVE] 1991, S. 369 f.; 1990, S. 329; MERKER, a.a.O., § 38 N 139). Die Beschwerdeführenden müssen nicht bloss beim Einreichen der Beschwerde, sondern auch noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung ein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung Änderung des angefochtenen Entscheids haben. Damit soll

sichergestellt werden, dass die rechtsanwendende Behörde konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet (AGVE 1999, S. 353; MERKER, a.a.O., § 38 N 140). Die Beschwerdeführerin ist Gesuchstellerin des Baugesuchs, dessen Verfahrensdauer vorliegend streitgegenständlich ist, womit sie ohne Weiteres ein aktuelles schutzwürdiges Interesse an der Behandlung ihrer Rechtsverzögerungsbeschwerde hat. 1.4 Zwischenfazit Nachdem die formellen Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, ist auf die Rechtsverzögerungsbeschwerde einzutreten. 2. Rechtliche Würdigung 2.1 Allgemeines zur Rechtsverzögerung Das in Art. 29 Abs. 1 des Schweizerischen Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV; SR 101) verankerte Verbot der Rechtsverzögerung wird verletzt, wenn eine Gerichts- Verwaltungsbehörde das gebotene Handeln über Gebühr hinauszögert, obschon sie zum Tätigwerden verpflichtet wäre. Es genügt dabei, wenn die ungebührliche Verzögerung aus objektiven Gründen der Behörde zur Last fällt, d.h. die Verzögerung darf keine objektive Rechtfertigung finden, die gegenüber dem Rechtsschutzanspruch des Bürgers Bestand hätte (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau [VGE] vom 17. Oktober 2013 [WBE.2013.270], Erw. II./2.1, S. 6; AGVE 2000, S. 309 mit Hinweisen). Die Behörde zeigt sich zwar bereit, den Entscheid zu fällen, trifft ihn aber nicht binnen der Frist, welche

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nach der Natur der Sache und nach der Gesamtheit der übrigen Umstände noch als angemessen erscheint (VGE vom 17. Mai 2017 [WBE.2017.127], Erw. II./1, S. 6 f.). Die Angemessenheit einer Verfahrensdauer beurteilt sich nach der Art des Verfahrens und den konkreten Umständen einer Angelegenheit wie Umfang und Komplexität der aufgeworfenen Sachverhalts- und Rechtsfragen, Bedeutung des Verfahrens für die Beteiligten, die Auswirkungen auf ihre Interessen und hochrangige Rechtsgüter sowie das Verhalten von Parteien und Behörden im Einzelfall. Den Behörden ist Rechtsverzögerung vorzuhalten, wenn sie ohne ersichtlichen Grund während längerer Perioden keine konkreten Vorkehren treffen, ungerechtfertigte Instruktionsmassnahmen vornehmen, generell überlange Vernehmlassungsfristen ansetzen die Urteilsbegründung und den Dispositiv-Versand ungebührlich verzögern (VGE vom 16. August 2018 [WBE.2017.464], Erw. 2.2.2.1, S. 13). Zu berücksichtigen ist auch das Verhalten des Beschwerdeführers während der Dauer des Verfahrens. Eine Rechtsverzögerung wird nur zurückhaltend angenommen, wenn der Betroffene zumutbare Anstrengungen unterlässt, damit das Verfahren beförderlich zu Ende geführt wird (VGE vom 27. Oktober 2005 [WBE.2005.337], Erw. II./1, S. 5). Die Rechtsverweigerungs- bzw. die Rechtsverzögerungsbeschwerde (siehe § 41 Abs. 2 VRPG) beinhaltet nach Lehre und Praxis einzig die Durchsetzung des Anspruchs auf Erledigung eines Begehrens durch jene Behörde, bei der es eingereicht worden ist. In Ermangelung einer Verfügung als Anfechtungsobjekt zielt sie insbesondere darauf ab, ein Handeln der Behörde zu erwirken, das seinerseits Gegenstand eines ordentlichen Rechtsmittelverfahrens sein kann. Die Gutheissung der Beschwerde (bzw. die Feststellung des Vorliegens einer Rechtsverweigerung Rechtsverzögerung) ist verbunden mit der Anweisung an die Vorinstanz, den Fall (endlich) zu erledigen bzw. einen beschwerdefähigen Entscheid zu fällen (VGE vom 17. Mai 2017 [WBE.2017.127], Erw. II./1., S. 6 f.). Die Beschwerdeinstanz darf im Allgemeinen materiell nicht selber in der Sache entscheiden und sich auch nicht dazu äussern, wie die Vorinstanz inhaltlich zu entscheiden hat. Ein Entscheid in der Sache ist nur in Einzelfällen zulässig, so, wenn prozessökonomische Gründe dies gebieten, der Entscheid zugunsten des

Beschwerdeführers ausgeht und Dritte davon nicht betroffen sind (vgl. Entscheid des Departements Bau, Verkehr und Umwelt [EBVU] 16.103 vom 22. April 2016, Erw. 1.2.1; MERKER, a.a.O., § 53 N 29). 2.2 Verfahrensablauf Der Verfahrensablauf vor der Baubewilligungsbehörde gestaltete sich hier im Wesentlichen wie folgt: Das Baugesuch der Beschwerdeführerin für den Umbau der bestehenden Mobilfunkanlage wurde wie erwähnt am 8. Januar 2019 bei der Gemeindeverwaltung eingereicht. Der Gemeinderat veranlasste daraufhin Publikation und öffentliche Auflage und unterbreitete das Baugesuch der Abteilung für Baubewilligungen BVU zum Erlass der betreffenden Teilverfügung. Diese erging am 3. April 2019 und enthielt die kantonale Zustimmung. Gegen das Baugesuch gingen zwei Einwendungen ein, zu welchen sich zunächst die Abteilung für Umwelt BVU mit Eingabe vom 14. Mai 2019 äusserte. Der Gemeinderat klärte sodann fast ein Jahr später, im März 2020, die Zuständigkeiten für die Einwendungsbehandlung bei der Abteilung für Baubewilligungen BVU ab und gewährte der Beschwerdeführerin anschliessend Frist zur Stellungnahme zu den Einwendungen, welche diese mit Eingabe vom 15. April 2020 wahrte. Fünf Monate später, am 3. September 2020, führte der Gemeinderat eine Einwendungsverhandlung durch. Fast drei Monate später, am 25. November 2020, verlangte der Gemeinderat mit Frist bis 31. Januar 2021 von der Beschwerdeführerin weitere Unterlagen mit der Begründung, ohne dieselben könne die Beurteilung der Bewilligungsfähigkeit nicht erfolgen. Die Beschwerdeführerin wies ­ statt die verlangten Unterlagen einzureichen ­ den Gemeinderat am 31. Januar 2021 schriftlich detailliert auf die Kompetenzenlage hin und verwies diesbezüglich auf die Abteilung für Baubewilligungen BVU. Weiter legte sie dem Gemeinderat nahe, das Baubewilligungsverfahren ordentlich fortzusetzen. Einen Monat später, am 24. Februar 2021, informierte der Gemeinderat die Beschwerdeführerin, dass er mangels Vorliegen der einverlangten Unterlagen die kantonale NIS-Fachstelle um entsprechende Erklärungen bitten werde. Gleichentags wandte er sich an die NIS-Fachstelle der Abteilung für Umwelt

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BVU mit einem Fragenkatalog, welcher insgesamt 15 Fragen zum QS-System, zu den Abnahmemessungen, zum Standortdatenblatt und den Antennendiagrammen, zum Korrekturfaktor sowie zu den deklarierten Sendeleistungen enthielt. Die Beschwerdeführerin ersuchte den Gemeinderat schriftlich am 13. Dezember 2021 um Weiterbearbeitung ihres Gesuchs um Erlass einer beschwerdefähigen Nichtanhandnahme-Verfügung. Der Gemeinderat teilte ihr sodann am 10. Januar 2022 den Verfahrensstand mit und bat die Abteilung für Umwelt BVU gleichentags um Klärung der gestellten Fragen. Die Beschwerdeführerin reichte daraufhin am 10. Februar 2022 ihre Rechtsverzögerungsbeschwerde ein und es folgte bis Ende September 2022 ein reger Schriftenwechsel. Ab Eingabe des Baugesuchs bis zur Einreichung der Rechtsverzögerungsbeschwerde dauerte das Verfahren damit rund drei Jahre. 2.3 Vorbringen Gemeinderat In seiner Beschwerdeantwort argumentiert der Gemeinderat, er habe das Verfahren nie sistiert. Er benötige die von der Beschwerdeführerin einverlangten Unterlagen dringend, um einerseits eine allfällige Einwendungsabweisung sachgerecht begründen zu können und andererseits setze die Beurteilung einen technischen Sachverstand voraus, welcher dem Gemeinderat teilweise abgehe, weshalb in § 23 VRPG eine Mitwirkungspflicht verankert sei. Bei der Mobilfunktechnologie handle es sich um eine äusserst komplexe Materie, der Gemeinderat verfüge nicht in allen Bereichen über das Wissen, um die entscheidwesentlichen Tatsachen ohne externe Unterstützung zu ermitteln. Die Beschwerdeführerin sei aber offenbar nicht gewillt, den Gemeinderat über die entscheidwesentlichen Tatsachen zu informieren diesbezüglich mitzuwirken. Die Beschwerdeführerin unterschlage diverse Handlungen des Gemeinderats, mit welchen das Baugesuchsverfahren auch nach dem 25. November 2020 vorangetrieben worden sei. Es liege nicht zuletzt an der Beschwerdeführerin, dass das Verfahren noch nicht habe abgeschlossen werden können. Der Vorwurf der Rechtsverzögerung sei rechtsmissbräuchlich. Statt auf das Baugesuch nicht einzutreten, habe der Gemeinderat die offenen Fragen wohlwollend der Abteilung für Umwelt BVU unterbreitet. Es bestünden gravierende Vollzugsdefizite. Die Abteilung für Umwelt BVU habe über ein Jahr für die Beantwortung der Fragen benötigt. Mehrere Fragen seien aber

noch immer nicht beantwortet. Die Abteilung für Umwelt BVU verkenne zudem mit ihrem Hinweis bezüglich Kompetenzen an den Gemeinderat, dass im Kanton Aargau die Gemeinden für die Durchführung des Baubewilligungsverfahrens verantwortlich seien. Dass der Kanton für den Vollzug der NISV verantwortlich sei, ändere daran nichts. Es müsste nicht nur der Beschwerdeführerin, sondern auch dem Kanton, insbesondere dem BVU, daran liegen, die offenen Fragen zu klären, auch wenn diese technischer Natur seien. Dem Gemeinderat jedenfalls sei es nicht wohl beim Gedanken, Mobilfunkanlagen zu bewilligen, bei denen die Einhaltung der Grenzwerte nicht kontrolliert werden könne. Er könne die Zweifel der Einwendenden nachvollziehen und verlange nun endlich eine lückenlose Klärung der offenen Fragen. 2.4 Beurteilung Der Gemeinderat begründet die monierte überlange Verfahrensdauer mit dem notwendigen Zuwarten auf ihre Fragen an die NIS-Fachstelle der Abteilung für Umwelt BVU und damit mit Vollzugsfragen betreffend die Anwendung der NIS-Verordnung. Dabei verkennt er allerdings, dass die Baubewilligung als Polizeierlaubnis dem Bauherrn einen Rechtsanspruch auf Erteilung verleiht, wenn die öffentlichrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind (AGVE 2000, S. 246 ff.). Dazu zählt auch der Immissionsschutz, der bundesrechtlich im Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01) und den darauf gestützten Verordnungen geregelt ist. Für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung, die beim Betrieb ortsfester Anlagen erzeugt wird, hat der Bundesrat die NISV erlassen; diese Verordnung regelt insbesondere auch die Immissionen von Mobilfunksendeanlagen (vgl. Ziff. 6 Anhang 1 NISV). Diese Regelung ist abschliessend, und zwar nicht nur hinsichtlich des Schutzes vor schädlicher und lästiger Strahlung, sondern auch im Bereich des vorsorglichen Immissionsschutzes (vgl. Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts [BGE] 126 II 403, Erw. 3c, S. 403 f.; 133 II 64, Erw. 5.2, S. 66).

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Gemäss kantonaler Zuständigkeitsordnung ist für den Vollzug der NISV ausschliesslich der Kanton zuständig (§ 31 Abs. 1 und 2 lit. f des Einführungsgesetzes zur Bundesgesetzgebung über den Schutz von Umwelt und Gewässern vom 4. September 2007 [EG Umweltrecht, EG UWR; SAR 781.200]). Das kantonale Recht räumt dem Gemeinderat im Bereich des Schutzes vor nichtionisierender Strahlung keine Kompetenzen ein, sondern auferlegt ihm auf diesem Gebiet lediglich eine Unterstützungspflicht der kantonalen Behörden im Vollzug (vgl. § 28 i.V.m. § 30 Abs. 1 und 3 [e contrario] EG UWR). Entsprechend dieser Zuständigkeitsordnung hat der Gemeinderat auch die Zustimmung der kantonalen Behörden zu Baugesuchen im Geltungsbereich der NISV einzuholen (vgl. § 31 Abs. 2 lit. f EG UWR). Die Kompetenzen des Gemeinderats beschränken sich in diesen Fällen auf die Prüfung des Baugesuchs hinsichtlich der weiteren bau- und planungsrechtlichen Bestimmungen, nicht jedoch in Bezug auf deren Übereinstimmung mit der NISV. Diese Kompetenz kommt ausschliesslich den kantonalen Behörden zu. Das bedeutet, dass die Gemeinde in diesen Fällen auch keinen Spielraum hat, die nachgesuchte Baubewilligung aus Gründen des Umwelt- bzw. Gesundheitsschutzes zu verweigern, wenn das BVU verbindlich festgestellt hat, dass mit Bezug auf die in Frage stehende Mobilfunkanlage an allen kritischen Orten die Grenzwerte eingehalten werden (vgl. Regierungsratsbeschluss [RRB] 2006000926 vom 05. Juli 2006, S. 5; 2004-000890 vom 23. Juni 2004, S. 4). Es verbietet sich der Beschwerdeinstanz nach den Erwägungen unter Ziffer 2.1 im vorliegenden Verfahren betreffend Rechtsverzögerung denn auch, zu den zahlreichen fachlich-technischen Argumentationen der Parteien in ihren Rechtsschriften Stellung zu nehmen. Vorliegend lag wie erwähnt die Zustimmung der kantonalen Behörde zum fraglichen Bauvorhaben bereits mit Verfügung vom 3. April 2019 vor. Nachdem es nach dem Gesagten in der ausschliesslichen Kompetenz der kantonalen Behörde liegt, ein Baugesuch aufgrund allfälliger gesundheitlicher Bedenken im Zusammenhang mit nichtionisierender Strahlung abzuweisen, hätten die Antworten der Abteilung für Umwelt BVU auf den Fragenkatalog des Gemeinderats von vornherein keine Erkenntnisse liefern können, die Einfluss auf die in die Beurteilungskompetenz des Gemeinderats fallenden Fragen

hätten haben können. Es wäre allenfalls am BVU gewesen, seine Zustimmung zum Bauvorhaben zu verweigern, wenn es Zweifel an der Anwendbarkeit der NIS-Verordnung gehabt hätte. Das BVU hat seine Zustimmung mit Verfügung vom 3. April 2019 aber erteilt. Der für Fragen der NIS-Verordnung nicht zuständige Gemeinderat hat diese Zustimmung des zuständigen BVU im erstinstanzlichen Baubewilligungsverfahren ohne Weiteres zu akzeptieren und als solchen mit seinem Endentscheid über das Baugesuch den Parteien zu eröffnen, auch wenn er mit dessen Inhalt nicht einverstanden ist. Es ist ihm den Einwendenden dann freigestellt, die erteilte umweltschutzrechtliche Zustimmung des BVU vor dem Regierungsrat mit Beschwerde anzufechten (vgl. zur Gemeindebeschwerde: Art. 57 USG). Dabei wäre dann zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der kantonalen Zustimmung zu Recht bejaht worden sind. Für eine Verweigerung der Baubewilligung aus den NIS-relevanten Punkten durch den Gemeinderat gibt es aus Gründen der Zuständigkeit somit keinen Raum (vgl. RRB 2022-000978 vom 10. August 2022, S. 8). Auch die Argumentation des Gemeinderats, wonach er die einverlangten weiteren Unterlagen und Angaben für die sachgerechte Begründung einer allfälligen Abweisung der gegen das Baugesuch erhobenen Einwendungen benötige, verfängt aus demselben Grund nicht. Gemäss § 56 Abs. 1 BauG [recte: BauV] holt der Gemeinderat zu Einwendungen, die kantonale eidgenössische Bewilligungen Zustimmungen berühren, vor seinem Entscheid die Stellungnahme der Abteilung für Baubewilligungen ein. Dies ist auch vorliegend erfolgt und die Abteilung für Baubewilligungen BVU nahm mit Schreiben vom 14. Mai 2019 ausführlich zu sämtlichen, die umweltrechtlichen Belange betreffenden Vorbringen der Einwendenden Stellung. Eigene Erwägungen Abklärungen des Gemeinderats dazu bedarf es daher auch insofern nicht mehr. Es bestand damit für den Gemeinderat keinerlei objektiven Grund, das Baugesuch nach der Einwendungsverhandlung am 3. September 2020 nicht weiterzubearbeiten bzw. noch keinen Baubewilligungsentscheid zu treffen. Zwar zeigte er sich gegenüber der Beschwerdeführerin bereit, einen Entscheid zu fällen; obwohl er jedoch gar nicht zuständig war, tätigte er Abklärungen von Vollzugsfragen

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im Bereich der NISV in grossem Umfang, und nahm dementsprechend auch ungerechtfertigte Instruktionsmassnahmen gegenüber der Beschwerdeführerin vor, indem er sie zum Einreichen diverser weiterer Unterlagen aufforderte. Demgegenüber waren baurechtlich offenbar keinerlei weitere Abklärungen mehr notwendig. Die Beschwerdeführerin ihrerseits reagierte stets zeitnah und traf alle ihr ­ angesichts der dargelegten Kompetenzenlage ­ zumutbaren Anstrengungen, um das Verfahren beförderlich zu Ende zu bringen. Indem bis heute, rund zwei Jahre später, noch immer kein Baubewilligungsentscheid getroffen wurde, fällt der Gemeinderat den Entscheid klar nicht mehr innert einer Frist, welche nach der Natur der Sache und nach der Gesamtheit der übrigen Umstände noch als angemessen erscheinen würde und er verzögert den Entscheid ungebührlich. Damit liegt nicht nur eine überlange Verfahrensdauer, sondern auch ohne Weiteres klar eine unzulässige Rechtsverzögerung vor und die Beschwerde ist gutzuheissen. 2.5 Abschliessende Bemerkung Es ist dem Gemeinderat selbstverständlich unbenommen, nach Prüfung der weiteren bau- und planungsrechtlichen Vorgaben zum Schluss zu kommen, die Mobilfunkanlage sei ­ ungeachtet der Einhaltung der Grenzwerte der NISV ­ nicht bewilligungsfähig. Ein rechtsstaatliches Verfahren setzt aber eben voraus, dass dies innert nützlicher Frist in einer anfechtbaren Verfügung und mit entsprechender Begründung geschieht. Verzögerungen, die auf der erstinstanzlichen Stufe entstehen, wirken sich auf den möglicherweise anschliessenden Rechtsmittelzug aus. Dem BVU ist zwar durchaus klar, dass in Fällen wie dem vorliegenden die "an der Front" stehenden erstinstanzlichen Baubewilligungsbehörden das Recht häufig unter dem Druck einer besorgten Bevölkerung anwenden müssen. Das darf sie aber trotzdem nicht hindern, die ihnen vom Verfahren vorgegebenen Obliegenheiten zu erfüllen. Der vorliegende Sachverhalt ist nun klarerweise schon lange spruchreif, nachdem die kantonale Fachstelle die Grenzwertsituation mit positivem Ergebnis geprüft und die Abteilung für Baubewilligungen BVU ihre Zustimmung zu den Baugesuchen erteilt hat und offenbar baurechtlich keine offenen Fragen mehr bestehen (vgl. VGE vom 27. Oktober 2005 [WBE.2005.337], Erw. 2.3.2.1, S. 7 f.).

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