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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2019 53)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2019 53: Verwaltungsgericht

Der Text behandelt das Thema des Gewässerraums im Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht. Es wird erläutert, unter welchen Bedingungen der Gewässerraum kleiner festgelegt werden kann und welche natürlichen Funktionen er gewährleisten soll. Es wird auch auf die Festlegung des Gewässerraums entlang oberirdischer Gewässer durch die Kantone eingegangen. Es wird erwähnt, dass die Festlegung des Gewässerraums behördenverbindlich ist und dass die Interessenabwägung eine wichtige Rolle spielt. Es wird auch diskutiert, unter welchen Bedingungen auf die Festlegung des Gewässerraums verzichtet werden kann, insbesondere bei künstlich angelegten Gewässern. Der Sagikanal wird als künstlich angelegtes Gewässer betrachtet, bei dem aufgrund ausreichenden Hochwasserschutzes und fehlender überwiegender ökologischer Bedeutung auf die Festlegung des Gewässerraums verzichtet werden kann. Es wird jedoch angemerkt, dass der Planungsbericht zum Sagikanal keine ausreichenden inhaltlichen Aussagen macht und eine fundierte Interessenabwägung vermissen lässt. Letztendlich wird betont, dass die Entscheidung über die Festlegung des Gewässerraums oder den Verzicht darauf in der Zuständigkeit der kommunalen Behörden liegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2019 53

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2019 53
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht  Entscheid AGVE 2019 53 vom 20.11.2019 (AG)
Datum:20.11.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:I. Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 53 Gewässerraum Der Gewässerraum kann kleiner festgelegt werden als gemäss derDie Festlegung darf in zweckmässigen Abschnitten erfolgen undDie kantonale Fachkarte legt den Gewässerraum behördenverbindDie Gemeinde muss fundiert begründen, wenn sie für ein...
Schlagwörter: ässer; Gewässer; Gewässerraum; Festlegung; Breite; Gewässerraums; GSchV; Interesse; Kanton; Interessen; Möhlinbach; Hochwasser; Sagikanal; Recht; Verwaltung; Umwelt; Wasser; ÜbgBest; Bauzone; Raumentwicklung; Gewässers; Gerinnesohle; ägung
Rechtsnorm: Art. 76 BV ;
Referenz BGE:139 II 481;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2019 53

2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 321

I. Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht

53 Gewässerraum
Der Gewässerraum kann kleiner festgelegt werden als gemäss der
Fachkarte Gewässerraum , wenn sich die natürliche Gewässerbrei-
te aus naturnahen Vergleichsstrecken und alten Pläne herleiten und
sich so die Abweichung gegenüber den - auf abstrakten Korrek-
turfaktoren fussenden - Berechnungen der Fachkarte begründen
lässt (Erw. 4.4.1 und 4.4.2).

Die Festlegung darf in zweckmässigen Abschnitten erfolgen und
muss nicht Meter um Meter begründet werden (Erw. 4.4.2).

Die kantonale Fachkarte legt den Gewässerraum behördenverbind-
lich fest und macht, dass die Festlegungen im Übergangsrecht des
Bundes nicht mehr anwendbar sind (Erw. 4.7.5).

Die Gemeinde muss fundiert begründen, wenn sie für ein künstlich
angelegtes Gewässer keinen Gewässerraum ausscheidet. Rückwei-
sung zur Neubeurteilung, wenn diese Begründung fehlt (Erw. 5)

Aus dem Entscheid des Regierungsrats vom 20. November 2019
(RRB Nr. 2019-001400)



4. Möhlinbach (Fliessgewässer mit mittlerer Breite)
...
4.3 Festlegung des Gewässerraums in der Nutzungsplanung
Das Gewässerschutzgesetz verlangt von den Kantonen die Fest-
legung von Gewässerräumen entlang der oberirdischen Gewässer.
Der Gewässerraum steht dem Gewässer zur Verfügung und gewähr-
leistet insbesondere den Schutz vor Hochwasser sowie die natürli-
chen Funktionen. Zu den natürlichen Funktionen gehören insbeson-
dere der Transport von Wasser und Geschiebe, die Sicherstellung der
2019 Verwaltungsbehörden 322
Entwässerung, die Selbstreinigung des Wassers und die Erneuerung
des Grundwassers, die Ausbildung einer naturnahen Strukturvielfalt
in den aquatischen, amphibischen und terrestrischen Lebensräumen,
die Entwicklung standorttypischer Lebensgemeinschaften, die dyna-
mische Entwicklung des Gewässers und die Vernetzung der Lebens-
räume. Aufgabe von Kantonen beziehungsweise von Gemeinden,
denen der Auftrag delegiert wurde, ist es, die Festlegung, Gestaltung
und Bewirtschaftung des Gewässerraumes im Rahmen eines Pla-
nungsverfahrens sinnvoll und für die Grundeigentümer verbindlich
umzusetzen (BPUK, LDK, BAFU, ARE, BLW: Gewässerraum. Mo-
dulare Arbeitshilfe zur Festlegung und Nutzung des Gewässerraums
in der Schweiz, Stand Juni 2019 [nachfolgend: Arbeitshilfe Gewäs-
serraum 2019], Modul 2, Seite 3).
Gemäss Art. 36a GSchG legen die Kantone nach Anhörung der
betroffenen Kreise den Raumbedarf der oberirdischen Gewässer
(Gewässerraum) fest, der für die Gewährleistung folgender Funktio-
nen erforderlich ist: (a) die natürlichen Funktionen der Gewässer; (b)
den Schutz vor Hochwasser; (c) die Gewässernutzung (Absatz 1).
Der Bundesrat regelt (in der GSchV) die Einzelheiten (Absatz 2).
Die Kantone sorgen dafür, dass der Gewässerraum bei der Richt- und
Nutzungsplanung berücksichtigt sowie extensiv gestaltet und bewirt-
schaftet wird (Absatz 3 Satz 1).
In Gebieten ausserhalb von Biotopen von nationaler Bedeutung,
kantonalen Naturschutzgebieten, Moorlandschaften von besonderer
Schönheit und nationaler Bedeutung, Wasser- und Zugvogelreserva-
ten von internationaler und nationaler Bedeutung sowie Landschaf-
ten von nationaler Bedeutung und kantonalen Landschaftsschutzge-
bieten gemäss Art. 41a Abs. 1 GSchV muss die Breite des Gewässer-
raums mindestens betragen: (a) für Fliessgewässer mit einer Gerinne-
sohle von weniger als 2 m natürlicher Breite 11 m; (b) für Fliessge-
wässer mit einer Gerinnesohle von 2-15 m natürlicher Breite die 2,5-
fache Breite der Gerinnesohle plus 7 m (Art. 41a Abs. 2 GSchV). Die
nach den Absätzen 1 und 2 berechnete Breite des Gewässerraums
muss erhöht werden, soweit dies erforderlich ist zur Gewährleistung:
(a) des Schutzes vor Hochwasser; (b) des für eine Revitalisierung er-
forderlichen Raums; (c) der Schutzziele von Objekten gemäss Absatz
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1 sowie anderer überwiegender Interessen des Natur- und Land-
schaftsschutzes; (d) einer Gewässernutzung (Art. 41a Abs. 3
GSchV). Soweit der Hochwasserschutz gewährleistet ist, kann die
Breite des Gewässerraums den baulichen Gegebenheiten in dicht
überbauten Gebieten angepasst werden (Art. 41a Abs. 4 lit. a
GSchV). Auf die Festlegung des Gewässerraums kann verzichtet
werden, wenn das Gewässer künstlich angelegt ist, soweit keine
überwiegenden Interessen entgegenstehen (Art 41a Abs. 5 lit. c
GSchV). Im Gewässerraum dürfen gemäss Art. 41c Abs. 1 GSchV
vorbehältlich der dort genannten Ausnahmen nur standortgebundene,
im öffentlichen Interesse liegende Anlagen wie Fuss- und Wander-
wege, Flusskraftwerke Brücken erstellt werden.
Die Kantone legen den Gewässerraum gemäss den Art. 41a und
41b GSchV bis zum 31. Dezember 2018 fest. Solange sie den Ge-
wässerraum nicht festgelegt haben, gelten die Vorschriften für Anla-
gen gemäss Art. 41c Abs. 1 und 2 GSchV entlang von Gewässern auf
einem beidseitigen Streifen mit einer Breite von je: (a) 8 m plus die
Breite der bestehenden Gerinnesohle bei Fliessgewässern mit einer
Gerinnesohle bis 12 m Breite; (b) 20 m bei Fliessgewässern mit einer
bestehenden Gerinnesohle von mehr als 12 m Breite; (c) 20 m bei
stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 0,5 ha
(ÜbgBest GSchV vom 4. Mai 2011, Abs. 1 und 2). Die beidseitigen,
gleich breiten Uferstreifen unterscheiden sich insofern vom Gewäs-
serraum gemäss Art. 41a GSchV, als letzterer ein Korridor ist, in dem
das Gewässer nicht in der Mitte fliessen muss (Erläuternder Bericht
des BAFU vom 20. April 2011 zu A. Parlamentarische Initiative
Schutz und Nutzung der Gewässer 07.492 - Änderung der Gewäs-
serschutz-, Wasserbau-, Energie- und Fischereiverordnung, B. Ver-
sickerung von Abwasser - Änderung der Gewässerschutzverord-
nung, C. Anpassung der Fischnahmen - Änderung der Fischereiver-
ordnung [nachfolgend: Erläuternder Bericht BAFU], Seite 10 und
30; CHRISTOPH FRITSCHE, in: PETER HETTICH/LUC JANSEN/ROLAND
NORER [Hrsg.], Kommentar zum Gewässerschutzgesetz und zum
Wasserbaugesetz, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 36a GSchG N 70);
vgl. VGE III/25 vom 1. März 2018, Seite 11 f.).
2019 Verwaltungsbehörden 324
4.4 Mindestbreite aufgrund der natürlichen Breite der Gerinne-
sohle
4.4.1 Bestimmung der natürlichen Gerinnesohlenbreite
Gemäss Art. 36a GSchG legen die Kantone nach Anhörung der
betroffenen Kreise den Raumbedarf der oberirdischen Gewässer fest,
der erforderlich ist für die Gewährleistung der natürlichen Funktio-
nen der Gewässer, des Schutzes vor Hochwasser sowie die Gewäs-
sernutzung. Die Bemessung der erforderlichen Breite dieses Raum-
bedarfs basiert auf Art. 41a GSchV.
Als Grundlage für die Festlegung der Gewässerräume muss die
sogenannte natürliche Gerinnesohlenbreite (nGSB) eines Fliessge-
wässers bekannt sein.
Ein naturnahes Fliessgewässer wird auf seinem Lauf meist un-
terschiedlich breite Gerinnesohlen ausbilden (sogenannte Breitenva-
riabilität). Das Bachbett entspricht bei naturnahen Fliessgewässern in
der Regel der natürlichen Gerinnesohlenbreite. Begradigte und ver-
baute Fliessgewässer hingegen weisen oft eine eingeschränkte oder
gar fehlende Breitenvariabilität auf und ihre Sohlenbreite entspricht
nicht mehr der natürlichen Gerinnesohlenbreite.
In solchen Fällen muss die natürliche Gerinnesohlenbreite her-
geleitet werden. Hierzu stehen verschiedene Methoden zur Verfü-
gung. Die Wahl der Methode ist abhängig von der konkreten Si-
tuation. Idealerweise werden verschiedenen Methoden ergänzend
kombiniert und gegenseitig plausibilisiert. Folgende Ansätze haben
sich bei der Ermittlung der natürlichen Gerinnesohlenbreite in der
Praxis bisher bewährt (zum Ganzen: Arbeitshilfe Gewässerraum
2019, Modul 2, Seite 5):
o anhand der Breite naturnaher/natürlicher Vergleichsstrecken (Re-
ferenzstrecken);
o unter Einbezug historischer Dokumente (zum Beispiel historische
Karten und Bilder, Plangrundlagen von früheren Wasserbaupro-
jekten);
o anhand hydraulischer, empirischer Methoden ...;
o unter Anwendung eines Korrekturfaktors; dieser beträgt bei ein-
geschränkter Breitenvariabilität (Wasserspiegelbreite) 1,5, bei
fehlender Breitenvariabilität 2,0.
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Gemäss den Ausführungen der Fachperson der Abteilung Land-
schaft und Gewässer des Departements Bau, Verkehr und Umwelt im
Fachbericht vom 25. Juli 2018 sind in der kantonalen Fachkarte Ge-
wässerraum, die vom Regierungsrat als behördenverbindliche
Grundlage für die Umsetzung in der Nutzungsplanung verabschiedet
worden ist, die Gewässerraumbreiten aufgrund des ökomorphologi-
schen Zustands und des vorgenannten Korrekturfaktors berechnet
worden. Wie die Fachstelle im Fachbericht weiter festhält, müssen
gemäss der kantonalen Arbeitshilfe zur Umsetzung der Gewässer-
räume in der Nutzungsplanung (Stand Januar 2017) diese Gewässer-
raumbreiten der Fachkarte überprüft und allenfalls angepasst werden
(Seite 14, Schritt 4), sofern gestützt auf Referenzstrecken alte
Dokumente die natürliche Gewässerbreite von der Fachkarte ab-
weicht. Die berechneten Werte stellen keine Minimalbreite dar, die in
jedem Fall mindestens übernommen werden muss. Die Werte sind im
Detail zu verifizieren.
Diese Ausführungen sind nachvollziehbar und überzeugen. Die
genannten Methoden (oder ein allfälliger Methodenmix) zur Be-
stimmung der natürlichen Sohlenbreite entsprechen heute der ge-
meinsamen Auffassung der zuständigen eidgenössischen und kanto-
nalen Behörden sowie der interkantonalen Konferenzen und gelten
somit als unter Fachleuten allgemein anerkannt. Die Anwendung ei-
nes schematischen Korrekturfaktors auf die bestehende Sohlenbreite
steht dabei zu Recht nicht mehr im Vordergrund. Die genannten
Korrekturfaktoren basieren auf der Annahme, dass früher künstlich
begradigte Gewässer eher verschmälert wurden, was aber nicht gene-
rell zutrifft. Vorliegend hat der Möhlinbach seinen gewundenen na-
türlichen Lauf weitgehend beibehalten. Vor allem aber wurden in der
Vergangenheit die Gewässer namentlich bei Durchlässen unter
Brücken und vor Eindolungen oft aufgeweitet, um die Hochwasser-
gefahr etwa durch Verklausungen und das Risiko der Beschädigung
der Bauwerke zu reduzieren. In diesen Bereichen dürfte ein Faktor,
der deutlich über 1,0 liegt, selten angemessen sein. Vielmehr müsste
je nach Verbauung des Gewässers teilweise ein Faktor unter
1,0 angewendet werden, um zur natürlichen Breite zu gelangen. In
Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der natürlichen Breite
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ergibt sich aber ohnehin, dass eine deutliche Verbreiterung auf einem
sehr kurzen Abschnitt für die natürlichen Funktionen des Gewässers
(Art. 36a Abs. 1 lit. a GSchG) nicht erforderlich ist. Für die weiteren
Funktionen des Gewässerraums wiederum (Schutz vor Hochwasser
und Gewässernutzung) bildet bei einem Fliessgewässer nicht die na-
türliche Breite des Gewässers den Ausgangspunkt, sondern sind die
konkreten Anforderungen im Einzelfall massgebend, die zu einer Er-
höhung der Mindestbreite des Gewässerraums gestützt auf Art. 41a
Abs. 3 GSchV führen können.
4.4.2 Umsetzung beim Möhlinbach
In der Gemeinde Zeiningen ist der Möhlinbach der prägende
Hauptbach, der das Gemeindegebiet von Südosten nach Nordwesten
quert. Gemäss Fachkarte Gewässerraum variiert die Breite seines
Gewässerraums je nach aktueller Gerinnesohlenbreite und Verbau-
ungsgrad (Breitenvariabilität) zwischen 14,5 m und 27 m (bei Kunst-
bauten bis 32 m). Zu den Abschnitten des Möhlinbachs ergibt sich
laut Fachbericht Folgendes:
Möhlinbach ausserhalb des Dorfs (Kulturlandplan)
Die Fachstelle führt in ihrem Fachbericht aus, dass alte Pläne
der früheren Korrektion des Möhlinbachs (aus den Jahren 1910/11)
zeigen, dass der Möhlinbach ausserhalb des Dorfs vor dieser Korrek-
tion eine Sohlenbreite von rund 3,5 m bis 4,5 m aufgewiesen hat.
Dies führt gemäss Art. 41a Abs. 2 lit. b GSchV (für Fliessgewässer
mit einer Gerinnesohle von 2-15 m natürlicher Breite; die 2,5-fache
Breite der Gerinnesohle plus 7 m) zu einer Gewässerraumbreite von
16-18 m. Gemäss vorliegender Änderung der kommunalen Nut-
zungsplanung soll der Gewässerraum am Möhlinbach ausserhalb
Bauzone daher eine Breite von 18 m aufweisen.
Möhlinbach innerhalb des Dorfs (Bauzonenplan)
Wie die Fachperson in ihrem Fachbericht weiter festhält, war
innerhalb des Dorfkerns der Möhlinbach bereits damals abschnitts-
weise verbaut, da an mehreren Stellen Wasser für die Nutzung abge-
leitet worden ist. Der Möhlinbach erfahre jedoch auf dem Gemein-
degebiet keine wesentlichen Zuflüsse von Seitenbächen, die seine
Breite und den Charakter wesentlich verändern würden. Daher könne
man für den vorliegend betroffenen Abschnitt des Möhlinbachs in
2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 327
Zeiningen im Dorf davon ausgehen, dass die theoretische minimale
Gewässerraumbreite ebenfalls mindestens 16-18 m betrage.
Der Regierungsrat schliesst sich dieser Beurteilung der Fach-
person an. Die konkrete Festlegung der Breite des Gewässerraums in
den kommunalen Nutzungsplänen Siedlung und Kulturland mittels
naturnaher natürlicher Vergleichsstrecken (Referenzstrecken)
sowie unter Einbezug historischer Dokumente (alte Pläne der frühe-
ren Korrektion des Möhlinbachs aus den Jahren 1910/11) ermöglicht
eine möglichst situationsgerechte Festlegung des Gewässerraums
sowohl innerhalb als auch ausserhalb des Dorfs und erscheint sach-
gerecht und nachvollziehbar. Sie vermag vorliegendenfalls besser zu
überzeugen als beispielsweise die Anwendung der abstrakten
Korrekturfaktoren bei eingeschränkter Breitenvariabilität (Wasser-
spiegelbreite) 1,5 beziehungsweise bei fehlender Breitenvariabilität
2,0, welche zu Gewässerraumbreiten von bis rund 24 m respektive
27 m führen würden. Diese Mindestbreiten des Gewässerraums wür-
den den tatsächlichen Verhältnissen entlang des Möhlinbachs sowohl
im Dorf als auch ausserhalb des Dorfs nicht gerecht. Geht man dem-
gegenüber vorliegend von der Referenzbreite der Gewässersohle von
3,5-4,5 m aus, resultiert eine minimale Gewässerraumbreite von
15,75-18,25 m im Durchschnitt 17 m.
Vorliegend beträgt künftig die Breite der Gewässerraumzone
innerhalb der Bauzonen 20 m, gemessen beidseitig je 10 m ab Ge-
wässermitte (somit symmetrisch zur Gewässerachse), ausser bei den
Parzellen 21 und 24, wo sie sich aus dem Bauzonenplan ergibt
(vgl. § 12a Abs. 1 BNO), ausserhalb der Bauzonen 18 m, gemessen
beidseitig je 9 m ab Gewässermitte (vgl. § 20a Abs. 2 BNO). Die
Gewässerraumzone ist folglich innerhalb der Bauzonen durchschnitt-
lich 3 m breiter als die bundesrechtlich erforderliche Minimalbreite
gemäss Art. 41a Abs. 2 lit. b GSchV, ausserhalb der Bauzonen durch-
schnittlich 1 m.
Die Beschwerdeführenden rügen, dass die Festlegung des Ge-
wässerraums zu abstrakt erfolgt sei beziehungsweise dass die lokalen
Gegebenheiten vorliegend zu wenig konkret berücksichtigt worden
seien. Dass die lokalen Gegebenheiten eines Gewässers bei der Um-
setzung der Gewässerräume berücksichtigt werden müssen, trifft zu.
2019 Verwaltungsbehörden 328
Dies bedeutet von der Systematik her jedoch nicht, dass ein Gewäs-
serraum von Meter zu Meter neu beurteilt werden muss. Bei der
Festlegung und Umsetzung des Gewässerraums muss ein zweckmäs-
siges Plangebiet gewählt werden. Der Perimeter für die Gewässer-
raumausscheidung soll so gewählt werden, dass über eine grössere
Fläche eine sachgerechte Gesamtlösung erzielt werden kann. Dies ist
auch planerisch und finanziell sinnvoll (vgl. HANS W. STUTZ, Ufer-
streifen und Gewässerraum - Umsetzung durch die Kantone, in:
URP 2/2012, Seite 122). Das Festlegungsverfahren muss eine Einzel-
fallprüfung umfassen, wobei diese gewässerabschnittsweise ge-
bietsweise erfolgen darf. Eine einzelfallweise (individuell-konkrete)
Gewässerraumausscheidung erfolgt individuell, weil der Gewässer-
raum in einer Art planerischem Akt mit Einzelverfügung festge-
legt wird, und konkret, weil dies an einem bestimmten Gewässerab-
schnitt erfolgt (HANS MAURER, Gewässerraum im Nichtbaugebiet,
in: URP 7/2016, Seite 733 f.).
Ein naturnahes Gewässer verfügt oft über eine variierende Soh-
lenbreite innerhalb kurzer Abschnitte. Diesem Aspekt wird mit dem
Gewässerraum jedoch Rechnung getragen, indem dies bei der Be-
rechnung der Breite berücksichtigt wird und der Gewässerraum als
Korridor dienen soll, worin sich das Gewässer bewegen kann. So ist
es im Sinn des Gesetzgebers, dass bei einem naturnahen Gewässer
der Gewässerraum bei gleichem Charakter und vergleichbarer Situa-
tion mit gleicher Breite definiert werden kann und das Bachbett darin
trotzdem nicht durchgehend die gleiche Breite aufweist. Beim
Möhlinbach ist diesem Aspekt Rechnung getragen worden, indem
die Abschnitte oberhalb, innerhalb und unterhalb des Dorfs betrach-
tet und verglichen worden sind.
Die Abschnitte ausserhalb der Bauzonen sind von der Breite
und vom Zustand des Bachs her vergleichbar. Ihnen wird daher auch
die gleiche Gewässerraumbreite zugewiesen. Der Schutz des Gewäs-
sers vor Dünger- Pflanzenschutzmitteleintrag wird grundsätz-
lich durch die bundesrechtlichen Verbotsbereiche von seitlich 3 m
(ab Ufer ab Aussenrand Bestockung) beziehungsweise (bei
Pflanzenschutzmitteleinsatz unter Geltung der Direktzahlungsver-
ordnung) 6 m gewährleistet. Geht die Gewässerraumzone darüber
2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 329
hinaus, nimmt der zusätzliche Nutzen für das Gewässer in dieser
Hinsicht deutlich ab. Bei einer bestehenden Sohlenbreite von 4,5 m
deckt eine (symmetrische) Gewässerraumzone mit einer Breite von
16,5 m (6 m x 2 + 4,5 m) den bundesrechtlichen Verbotsbereich voll-
ständig ab. Die angefochtene Gewässerraumzone mit einer Breite
von 18 m bietet hier somit in Bezug auf den Pflanzenschutzmittel-
verbotsbereich einen gewissen zusätzlichen Schutz für das Gewässer,
in Bezug auf das Düngeverbot einen erheblichen. Was die Freihal-
tung von Bauten betrifft, unterstehen Bauten ausserhalb der Bauzo-
nen den Einschränkungen des RPG und benötigen die Zustimmung
des Kantons sowie eine Prüfung von Alternativstandorten, was auch
Lösungen mit mehr Gewässerabstand umfasst. Der Druck auf das
Gewässer ist somit gegenüber dem Bereich innerhalb der Bauzonen
geringer. Angesichts der Einschränkungen für die Landwirtschaft,
welche die Gewässerraumzone auf die Bewirtschaftung bewirkt, er-
scheint folglich eine Breite von 18 m ausserhalb der Bauzone und
somit 2 m weniger als innerhalb der Bauzonen gerechtfertigt.
Innerhalb der Bauzonen ist der Möhlinbach stärker beeinträch-
tigt, jedoch ebenfalls ohne grosse Veränderungen auf diesem Ab-
schnitt. Aus diesem Grund ist es vertretbar, dass für den Möhlinbach
innerhalb des Dorfs ebenfalls eine einheitliche Gewässerraumbreite
definiert wird. Die Umsetzung des Gewässerraums ausserhalb und
innerhalb Bauzonen in Abschnitten macht im vorliegenden Fall ge-
stützt auf die vorgenannten Erwägungen durchaus Sinn, da sich we-
der der bauliche Zustand noch der Charakter die Grösse des
Gewässers in diesen Abschnitten markant verändert. Eine parzellen-
weise Festlegung des Gewässerraums ist weder aus raumplanerischer
Sicht sinnvoll noch aus ökologischen Interessen erforderlich. Die
Breite der Gewässerraumzone von 20 m, die überall die bundesrecht-
lich erforderliche Mindestbreite einhält und sie ausgehend von einer
natürlichen Sohlenbreite von 4 m um 3 m übertrifft, erscheint als zu-
lässig.
...
2019 Verwaltungsbehörden 330
4.7.5 Fachkarte Gewässerraum
4.7.5.1 Behördenverbindliche Festlegung (Art. 36a Abs. 1
GSchG)
Die Pflicht der Kantone zur Festlegung des Gewässerraums und
dessen extensive Gestaltung und Bewirtschaftung ist seit Januar 2011
im Gewässerschutzgesetz verankert und wurde im Juni 2011 auf
Verordnungsstufe (GSchV) konkretisiert. Demnach legen die Kanto-
ne den Gewässerraum gemäss den Art. 41a und 41b GSchV bis zum
31. Dezember 2018 fest (Absatz 1 ÜbgBest GSchV). Solange an den
oberirdischen Gewässern der Gewässerraum nicht ausgeschieden ist,
ist seit dem 1. Juni 2011 die Errichtung von Bauten und Anlagen in
einem relativ breiten - bei Fliessgewässern beidseitigen - Uferstrei-
fen grundsätzlich unzulässig. Diese Nutzungseinschränkungen stüt-
zen sich direkt auf Gesetz und Verordnung ab und gelten gegenüber
Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern unmittelbar; die
Rechtswirkungen dieser öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschrän-
kung gegenüber Behörden und betroffenen Privaten treten mithin
ein, ohne dass es noch eines kantonalen Umsetzungsakts bedarf
(vgl. Absatz 1 und 2 ÜbgBest GSchV). Mit den ÜbgBest GSchV soll
sichergestellt werden, dass im Gewässerraum keine unerwünschten
neuen Anlagen mehr errichtet werden, welche die Anliegen des Ge-
wässerschutzes durchkreuzen könnten.
Strittig war in der Vergangenheit, ab welchem Zeitpunkt der
Kanton Aargau den Gewässerraum in Erfüllung der bundesrecht-
lichen Vorgaben genügend bestimmt festgesetzt hat, so dass die
ÜbgBest GSchV nicht mehr Anwendung finden. Das Verwaltungsge-
richt des Kantons Aargau kam in seinem Entscheid vom 1. März
2018 (VGE III/25 vom 1. März 2018, publiziert in: URP 2018 425)
zum Schluss, dass die Festlegung des Gewässerraums in der behör-
denverbindlichen Gewässerraumkarte des Kantons Aargau die
ÜbgBest GSchV nicht abzulösen vermöge, da die hierzu erforder-
liche umfassende Interessenabwägung beziehungsweise die Anhö-
rung der von der Festlegung des Gewässerraums betroffenen Kreise
auf dieser Planungsebene noch nicht umfassend genug erfolgt sei
(vgl. VGE III/25 vom 1. März 2018, Seite 17 ff.). Ebenso erachtete
das Verwaltungsgericht die Gewässerräume, welche gemäss der Ge-
2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 331
wässerschutzverordnung des Bundes bis 2018 durch die Kantone
festgelegt werden müssen, mit der am 1. Mai 2017 in Kraft gesetzten
Änderung des kantonalen Baugesetzes als noch nicht ausreichend
grundeigentümerverbindlich umgesetzt. § 127 BauG kann gemäss
Beurteilung des Verwaltungsgerichts nicht direkt angewendet werden
und stellt damit lediglich eine behördenverbindliche (nicht aber
grundeigentümerverbindliche) Bestimmung zur Umsetzung in einem
Nutzungsplanungsverfahren dar. Damit könnten die Bestimmungen
von § 127 BauG auch nicht direkt auf konkrete Bauvorhaben ange-
wendet werden.
Im Zentrum der Argumentation steht demzufolge, dass bei einer
(rein) behördenverbindlichen Festlegung des Gewässerraums bereits
Fakten geschaffen worden sein könnten (Seite 18), also Baubewilli-
gungen erteilt und nicht verhindert werden könnten für Bauten, die
später im Gewässerraum liegen.
Demgegenüber kam das BAFU, dessen Entwurf der ÜbgBest
GSchV der Bundesrat seinerzeit unverändert beschlossen hatte, in
einer Aktennotiz vom 18. Dezember 2018 zuhanden der Bau- und
Planungsdirektorenkonferenz (BPUK) zum Schluss, dass eine
Festlegung der Gewässerräume bis Ende 2018 den
Anforderungen der Übergangsbestimmungen genüge. Im Einzelnen
führte das BAFU (Abteilungen Recht und Wasser; Refe-
renz/Aktenzeichen R502-0449) Folgendes aus (Hervorhebungen
auch im Original):

behördenverbindliche Festle-
gung bis Ende 2018 den Anforderungen der Übergangsbestimmung
genügt:








2019 Verwaltungsbehörden 332
Unbestritten ist, dass der Gewässerraum gemäss Artikel 36a
GSchG im Endeffekt eigentümerverbindlich auf Stufe Nutzungs-
planung festgelegt werden muss, damit er seine volle Wirkung ent-
falten kann und die rechtliche Forderung erfüllt wird.






Diskussion der Frist 2018 mit den Kantonen










Im Anschluss an eine Umfrage unter den Kantonen anfangs des
Jahrs 2019 hat das BAFU im Hinblick auf den Beschluss der Ar-
beitshilfe Gewässerraum 2019 seine Haltung erneut bestätigt.
Die Rechtsabteilung des BVU teilt die rechtliche Beurteilung
des BAFU schon lange, wie sie bereits mehrfach, unter anderem mit
Eingaben beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, erläutert hat
(siehe RRB 2017-001273 vom 25. Oktober 2017). In redaktioneller
Hinsicht bevorzugt sie lediglich, im einleitenden Fazit der Aktenno-
tiz nicht von einer rein behördenverbindlichen Festlegung (parti-
elle Hervorhebung auch im Original) zu sprechen, sondern nur von
einer behördenverbindlichen Festlegung , um möglichen Missver-
ständnissen vorzubeugen. Da die Festlegung im Baubewilligungsver-
fahren mittelbar auch bei der Bauherrschaft zur Anwendung gelangt,
wovon auch das BAFU ausgeht, gilt die Festlegung indirekt auch für
die Grundeigentümerschaft. Eine rein auf die Behörden beschränk-
2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 333
te Verbindlichkeit könnte missverstanden werden. Die Festlegung
gilt über das Baubewilligungsverfahren letztlich auch für die Grund-
eigentümerschaft.
Die Bauherrschaft kann sich jedoch gegen den Inhalt dieser
(vorläufigen) Festlegung im Rechtsmittelverfahren wehren; ebenso
können die Nachbarn und die legitimierten Verbände Rechtsmittel
dagegen ergreifen. Insofern ist die Festlegung auch für die Grund-
eigentümer- und die Bauherrschaft verbindlich, aber inhaltlich an-
fecht- und somit überprüfbar. Damit das Verbandsbeschwerderecht
umfassend gewährleistet ist, verlangt das BVU von den Gemeinden,
dass sie alle Baugesuche im Bereich der ÜbgBest GSchV auch im
kantonalen Amtsblatt publizieren und dem Kanton zur Zustimmung
vorlegen, bis die Festlegung des Gewässerraums in der Nutzungspla-
nung (definitiv) umgesetzt ist (vgl. Schreiben der Abteilung für Bau-
bewilligungen und Abteilung für Raumentwicklung an sämtliche
Gemeinden im Kanton Aargau vom 30. August 2017, im Internet:
www.ag.ch > Verwaltung > BVU > Umwelt, Natur & Landschaft >
Hochwasserschutz & Gewässer > Gewässerraum). So werden die be-
schwerdelegitimierten Verbände und Dritte verfahrensmässig so be-
handelt, als ob die ÜbgBest GSchV noch gelten würden.
Die Kantone haben bei der Form der Festlegung des Gewässer-
raums einen grossen Spielraum. Die Bundesgesetzgebung macht (bis
auf die nötige Anhörung) keine Vorgaben zum Verfahren. Es muss
jedoch eine lagegenaue Festlegung erfolgen. Entstehungsgeschicht-
lich betrachtet ist Art. 36a GSchG im Wesentlichen eine redaktionell
überarbeitete Fassung von Art. 21 Wasserbauverordnung (WBV), im
Parlament lediglich ergänzt mit der Verpflichtung der Anhörung der
betroffenen Kreise. In der Praxis zu den Gefahrenkarten Hochwasser
ist unbestritten, dass eine behördenverbindliche Gefahrenkarte bei
der Erteilung einer Baubewilligung zwingend zu berücksichtigen ist.
Der Begriff behördenverbindlich ist nicht der Gegensatz zu
grundeigentümerverbindlich . Es darf aus ihm nicht geschlossen
werden, dass behördenverbindliche Regeln für Grundeigentümer
nicht wirksam seien. Vielmehr gibt es eine unmittelbare und eine
bloss mittelbare Verbindlichkeit, die aber die gleiche Wirkung zeitigt.
Die Diskussion wurde vor über einem Jahrzehnt bereits bei der Ge-
2019 Verwaltungsbehörden 334
fahrenkarte Hochwasser geführt. Diese Karte ist anerkanntermassen
behördenverbindlich. Der Umkehrschluss (für alle anderen als die
Behörden unverbindlich) ist jedoch nicht zulässig und somit ein
Fehlschluss. Die Baupolizeibehörde muss die Gefahrenkarte im Bau-
bewilligungsverfahren berücksichtigen. Die Bauherrschaft ihrerseits
kann nur auf geeigneten Parzellen bauen, was die Hochwassersicher-
heit voraussetzt. Mittelbar hat die Gefahrenkarte somit Geltung auch
gegenüber der Bauherrschaft und der Grundeigentümerschaft. In den
Baubewilligungsverfahren kann jedoch eingewendet werden, die Ge-
fahrenkarte treffe sachlich nicht zu (vgl. zum Ganzen: RALPH VAN
DEN BERGH, Gefahren- und Gefahrenhinweiskarte Hochwasser,
Gutachten über ihren Stellenwert in der Rechtsordnung des Kantons
Aargau und des Bundes, Rechtsgutachten vom 10. November 2011).
Das Gleiche gilt für eine Gewässerraumkarte. Diese ist mittelbar
auch gegenüber der Bauherrschaft gültig. Baugesuche für Bauten
und Anlagen, die den Gewässerraum beanspruchen, erfordern eine
kantonale Zustimmung (vgl. § 63 Abs. 1 lit. c BauG). Damit erfolgt
eine Prüfung durch die kantonale Behörde auch dort, wo die Ge-
meinden zuständig sind. Solche mittelbaren Wirkungen sind keines-
wegs neu einzigartig. Es gibt sie auch bei anderen behördenver-
bindlichen Karten (vgl. Altlastenkataster, Gewässerschutzbereiche
usw., beziehungsweise ihre Vorläufer wie Hinweis- Verdachts-
flächenkarten).
Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die
Kantone den Gewässerraum in einer Gewässerraum-Karte festlegen
können, die bei der Richt- und Nutzungsplanung berücksichtigt wird
(vgl. Erläuternder Bericht des BAFU vom 20. April 2011, Seite 13;
CHRISTOPH FRITZSCHE, in: PETER HETTICH/LUC JANSEN/ROLAND
NORER [HRSG.], GSchG WBG - Kommentar zum Gewässerschutz-
gesetz und zum Wasserbaugesetz, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 36a
N 36; BPUK/KOLAS/BAFU/BLW/ ARE, Regionale Workshops zur
Umsetzung des Gewässerraums nach Gewässerschutzgesetz, Synthe-
sebericht, genehmigt von der BPUK-Hauptversammlung vom
20. September 2012 [Synthesebericht 2012], Seite 2 f.; HANS W.
STUTZ, Uferstreifen und Gewässerraum - Umsetzung durch die Kan-
tone, in: URP 2012 90, Seite 116 ff.). Das Bundesgericht hatte die
2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 335
Frage soweit ersichtlich noch nicht zu prüfen und verwies auf die
Meinung in der vorgenannten Literatur (vgl. BGE 139 II 481).
Daher ist der Auffassung des BAFU zu folgen. Seit der Festle-
gung des Gewässerraums in der Fachkarte Gewässerraum können
mittels Baubewilligungen im Gewässerraum keine Fakten geschaf-
fen werden. Das Zustimmungserfordernis der zuständigen kantona-
len Behörde, das Beschwerderecht der Nachbarschaft und das Ver-
bandsbeschwerderecht bieten Gewähr, dass der Gewässerraum in ei-
ner zweiten Stufe (Nutzungsplanung) im bundesrechtlich geforderten
Minimum umgesetzt werden kann. Somit sind nur noch wenige
Konstellationen denkbar, in denen eine beeinträchtigende Baubewil-
ligung erteilt wird: Dies würde für den Fall zutreffen, dass eine Ge-
meinde eine Nutzungsplanung beschliesst mit einem über die Fach-
karte (oder die Gesetzgebung) hinausgehenden Gewässerraum, der
zudem im Baubewilligungsverfahren aufgrund der konkreten Einzel-
fallprüfung weder von den Behörden noch den Beschwerdeführen-
den gefordert worden war. Oder neue Beschwerdelegitimierte ver-
langen im Rechtsmittelverfahren gegen die Nutzungsplanung, dass
ein solcher Gewässerraum umgesetzt wird. Solche Konstellationen
dürften sehr selten und erfahrungsgemäss eher theoretischer Natur
sein. Die ÜbgBest GSchV dienen nicht dazu, diesen weiten Spiel-
raum sicherzustellen. Sie nehmen die Absicherungsziele einer Pla-
nungszone wahr und dienen vor allem als (negativer) Anreiz, dass
der Gewässerraum rasch festgelegt wird.
Entgegen einzelnen anderslautenden unpräzisen Ausfüh-
rungen in Literatur und Rechtsprechung übernehmen sie jedoch nicht
einfach die Funktion einer Planungszone. Sie greifen viel stärker in
die Eigentumsfreiheit ein. Von einer Planungszone unterscheiden sie
sich in mindestens drei zentralen Punkten (vgl. Art. 27 RPG): Pla-
nungszonen sind nur soweit zulässig, als planerisch begründete An-
liegen abgesichert werden sollen; die von den ÜbgBest GSchV ge-
sicherten Breiten des Gewässerraums sind in der Mehrzahl der Fälle
innerhalb der Bauzonen jedoch sachlich nicht begründet gar
willkürlich. Ferner können Bauvorhaben, die die künftige (und die
heutige) Rechtslage einhalten, trotz Planungszone bewilligt werden,
was bei den ÜbgBest GSchV grundsätzlich nicht der Fall ist (die
2019 Verwaltungsbehörden 336
Festlegung muss im Regelfall über die Bauparzelle hinaus und in ei-
nem grösseren Rahmen erfolgen). Schliesslich ist die Planungszone
zeitlich relativ eng befristet; die Bauherrschaft wird somit zeitlich
nur beschränkt (in der Regel maximal 5 Jahre) im Ungewissen gelas-
sen blockiert. Vorliegend traten die ÜbgBest GSchV am 1. Juni
2011 in Kraft und gelten über das für die Umsetzung geltende Fris-
tende hinaus. Der Bundesgesetzgeber hat im hier relevanten Bereich
nur die Grundsatzgesetzgebungskompetenz (anders im Wasserbau;
dort gelten aber die Gefahrenkarten unabhängig von den ÜbgBest
GSchV weiterhin; vgl. Art. 76 BV). Angesichts des erheblichen Ein-
griffs in die Eigentumsfreiheit durch den Verordnungsgeber gibt es
keinen Grund, dass nur ... grundeigentümerverbindliche Festlegun-
gen des Gewässerraums ... die ÜbgBest GSchV ablösen können. Das
würde letztlich auf Nutzungsplanungen hinauslaufen, womit die an-
gesetzte Frist für die Kantone vom Verfahren her unrealistisch wäre,
zumal es nicht genügend Fachbüros gibt, die solche Planungen quali-
tativ ausreichend vorbereiten können. Das kann nicht dem Willen des
Verordnungsgebers entsprechen und wäre nicht sinnvoll.
Die Festlegung des Gewässerraums erfolgte im vorliegenden
Fall des Abschnitts des Möhlinbachs in den Bauzonen mit dem Er-
lass der kantonalen Gewässerraumkarte. Mit RRB Nr. 2016-000289
vom 16. März 2016 wurde die Gewässerraumkarte beschlossen. Der
Regierungsrat setzte damit Art. 36a Abs. 1 GSchG und somit die ers-
te Stufe um. Diese Gewässerraumkarte ist behördenverbindlich. Das
heisst, dass sowohl Baubewilligungsbehörden im Rahmen einer Er-
teilung einer Baubewilligung im Einzelfall an die Vorgaben der Ge-
wässerraukarte gebunden sind, ebenso die Gemeindebehörden im
Rahmen der Umsetzung der Gewässerräume im kommunalen Nut-
zungsplanungsverfahren. ... Im Rahmen der Festlegung der kantona-
len Gewässerraumkarte wurden die massgeblichen Interessenverbän-
de bereits miteinbezogen. Wenn nun argumentiert wird, man habe die
betroffenen Grundeigentümer (und Pächter und weitere Direktbe-
troffene) nicht in die Interessenabwägung miteinbezogen, so ist zum
einen zu bemerken, dass bei der öffentlichen Auflage und Publikati-
on im kantonalen Amtsblatt alle Grundlagen für die Fachkarte offen-
gelegt wurden und die Privaten mitwirken konnten, zum anderen
2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 337
dass die Festlegung in Baubewilligungsverfahren von Bauten rele-
vant werden, die den Gewässerraum gemäss Gewässerraumkarte
tangieren in denselben zu stehen kommen, und sich der be-
troffene Bauherr und weitere Beschwerdelegitimierte dort zur Wehr
setzen können. Der Gewässerraum in der Gewässerraumkarte ver-
steht sich als behördenverbindlicher Richtwert, der im Einzelfall den
vorliegenden Verhältnissen angepasst werden kann und muss. Es be-
steht also durchaus die Möglichkeit des Bauherrn, auch noch im
Baubewilligungsverfahren seine Interessen darzutun und eine erneu-
te, konkretere, Interessenabwägung zu verlangen. Dasselbe gilt na-
türlich bei der Umsetzung des Gewässerraums auf kommunaler Ebe-
ne auf Stufe Nutzungsplanung. Auch hier haben die kommunalen
Planungsbehörden auf Grundlage der Gewässerraumkarte bei der
Festlegung des Gewässerraums nochmals eine Interessenabwägung
vorzunehmen. Hier steht den betroffenen Grundeigentümern eben-
falls der Rechtsweg offen. Es ist damit nicht so, dass mit der kanto-
nalen Gewässerraumkarte bereits eine weitergehende Interessenab-
wägung verhindert würde und Präjudizien geschaffen würden.
Im Übrigen erfordert eine Festlegung des Gewässerraums, die
später in der Nutzungsplanung umgesetzt wird, anders als in der Li-
teratur teilweise vertreten, keine Interessenabwägung.
Das Bundesgericht verwendet diesen Begriff im Bau- und Planungs-
recht eng begrenzt; oft sind es Literaturzitate. Vorliegend ist er offen-
sichtlich nicht angebracht, handelt es sich beim Gewässerraum doch
um eine grundsätzlich einseitige Interessenabwägung; der Bundes-
verordnungsgeber hat die Mindestbreiten festgelegt, die nur sehr ein-
geschränkt in definierten wenigen Fällen unterschritten werden kön-
nen. Auch würde eine umfassende Interessenabwägung voraussetzen,
dass diese aufgrund eines Entscheids zustande gekommen ist, dem
eine Anhörung aller Rechtsmittellegitimierten vorangegangen war
und der mit einem Rechtsmittel anfechtbar ist. Dies verlangt Art. 36a
Abs. 1 GSchG jedoch nicht. Im Parlament bezeichneten verschiedene
Votanten die von Seiten des Parlaments vorgeschlagene Anhörung
mit Blick auf die weitere Anhörung und Mitwirkung im Nutzungs-
planverfahren (Art. 36a Abs. 3 GSchG) denn auch vielmehr als sinn-
los und absolut doppelt gemoppelt (Filippo Leutenegger) oder
2019 Verwaltungsbehörden 338
überflüssig (Elvira Bader); sie sei auch keine zusätzliche Rekurs-
oder Einsprachemöglichkeit (Hans Killer; zum Ganzen: AB 2009 N
652 ff.).
Gestützt auch auf die Darlegungen des BAFU erachtet der Re-
gierungsrat die Voraussetzung für den Wegfall der ÜbgBest GSchV
mit der behördenverbindlichen Festlegung des Gewässerraums in der
kantonalen Gewässerraumkarte als grundsätzlich erfüllt. Vorsorglich
sind die Gemeinden jedoch angewiesen worden, die Baugesuchsver-
fahren zur Wahrung der Rechte Dritter so durchzuführen, als ob die
ÜbgBest GSchV noch gelten würden (Zustimmung des Kantons und
Publikation im Amtsblatt des Kantons; vgl. erwähntes Schreiben der
Abteilung für Baubewilligungen und Abteilung für Raumentwick-
lung an sämtliche Gemeinden im Kanton Aargau vom 30. August
2017). ...
5. Sagikanal (künstlich angelegtes Gewässer) ...
5.3 Rechtliche Beurteilung ...
Die GSchV zählt abschliessend auf, in welchen Fällen die Kan-
tone auf die Festlegung des Gewässerraums verzichten können. Sie
können im kantonalen Recht keine weiteren Verzichtsgründe auf-
nehmen. Auf die Festlegung kann in folgenden Fällen verzichtet
werden, sofern keine überwiegenden Interessen entgegenstehen:
o Gewässer im Wald Sömmerungsgebiet
o eingedolte Fliessgewässer
o künstlich angelegte Gewässer
o sehr kleine Fliessgewässer
o stehende Gewässer mit einer Wasserfläche < 0,5 ha.
Die Kantone können auf die Festlegung des Gewässerraums in
den oben angegebenen Fällen verzichten, sie sind aber nicht dazu
verpflichtet. Der Verzicht auf die Festlegung des Gewässerraums
muss immer im Einzelfall erfolgen und verlangt eine Interessenab-
wägung, die alle massgebenden Interessen umfasst. Dies ergibt sich
aus dem Wortlaut der Verordnungsbestimmung soweit keine über-
wiegenden Interessen entgegenstehen (Art. 41a Abs. 5 GSchV be-
ziehungsweise Art. 41b Abs. 4 GSchV). Ein Verzicht auf die Festle-
gung des Gewässerraums muss nicht dauerhaft gültig sein. Eine Ge-
wässerraumfestlegung kann zu einem späteren Zeitpunkt je nach Si-
2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 339
tuation erforderlich werden. Wurde beispielsweise in einem Waldge-
biet auf die Festlegung verzichtet und ist dann eine Aktivität vorge-
sehen, welche die Gewässerfunktionen tangieren könnte, muss nach-
träglich ein entsprechender Gewässerraum definiert werden. Auch
muss der Gewässerraum festgelegt werden, wenn eine Ausdolung
und Revitalisierung eines eingedolten Gewässers verwirklicht wer-
den soll.
Überwiegende Interessen, die einem Verzicht auf die Festlegung
des Gewässerraums bei künstlich angelegten Gewässern entgegen-
stehen, sind insbesondere Interessen des Hochwasserschutzes sowie
die allenfalls vorhandene besondere ökologische Bedeutung des Ge-
wässers. Beispiele für künstlich angelegte Gewässer mit besonderer
ökologischer Bedeutung sind (Arbeitshilfe Gewässerraum 2019,
Modul 2, Seite 17 ff.):
o Binnenkanäle entlang kanalisierter Flüsse wie dem Alpenrhein
o Gewässer, die eine Bedeutung als Lebensraum für die Ver-
netzung von Lebensräumen haben, beispielsweise der Klingnauer
Stausee im Kanton Aargau, Umgehungsgerinne künstliche
Weiher, welche aufgrund der Natur- und Landschaftsschutzge-
setzgebung geschaffen wurden
o Fälle, in denen entlang eines Kanals eine wertvolle Uferbe-
stockung vorkommt, die als wichtiges Vernetzungselement dient
o Fälle, in denen beispielsweise eine seltene Fisch- Krebsart
ihr Habitat in ebendiesem Kanal hat
o Kanäle, die trotz künstlicher Anlage kaum verbaut sind und na-
turnah erscheinen.
Die Abteilung Landschaft und Gewässer beurteilt die Situation
beim Sagikanal ... hinsichtlich der Hochwasserthematik sowie in
ökologischer Hinsicht in ihren Fachberichten wie folgt:






2019 Verwaltungsbehörden 340




































2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 341




































2019 Verwaltungsbehörden 342



Gestützt auf die Gewässerschutzverordnung kann auf die Fest-
legung des Gewässerraums verzichtet werden, wenn das Gewässer
künstlich angelegt ist und keine überwiegenden Interessen entgegen-
stehen (Art. 41a Abs. 5 lit. c GSchV). § 127 Abs. 1bis lit. a BauG
formuliert die Bedingung umgekehrt und beschränkt dem reinen
Wortlaut nach die entgegenstehenden Interessen auf die ökologische
Bedeutung: Für Fliessgewässer wird kein Gewässerraum festgelegt,
wenn sie künstlich angelegt und ohne besondere ökologische Bedeu-
tung sind.
Die meisten Gewässer haben eine ökologische Bedeutung als
Vernetzungs- und Lebensraum. Dies war dem Gesetzgeber auch be-
wusst, weshalb eine allgemeine ökologische Bedeutung nicht genügt
als Kriterium, welches einem Verzicht auf einen Gewässerraum ent-
gegenstehen vermag. Sowohl Art. 41a Abs. 5 GSchV als auch § 127
Abs. 1bis lit. a BauG verlangen daher ein Interesse be-
ziehungsweise eine ökologische Bedeutung, welche einem
Verzicht auf einen Gewässerraum entgegenstehen muss.
Der unbestimmte Rechtsbegriff ohne besondere ökologische
Bedeutung im kantonalen Recht meint also nichts wesentlich ande-
res als die Formulierung im Bundesrecht soweit keine überwiegen-
den Interessen entgegenstehen , fokussiert aber auf das letztlich wohl
meistens relevante Interesse der ökologischen Bedeutung und ver-
deutlicht, dass es ein besonders gewichtiges Interesse braucht; denn
letztlich haben alle offen und ebenerdig verlaufenden Gewässer eine
ökologische Bedeutung. Der Hochwasserschutz dürfte hier selten be-
troffen sein, weil Kanäle Stauseen meist reguliert werden kön-
nen. Auch die Gewässernutzung die weiteren natürlichen Funk-
tionen der Gewässer (vgl. Art. 36a Abs. 1 GSchG) stehen bei künst-
lich angelegten Gewässern in der Regel nicht im Vordergrund für ei-
nen Gewässerraum. Daher hat der kantonale Gesetzgeber nur die
ökologische Bedeutung explizit aufgeführt. Inhaltlich ist damit kein
erleichterter Verzicht gegenüber dem Bundesrecht verbunden.
2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 343
Als politische Bestrebungen bestanden, die Bundesverordnung
wieder deutlich zu entschärfen, wurde von Seiten des Bundesrats als
Verordnungsgeber dem Parlament gegenüber versichert, dass bei
künstlich angelegten Gewässern ein Spielraum besteht, um auf einen
Gewässerraum zu verzichten (vgl. die Unterlagen zur Motion
12.3334; AB 2012 N 1062 f.). Eine Art Umkehr der Beweislast hatte
der Verordnungsgeber nicht vorgesehen; ein Verzicht erfordert nicht,
dass mit einem detaillierten Expertenbericht (über den IST-Zustand
und das ökologische Potenzial) nachgewiesen wird, dass keine über-
wiegende ökologische Bedeutung vorliegt, wie die Beschwerdefüh-
renden anzunehmen scheinen.
Unstrittig ist, dass es sich beim Sagikanal um ein künstlich an-
gelegtes Fliessgewässer handelt. Indes bemängeln die Beschwerde-
führenden, beim Sagikanal sei der Hochwasserschutz nicht genügend
ausgewiesen und es sei aus ökologischer Hinsicht die Festlegung des
Gewässerraums erforderlich. Es ist davon auszugehen, dass sich die
Beschwerdeführenden bei dieser Behauptung betreffend mangelnden
Hochwasserschutz nicht auf die aktuellen Unterlagen stützen. Das
Hochwasserschutzprojekt Möhlintal 2016 lag vom 9. September
2016 bis 10. Oktober 2016 öffentlich auf (2. Projektauflage). Das
Teilprojekt für die Massnahmen in Zeiningen ist mit RRB Nr. 2018-
001427 vom 5. Dezember 2018 genehmigt worden. Das Hochwas-
serrückhaltebecken beim Sagikanal wurde bereits realisiert. Aus den
Ausführungen der Abteilung Landschaft und Gewässer sowie des
Gemeinderats Zeiningen geht hervor, dass der Hochwasserschutz im
Bereich des Sagikanals genügend gewährleistet ist. Der Regierungs-
rat sieht keinen Anlass, diese Aussagen in Zweifel zu ziehen. Dies
umso mehr, als in diesem Gebiet das Hochwasserrückhaltebecken für
ein hundertjährliches Hochwasser bereits realisiert wurde. Entgegen
der nicht substantiierten Behauptung der Beschwerdeführenden in ih-
rer Stellungnahme zum Fachbericht vom 12. April 2019 besteht kei-
ne Hochwassergefahr für das betroffene Gebiet, welche die Festle-
gung eines Gewässerraums beim Sagikanal erforderlich machen
würde.
Die Abteilung Landschaft und Gewässer attestiert dem Sagika-
nal eine ökologische Bedeutung. Zwar stellt der Sagikanal ein Le-
2019 Verwaltungsbehörden 344
bensraum für einzelne Wasserlebewesen dar und kann aufgrund sei-
ner Bestockung auch als Lebensraum und Vernetzungskorridor für
Vögel und Kleinsäugetiere dienen. Es ist jedoch keine
ökologische Bedeutung erkennbar, welche eine Gewässerraum-
umsetzung zwingend erfordern würde. Der Hauptwanderkorridor
und Lebensraum mit grosser Bedeutung ist der Möhlinbach. Es ist
nicht vorgesehen, den Bereich der Wiedereinleitung des Kanals in
den Möhlinbach natürlich zu gestalten und erstmalig eine Längsver-
netzung herzustellen; das Wanderungshindernis im ehemaligen
Kraftwerksgebäude, der teilweise unterirdisch verlaufende Unter-
wasserkanal und der teilweise eingedolte Oberwasserkanal mit der
Zulaufsteuerung verbleiben als unüberwindbare Hindernisse. Die
Auffassung der Beschwerdeführenden, die Fischgängigkeit werde
wiederhergestellt, trifft somit auf den Sagikanal nicht zu (anders als
auf den Möhlinbach beim Wehr). Entgegen der Annahme der Be-
schwerdeführenden hat der Kanal auch künftig keine Vernetzungs-
funktion.
Damit verzeichnet der Sagikanal nicht eine besondere ökologi-
sche Bedeutung, welche als überwiegendes ökologisches Interesse
einem Verzicht auf die Festlegung des Gewässerraums entgegen-
stehen würde. Die Abteilung Landschaft und Gewässer legt ausser-
dem dar, dass die Bedürfnisse der Flora und Fauna mit den geltenden
gesetzlichen Vorgaben auch ohne Gewässerraum genügenden Schutz
finden. Für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung gelten trotz Ver-
zicht einer Gewässerraumfestlegung auch entlang von diesen künst-
lich angelegten Gewässern die Einschränkungen gemäss Verordnung
über die Direktzahlungen an die Landwirtschaft (auf 6 m keine
Pflanzenschutzmittel) und Verordnung zur Reduktion von Risiken
beim Umgang mit bestimmten besonders gefährlichen Stoffen, Zube-
reitungen und Gegenständen (auf 3 m kein Dünger). Zwar findet bei
künstlich angelegten Gewässern gemäss § 127 Abs. 1bis lit. a BauG
(im Gegensatz zu lit. b derselben Bestimmung, die einen Abstand für
Bauten und Anlagen von 6 m ausdrücklich vorsieht) kein Mindestab-
stand von 6 m für Bauten und Anlagen zum Rand der Gerinnesohle
Anwendung, es ist aber darauf hinzuweisen, dass allfällige Bauvor-
haben ausserhalb Bauzone in jedem Fall einer Zustimmung des Kan-
2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 345
tons bedürfen und in diesem Verfahren dem Schutz dieses Kanals
und der Ufergehölze Rechnung getragen werden muss. Allerdings
trifft auch zu, dass ohne Abstand für Bauten und Anlagen der Schutz
des Kanalbereichs schwächer ist und namentlich vom Vollzug durch
die kantonalen und kommunalen Baupolizeibehörden abhängt. Da
der Kanal ausserhalb der Bauzonen liegt, müssen Baugesuche in Ka-
nalnähe im kantonalen Amtsblatt publiziert werden, was der (auswär-
tigen) Nachbarschaft und den legitimierten Verbänden ermöglicht,
eine Kontrolle der Verwaltungstätigkeit vorzunehmen.
Wesentlich ist im vorliegenden Fall jedoch, dass der Planungs-
bericht vom 16. Januar 2018 zum Sagikanal keine nachvollziehbaren
inhaltlichen Aussagen macht.
Es wird im Bericht zum Sagikanal einzig festgehalten, er sei ein
künstliches Gewässer ohne besondere ökologische Bedeutung. Er
wird im gleichen Satz erwähnt wie der Fischzuchtkanal, der prak-
tisch kein Wasser mehr führt, der in keiner Weise mit dem Sagikanal
vergleichbar ist und separat zu behandeln wäre. Ferner heisst es, der
Gewässerraum sei an allen Bächen geprüft worden. Das ist eine
selbstverständliche Mindestanforderung für eine kostenpflichtige
Planungstätigkeit und ein unspezifisch gehaltener Textbaustein, der
in alle Berichte passt. Es wird nicht gesagt, wie, durch wen (Fach-
kompetenz), wie aufwendig und wann geprüft worden ist. Derart all-
gemeine Ausführungen sind nichtssagend. In jeder Gemeinde sind
die Gewässer individuell zu prüfen. Der Bericht lässt eine fundierte
Interessensabwägung beim Sagikanal vermissen, obwohl die
kommunalen Behörden bereits im abschliessenden Vorprüfungsbe-
richt der Abteilung Raumentwicklung des Departements Bau, Ver-
kehr und Umwelt vom 3. September 2017 darauf hingewiesen wor-
den sind, dass die konkrete Festlegung des Gewässerraums bezie-
hungsweise der Verzicht auf einen Gewässerraum Aufgabe der
kommunalen Behörden darstellt und ein summarischer Verweis auf
die kantonalen Bestimmungen zum Gewässerraum (§ 127 BauG)
nicht ausreichend ist (vgl. abschliessender Vorprüfungsbericht vom
3. September 2017). Es ist nun nicht die Aufgabe der kantonalen Be-
hörden, die fehlenden Aussagen nachzuholen und erstmalig eine In-
teressenabwägung vorzunehmen. Zwar hat die Beschwerdeinstanz
2019 Verwaltungsbehörden 346
zwei Fachgutachten zum Sagikanal eingeholt, diese ersetzen jedoch
vorliegend nicht die Interessenabwägung und die Entscheidung über
eine Festsetzung des Gewässerraums beziehungsweise über einen
Verzicht auf den Gewässerraum, welche die kommunale Behörde im
Rahmen ihrer Gemeindeautonomie vorzunehmen hat.
Vorliegend ist Folgendes zu bedenken: Die Interessenabwägung
kann auch einen teilweisen Verzicht auf den Gewässerraum ergeben.
Möglich ist etwa eine reduzierte Breite ein Abstand für Bauten
und Anlagen, wie ihn § 127 BauG für verschiedene Konstellationen
vorsieht. Ein solcher beschränkt die landwirtschaftliche Nutzung
praktisch nicht, verbessert aber den Schutz vor Bauten und Anlagen,
indem er grundsätzlich einen klaren Bauverbotsbereich festhält. Die
Uferbestockung ist teilweise sehr einseitig, was sich auch in der Sig-
natur wiederspiegelt. Sie steht auch ohne Gewässerraum unter
strengem Schutz (Art. 21 f. NHG). Allerdings wird die Verpflich-
tung, die Voraussetzungen für eine ergänzende Bestockung zu schaf-
fen (vgl. Art. 21 Abs. 2 NHG), ohne Gewässerraum nicht berücksich-
tigt. Im Gewässerraum bestünde grundsätzlich auch eine gewisse
Pflicht zu einer extensiven Gestaltung (vgl. Art. 36a Abs. 3
GSchG), was die Bestockung fördern würde, wie vom Gesetzgeber
verlangt. Schliesslich ist auf die besondere Situation bei der Parzelle
1820 der Ortsbürgergemeinde Zeiningen hinzuweisen. Die Parzelle
liegt bei der Ausleitung des Sagikanals zwischen Kanal und Möhlin-
bach. Dort erfolgte im Jahr 2013 eine Umzonung in eine Zone für
Freizeitaktivitäten. Die Ortsbürger errichteten dort in der Folge ein
Blockhaus. Die Zone lässt gemäss BNO weitere Bauten ohne Ab-
standsvorschriften zum Gewässer zu (vgl. § 28 Zone für Freizeitakti-
vitäten). Bei der Umzonierung wurden auch der Wildtierkorridor und
die Landschaftsschutzzone ohne erkennbare Begründung und Ersatz
unterbrochen. Ein Gewässerraum könnte solche Freihalte- und Ver-
netzungsfunktionen teilweise übernehmen. Es wäre daher fundiert zu
prüfen, ob bei dieser Parzelle beziehungsweise bei diesem Gewäs-
serabschnitt nicht nur ein Abstand für Bauten und Anlagen, sondern
auch ein umfassender Gewässerraum notwendig ist. Die nötigen
Grundlagen für eine Beurteilung fehlen jedoch und sind von der Ge-
meinde beizubringen. Insofern wird der Antrag auf eine Expertise,
2019 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 347
den die Beschwerdeführenden stellten, um weitere Erkenntnisse zu
erhalten, gutgeheissen.
Demgemäss ist die Beschwerde bezüglich des Sagikanals teil-
weise gutzuheissen. Die Planung kann im Bereich Sagikanal noch
nicht genehmigt werden. Die Vorlage ist an den Gemeinderat zu-
rückzuweisen zur Neuvorlage an die Einwohnergemeindeversamm-
lung im Sinn der Erwägungen. Der Gemeinderat hat eine fundierte
Interessenabwägung vorzunehmen und entsprechend diesem Ergeb-
nis beim Sagikanal grundsätzlich zumindest einen Abstand für Bau-
ten und Anlagen und namentlich auf der Parzelle 1820 gegebenen-
falls einen weitergehenden Gewässerraum festzusetzen. Bei den nö-
tigen Abklärungen soll dann auch die neue Situation mit der Einlauf-
regulierung des Sagikanals berücksichtigt werden. ...

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