51 Art. 12 lit. i BGFA
Verletzung der Berufspflichten; der Anwalt hat entgegen der schriftlich
vereinbarten Pauschale mehr als den doppelten Aufwand abgerechnet. Es
lag keine schriftliche Abrede zur Vertragsänderung vor.
Aus dem Entscheid der Anwaltskommission vom 22. Juli 2019
(AVV.2018.75), i.S. Aufsichtsanzeige
4.
4.1. (...)
4.2.
Nach Art. 12 lit. i BGFA haben Anwälte ihre Klientschaft bei
Übernahme des Mandats über die Grundsätze ihrer Rechnungs-
stellung aufzuklären. Weiter sind sie verpflichtet, ihre Klienten perio-
disch auf Verlangen über die Höhe des geschuldeten Honorars
zu informieren. Zur Aufklärung über die Grundsätze der Rechnungs-
stellung gehören Hinweise auf allfällige gewünschte Vorschüsse, den
Zeitpunkt der Rechnungsstellung, die Art des Honorars (Pauschale
oder Honorar nach Stundenaufwand) sowie allfällige Zahlungsfris-
ten. Zur erforderlichen Information gehören auch Angaben zu einem
allfälligen Stundenansatz (WALTER FELLMANN in: WALTER FELL-
MANN
/GAUDENZ G. ZINDEL [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsge-
setz, 2. Auflage, Zürich 2011, Art. 12 N 157). Haben Anwalt und
Klient ein Pauschalhonorar vereinbart, darf der Anwalt auch dann
keine Erhöhung fordern, wenn er mehr Arbeit leisten musste, als er
ursprünglich prognostizierte. Umgekehrt hat der Klient auch dann
die volle Vergütung zu entrichten, wenn die Besorgung der über-
nommenen Geschäfte die Leistung der aufgetragenen Dienste
weniger Arbeit verursachte, als Anwalt und Klient bei Abschluss der
Vereinbarung erwartet hatten. Vorbehalten bleibt der Fall, dass der
Mehr- Minderaufwand auf einer Änderung des Vertragsgegen-
stands beruht, indem der Anwalt zusätzliche weniger Leistun-
gen zu erbringen hatte, als ursprünglich vereinbart wurde. Eine sol-
che Abrede zieht eine entsprechende Erhöhung bzw. Reduktion des
Honorars nach sich (FELLMANN, BGFA-Kommentar, a.a.O.,
Art. 12 N 165).
4.3.
Zuständig für die Überprüfung der Angemessenheit der Hono-
rarforderung ist grundsätzlich der Richter. Die Aufsichtsbehörde hat
nur einzuschreiten, wenn die Rechnung des Anwalts krass übersetzt
ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Anwalt das Dreifache des
angemessenen Betrags fordert (FELLMANN, BGFA-Kommentar,
a.a.O., Art. 12 N 169). Begründet die Honorarvereinbarung ein
offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und
der Gegenleistung des Klienten und hat der Anwalt dieses Ergebnis
durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit des Leicht-
sinns seines Klienten erreicht, so ist die Vereinbarung für den Klien-
ten nach Art. 21 OR unverbindlich. Eine solche Übervorteilung hat
auch disziplinarrechtliche Konsequenzen (FELLMANN, BGFA-
Kommentar, a.a.O., Art. 12 N 162).
5.
5.1. - 5.2. (...)
6.
6.1. - 6.2. (...)
6.3.
6.3.1.
Ein Pauschalhonorar bedarf als spezielle Form des Honorars
einer ausdrücklichen Vereinbarung. Dass ursprünglich ein Pauschal-
honorar vereinbart worden ist, wird vom beanzeigten Anwalt zwar
nicht bestritten (vgl. oben, Ziff. 5.2). Indes macht er geltend, dass er
mit dem Klienten lediglich ein Kostendach abgemacht hätte und
dass sich die Kosten infolge der sich im Laufe des Verfahrens erge-
benen Weiterungen (u.a. Beizug einer Rechtsvertretung durch die
Gegenpartei) erhöht hätten (vgl. oben, Ziff. 5.2). Wie bereits ausge-
führt (vgl. oben, Ziff. 4.2), darf der Anwalt bei Vereinbarung eines
Pauschalhonorars keine Erhöhung fordern, wenn er mehr Arbeit leis-
ten musste, als er ursprünglich prognostizierte. Vorbehalten bleibt der
Fall, dass der Mehr- Minderaufwand auf einer Änderung des
Vertragsgegenstands beruht, indem der Anwalt zusätzliche we-
niger Leistungen zu erbringen hatte, als ursprünglich vereinbart wur-
de.
6.3.2.
Der Anzeiger macht diesbezüglich geltend, es habe keine Extra-
aufgaben, keine Extrarunden, keine aussergewöhnlichen Aufgaben-
stellungen und keine unerwarteten Sachzwänge gegeben. Auch sei er
nie über Mehraufwände in Kenntnis gesetzt worden (vgl. oben,
Ziff. 5.1).
6.3.3.
Demgegenüber macht der beanzeigte Anwalt geltend, dass er
seinen Mandanten wiederholt mündlich darüber informiert habe, dass
die anwaltlichen Aufwendungen den Rahmen des ursprünglich ver-
einbarten Kostendachs sprengen würde (vgl. oben, Ziff. 5.2).
6.3.4.
Aus dem Schreiben vom 31. Juli 2017 ( Wegen des grösseren
anwaltlichen Aufwandes infolge der von Ihrer Ehefrau beigezogenen
Gegenanwältin ist die Rechnung etwas höher als ursprünglich veran-
schlagt ausgefallen. Besten Dank für Ihr Verständnis ; vgl. SB 7) und
der Aussage des beanzeigten Anwalts im Schreiben vom 23. Oktober
2017 (er habe sich erlaubt , das Honorar entsprechend seinen Auf-
wendungen zu berechnen; vgl. SB 8) ergibt sich, dass er seinen Kli-
enten nicht über zusätzliche Leistungen aufgeklärt hat. Aus den Ak-
ten ergibt sich vielmehr, dass der beanzeigte Anwalt seinen Klienten
erst mit der Schlussrechnung im Juli 2017 schriftlich über den
grösseren Aufwand informiert hat. Im Schreiben vom 31. Juli 2017
fehlen insbesondere Hinweise, wonach der beanzeigte Anwalt den
Klienten - entgegen der Behauptung des beanzeigten Anwalts (vgl.
oben, Ziff. 5.2) - wiederholt mündlich informiert hätte, dass die an-
waltlichen Aufwendungen das vereinbarte Kostendach sprengen
würden. Bei einer Abänderung der ursprünglich vereinbarten Pau-
schale wäre dies ohnehin - aufgrund der Pflicht zur unmissverständ-
lichen Aufklärung über die Grundsätze der Rechnungsstellung - klar
und vorab zu kommunizieren gewesen. Entsprechende Hinweise
durfte der beanzeigte Anwalt aber keinesfalls nur mündlich machen.
Dies gilt umso mehr, als der Betrag - wie vorliegend - derart massiv
über dem vereinbarten Pauschalhonorar liegt; so liegt der mit
Schlussrechnung vom 31. Juli 2017 geforderte Betrag (CHF
3'951.80) mehr als das Doppelte über dem ursprünglich vereinbarten
Pauschalbetrag (CHF 1'500.00). (...) Der Beizug einer Anwältin
durch die Gegenpartei führte zudem noch nicht zu einer Änderung
des eigentlichen Vertragsgegenstandes, zumal der beanzeigte Anwalt
von Anfang an mit diesem Umstand rechnen musste (...). Es gilt
demnach festzuhalten, dass der beanzeigte Anwalt entgegen der
schriftlich vereinbarten Pauschale mit der Schlussrechnung vom
31. Juli 2017 mehr Aufwand geltend gemacht hat. Wie gezeigt, ist
davon auszugehen, dass keine Abrede zur Vertragsveränderung vor-
liegt. Der beanzeigte Anwalt hat deshalb gegen die Berufspflicht von
Art. 12 lit. i BGFA (Pflicht zur Aufklärung über die Grundsätze der
Rechnungsstellung) verstossen.