25 Sozialhilfe; Verhältnis zu Anwartschaften der beruflichen Vorsorge und
zur Hilflosenentschädigung von Angehörigen
Vor der Fälligkeit des Anspruchs auf Vorsorgeleistungen kann keine
Abtretung von Leistungen der beruflichen Vorsorge verlangt werden
(Erw. 1.3).
Pflegt eine unterstützte Person einen hilflosen Angehörigen, ist ihr
die Hilflosenentschädigung in jenem Umfang als Einnahmen anzu-
rechnen, in dem sie nicht für den Einkauf von externen Dienst-
leistungen verwendet wird (Erw. 3).
Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 5. November
2019, in Sachen A. gegen Gemeinderat B. und Departement Gesundheit und
Soziales (WBE.2019.267).
1.3.
Gemäss § 12 SPG kann materielle Hilfe als Vorschuss im Hin-
blick auf entsprechende Leistungen einer Sozialversicherung, einer
Privatversicherung, haftpflichtiger Dritter anderer Dritter wäh-
rend eines Zeitraums gewährt werden (vgl. Abs. 1). Bei einzelnen
Sozialversicherungen besteht die Möglichkeit der Direktauszahlung
an das bevorschussende Gemeinwesen, ohne dass die Einwilligung
der unterstützten und anspruchsberechtigten Person vorliegen muss
(vgl. Abs. 2). In den übrigen Fällen bedarf es einer (schriftlichen)
Abtretung des Anspruchs an die bevorschussende Gemeinde (vgl.
Abs. 3; Botschaft des Regierungsrats des Kantons Aargau an den
Grossen Rat vom 30. Juni 1999, SPG, Bericht und Entwurf zur
1. Beratung, 99.226, S. 23; VGE vom 1. Juni 2010 [WBE.2009.408],
Erw. II/3.1).
Im Bereich der beruflichen Vorsorge gilt Folgendes: Gemäss
Art. 39 Abs. 1 BVG kann der Leistungsanspruch vor Fälligkeit
grundsätzlich weder verpfändet noch abgetreten werden. Diese Ge-
setzesbestimmung bezieht sich kraft Art. 17 FZV auch auf die Frei-
zügigkeitsfälle (Urteil des Bundesgerichts vom 7. September 2004
[B 51/03], Erw. 2.2). Rechtsgeschäfte, die diesen Bestimmungen
widersprechen, sind nichtig (Art. 39 Abs. 3 BVG). Ansprüche auf
Vorsorgeleistungen entstehen erst mit Eintritt des entsprechenden
Leistungstatbestandes (z.B. Erreichen des Pensionierungsalters; vgl.
BGE 126 V 258, Erw. 3a; ROLF KUHN/MARTIN KERN, Die Verpfän-
dung von Vorsorgeguthaben für den Erwerb von Wohneigentum, in:
SZS 2017, S. 244). Anwartschaftliche bzw. nicht fällige Leistungsan-
sprüche können nicht abgetreten werden. Eine Abtretung im Sinne
von § 12 Abs. 3 SPG ist in diesen Fällen somit nicht möglich.
1.4. - 1.5. (...)
2. (...)
3.
3.1.
Die Beschwerdeführerin beanstandet schliesslich, dass ihr die
Hilflosenentschädigung der Tochter teilweise als Einnahmen ange-
rechnet wird (zu einem Drittel bzw. im Betrag von Fr. 391.65). Die
Tochter müsse damit externe Leistungserbringer wie die private
Spitex bezahlen. Mit der Hilflosenentschädigung würden sämtliche
behinderungsbedingt anfallenden Mehrkosten abgedeckt, wozu auch
Hilfsmittel und Hygieneartikel zählten. Zu berücksichtigen seien
auch spezielle Transportkosten der Ambulanz und Feuerwehr.
3.2.
Die Hilflosenentschädigung bezweckt, die mit der Hilflosigkeit
verbundenen präsumierten Kosten zu ersetzen. Entschädigt werden
die behinderungsbedingt anfallenden Mehrkosten, weshalb der Hilf-
losenentschädigung schadenersatzähnlicher Charakter zukommt (vgl.
ROBERT ETTLIN, Die Hilflosigkeit als versichertes Risiko in der So-
zialversicherung, Diss. Freiburg 1998, S. 332 f.). Im Gegensatz zu
Renten Taggeldern, die dem allgemeinen Lebensunterhalt die-
nen, stellt die Hilflosenentschädigung kein Ersatzeinkommen dar.
Die Geldleistung wird im Hinblick auf eine bestimmte Verwendung
ausgerichtet und ist in diesem Sinne zweckgebunden. Die Höhe der
Entschädigung bemisst sich auf der Grundlage des Prinzips der ab-
strakten Bedarfsdeckung (vgl. ETTLIN, a.a.O., S. 333), d.h. un-
abhängig von den effektiv entstandenen Kosten nach dem Schwere-
grad der Hilflosigkeit (Art. 42 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 37
IVV: Schwere, mittelschwere und leichte Hilflosigkeit). Es erfolgt
eine pauschalierte Entschädigung der behinderungsbedingten Auf-
wendungen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 25. Februar 2010
[8C_731/2009], Erw. 3.1).
3.3.
In der Konstellation, wo eine behinderte, nicht von der Sozial-
hilfe unterstützte Person (z.B. volljähriges Kind) von einer materiell
unterstützten Person (z.B. Mutter) gepflegt wird, ist die Hilflosenent-
schädigung in jenem Umfang als Einnahmen anzurechnen, in dem
sie nicht für den Einkauf von externen Dienstleistungen verwendet
wird (GUIDO WIZENT, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit,
Zürich/St. Gallen 2014, S. 429; HEINRICH DUBACHER/BERNADETTE VON
DESCHWANDEN, Wie berücksichtigt man die Hilflosenentschä-
digung?, in: ZESO 2/2006, S. 16).
Entgegen der Vorinstanz ist dabei unbeachtlich, in welchem
Verhältnis die externen Dienstleistungen zu den selbst erbrachten
Leistungen stehen bzw. wie viele Kosten dadurch eingespart werden,
dass die Beschwerdeführerin Pflege- und Betreuungsleistungen
selbst erbringt. Massgebend für die Anrechnung als Einkünfte ist al-
lein, in welchem Umfang die Hilflosenentschädigung die Kosten der
externen Leistungen überschreitet.