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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2019 24)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2019 24: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht entschied, dass nur rechtsmissbräuchliches Verhalten eine Anrechnung eigener hypothetischer Mittel bei der Sozialhilfe rechtfertigt. Ein Beschwerdeführer hatte Geld abgehoben, bevor er offiziell wieder Sozialhilfe bezog, was als unvernünftige Mittelverwendung angesehen wurde. Das Gericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer genug Geld für den Monat Juni hatte und daher keine zusätzlichen Ausgaben gerechtfertigt waren. Es wurde auch diskutiert, dass rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt, wenn vorhandene Mittel objektiv unvernünftig verwendet werden. Der Beschwerdeführer machte keine Angaben zum Verbleib des Geldes, was als objektiv unvernünftige Mittelverwendung betrachtet wurde.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2019 24

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2019 24
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2019 24 vom 27.08.2019 (AG)
Datum:27.08.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:24 Sozialhilfe; Anrechnung eigener hypothetischer Mittel bei RechtsmissNur ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der unterstützten PersonRechtsmissbräuchliches Verhalten liegt vor, wenn bei vorübergehen
Schlagwörter: Sozialhilfe; Apos; Verwaltungsgericht; Anrechnung; Verhalten; Arbeitsverhältnis; Person; Ausgaben; Hilfe; Betrag; Arbeitsverhältnisses; Personen; Barbezüge; Sozialen; Dienste; Auflösung; Vorinstanz; Mittelverwendung; Obergericht; Abteilung; Verhältnissen; ährend
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2019 24

2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 164

24 Sozialhilfe; Anrechnung eigener hypothetischer Mittel bei Rechtsmiss-
brauch

Nur ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der unterstützten Person
rechtfertigt die Anrechnung eigener hypothetischer Mittel (Zusam-
menfassung der Rechtsprechung).

Rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt vor, wenn bei vorübergehen-
der Ablösung von der Sozialhilfe und gekündigtem Arbeitsverhältnis
Mittel objektiv unvernünftig verwendet werden, d.h. Ausgaben er-
folgen, welche Personen in angespannten finanziellen Verhältnissen
nicht tätigen würden.

Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 27. August
2019, in Sachen A. gegen Gemeinderat B. und Departement Gesundheit und
Soziales (WBE.2019.158).



2.4.
2.4.1.
Der Beschwerdeführer tätigte nach seiner Anmeldung bei der
Sozialhilfe vom 16. Mai 2016 folgende Barbezüge am Geldautoma-
ten: Fr. 2'000.00 am 28. Mai 2016, Fr. 3'000.00 am 6. Juni 2016
2019 Sozialhilfe 165
sowie Fr. 500.00 am 18. Juni 2016. Diese erfolgten vor der Wieder-
eröffnung des Sozialhilfedossiers durch die Sozialen Dienste per
1. Juli 2016 und dem begründeten Gesuch um materielle Hilfe vom
31. August 2016, mit welchem der Beschwerdeführer ein Vermögen
von Fr. 4'254.80 deklarierte.
Obwohl sich der Beschwerdeführer unmittelbar nach der Kün-
digung seines Arbeitsverhältnisses (d.h. während der Freistellung)
bei den Sozialen Diensten zum erneuten Sozialhilfebezug angemel-
det hatte, ist davon auszugehen, dass er bis zur Auflösung des Ar-
beitsverhältnisses und einen Monat darüber hinaus in keinem Sozial-
hilferechtsverhältnis zur Gemeinde stand. Die Sozialen Dienste teil-
ten im Schreiben vom 19. Mai 2016 mit, das Sozialhilfedossier erst
per 1. Juli 2016 wieder zu eröffnen, und verlangten vorerst weder das
Gesuch um materielle Hilfe noch irgendwelche Unterlagen. Auch die
Vorinstanz hatte den Gemeinderat verpflichtet, Nothilfeleistungen
erst per 1. Juli 2016 auszurichten. Damit ist davon auszugehen, dass
die zwischen dem 28. Mai und dem 18. Juni 2016 getätigten Barbe-
züge im Gesamtbetrag von Fr. 5'500.00 ausserhalb des Sozialhil-
febezugs erfolgten.
2.4.2.
Entsprechend dem sozialhilferechtlichen Effektivitätsgrundsatz
setzt die Anrechnung als eigene Mittel voraus, dass das Guthaben
bzw. entsprechende Barbeträge dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt
des gemeinderätlichen Beschlusses tatsächlich zur Verfügung stan-
den (vgl. VGE vom 5. Juli 2018 [WBE.2018.50], Erw. II/3.4; vom
8. März 2016 [WBE.2016.10], Erw. II/3.6; GUIDO WIZENT, Die so-
zialhilferechtliche Bedürftigkeit, Zürich/St. Gallen 2014, S. 211 ff.:
Tatsächlichkeitsprinzip ). Grundsätzlich unzulässig ist dagegen die
Anrechnung von fiktivem Einkommen Vermögen (vgl. FELIX
WOLFFERS, Grundriss des Sozialhilferechts, 2. Auflage, Bern 1999,
S. 153).
Nur ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der unterstützten Per-
son kann die Anrechnung eigener hypothetischer Mittel rechtfertigen.
Im sozialhilferechtlichen Sinne liegt Rechtsmissbrauch dann vor,
wenn das Verhalten der unterstützten Person einzig darauf gerichtet
ist, in den Genuss von materieller Hilfe zu gelangen (vgl. BGE 121 I
2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 166
367, Erw. 3d) bzw. wenn jemand eine Notlage bewusst herbeiführt
oder aufrechterhält, um so Sozialhilfeleistungen zu erhalten (PETER
MÖSCH PAYOT, in: CHRISTOPH HÄFELI [Hrsg.], Das Schweizerische
Sozialhilferecht, Luzern 2008, S. 285).
Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung kann
rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegen, wenn vorhandene Mittel
im Hinblick auf den Sozialhilfebezug objektiv unvernünftig verwen-
det werden. Die Anrechnung eigener hypothetischer Mittel rechtfer-
tigt aber nur ein Verhalten, welches einzig überwiegend auf die
Ausrichtung von materieller Hilfe gerichtet ist. Als unvernünftige
Mittelverwendung gelten dabei Schuldenzahlungen Ausgaben,
welche üblicherweise von Personen in angespannten finanziellen
Verhältnissen, welche keine Sozialhilfe beziehen, nicht getätigt wer-
den (vgl. VGE vom 5. Juli 2018 [WBE.2018.50], Erw. II/3.4; vom
28. April 2016 [WBE.2015.450], Erw. II/4.4.4; vom 13. Februar
2008 [WBE.2007.199], Erw. II/4.4.2). Die Anrechnung als hy-
pothetische Mittel ist auch gerechtfertigt bei rechtsmissbräuchlichem
Forderungsverzicht (vgl. VGE vom 5. Juli 2018 [WBE.2018.50],
Erw. II/3.4; vom 8. März 2016 [WBE.2016.10], Erw. II/3.6).
Das Verwaltungsgericht hat die Anrechnung eigener hypothe-
tischer Mittel nicht beanstandet in einem Fall, wo der Beschwerde-
führer unter dem Vorwand, ins Ausland wegzuziehen, ein Freizügig-
keitsguthaben erhältlich gemacht hatte; angeblich wurde dieses vor
dem erneuten Sozialhilfebezug auch zur Tilgung von Privatschulden
und zur Unterstützung der Mutter im Ausland eingesetzt (vgl. VGE
vom 28. April 2016 [WBE.2015.450]). Als zulässig erwies sich auch
die Anrechnung eigener hypothetischer Mittel in einem Fall, wo die
Beschwerdeführerin vom Bankkonto des geschiedenen Ehemannes
grössere Geldbeträge abheben konnte, welche angeblich - ohne plau-
sible Angaben - ins Ausland verbracht wurden (vgl. VGE vom 5. Juli
2018 [WBE.2018.50]). Rechtsmissbräuchliches Verhalten verneinte
das Verwaltungsgericht in einem Fall, wo der Beschwerdeführer
Nachzahlungen einer Sozialversicherung zur Schuldentilgung und
Unterstützung seiner Familie verwendet und sich geweigert hatte,
eine Rückerstattungsvereinbarung zu unterzeichnen (vgl. VGE vom
29. November 2012 [WBE.2012.148]). Einen rechtsmissbräuch-
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lichen Forderungsverzicht verneinte das Verwaltungsgericht ebenso
in einem Fall, wo die Beschwerdeführer der Krankenkasse die Zu-
stimmung erteilt hatten zur Verrechnung eines Guthabens mit den
Prämien einer Zusatzversicherung (vgl. VGE vom 8. März 2016
[WBE.2016.10]).
2.4.3.
Nach Darstellung des Beschwerdeführers dienten die Barbezüge
im Gesamtbetrag von Fr. 5'500.00 der Deckung des Lebensbedarfs
im Juni 2016, der Bezahlung von Rechnungen, dem Kauf eines
neuen Computers und von Sommerkleidern. Belege Zah-
lungsnachweise legte der Beschwerdeführer nicht vor.
Die Vorinstanz ging davon aus, dass der Beschwerdeführer im
Monat Juni 2016 mit der letzten Lohnvergütung im Betrag von
Fr. 2'917.70 hätte auskommen können. Dieser Einkunft stellte die
Beschwerdestelle SPG Kontobelastungen von Fr. 869.00 für die Mie-
te, von Fr. 5'500.00 für Barbezüge sowie von Fr. 14.55 für eine Spe-
senabrechnung gegenüber. Daraus resultierte ein Ausgabenüber-
schuss von Fr. 3'465.85, wofür nach Auffassung der Vorinstanz keine
plausible Verwendung dargelegt wird. In diesem Umfang ging sie
von einer objektiv unvernünftigen Mittelverwendung aus.
2.4.4.
Das Verwaltungsgericht war mehrfach damit konfrontiert, dass
längerfristig unterstützte Personen eine Anstellung im ersten Ar-
beitsmarkt finden und daher vorübergehend von der Sozialhilfe abge-
löst werden konnten. Bei der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses
während der 3-monatigen Probezeit erwog es, die materielle Hilfe sei
aufgrund des vertraglichen Lohnanspruchs einzustellen; es bestehe
keine Grundlage, sicherheitshalber Sozialhilfeleistungen auszube-
zahlen (vgl. VGE vom 26. Februar 2016 [WBE.2015.418],
Erw. II/1.4). Im Zusammenhang mit der Auflösung eines 4-
monatigen Arbeitsverhältnisses erwog es, hohe Saläre liessen er-
wartungsgemäss gerade bei tiefen Lebenshaltungskosten Ersparnisse
zu; es sei nicht zu beanstanden, Kontoauszüge einzuverlangen, aus
welchen sich die Gutschriften sowie Rückschlüsse über deren Ver-
wendung ergäben (VGE vom 19. Februar 2019 [WBE.2018.473],
Erw. II/4).
2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 168
Aufgrund des 6-monatigen Arbeitsverhältnisses war der Be-
schwerdeführer während einiger Monate finanziell selbständig und
konnte zwischenzeitlich von der Sozialhilfe abgelöst werden. Aus-
serhalb des Sozialhilferechtsverhältnisses konnten ihm grundsätzlich
keine Vorgaben zu seinem Ausgabeverhalten gemacht werden. Nach-
dem er jedoch - mit Unterbrüchen - seit rund 13 Jahren Sozialhilfe
bezogen hatte, musste er nach der Kündigung des Arbeitsverhältnis-
ses damit rechnen, in absehbarer Zeit wiederum materielle Hilfe be-
anspruchen zu müssen. Ein Anspruch auf Arbeitslosentaggelder be-
stand offensichtlich nicht. Der Beschwerdeführer hat denn auch die
Sozialen Dienste bereits am 16. Mai 2016 gewissermassen vorsorg-
lich über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses orientiert. Unter
diesen Umständen durfte er seit der Kündigung vom 29. April 2016
keine Ausgaben mehr vornehmen, welche Personen in angespannten
finanziellen Verhältnissen nicht tätigen würden. Nach der Rechtspre-
chung des Verwaltungsgerichts kann eine objektiv unvernünftige
Mittelverwendung - sprich ein in diesem Sinne rechtsmissbräuch-
liches Verhalten - ausnahmsweise zur Anrechnung hypothetischer
Mittel (und damit zum Entfallen des Anspruchs auf ordentliche
Sozialhilfe) führen (vgl. VGE vom 19. Februar 2019
[WBE.2018.473], Erw. II/4; vom 5. Juli 2018 [WBE.2018.50],
Erw. II/3.4 f.; vom 28. April 2016 [WBE 2015.450], Erw. II/4.4.4 f.).
Der dem Beschwerdeführer für den Monat Juni 2016 zugestan-
dene Betrag von Fr. 2'917.70 liegt Fr. 732.35 über seinem sozialhilfe-
rechtlichen Bedarf (vgl. Budget, wo Fr. 979.00 für den
Grundbedarf I, Fr. 50.00 für den Grundbedarf II, Fr. 869.00 für
Wohnungskosten sowie Fr. 287.35 für Krankenkassenprämien einge-
setzt wurden). Im Grundbedarf I und II wären Ausgabepositionen für
Bekleidung und Schuhe bereits mit 12,99 %, für Nachrichten-
übermittlung mit 5,19 % sowie für Unterhaltung und Bildung mit
12,99 % enthalten (vgl. Handbuch Sozialhilfe des Kantonalen Sozial-
dienstes, 4. Auflage, 2003, Kapitel 5, S. 35). Unter Berücksichtigung
dessen stand es im Belieben des Beschwerdeführers, den darüber
hinaus zugestandenen Betrag von Fr. 732.35 ganz teilweise für
spezielle Sommerkleidung und/oder die Anschaffung eines preis-
günstigen Computers einzusetzen. Soweit der Beschwerdeführer in
2019 Sozialhilfe 169
genereller Hinsicht geltend macht, einen unbestimmten Betrag zur
Bezahlung von Rechnungen aufgewendet zu haben, wäre gegen eine
anderweitige Verwendung des letzten Lohns ebenfalls nichts
einzuwenden. Anzumerken ist allerdings, dass insbesondere für die
Krankenkasse und die Wohnungsmiete keine zusätzlichen Ausgaben
anfielen. Eine Schuldentilgung wird vom Beschwerdeführer übrigens
nicht behauptet. Mit einem Betrag von Fr. 2'917.70 standen ihm für
den Monat Juni 2016 genügend Mittel zur Verfügung.
2.4.5.
Auf dem Bankkonto des Beschwerdeführers sind von Ende Mai
bis Mitte Juni 2016 Belastungen im Gesamtbetrag von Fr. 6'383.55
verzeichnet (davon Barbezüge über insgesamt Fr. 5'500.00). Es ist
nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz dem Beschwerdeführer
im Hinblick auf eine erneute Sozialhilfeabhängigkeit für den Monat
Juni 2016 lediglich Ausgaben im Umfang des letzten Verdienstes zu-
gestand (d.h. im Betrag von Fr. 2'917.70). Die Beschwerdestelle SPG
ging davon aus, dass für den Differenzbetrag von Fr. 3'465.85 keine
plausible Verwendung vorlag, und rechnete dem Beschwerdeführer
in diesem Umfang hypothetische Mittel an. Der Beschwerdeführer
macht auch vor Verwaltungsgericht keinerlei zusätzliche Angaben
zum Verbleib des Geldes. Unter diesen Umständen ist nicht zu bean-
standen, dass eine objektiv unvernünftige Mittelverwendung unter-
stellt wird. Diese würde im Übrigen auch vorliegen, wenn sich der
Beschwerdeführer mit Bekleidung Elektronik aus dem
Luxussegment eingedeckt hätte.

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