2 Art. 65 KVG; § 9 KVGG; § 3 V KVGG
Prämienverbilligung: Junge Erwachsene zwischen dem 19. und
25. Altersjahr, die ihren eigenen Haushalt führen, aber durch die Eltern
unterstützt werden, sind bei getrenntlebenden Eltern auf dem Antrag je-
nes Elternteils aufzuführen, der überwiegend für ihren Unterhalt auf-
kommt. Analog ist ein unmündiges fremdplatziertes Kind auf dem Antrag
jenes Elternteils aufzuführen, der überwiegend für dessen Unterhalt auf-
kommt.
Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 11. Juli
2019, i.S. A.H. gegen SVA Aargau, Prämienverbilligung (VBE.2018.738)
2.
2.1.
Nach Art. 65 Abs. 1 Satz 1 KVG gewähren die Kantone den
Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prä-
mienverbilligungen. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu
Art. 65 KVG geniessen die Kantone grosse Freiheit bei der Gestal-
tung ihrer Prämienverbilligung. Sie können autonom definieren, was
unter bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen zu verstehen ist.
Indem der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, diesen Begriff zu präzi-
sieren, werden die Bedingungen, von denen die Prämienverbilligun-
gen abhängen, nicht vom Bundesrecht geregelt. Die von den Kanto-
nen erlassenen Bestimmungen bezüglich der Prämienverbilligung in
der Krankenversicherung stellen daher autonomes kantonales Recht
dar (Urteile des Bundesgerichts 8C_345/2015 vom 9. Dezember
2015 E. 3.1 und 8C_614/2013 vom 30. Dezember 2013 E. 3, mit
Verweis auf BGE 134 I 313 E. 3 S. 315).
2.2.
Grundlage für die Ermittlung und Berechnung eines Anspruchs
auf Prämienverbilligung ab dem Bezugsjahr 2017 bilden im Kanton
Aargau die §§ 4 ff. des Gesetzes zum Bundesgesetz über die Kran-
kenversicherung vom 15. Dezember 2015 (KVGG; SAR 837.200;
vgl. § 41 Abs. 1 KVGG) sowie §§ 2-7b der Verordnung zum Gesetz
zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 16. März
2016 (V KVGG; SAR 837.211).
2.3.
2.3.1.
Gemäss § 6 Abs. 1 Satz 1 KVGG besteht ein Anspruch auf
Prämienverbilligung, wenn die Richtprämie einen prozentualen An-
teil des massgebenden Einkommens übersteigt. Das massgebende
Einkommen besteht aus dem bereinigten steuerbaren Einkommen
i.S.v. § 6 Abs. 3 KVGG, zuzüglich einem Fünftel des steuerbaren
Vermögens des massgebenden Steuerjahres, abzüglich eines Ein-
kommensabzugs (§ 6 Abs. 2 KVGG).
2.3.2.
Der Regierungsrat legt pro Haushaltstyp die massgebenden Be-
rechnungselemente durch Verordnung fest. Dazu gehören der Ein-
kommenssatz (Prozentsatz, mit dem das massgebende Einkommen
gemäss § 6 Abs. 1 KVGG multipliziert wird), der Einkommensabzug
und die Richtprämien. Die Haushaltstypen unterscheiden sich nach
Grösse und Zusammensetzung des Haushalts (§ 5 Abs. 1 KVGG).
Richtprämien werden je für Erwachsene, junge Erwachsene zwi-
schen dem 19. und dem 25. Altersjahr sowie für Kinder festgelegt.
Die Richtprämien orientieren sich an den Prämien für besondere Ver-
sicherungsformen gemäss Art. 62 KVG (§ 5 Abs. 2 KVGG). Für
Haushalte mit Kindern jungen Erwachsenen in Ausbildung, die
zusammen mit den Eltern eingestuft werden, kommt neben dem Ein-
kommensabzug ein zusätzlicher Kinderabzug zum Tragen (§ 5 Abs. 4
KVGG).
2.3.3.
Das kantonale Recht unterscheidet bei der Ermittlung der An-
spruchsberechtigung zwischen Einzelpersonen ab dem vollendeten
18. Altersjahr sowie Ehepaaren und Familien (§ 9 Abs. 1 KVGG),
wobei für junge Erwachsene zwischen dem 19. und dem
25. Altersjahr Sonderbestimmungen gelten (§ 9 Abs. 3 KVGG).
2.3.3.1.
Liegt in der rechtskräftigen Steuerveranlagung von jungen Er-
wachsenen das steuerbare Einkommen vor Abzug des zusätzlichen
Sozialabzugs für tiefe Einkommen über Fr. 24'000.00, wird ein selb-
ständiger Lebensunterhalt angenommen. Liegt das steuerbare Ein-
kommen junger Erwachsener unter diesem Grenzwert, wird die Un-
terstützung durch die Eltern angenommen. Die jungen Erwachsenen
werden in diesem Fall auf dem Antrag der Eltern unter Anrechnung
ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse mitgeführt. Der An-
nahme kann durch eine Deklaration bei der Antragstellung wider-
sprochen werden. Der Widerspruch ist nötigenfalls zu belegen (§ 9
Abs. 3 lit. a KVGG i.V.m. § 5 Abs. 2 V KVGG).
2.3.3.2.
Die SVA Aargau hat zur Überprüfung der Anspruchsberechti-
gung von jungen Erwachsenen Zugriff auf die Steuerdaten der Eltern
(§ 9 Abs. 3 lit. c KVGG).
3.
3.1.
Den Akten ist zu entnehmen, dass die 1998 geborene Tochter
des Beschwerdeführers, N.H., vom (...) 2016 bis (...) 2019 eine
Ausbildung (...) absolviert (...). Ausserdem ist sie am (...) 2018 bei
ihrer Mutter ausgezogen und führt seit dann ihren eigenen Haushalt
in S. (...).
Bei jungen Erwachsenen zwischen dem 19. und dem
25. Altersjahr wird, wie vorstehend ausgeführt, die Unterstützung
durch die Eltern angenommen, wenn ihr steuerbares Einkommen vor
Abzug des zusätzlichen Sozialabzugs für tiefe Einkommen nicht über
Fr. 24'000.00 liegt, weshalb sie in diesem Fall - gerade wegen der fi-
nanziellen Unterstützung - auf dem Antrag der Eltern unter Anrech-
nung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse mitgeführt
werden (vgl. E. 2.3.3.1. hiervor). Bei welchem Elternteil die Anrech-
nung der jungen Erwachsenen erfolgen soll, wenn diese getrennt le-
ben und deshalb kein gemeinsamer Antrag erfolgt, ergibt sich aus
dem Gesetz nicht. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdegeg-
nerin (...) ist bei der Beurteilung, ob eine junge Erwachsene auf dem
Antrag ihrer Eltern mitgeführt wird, jedoch nicht an den gesetzlichen
Wohnsitz der jungen Erwachsenen, sondern an die finanzielle Unter-
stützung anzuknüpfen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut sowie Sinn
und Zweck von § 9 Abs. 3 lit. a KVGG, wonach es auf die finan-
zielle Unterstützung durch die Eltern ankommt. Leben demnach die
Eltern getrennt, so dass ihr massgebendes Einkommen bei der Er-
mittlung ihrer Anspruchsberechtigung auf Prämienverbilligung nicht
(mehr) gemeinsam, sondern für beide separat ermittelt wird, ist daher
bei der Frage, auf welchem Antrag der Eltern die jungen Erwachse-
nen gemäss § 9 Abs. 3 lit. a KVGG mitgeführt werden, darauf abzu-
stellen, welcher Elternteil überwiegend für deren Unterhalt auf-
kommt. Dies entspricht dem bis am 30. Juni 2016 geltenden Recht,
wonach der Anspruch auf Prämienverbilligung von jungen Erwach-
senen in Ausbildung zusammen mit derjenigen Person berechnet
wurde, die zur Hauptsache für ihren Unterhalt aufkam (§ 13 Abs. 2
der Verordnung zum Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die
Krankenversicherung [V EG KVG, SAR 837.11] in der bis am
30. Juni 2016 geltenden Fassung). Für die Beurteilung, wer zur
Hauptsache für den Unterhalt aufkommt, war insbesondere die Ge-
währung respektive Geltendmachung des steuerrechtlichen Kinder-
abzuges sowie die Steuererklärung der gesuchstellenden Person
massgebend (§ 13 Abs. 3 V EG KVG). Der Kinderabzug steht im
Steuerrecht derjenigen steuerpflichtigen Person zu, die zur Haupt-
sache (mehr als zur Hälfte) für den Kindesunterhalt aufkommt (§ 27
der Verordnung zum Steuergesetz [StGV, SAR 651.111). An dieser
Regelung ist auch unter Geltung des neuen Rechts festzuhalten.
3.2.
Die jüngere Tochter des Beschwerdeführers war im Jahr 2018
16 Jahre alt (...) und ist nach den Ausführungen des Beschwerdefüh-
rers seit (...) 2017 fremdplatziert (...). Ob bzw. bei welchem Eltern-
teil ein unmündiges Kind auf dem Antrag mitzuführen ist, wenn es
weder beim Vater noch bei der Mutter wohnt, ergibt sich aus dem
Gesetz nicht. Bei der Ermittlung der Anspruchsberechtigung werden
gemäss § 9 Abs. 1 KVGG Einzelpersonen ab dem vollendeten
18. Altersjahr (lit. a) sowie Ehepaare und Familien (lit. b) unter-
schieden. Gemäss § 3 Abs. 1 V KVGG gelten als Haushaltstypen
Alleinstehende (lit. a), Alleinstehende mit Kindern (lit. b), Ehepaare
(lit. c) und Ehepaare mit Kindern (lit. d). Würde man somit auf den
Wohnsitz abstellen, könnte ein unmündiges Kind, das fremdplatziert
ist, von vornherein keinen Anspruch auf Prämienverbilligung geltend
machen, da es unter keinen der Haushaltstypen fällt. Unmündige
Kinder sind daher auf dem Antrag der Eltern mitzuführen, unabhän-
gig davon, wo sich ihr Wohnsitz befindet. Dies entspricht dem bis am
30. Juni 2016 geltenden Recht, wonach Personen, die gemeinsam be-
steuert werden, einen Gesamtanspruch auf Prämienverbilligung ha-
ben, der im Verhältnis der effektiven Prämien aufgeteilt wird (§ 12
V EG KVG). Analog zur Regelung bei jungen Erwachsenen gemäss
den vorstehenden Ausführungen (vgl. E. 3.1. hiervor) ist bei der Fra-
ge, bei welchem Elternteil ein unmündiges fremdplatziertes Kind auf
dem Antrag mitzuführen ist, darauf abzustellen, welcher Elternteil
überwiegend für dessen Unterhalt aufkommt.
3.3.
Die Beschwerdegegnerin hat demnach im Sinne der vorstehen-
den Erwägungen abzuklären, wer überwiegend für den Unterhalt der
Töchter N.H. sowie F.H. aufkommt. Je nach Ergebnis ist gegebenen-
falls der Prämienverbilligungsanspruch des Beschwerdeführers für
das Jahr 2018 neu zu ermitteln.