19 Erschliessungsplanung
Die Koordinationsvorschriften sind auf die Erschliessungsplanung sinn-
gemäss anwendbar, sofern damit Lage und Ausdehnung öffentlicher
Strassen verbindlich festgelegt werden; diesfalls sind die Gesuchsunterla-
gen und die gewässerschutzrechtliche Bewilligung gemeinsam aufzulegen
und die Entscheide gleichzeitig zu eröffnen.
Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 15. Juli
2019, in Sachen A. AG und B. AG gegen Stadtrat C., Gemeinderat D. und
Departement Bau, Verkehr und Umwelt (WBE.2018.322).
6.6.
Der Gewässerraum steht dem Gewässer zur Verfügung und ge-
währleistet damit dessen natürlichen Funktionen (vgl. Art. 36a Abs. 1
lit. a GSchG) wie auch den Schutz vor Hochwasser (vgl. lit. b); der
Gewässerraum kann der Gewässernutzung dienen (vgl. lit. c;
CHRISTOPH FRITZSCHE, in: PETER HETTICH/LUC JANSEN/ROLAND
NORER [Hrsg.], Kommentar zum Gewässerschutzgesetz und zum
Wasserbaugesetz, Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 36a N 14 ff.). Ge-
wässerräume sind vielfältige und biologisch wertvolle Lebensräume,
die zu erhalten und aufzuwerten sind (Richtplan, Kapitel L 1.2, S. 4,
Planungsgrundsatz B).
Im Gewässerraum sind Bauten und Anlagen zulässig, wenn sie
standortgebunden sind und im öffentlichen Interesse liegen (vgl.
Art. 41c Abs. 1 Satz 1 GSchV). Typischerweise handelt es sich dabei
um Bauten und Anlagen, die aufgrund ihres Verwendungszwecks auf
einen Standort am Gewässer angewiesen sind wie beispielsweise
Brücken Wasserkraftwerke (vgl. JEANNETTE KEHRLI, in: Raum
& Umwelt 4/2017, S. 19). Auch Verkehrswege fallen jedenfalls dann
darunter, wenn damit ein Strassenausbau verbunden ist (vgl. Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 24. März 2015
[B_2013/153], Erw. 5.2 mit Hinweis; für Verkehrsübergänge explizit:
Art. 38 Abs. 2 lit. b GSchG). Art. 41c Abs. 1 Satz 1 GSchV sieht
dafür eine gewässerschutzrechtliche Bewilligung vor, mit welcher
das grundsätzliche Bauverbot im Gewässerraum und Uferstreifen
durchbrochen wird (vgl. JEANNETTE KEHRLI, Bauen im Gewässer-
raum und Uferstreifen, in: URP 2015, S. 681 ff.; zum grundsätz-
lichen Überdeckungs- und Eindolungsverbot gemäss Art. 38 Abs. 1
GSchG vgl. FRITZSCHE, a.a.O., Art. 38 N 1 ff.).
6.7.
In der Sondernutzungsplanung ist eine umfassende Interessen-
abwägung (Art. 3 Abs. 1 RPV) vorzunehmen, wobei alle erheblichen
rechtlichen und tatsächlichen Interessen zu ermitteln, zu gewichten
und gegeneinander abzuwägen sind; mit dem Ziel, dass die wichtigen
Interessen möglichst umfassend wirksam werden können (vgl. HEINZ
AEMISEGGER/SAMUEL KISSLING, in: HEINZ AEMISEGGER/PIERRE
MOOR/ALEXANDER RUCH/PIERRE TSCHANNEN [Hrsg.], Praxiskom-
mentar RPG: Nutzungsplanung, Zürich/Basel/Genf 2016, Vorbemer-
kungen zur Nutzungsplanung N 13 ff.). Art. 47 RPV verlangt bei
Nutzungsplänen eine Berichterstattung an die kantonale Genehmi-
gungsbehörde. Im Bericht sind die Interessenabwägungen darzulegen
und die Entscheide umfassend zu begründen. Art. 47 Abs. 1 RPV
umschreibt den Mindestinhalt des Planungsberichts
(AEMISEGGER/KISSLING, a.a.O., Vorbemerkungen zur Nutzungspla-
nung N 45 ff.). Dieser zeigt auf, wie die Nutzungspläne die Ziele und
Grundsätze der Raumplanung (Art. 1 und 3 RPG), die Anregungen
aus der Bevölkerung (Art. 4 Abs. 2 RPG) und den Richtplan berück-
sichtigen und wie den Anforderungen des Bundesrechts Rechnung
getragen wird (vgl. Art. 47 Abs. 1 RPV).
Auf die gewässerschutzrechtliche Bewilligung ist bereits in der
Erschliessungsplanung einzugehen. Die Sondernutzungsplanung hat
sich insbesondere zur Freihaltung der Gewässerbereiche und zur Er-
forderlichkeit besonderer Massnahmen zu äussern (vgl. Empfehlun-
gen für die Nutzungsplanung, Planungsberichte nach Art. 47 RPV,
Beilage 2: Checkliste Sondernutzungsplanung des BVU, Abteilung
Raumentwicklung). Der Erschliessungsplan F.-Strasse legt die
Strassenführung mit Weg- und Strassenlinien im Bereich der Que-
rung des E.-Bachs verbindlich fest (vgl. § 6 Abs. 1 BauV). Damit
werden Lage und Ausdehnung der Erschliessungsanlagen für ein
künftiges Bauprojekt vorgegeben. Insoweit kommt auch die Er-
schliessungsplanung nicht umhin, sich zur Querung des betreffenden
Gewässerraums zu äussern. Der Planung fehlt es an einer generellen
Aussage, wie der Zweck des Gewässerraums umgesetzt werden soll.
Insbesondere wird nicht aufgezeigt, wie die Erschliessungsstrasse,
welche den E.-Bach quert, unter den gewässerschutzrechtlichen Vor-
gaben realisierbar ist. Der vorliegende Planungsbericht datiert vor
dem Inkrafttreten der geänderten bundesrechtlichen Gewässer-
schutzbestimmungen und konnte sich mit dieser Thematik daher
nicht auseinandersetzen (vgl. Planungsbericht und präzisierter Pla-
nungsbericht, wonach sich die Situation durch den Raumbedarf des
E.-Bachs erschwere). Zu diesem räumlichen Konflikt kann er folg-
lich keine Antworten geben. Dementsprechend wurde in den Planbe-
schlüssen des Gemeinderats D. und des Stadtrats C. ebenfalls nicht
auf den Gewässerraum eingegangen. Eine entsprechende Interessen-
abwägung wurde nicht vorgenommen.
6.8.
Der vom Stadtrat und Gemeinderat eingelegte Schnittplan für
eine mögliche Brücke ist im Rahmen des vorliegenden Beschwerde-
verfahrens nicht zu beurteilen. Dieses Dokument wurde vor Verwal-
tungsgericht eingereicht und lag den Vorinstanzen daher nicht vor.
Ergänzend ist jedoch festzuhalten, dass sich neben dem Brücken-
bauwerk als solchem insbesondere dessen Pfeiler im Gewässerraum
und Uferstreifen des E.-Bachs befinden.
6.9.
Kantons- und Gemeindestrassen können in Nutzungsplänen
festgelegt werden (vgl. § 93 Abs. 1 und 2 BauG). Art. 25a RPG und
§ 64 BauG schreiben eine Koordinationspflicht vor, wenn die Errich-
tung die Änderung einer Baute Anlage Verfügungen
mehrerer Behörden erfordert. Art. 25a Abs. 4 RPG erklärt die
Grundsätze der Koordination auf Sondernutzungsplanungsverfahren
für sinngemäss anwendbar. Die Ausdehnung auf die Nutzungspla-
nung wird mitunter damit begründet, dass eine Sondernutzungspla-
nung die anschliessende Baubewilligung weitgehend präjudizieren
kann (vgl. BERNHARD WALDMANN/PETER HÄNNI, Raum-
planungsgesetz, Bern 2006, Art. 25a N 72). Dies betrifft auch Lage
und Ausdehnung öffentlicher Strassen, welche im Erschliessungsplan
verbindlich festgelegt werden; Strassenlinien bestimmen dabei den
Umfang des Enteignungsrechts (vgl. § 17 und § 132 Abs. 1 lit. c
BauG; § 6 Abs. 1 und 2 BauV). Diese Vorgaben sind für ein nachfol-
gendes Projekt verbindlich. Damit rechtfertigt sich im Einzelfall die
sinngemässe Anwendung der Koordinationsvorschriften auf Er-
schliessungspläne, sofern damit Lage und Ausdehnung öffentlicher
Strassen verbindlich festgelegt werden (vgl. zum Ganzen: Urteil des
Bundesgerichts vom 19. September 2001 [1P.365/2001], Erw. 5c/dd).
Mit dem vorliegenden Sondernutzungsplan wird die Lage der
F.-Strasse für ein nachfolgendes Projekt vorgegeben. Dies betrifft
auch die Querung des E.-Bachs mit einer Strasse samt Gehweg, wel-
che im Erschliessungsplan beidseitig mit Strassenlinien begrenzt
wird. Dies gilt unabhängig von der unterbliebenen Kennzeichnung
als Erschliessungsstrasse neu und der fehlenden näheren Ausge-
staltung. Insoweit rechtfertigt sich die analoge Anwendung von
Art. 25a Abs. 2 RPG, wonach die für die Koordination verantwort-
liche Behörde insbesondere für eine gemeinsame Auflage aller Ge-
suchsunterlagen (lit. b) sowie möglichst für eine gemeinsame oder
gleichzeitige Eröffnung der Verfügungen sorgt (lit. d). Die gewässer-
schutzrechtliche Bewilligung liegt noch nicht vor und wurde im Ge-
nehmigungsentscheid des BVU lediglich in Aussicht gestellt. Vorlie-
gend drängt sich indessen eine gemeinsame Auflage der Erschlies-
sungsplanung und der Gesuchsunterlagen für die gewässerschutz-
rechtliche Bewilligung auf; weiter ist die gleichzeitige Eröffnung der
Planbeschlüsse und Einwendungsentscheide mit der gewässerschutz-
rechtlichen Bewilligung angezeigt. Beides wurde indessen bis dato
versäumt.