E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (AG)

Kopfdaten
Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2018 31
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2018 31 vom 22.03.1977 (AG)
Datum:22.03.1977
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE 2018 - Band 31 2018 Anwalts- und Notariatsrecht 293 X. Anwalts- und Notariatsrecht 31 Anwaltsregister Das Erfordernis...
Schlagwörter: Anwalt; Anwalts; übung; Berufs; Schweiz; Recht; Dienstleistung; Ausübung; Niederlassung; Beruf; Ständig; Reich; Mitgliedstaat; Rufsausübung; Aufnahmestaat; Berufs; Verkehr; Berufsausübung; Zweitkanzlei; Urteil; Leistungsverkehr; Freien; Eintrag; Ständigen; Beschwerdeführer; Anwälte; Waltsberufs; Grenzüberschreitend
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Rolf H. Weber;
Entscheid
2018 Anwalts- und Notariatsrecht 293
X. Anwalts- und Notariatsrecht 31 Anwaltsregister - Das Erfordernis der ständigen Berufsausübung für den Registerein- trag (Art. 27 f. BGFA) verbietet EU/EFTA-Anwälten nicht, eine Zweitkanzlei oder Geschäftsniederlassung in der Schweiz zu eröff- nen. - Der Registereintrag von EU/EFTA-Anwälten für eine Zweitkanzlei oder Geschäftsniederlassung in der Schweiz erfordert keine Aufent- haltsbewilligung der Migrationsbehörden. Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 24. Januar 2018, in Sachen A. gegen Anwaltskommission (WBE.2017.393). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Wien und führt dort eine eigene Anwaltskanzlei. Er gibt an, sowohl in Österreich als auch der Schweiz tätig sein und eine Zweitkanzlei bzw. Geschäfts- niederlassung im Kanton Aargau eröffnen zu wollen. Diese Aus- gangslage rechtfertigt, vorweg eingehender auf die massgeblichen Rechtsgrundlagen einzugehen. 2.2. Gemäss Art. 5 Abs. 1 FZA wird einem Dienstleistungserbringer einschliesslich Gesellschaften gemäss Anhang I das Recht einge- räumt, Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu erbringen, deren tatsächliche Dauer 90 Arbeitstage pro Kalender- jahr nicht überschreitet. Die Beschränkung entsprechender grenz- überschreitender Dienstleistungen im Hoheitsgebiet einer Vertrags- partei ist untersagt (vgl. Art. 17 lit. a Anhang I FZA).
2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 294
Der freie Dienstleistungsverkehr umfasst die vorübergehend in einem andern Mitgliedstaat ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit, während die Niederlassungsfreiheit die auf Dauer in einem andern Mitgliedstaat ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit regelt (vgl. STEPHAN BREITENMOSER/ANDRÉ HUSHEER, Europarecht, Band II, 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2002, Rz. 987). Das FZA sieht keine vollständige Umsetzung des freien Dienstleistungsverkehrs, sondern eine zeitlich begrenzte Liberalisierung der individuellen grenzüber- schreitenden Dienstleistungen vor. Diese Liberalisierung umfasst die befristete Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit jedenfalls grundsätzlich ohne Niederlassung im Aufnahmestaat (vgl. DIETER W. GROSSEN/CLAIRE DE PALÉZIEUX, Abkommen über die Freizügigkeit, in: DANIEL THÜRER/ROLF H. WEBER/ROGER ZÄCH [Hrsg.], Bilate- rale Verträge Schweiz - EG, Ein Handbuch, Zürich 2002, S. 123). Im Anhang III FZA sind Rechtsakte und Mitteilungen von Gemein- schaftsorganen aufgeführt, die im Bereich der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen anzuwenden sind. Im Be- reich der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs sind dies die RL 77/249/EWG des Rates der europäischen Gemeinschaften vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (ABl. L 78 vom 26.3.77) sowie die RL 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Aus- übung des Rechtsanwaltsberufs in einem andern Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ABl. L 77 vom 14.3.98). 2.3. Die Schweiz ist staatsvertraglich verpflichtet, die Anwälte der EU und EFTA zur Parteivertretung vor ihren Gerichten zuzulassen. Diese Verpflichtung ist im BGFA umgesetzt (KASPAR SCHILLER, Schweizerisches Anwaltsrecht, Grundlagen und Kernbereich, Zürich/Basel/Genf 2009, Rz. 307). Danach können Angehörige von Mitgliedstaaten der EU oder EFTA, die berechtigt sind, den Anwalts- beruf in ihrem Herkunftsstaat unter einer der im Anhang aufgeführ- ten Berufsbezeichnungen auszuüben, im freien Dienstleistungs- verkehr in der Schweiz Parteien vor Gerichtsbehörden vertreten
2018 Anwalts- und Notariatsrecht 295
(Art. 21 Abs. 1 BGFA). Angehörige von Mitgliedstaaten der EU oder EFTA, die berechtigt sind, den Anwaltsberuf in ihrem Herkunftsstaat unter einer der im Anhang aufgeführten Berufsbezeichnungen auszu- üben, können in der Schweiz auch ständig Parteien vor Gerichts- behörden vertreten, wenn sie bei einer kantonalen Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte eingetragen sind (Art. 27 Abs. 1 BGFA). 3. Die Systematik des BGFA folgt der dem FZA zu Grunde liegen- den Assoziierung an die Dienstleistungsfreiheit und dem Recht auf Niederlassung, welches die ständige Ausübung der Anwaltstätigkeit betrifft (vgl. Art. 5 FZA und Art. 12 ff., 17 ff. Anhang I FZA; zum BGFA: 4. Abschnitt: Ausübung des Anwaltsberufs im freien Dienst- leistungsverkehr durch Anwältinnen und Anwälte der Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA ; 5. Abschnitt: Ständige Ausübung des An- waltsberufs durch Anwältinnen und Anwälte aus Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung ). Die grenzüberschreitende Ausübung des Anwaltsberufs im freien Dienstleistungsverkehr (Art. 21 Abs. 1 BGFA) zeichnet sich dadurch aus, dass sie punktuell und vorübergehend erfolgt (vgl. DOMINIQUE DREYER, in: WALTER FELLMANN/GAUDENZ G. ZINDEL [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2011, Art. 21 N 5; Urteil des Bundesgerichts vom 9. August 2004 [2A.536/2003], Erw. 3.2.1; vgl. auch Botschaft zur Genehmigung des Abkommens vom 21. Juni 2001 zur Änderung des Übereinkommens vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der EFTA vom 12. September 2001, 01.058, in: BBl 2001 4994). Sie darf gemäss Art. 5 Abs. 1 FZA und Art. 17 Anhang I FZA i.V.m. Art. 21 Abs. 1 BGFA während höchstens 90 Tagen pro Jahr (bewilligungsfrei) erfolgen. Ein Eintrag im kantonalen Anwaltsregister erfolgt nicht (vgl. Art. 21 Abs. 2 BGFA). Demgegenüber betreffen Art. 27 ff. BGFA die ständige Be- rufsausübung im Rahmen der Niederlassung (vgl. ANDREAS KELLERHALS/TOBIAS BAUMGARTNER, IN: FELLMANN/ZINDEL [Hrsg.], a.a.O., Art. 27 N 2 f.). Die Aufsichtsbehörde führt eine öffentliche Liste der Angehörigen von Mitgliedstaaten der EU oder EFTA, die in der Schweiz unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeich-
2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 296
nung ständig Parteien vor Gericht vertreten dürfen (Art. 28 Abs. 1 BGFA). Entsprechend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist Sinn und Zweck der Eintragung in die öffentliche Liste, dass sich die zuständige Stelle vergewissern kann, ob die Anwälte die Berufs- und Standesregeln des Aufnahmestaates beachten (Urteil des Bundesge- richts vom 9. August 2004 [2A.536/2003], Erw. 4.2 mit Verweis auf RL 98/5/EG). 4. 4.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, bereits sein Vater habe als Anwalt in den Jahren 2007 bis 2015 über eine Kanzlei in Zürich ver- fügt. Dabei sei eine Vielzahl von Mandaten mit grenzüberschreiten- den Sachverhalten bearbeitet worden, insbesondere mit Italien. Darunter seien italienische Staatsangehörige, welche ihren Lebens- mittelpunkt in der Schweiz hätten. Auch im Ruhestand des Vaters würden bei diesem und dem Beschwerdeführer noch zahlreiche Anfragen von Klienten in der Schweiz eingehen, welche die In- teressenwahrung verlangten. Beabsichtigt werde auch die Auswei- tung des Klientels , wobei insbesondere österreichische Mandanten mit Bezug zur Schweiz angesprochen würden. Es sei nicht nur die Begleitung, Beratung und rechtliche Vertretung von in der Schweiz lebenden Klienten geplant, sondern auch die Expansion der Kanzlei durch ständige Anwesenheit auf dem schweizerischen Gebiet . Der Entscheid der Anwaltskommission sei rechtswidrig. Im BGFA sei die Niederlassungsrichtlinie (RL 98/5/EG) umgesetzt. Diese ermög- liche einem EU-Anwalt die ständige Ausübung der Anwaltstätigkeit in einem andern Land ohne Beschränkungen, die vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben worden sind . Weiter liege eine diskrimi- nierende Behandlung vor. In diesem Sinne äussere sich auch die Literatur. Einem EU-Anwalt dürften im Inland keine Beschränkun- gen auferlegt werden, welche über den Regelungszweck der Richtli- nie hinausgingen. Für die von der Anwaltskommission verlangte eingehende Begründungspflicht bestehe keine Grundlage im Ge- setz oder in der Richtlinie. Die Vorinstanz habe ihm zu Unrecht vor- geworfen, er habe niemals behauptet, eine ständige Anwaltstätigkeit
2018 Anwalts- und Notariatsrecht 297
in der Schweiz ausüben zu wollen . Auch nach der Rechtsprechung sei eine entsprechende Begründungspflicht nicht vorgesehen. 4.2. Die Anwaltskommission erwog mit Verweis auf die bundesge- richtliche Rechtsprechung, für die Eintragung in die öffentliche Liste gemäss Art. 28 Abs. 2 BGFA werde eine ständige (Hervorhebung im angefochtenen Entscheid) Tätigkeit in der Schweiz im Sinne von Art. 27 Abs. 1 BGFA vorausgesetzt. Der Gesuchsteller habe nicht glaubhaft dargelegt, dass er in der Schweiz eine ständige Anwalts- tätigkeit ausübe oder dies zumindest beabsichtige. Aus den einge- reichten Unterlagen ergebe sich insbesondere nicht, weshalb die anwaltliche Tätigkeit nicht im freien Dienstleistungsverkehr erfolgen könne. 5. 5.1. Im Gesetzgebungsverfahren zum Erlass des Anwaltsgesetzes wurde unter anderem die RL 98/5/EG thematisiert und ausdrücklich festgehalten, dass diese die ständige Ausübung des Rechtsanwalts- berufs in einem andern Mitgliedstaat erleichtere. Dabei wurde wört- lich ausgeführt: Sie soll die Niederlassungsmöglichkeiten erwei- tern (Botschaft zum BGFAvom 28. April 1999, 99.027, in: BBl 19996024). RL 98/5/EG ist bei der Anwendung von Art. 27 Abs. 1 BGFA als Auslegungselement beizuziehen. Sie regelt namentlich das Recht auf Berufsausübung unter der ursprünglichen Berufsbezeichnung (Art. 2) und die Beachtung der Berufs- und Standesregeln (Art. 6); weiter enthält sie Bestimmungen zur Gleichstellung mit den Rechtsanwälten des Aufnahmestaats (Art. 10) und für Anwalts- sozietäten (Art. 11). Für letztere ist die Ausübung der beruflichen Tätigkeiten im Rahmen einer Zweigstelle oder Niederlassung im Aufnahmestaat vorgesehen (Ziffer 1). 5.2. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat sich zur Abgren- zung der Berufsausübung im freien Dienstleistungsverkehr (Art. 21 ff. BGFA) von der ständigen Tätigkeit im Sinne von Art. 27 ff. BGFA in einem Urteil vom 19. Dezember 2011
2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 298
(2C_694/2011) geäussert. Dabei wurde erwogen, Art. 27 ff. BGFA erfassten die zuwandernden ausländischen Anwälte, die in stabiler und kontinuierlicher Weise ihre Berufstätigkeit in der Schweiz ausübten, indem sie sich von einem Berufsdomizil aus u.a. an die einheimische Bevölkerung wendeten. Dazu wurde zunächst ein- schränkend festgehalten, dass eine auf Dauer ausgerichtete Tätigkeit als Anwalt das Schwergewicht bzw. den Mittelpunkt der anwalt- lichen Tätigkeit bilde, was über die blosse Einrichtung eines zweiten Berufsdomizils hinausreiche. Andererseits wurde erwogen, dass eine dauernde Berufsausübung jedenfalls dann anzunehmen sei, wenn sich das Schwergewicht nicht ohne weiteres feststellen lasse und die anwaltliche Tätigkeit im Aufnahmestaat während mehr als 90 Tagen ausgeübt werde (Erw. 4.4 mit Hinweisen auf die Literatur). Letzterer Auffassung folgt, soweit ersichtlich, die Kommentierung von KELLERHALS/BAUMGARTNER, wonach eine Tätigkeit in den Bereich der Niederlassung bzw. der ständigen Berufsausübung falle, wenn die grenzüberschreitende Ausübung des Anwaltsberufs an mehr als 90 Tagen erfolge (vgl. KELLERHALS/BAUMGARTNER, in: FELLMANN/ZINDEL [Hrsg.], a.a.O., Art. 27 N 3 und Art. 28 N 1). ROLF H. WEBER führte im Jahre 1998 aus, dass von einer Niederlas- sung nur gesprochen werden könne, wenn sich ein Anwalt in die Wirtschaft des Aufnahmestaates integriere. Zur Eröffnung von Zweitkanzleien vertrat er mit Bezug auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der Verzicht auf die enge wirtschaftliche und soziale Bindung an den Aufnahmestaat (im Bereich der Niederlassungsfreiheit) rechtfertige keine extensive Anwendung des Niederlassungsrechts (vgl. ROLF H. WEBER, Niederlassung oder Dienstleistung - europarechtliche Beurteilung grenzüberschreitender anwaltlicher Tätigkeiten, in: WALTER FELLMANN/CLAIRE HUGUENIN JACOBS/THOMAS POLEDNA/JÖRG SCHWARZ [Hrsg.], Schweizeri- sches Anwaltsrecht, Bern 1998, S. 581 f.). Gemäss dem erwähnten Urteil des Bundesgerichts vom 19. Dezember 2011 (2C_694/2011) ist eine dauernde Berufsaus- übung anzunehmen, wenn sich deren Schwerpunkt nicht ohne weite- res feststellen lässt und sie während mehr als 90 Arbeitstagen im Aufnahmestaat ausgeübt wird (vgl. Erw. 4.4). Im Urteil des Bundes-
2018 Anwalts- und Notariatsrecht 299
gerichts vom 9. August 2004 (2A.536/2003) wird vorausgesetzt, dass der Rechtsanwaltstätigkeit kein vorübergehender Charakter zukommt und zumindest deren ständige Ausübung beabsichtigt wird (vgl. Erw. 4). Beide Entscheide lassen mithin die Annahme einer ständi- gen Berufstätigkeit zu, wenn deren Ausübung an mehr als 90 Tagen grenzüberschreitend erfolgt. Hinweise für eine generelle Unzulässig- keit von Zweitkanzleien bzw. Geschäftsniederlassungen lassen sich diesen Urteilen nicht entnehmen. 6. 6.1. Die vorinstanzliche Abweisung des Eintragungsgesuchs mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft dargelegt, eine ständige Berufsausübung im Sinne von Art. 27 Abs. 1 BGFA zu beabsichtigen, überzeugt nicht. Das Gesuchsformular der Anwalts- kommission enthält keinen Hinweis auf eine entsprechende Begrün- dungspflicht. Insoweit war die Abweisung des Gesuchs mangels Be- gründung nicht statthaft. Dies gilt umso mehr, als das Verwaltungs- verfahren von der Untersuchungsmaxime beherrscht wird. Danach ermitteln die Behörden den Sachverhalt, unter Beachtung der Vorbringen der Parteien, von Amtes wegen und stellen die dazu not- wendigen Untersuchungen an (§ 17 Abs. 1 VRPG). Anhaltspunkte dafür, dass die Eintragung lediglich zur Erzielung eines Werbeeffekts erfolgen soll, was mit der Gefahr der Irreführung des Publikums einherginge, bestehen nicht (vgl. hierzu: Urteil des Bundesgerichts vom 9. August 2004 [2A.536/2003], Erw. 4.2). Fragen des Be- weismasses stellten sich, soweit ersichtlich, im vorinstanzlichen Ver- fahren ebenfalls nicht. 6.2. Gemäss den Ausführungen der Vorinstanz ergibt sich aus den eingereichten Unterlagen nicht, weshalb die anwaltliche Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht auch im Rahmen des freien Dienst- leistungsverkehrs erfolgen könne. In diesem Zusammenhang ist Fol- gendes wesentlich: Zwar ist einer Berufstätigkeit nach der bundes- gerichtlichen Rechtsprechung nicht bereits deshalb der Charakter der (vorübergehenden) Dienstleistung abzusprechen, weil der Dienst- leistungserbringer ein Büro in der Schweiz eingerichtet hat (vgl.
2018 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 300
Urteil des Bundesgerichts vom 9. August 2004 [2A.536/2003], Erw. 3.2.2 und 4). Entsprechend seinen Vorbringen beabsichtigt der Beschwerdeführer indessen, neben seiner Anwaltstätigkeit in Wien eine Zweitkanzlei bzw. Geschäftsniederlassung im Kanton zu eröff- nen (vgl. vorne Erw. 4.1). Es ist mithin von der Absicht auszugehen, eine Kanzlei mit vollständiger Infrastruktur einzurichten und nicht bloss eine Kontaktstelle zu schaffen (vgl. WEBER, a.a.O., S. 581). Hierbei handelt es sich um mehr als eine grenzüberschreitende Berufsausübung im freien Dienstleistungsverkehr (vgl. vorne Erw. 3). Daher liegt mithin eine Form der ständigen Ausübung des Anwaltsberufs vor, deren Zulässigkeit im Rahmen der Bestimmun- gen von Art. 27 ff. BGFA zu beurteilen ist. Im Hinblick darauf kann zunächst nicht unbesehen bleiben, dass RL 98/5/EG mit Bezug auf Anwaltssozietäten erlaubt, die berufli- chen Tätigkeiten im Rahmen einer Zweigstelle oder Niederlassung im Aufnahmestaat auszuüben (vgl. Art. 11 Ziffer 1). Diese Vorschrif- ten legen nahe, jedenfalls für Rechtsanwälte, welche in Personengesellschaften organisiert sind, die zwischenstaatliche Er- bringung anwaltlicher Dienstleistungen im Rahmen von Zweitkanz- leien zuzulassen. Unter dieser Prämisse ist nicht ersichtlich, wieso für den Beschwerdeführer die Eröffnung einer hiesigen Kanzlei eine schwerpunktmässige Verlagerung seiner Geschäftstätigkeit in die Schweiz voraussetzen bzw. eine Zweitkanzlei ausgeschlossen sein soll. Es würde Sinn und Zweck der Freizügigkeit widersprechen, wenn zwischen der (zulässigen) grenzüberschreitenden Anwaltstätig- keit von maximal 90 Arbeitstagen pro Jahr und der (ebenfalls zuläs- sigen) ständigen Berufsausübung im Aufnahmestaat eine Zwischen- kategorie geschaffen würde, in der die grenzüberschreitende An- waltstätigkeit nicht gestattet wäre. Nachdem das BGFA in Art. 27 ff. im Wesentlichen die Eintragung in die öffentliche Liste und deren (berufsrechtlichen) Konsequenzen regelt, kann insbesondere aus Art. 12 Anhang I FZA betreffend den Aufenthaltsstatus von selbständig Erwerbenden nichts anderes abgeleitet werden. Insoweit kann für die Zulässigkeit von Zweitkanzleien für Anwaltssozietäten der Kommentierung von KELLERHALS/BAUMGARTNER gefolgt wer- den: Danach ist eine anwaltliche Tätigkeit der Niederlassung bzw.
2018 Anwalts- und Notariatsrecht 301
der ständigen Berufsausübung zuzuordnen, wenn die zwischenstaat- liche Ausübung des Anwaltsberufs in der Schweiz an mehr als 90 Tagen pro Jahr erfolgt (vgl. KELLERHALS/BAUMGARTNER, a.a.O., Art. 27 N 3). Es wäre nicht schlüssig, die Eintragung vom Vorliegen einer Aufenthaltsbewilligung abhängig zu machen, welche vorgängig von den Migrationsbehörden zu erteilen wäre und ihrerseits eine (aufenthaltsrechtliche) Niederlassung voraussetzen würde. Das Erfordernis einer Aufenthaltsbewilligung würde die Möglichkeit einer Zweitkanzlei oder Geschäftsniederlassung faktisch ausschlies- sen. Diese Rechtsfolge wäre im Bereich der anwaltlichen Dienst- leistungen, wo eine Erweiterung der Niederlassungsmöglichkeiten beabsichtigt ist, nicht gerechtfertigt. Die Urteile des Bundesgerichts vom 9. August 2004 (2A.536/2003), Erw. 3.2.2 und 4.1, und vom 19. Dezember 2011 (2C_694/2011), Erw. 4.4, dürfen daher nicht so verstanden werden, dass in Konstellationen wie der vorliegenden der Eintrag in die öffentliche Liste für Angehörige von EU-Mitgliedstaa- ten eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz voraussetzen würde. Nach dem Gesagten hat der Beschwerdeführer Anspruch, in die öffentliche Liste der Angehörigen von Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA eingetragen zu werden.
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz