22 Ausschaffungshaft; Haftverlängerung; Beschleunigungsgebot Das Beschleunigungsgebot ist verletzt, wenn die Schweizer Behörden be- züglich Papierbeschaffung gegenüber der ausländischen Vertretung in der Schweiz während mehr als zwei Monaten untätig sind und aufgrund
der Sicherheitslage im Zielstaat für unbestimmte Dauer davon abgesehen wird, die Reisepapiere vor Ort zu beschaffen. Aus dem Entscheid des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 28. Oktober 2016, in Sachen Amt für Migration und Integration gegen A. (WPR.2016.162). Aus den Erwägungen 2. 2.1. Der Haftrichter hat sich im Rahmen der Prüfung, ob die Verlängerung der Ausschaffungshaft rechtmässig ist, unter anderem Gewissheit darüber zu verschaffen, ob die für den Vollzug der Weg Ausweisung notwendigen Vorkehren im Sinne von Art. 76 Abs. 4 AuG umgehend getroffen worden sind (Beschleunigungs gebot). Eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes führt zur sofor tigen Beendigung der Ausschaffungshaft. 2.2. Der Vertreter des Gesuchsgegners bemängelt, dass die Schwei zer Behörden bis anhin einzig interne administrative Abklärungen getroffen hätten, welche zu keinerlei Aussenwirkungen geführt hätten. Es stellt sich somit die Frage, ob das Beschleunigungsgebot ausreichend beachtet wurde. Gemäss der bundesrichterlichen Rechtsprechung gilt das Be schleunigungsgebot als verletzt, wenn im Hinblick auf die Aus schaffung während mehr als zwei Monaten keinerlei Vorkehren mehr getroffen wurden, ohne dass die Verzögerung in erster Linie auf das Verhalten ausländischer Behörden des Betroffenen selber zurückgeht (vgl. dazu BGE 124 II 49, Erw. 3a, S. 51 mit Hinweisen; bestätigt unter anderem mit Urteil des Bundesgerichts vom 13. April 2013 [2C_285/2013], Erw. 5.1). Die Behörden sind gestützt auf das Beschleunigungsgebot zwar nicht gehalten, in jedem Fall schema tisch bestimmte Handlungen vorzunehmen, müssen das Verfahren je doch zielgerichtet vorantreiben, da ansonsten kein schwebendes
Verfahren im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK mehr vorliegt (BGE 139 I 206, Erw. 2.1 mit weiteren Hinweisen). Massgebend ist dabei insbesondere die konkrete Situation im angefragten Zielland sowie die Erfahrungen, die die zuständigen Schweizer Behörden bezüglich der Papierbeschaffung mit diesem Land gemacht haben. Ein längeres Zuwarten nach einer Anfrage kann insbesondere dann angezeigt sein, wenn sich ein Monieren der ausstehenden Antwort in der Verangenheit als kontraproduktiv erwiesen hat. Obschon den Behörden ein gewisser Spielraum bei der Einschätzung der Geeignetheit der erforderlichen (weiteren) Schritte zukommt, rechtfertigt sich ein mehr als zweimonatiges Zuwarten nur bei klaren Anzeichen, dass ein früheres Nachfragen kontraproduktiv war (AGVE 2014, S. 120 f.). 2.3. Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot forderte der Einzel richter das MIKA mit Beweisanordnung vom 20. Oktober 2016 auf, anlässlich der heutigen Verhandlung eine Aufstellung sämtlicher konkreter Bemühungen der Schweizer Behörden gegenüber den ira kischen Behörden zur Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes für den Gesuchsgegner vorzulegen. In der Folge reichte der Gesuchstel ler an der heutigen Verhandlung diverse Akten des SEM ein. Anlässlich der letzten Haftverhandlung wurde durch den Ge suchsteller vorgebracht, das SEM werde den Fall des Gesuchsgeg ners dem irakischen Botschafter Ende August 2016, nach dessen Rückkehr aus dem Irak, erneut unterbreiten. Zudem sei die geplante Dienstreise des SEM nach Bagdad neu für den Oktober 2016 ange setzt worden, um vor Ort eine Lösung zu finden. Das SEM betonte in einem Schreiben vom 15. Juli 2016 überdies die hohe Kooperations bereitschaft der irakischen Behörden in Fällen wie dem Vorliegen den. Zum Zeitpunkt der letzten Haftverhandlung vom 27. Juli 2016 lag damit noch keine Verletzung des Beschleunigungsgebotes vor. Vielmehr bestand die begründete Aussicht, dass der Fall des Ge suchsgegners dem irakischen Botschafter in Bern in absehbarer Zeit erneut vorgelegt eine Lösung aufgrund der Dienstreise des SEM gefunden werden kann.
Anders verhält es sich zum heutigen Zeitpunkt. Die auf Okto ber 2016 geplante Dienstreise des SEM ist aufgrund der prekären Sicherheitslage im Irak offenbar auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Bezüglich des erneuten Gesuchs um Ausstellung von Ersatz reisepapieren für den Gesuchsgegner ist den durch das MIKA anläss lich der heutigen Verhandlung abgegebenen Akten des SEM zu ent nehmen, dass das SEM das erneute Gesuch dem irakischen Botschaf ter in Bern erst am 20. Oktober 2016 zugestellt hat. Obschon das MIKA die pendente Papierbeschaffung beim SEM mehrfach moniert hatte, wurde die Angelegenheit durch das SEM offenbar erst am 3. Oktober 2016 wieder an die Hand genommen. Entgegen der Aus kunft des SEM vom 19. September 2016, der Neuantrag werde noch in dieser Woche dem irakischen Botschafter unterbreitet, wurde der Neuantrag betreffend Ausstellung eines Ersatzreisedokuments erst am 19. Oktober 2016 verfasst. Den Akten können keine Hinweise entnommen werden, welche eine plausible Erklärung für eine derart lange Verzögerung geben würden. Dies umso weniger, als das SEM im Juli 2016 die hohe Kooperationsbereitschaft der irakischen Be hörden besonders hervorgehoben hat und sich deshalb ein nach drückliches Vorgehen seitens der Schweizer Behörden umso mehr aufgedrängt hätte. Unter diesen Umständen erstaunt es, dass der Neuantrag um Ausstellung eines Ersatzreisepapieres erst mehr als eineinhalb Monate nach der auf Ende August 2016 angekündigten Rückkehr des irakischen Botschafters nach Bern übermittelt wurde. Das Vorbringen des Gesuchstellers, das SEM habe internen Wei sungen zufolge zuerst Abklärungen zur Situation im Irak vornehmen müssen, ist unbehelflich und kann allenfalls erklären, weshalb noch immer kein Reisepapier vorliegt, stellt aber keine Rechtfertigung für die Untätigkeit der Schweizer Behörden dar. Weshalb die internen Abklärungen des SEM erst Anfang Oktober 2016 erfolgten, ist nicht nachvollziehbar. 2.4. Nach dem Gesagten steht fest, dass das SEM seit der letzten Haftverhandlung vom 27. Juli 2016 bis zum 19. Oktober 2016 kei nerlei konkreten Bemühungen unternommen hat, sich mit dem iraki schen Botschafter in Bern in Verbindung zu setzen und die Papierbe-
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