2012 Verwaltungsgericht 146
21 Kleinstbaute
- Eine 2.50 m hohe Informations- und Reklamestele mit einer Grund- fläche von ca. 0.12 m2 ist eine Kleinstbaute im Sinne von § 49 Abs. 2 lit. d BauV.
- Wenn die Gemeinden nichts anderes festlegen, gilt für Kleinstbauten ein Grenzabstand von 2 m, wie er für Klein- und Anbauten vorge- schrieben ist.
Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 23. August 2012 in Sachen
A. AG gegen B. AG und Departement BVU sowie Stadtrat C.
(WBE.2012.48).
Aus den Erwägungen
1.
1.1.
Vorliegend geht es um die Informations- und Reklamestele auf
der Parzelle Nr. (...) an der (...) in C.. Diese Parzelle der Beschwer-
degegnerin grenzt u. a. an die Parzelle Nr. (...) der Beschwerdefüh-
rerin. Beide Grundstücke liegen gemäss § 11 i. V. m. § 15 der gelten-
den Fassung der Bau- und Nutzungsordnung der Stadt C. (BNO)
vom 23. Oktober 2001 / 2. April 2003 in der Zentrumszone 5 (Z5).
Die Zentrumszonen sind für innenstädtische Nutzungen wie Laden-
geschäfte, Einkaufszentren, Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe
sowie Wohnungen bestimmt. In der Regel gilt geschlossene Bau-
weise (§ 15 BNO). In der Bauzone Z5 sind unter anderem 5 Ge-
schosse, eine Gebäudehöhe von maximal 17 m und ein kleiner
Grenzabstand von 4.5 m erlaubt; der grosse Grenzabstand beträgt
Gebäudehöhe (§ 11 Abs. 1 BNO).
1.2.
Anfangs Dezember 2010 stellte die Beschwerdegegnerin an ih-
rer nördlichen Parzellengrenze mit einem Abstand von 0.12 m zur
Nachbarzelle Nr. (...) die 2.5 m hohe, 0.8 m breite und ca. 0.1 -
0.15 m tiefe, weisse und im vorliegenden Fall Gegenstand der Be-
schwerde bildende Informations- und Reklamestele auf. Das nach-
2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 147
träglich eingereichte Baubewilligungsgesuch für den Bau dieser
Stele wurde vom Stadtrat C. abgewiesen.
2. (...)
3.
3.1.
Die Stele ist eine künstlich geschaffene und auf Dauer angelegte
Einrichtung, die in bestimmter fester Beziehung zum Erdboden steht
und geeignet ist, die Vorstellung über die Nutzungsordnung zu be-
einflussen, (vgl. BGE 123 II 259; siehe auch § 6 BauG). Somit han-
delt es sich bei der Stele um eine Baute Anlage im Sinne von
Art. 22 RPG und § 6 Abs. 1 lit. a BauG. Dies wird auch von keiner
der Parteien bestritten.
3.2.
§ 49 Abs. 2 lit. d BauV nennt die Kategorie der Kleinstbauten
und nimmt diese von der Baubewilligungspflicht aus.
Kleinstbauten zeichnen sich dadurch aus, dass sie sowohl be-
züglich der Grundfläche wie auch der Höhe stark beschränkt sind.
Grund für die Einführung dieser (neuen) Kategorie war, dass der
Gesetzgeber nicht jede noch so kleine Baute der Bewilligungspflicht
unterstellen wollte. Unter Kleinstbauten fallen gemäss § 49 Abs. 2
lit. d BauV alle Bauten mit einer Grundfläche bis 5 m2 und einer
Gesamthöhe bis 2.50 m, wie zum Beispiel Gerätehäuschen und Fahr-
radunterstände. Bei der vorliegenden weissen Stele handelt es sich
um eine Baute in der Höhe von 2.50 m mit einer Grundfläche von ca.
0.12 m2 (0.8 m x 0.15 m) (siehe vorne Erw. 1.2.). Es ist deshalb nicht
zu beanstanden, sie unter die Kategorie der Kleinstbauten im Sinne
von § 49 Abs. 2 lit. d BauV zu subsumieren. Das Argument der Be-
schwerdeführerin, wonach die Stele aufgrund der sehr kleinen
Grundfläche keine Kleinstbaute darstellen könne, überzeugt nicht.
Ebenso wenig steht eine Werbetafel von 42 m Länge und 2.5 m Höhe
zur Beurteilung. Im Weiteren sind auch die Ausführungen der Be-
schwerdegegnerin zur Einfriedung nicht einschlägig. Die Stele wurde
nicht zur Abgrenzung Abschirmung eines Grundstücks
angebracht. Schon aus dem Zweck der Werbe- und Informationsstele
ergibt sich, dass die Regelungen zur Einfriedung im vorliegenden
Fall keine Anwendung finden können. Ausserdem sind die Ausfüh-
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rungen der Beschwerdeführerin zur Bewilligungspflicht für Strassen-
reklamen nicht stichhaltig: Die Stele steht nicht im Bereich der Stras-
se und stellt keine Strassenreklame dar. Inwiefern schliesslich die
Baulinien des Gestaltungsplans eine Baubewilligungspflicht be-
gründen sollen, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar.
3.3.
Demgemäss ist die zu beurteilende Stele als (grundsätzlich bau-
bewilligungsfreie) Kleinstbaute im Sinne von § 49 Abs. 2 lit. d BauV
zu qualifizieren.
4.
4.1.
Unabhängig von der Klassifizierung der Stele (als Kleinstbaute)
ist die Einhaltung der übrigen Vorschriften zu prüfen. Gemäss § 49
Abs. 4 BauV respektive § 30 Abs. 3 ABauV entbindet nämlich die
Errichtung baubewilligungsfreier Bauten und Anlagen nicht von der
Einhaltung aller übrigen Vorschriften. Dazu gehören insbesondere
die Bestimmungen über die Grenzabstände.
4.2.
Gemäss § 51 Abs. 1 BauG kann der Regierungsrat für unterge-
ordnete Bauten, Anlagen und Bauteile geringere Abstände festlegen,
als es die Baulinien und Abstandsvorschriften verlangen. Mit dem
Erlass von § 19 BauV respektive § 18 ABauV hat der Regierungsrat
von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht und festgelegt, dass für
Klein- und Anbauten ein Grenzabstand von 2 m gelten solle, soweit
die Gemeinden nichts anderes vorsehen. Die Stadt C. hat bezüglich
des Grenzabstands von Klein- und Anbauten nichts bestimmt (vgl.
BNO). Mit Zustimmung der betroffenen Nachbarschaft - welche im
vorliegenden Fall fehlt - kann diese Grenze reduziert ganz auf-
gehoben werden. Über den Grenzabstand für Kleinstbauten sagt we-
der die ABauV noch die BauV etwas aus. Eine ausdrückliche gesetz-
liche Regelung fehlt dazu. Die Regelung zu Klein- und Anbauten
wäre auch auf Kleinstbauten anzuwenden, falls Letztere als Teilge-
halt der Ersteren zu betrachten sind.
4.3.
Für Klein- und Anbauten gelten unter anderem die Höchstmasse
von 40 m2 für die Gebäudefläche und 3 m für die Gebäudehöhe (vgl.
2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 149
§ 19 Abs. 1 BauV; § 18 Abs. 1 ABauV). Eine Kleinstbaute mit den
zulässigen Höchstmassen von 5 m2 für die Grundfläche und 2.5 m
für die Gesamthöhe bildet somit eine Teilmenge der Kleinbaute.
Kleinstbauten sind als kleine Kleinbauten daher wie diese zu behan-
deln. Die Vorschriften der Klein- und Anbauten zu den Grenzab-
ständen (§ 19 Abs. 2 BauV; § 18 Abs. 2 ABauV) sind damit auch auf
Kleinstbauten anzuwenden. Die im vorliegenden Fall lediglich
0.12 m von der Grenze entfernt stehende weisse Stele hält den 2 m
Grenzabstand nicht ein. Ebenso steht die graue Stele mit ungefähr
1 m Abstand zur benachbarten Parzelle im Unterabstand.
Ginge man im Übrigen davon aus, dass die Kleinstbauten nicht
als Teilmenge der Kleinbauten gälten, dann wäre aufgrund einer
fehlenden gesetzlichen Regelung nicht - wie von der Vorinstanz
angenommen - eine sogenannte Nullgrenze anzunehmen, sondern es
kämen die ordentlichen Abstandsvorschriften zur Anwendung. Eine
gesetzliche Grundlage, dass für Kleinstbauten keine Grenzabstände
gelten, besteht nicht. In der Zentrumszone Z5 müsste daher der
ordentliche Grenzabstand eingehalten werden (vgl. § 11 Abs. 1
BNO). Die kleinsten Bauten hätten damit einen grösseren Grenzab-
stand einzuhalten als die kleinen Bauten, was zu einem absurden
Ergebnis führen würde und nicht Ziel des Gesetzgebers gewesen sein
kann.
4.4.
Das Unterschreiten des Grenzabstands von 2 m erfordert auch
bei grundsätzlich baubewilligungsfreien Bauten und Anlagen eine
Ausnahmebewilligung. Ist eine Ausnahmebewilligung (vgl. § 67
BauG) erforderlich, ist ein Baubewilligungsverfahren durchzuführen
(§ 49 Abs. 4 BauV; § 30 Abs. 3 ABauV). Im konkreten Fall fällt eine
Ausnahmebewilligung für die weisse Stele jedoch ausser Betracht,
da ausserordentliche Verhältnisse ein Härtefall (vgl. § 67 Abs. 1
lit. b BauG) weder ersichtlich sind noch substantiiert geltend ge-
macht werden.
Im Ergebnis unterliegen die Stelen somit - trotz der Klassifizie-
rung als Kleinstbaute und der damit einhergehenden grundsätzlichen
Befreiung von der Bewilligungspflicht gemäss § 49 Abs. 2 lit. d
BauV - bei einem Abstand von unter 2 m von der benachbarten
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Parzelle dennoch der Baubewilligungspflicht (gemäss § 49 Abs. 4
BauV respektive § 30 Abs. 3 ABauV).
4.5.
Unterliegt die Kleinstbaute aufgrund des Unterabstands der
Baubewilligungspflicht, ist die Anwendung der BauV im Ergebnis
nicht günstiger. Es bleibt daher bei der Geltung der ABauV.
Als Kleinstbaute im Sinne von § 18 Abs. 1 ABauV ist die Stele
baubewilligungspflichtig. Ein Befreiungstatbestand von § 30 ABauV
liegt nicht vor. Einzuhalten ist deshalb ein Grenzabstand von 2 m
(§ 18 Abs. 2 ABauV). Wie bereits ausgeführt (vorne Erw. 4.4.), ist
ein Grund für eine Ausnahmebewilligung nicht ersichtlich.
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