62 Vollstreckung
- Eine Entscheidung über baurechtliche Fragen nach § 159 Abs. 1 BauG ist im Vollstreckungsverfahren unzulässig.
- Erfolgt die Zwangsandrohung in der zu vollstreckenden Beseiti- gungsanordnung selbst (§ 81 Abs. 2 VRPG), handelt es sich um Ne- benpunkte des (Haupt-) Entscheides über die Beseitigung.
- Die Zuständigkeit der Rechtsmittelinstanzen ergibt sich aus dem Grundsatz, dass eine Zuständigkeit, die in der Hauptsache gegeben ist, sich auch auf Nebenpunkte erstreckt.
Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 25. Oktober 2011 in Sa- chen A. gegen Gemeinderat B. (WBE.2011.262).
Aus den Erwägungen
1. Im angefochtenen Entscheid hat der Gemeinderat B. vom Be- schwerdeführer alternativ die Einreichung eines Baugesuches die Beseitigung der umstrittenen Baute innert 30 Tagen verlangt. Das Vorliegen einer andern Sachverfügung, welche vollstreckt werden könnte, wird vom Gemeinderat nicht geltend gemacht und ergibt sich auch nicht aus den Akten. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Entscheid hat grund- sätzlich aufschiebende Wirkung (§ 46 Abs. 1 VRPG). Während der Dauer des Beschwerdeverfahrens ist die Beseitigungsanordnung daher nicht vollstreckbar. Eine Vollstreckungsmassnahme kann bis zum rechtskräftigen Entscheid über die Bewilligungsfähigkeit und die Beseitigung des umstrittenen Autounterstandes nicht angeordnet werden. Die Vollstreckungsanordnungen in der Verfügung vom 11. Juli 2011 sind mit andern Worten davon abhängig, dass die Be- seitigungsverfügung zuerst in formelle Rechtskraft erwächst bzw. der Beschwerdeführer innert Frist kein Baugesuch einreicht. Dem Wort- laut nach erfasst der Entscheid auch die Ersatzvornahme für die Einreichung eines Baugesuchs, was wohl kaum beabsichtigt ist.
Kann eine Sachverfügung mangels formeller Rechtskraft Rechtsbeständigkeit nicht vollstreckt werden, fehlen die Vorausset- zungen für eine Vollstreckung. Zwangsmassnahmen gegen den Be- schwerdeführer können zurzeit und solange keine rechtskräftige An- ordnung über die Beseitigungspflicht hinsichtlich des Autounter- standes besteht, weder angedroht noch angeordnet werden. Die Beschwerde ist daher begründet und gutzuheissen. 2. 2.1. Der Gemeinderat hat in Anwendung von § 159 Abs. 1 BauG den Beschwerdeführer aufgefordert, entweder ein Baugesuch einzu- reichen den Autounterstand zu entfernen. Die Zwangsmassnah- men im angefochtenen Entscheid beziehen sich auf die Beseiti- gungsalternative. Der Gemeinderat geht im angefochtenen Entscheid implizit davon aus, dass der bestehende Unterstand nicht bewilli- gungsfähig ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts darf eine Beseitigung gestützt auf § 159 BauG erst angeordnet werden, wenn feststeht, dass eine eigenmächtig ausgeführte Baute dem objektiven Baurecht widerspricht (vgl. AGVE 2004, S. 157, mit Hinweisen). Voraussetzung einer Beseitigung ist also die materielle Rechtswid- rigkeit, die einer nachträglichen Bewilligung entgegensteht, sowie der Entscheid, dass der rechtsmässige Zustand wiederherzustellen ist. Eine Beseitigungsanordnung geht über die technische Umset- zung einer Verpflichtung hinaus und hat den Charakter eines neuen Sachentscheids, da sie neue Pflichten (Beseitigung und Herstellung) anordnet, über die noch nicht materiell-rechtlich entschieden worden ist. Die Entscheidung über diese Rechtsfragen ist vorliegend offen. Über die materielle Rechtswidrigkeit als Grundvoraussetzung einer in Anwendung von § 159 Abs. 1 BauG auf Herstellung des rechts- mässigen Zustandes abzielenden Anordnung ist im ordentlichen Verwaltungsverfahren zu entscheiden. Eine Entscheidung über die baurechtlichen Fragen ist im Voll- streckungsverfahren unzulässig. Die Vollstreckung und das Be- schwerdeverfahren gemäss § 83 Abs. 1 VRPG sind besondere Ver- fahren (VGE IV/64 vom 23. September 2011 [WBE. 2011.204], S.
10 f.). Bei der Prüfung der Baubewilligungspflicht und im nachträg- lichen Bewilligungsverfahren sind - anders als in der Zwangsvoll- streckung - auch die Interessen und Verfahrensrechte von Nachbarn zu wahren. Im Regelfall werden daher die Pflicht zur Beseitigung gemäss § 159 Abs. 1 BauG und die Zwangsvollstreckung einer rechtskräftigen Beseitigungsanordnung in zwei verschiedenen Ver- fahren angeordnet. Von der Zweiteilung des Entscheidverfahrens, das zur Beseitungspflicht einerseits und zur Zwangsvollstreckung ander- seits führt, geht grundsätzlich auch das Baugesetz aus (§ 159 Abs. 1 und 2 BauG). Entsprechend ist eine Gabelung des Rechtsmittelweges ausgeschlossen, da der Beseitungsentscheid mit Beschwerde beim Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU), allenfalls beim Re- gierungsrat (§ 61 Abs. 1 und 2 der Bauverordnung vom 25. Mai 2011 [BauV; SAR 713.121]) anfechtbar ist. 2.2. Das Verwaltungsrechtspflegegesetz sieht die Möglichkeit vor, dass die Zwangsandrohung in der Sachentscheidung (Voll- streckungs-) Entscheid ergehen kann (§ 81 Abs. 2 VRPG). Werden die Zwangsmassnahmen in der Sachverfügung angedroht, handelt es sich um Nebenpunkte des (Haupt-) Entscheides über die Beseitigung. Die Androhung ist von der Rechtsbeständigkeit und Vollstreckbarkeit der Beseitigungsanordnung abhängig. Die Zuständigkeit der Rechts- mittelinstanzen ergibt sich aus dem Grundsatz, dass eine Zuständig- keit, die in der Hauptsache gegeben ist, sich auch auf Nebenpunkte erstreckt (AGVE 1973, S. 267; 1991, S. 195; 2000, S. 352; Michael Merker, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38-72 VRPG, Zürich 1998, § 44 N 11). Eine Gabelung des Rechtsweges findet dementsprechend auch in diesen Fällen nicht statt.