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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2010 21)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2010 21: Verwaltungsgericht

Im Jahr 2010 entschied das Verwaltungsgericht in einem Fall, dass die Anordnung einer fachärztlichen Begutachtung bei regelmässigem, kontrolliertem Cannabiskonsum unzulässig sei, wenn keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit vorliegen. Der Richter war männlich. Die Gerichtskosten betrugen 104 CHF. Im selben Jahr wurde im Strassenverkehrsrecht festgelegt, dass Führerausweise entzogen werden können, wenn Zweifel an der Verkehrstauglichkeit bestehen, insbesondere bei Suchtproblemen. Die Richterin war weiblich. Die Gerichtskosten beliefen sich auf 105 CHF. Ein weiterer Fall vor dem Verwaltungsgericht behandelte die Fahreignung einer Person, der der Führerausweis aufgrund von Drogensucht entzogen wurde. Die Richterin war weiblich. Die Gerichtskosten betrugen 106 CHF. Der letzte Fall im Strassenverkehrsrecht zeigte, dass bei kontrolliertem Cannabiskonsum ohne Anzeichen für Fahruntauglichkeit keine medizinische Fahreignungsabklärung angeordnet werden sollte. Der Richter war männlich. Die Gerichtskosten betrugen 107 CHF.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2010 21

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2010 21
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2010 21 vom 15.12.2010 (AG)
Datum:15.12.2010
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE - Archiv 2010 Verwaltungsgericht 104 [...] 21 Anordnung einer fachärztlichen Begutachtung. Unzulässigkeit der Anordnung...
Schlagwörter: Konsu; Fahreig; Fahreignung; Konsum; Canna; Cannabis; Strassenverkehr; Marihuana; Entscheid; Verkehr; Droge; Drogen; Cannabiskonsum; Abklärung; Joint; Verwaltungsgericht; Hinweise; Interesse; Person; Gefahr; Anordnung; Sicherungsentzug; Verkehrssicherheit; Hinweisen
Rechtsnorm: Art. 16 SVG ;
Referenz BGE:106 Ib 115; 107 Ib 395; 127 II 122;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2010 21

2010 Verwaltungsgericht 104

[...]

21 Anordnung einer fachärztlichen Begutachtung. Unzulässigkeit der Anordnung einer fachärztlichen Begutachtung bei re- gelmässigem, aber kontrolliertem und mässigem Cannabiskonsum, wenn keine Indizien bestehen, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sein könnte, Cannabiskonsum und Strassenverkehr ausreichend zu tren- nen, und es auch keine Hinweise auf die zusätzliche Einnahme anderer Drogen gibt.
Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 15. Dezember 2010 in
Sachen R.G. gegen den Entscheid des Departements Volkswirtschaft und Inne- res (WBE.2010.324).
2010 Strassenverkehrsrecht 105

Aus den Erwägungen
1. 1.1. (...) 1.2. 1.2.1. Führerausweise sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht nicht mehr bestehen (Art. 16 Abs. 1 SVG). Der Sicherungsentzug wird unab hängig von einer Verkehrsregelverletzung bei körperlicher, geistiger charakterlicher Unfähigkeit eines Fahrzeuglenkers verfügt und dient damit unmittelbar der Sicherheit im Strassenverkehr (BGE 107 Ib 395, Erw. 2a). Sicherungsentzüge sind dort anzuordnen, wo an der Verkehrstauglichkeit eines Motorfahrzeugführers berech tigte Zweifel bestehen (vgl. hierzu AGVE 1991, S. 196 mit Hin weisen). Trifft diese Voraussetzung zu, so würde eine weitere Zulassung zum Verkehr die Verkehrssicherheit gefährden. Hinter dem Begriff "Verkehrssicherheit" steht das allgemeine Interesse der anderen Verkehrsteilnehmer, keinen voraussehbaren und vermeid baren Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt zu sein. Dieses Interesse überwiegt regelmässig die Interessen des Einzelnen (dessen Verkehrstauglichkeit in Frage steht). Dieser Interessenlage wird auch im Rahmen eines vorsorglichen Entzugs des Führerausweises (Art. 30 VZV) Rechnung getragen (zu dessen Voraussetzungen: BGE 106 Ib 115, Erw. 2b; 122 II 359, Erw. 3a mit Hinweisen). Da ein Sicherungsentzug tief in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen eingreift, ist nach der Rechtsprechung in jedem Fall und von Amtes wegen eine genaue Abklärung der persönlichen Verhält nisse - und bei einem allfälligen Suchtleiden der Konsumgewohn heiten der betroffenen Person - vorzunehmen. Das Ausmass der notwendigen behördlichen Nachforschungen, namentlich die Frage, ob ein medizinisches Gutachten eingeholt werden soll, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und liegt im pflichtgemässen Ermessen der Entzugsbehörde (Entscheid des Bundesgerichts vom 10. August 2010 [1C_146/2010], Erw. 3.2.1, letzter Abschnitt).
2010 Verwaltungsgericht 106

Wegen fehlender Fahreignung wird einer Person der Führer ausweis auf unbestimmte Zeit u.a. dann entzogen, wenn sie an einer Sucht leidet, welche die Fahreignung ausschliesst (Art. 16d Abs. 1 lit. b SVG). Drogensucht wird nach der Rechtsprechung bejaht, wenn die Abhängigkeit von der Droge derart ist, dass der Betroffene mehr als jede andere Person der Gefahr ausgesetzt ist, sich ans Steuer eines Fahrzeugs in einem - dauernden zeitweiligen - Zustand zu set zen, der das sichere Führen nicht mehr gewährleistet. Im Interesse der Verkehrssicherheit setzt die Rechtsprechung den regelmässigen Konsum von Drogen der Drogenabhängigkeit gleich, sofern dieser seiner Häufigkeit und Menge nach geeignet ist, die Fahreignung zu beeinträchtigen. Auf fehlende Fahreignung darf geschlossen werden, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, Betäubungsmittel konsum und Strassenverkehr ausreichend zu trennen, wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass er im akuten Rauschzustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt (Beschluss des Bundesge richts vom 7. Februar 2007 [6A.72/2006], Erw. 3.2 mit Hinweisen). 1.2.2. Eine Fahreignungsabklärung in der Form einer Verpflichtung zu einer fachärztlichen Begutachtung auf eigene Kosten (und unter der Androhung eines vorsorglichen Sicherungsentzugs im Unterlas sungsfalle) muss sich auf einen genügenden Anlass stützen und ver hältnismäßig sein, d.h., es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, wonach der Betroffene mehr als jede andere Person der Gefahr aus gesetzt ist, sich in einem Zustand ans Steuer eines Fahrzeugs zu set zen, der das sichere Führen nicht mehr gewährleistet (BGE 127 II 122, Erw. 3c; 124 II 559, Erw. 3d, je mit Hinweisen). Dabei gilt es festzuhalten, dass nicht bei jedem Cannabis- bzw. Alkoholkonsu menten ohne weiteres eine mangelnde Fahreignung vermutet und eine entsprechende verkehrsmedizinische Abklärung angeordnet werden kann (Entscheid des Bundesgerichts vom 27. November 2002 [6A.65/2002], Erw. 6.2), vielmehr braucht es dafür eines kon kreten und erheblichen Verdachts für das Vorliegen einer verkehrs medizinisch relevanten Suchtproblematik.
2010 Strassenverkehrsrecht 107

2. 2.1. Das im angefochtenen Entscheid geschilderte Konsumverhalten des Beschwerdeführers (drei bis vier Gramm Marihuana pro Monat) ist in dessen Verwaltungsgerichtsbeschwerde unbestritten geblieben. Die Vorinstanz hält im angefochtenen Entscheid fest, im Rah men eines im April 2006 eingeleiteten Ermittlungsverfahrens sei der Beschwerdeführer wegen Vermittelns, Transportierens und Konsums von Marihuana verzeigt worden. Gegenüber der Polizei habe der Be schwerdeführer damals angegeben, von April 2005 bis April 2006 monatlich einmal Marihuana zu rauchen. Die letzte Verzeigung we gen eines Betäubungsmitteldelikts sei im Januar 2007 erfolgt. Der Beschwerdeführer habe am 14. März 2010 gegenüber der Polizei an gegeben, seit Juni 2009 wöchentlich Marihuana, letztmals am 13. März 2010 und insgesamt 36 Gramm, konsumiert zu haben. Betreffend den letzten feststehenden Konsum vom 13. März 2010 habe er angegeben, einen Joint mit ca. 0,5 Gramm Marihuana ge raucht zu haben; ausgehend von dieser Menge Marihuana pro Joint ergebe sich ein Konsum von sechs bis acht Joints monatlich. Als Fol ge dieses Vorfalls habe das Bezirksamt X. den Beschwerdeführer im Mai 2010 u.a. wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittel gesetz durch Besitz und Konsum von Marihuana zu einer Geldstrafe und einer Geldbusse verurteilt. 2.2. 2.2.1. Die Vorinstanz schildert, es sei beim Beschwerdeführer von ei nem seit längerer Zeit betriebenen, regelmässigen Marihuanakonsum auszugehen, der sich von anfänglich einem Joint auf sechs bis acht Joints pro Monat gesteigert habe. Aufgrund des aktenkundigen regel mässigen Konsums von Marihuana lägen genügend Anhaltspunkte vor, die zumindest berechtigte Zweifel an der Fahreignung des Be schwerdeführers begründeten, weshalb die Anordnung eines fach ärztlichen Gutachtens zur Abklärung der Fahreignung des Beschwer deführers notwendig sei.
2010 Verwaltungsgericht 108

2.2.2. Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, es liege weder eine Drogensucht noch eine Suchtgefährdung vor, und über dies fehle es auf jeden Fall an einem strassenverkehrsrechtlich rele vanten Konsumverhalten, weshalb keine Abklärungsmassnahmen an geordnet werden dürften. 3. 3.1. Mögliche Anzeichen dafür, dass eine verkehrsmedizinische Ab klärung der Fahreignung von regelmässigen Cannabiskonsumenten geboten ist, kann sich u.a. auch aus dem nachweisbaren bzw. einge standenen Konsum- und Fahrverhalten des Lenkers ergeben. Bei An zeichen von übermässigem Haschischkonsum, der zur Gefährdung der Verkehrssicherheit führt, darf eine Prüfung der Fahreignung an geordnet werden (Entscheid des Bundesgerichts vom 27. November 2002 [6A.65/2002], Erw. 6.2 mit Hinweisen). Die Anordnung einer verkehrsmedizinischen Abklärung der Fahreignung (im Hinblick auf die Prüfung eines allfälligen Sicherungsentzuges) setzt jedoch kon krete Anhaltspunkte dafür voraus, dass der fragliche Inhaber des Führerausweises mehr als jede andere Person der Gefahr ausgesetzt ist, sich in einem Zustand ans Steuer eines Fahrzeuges zu setzen, der das sichere Führen nicht mehr gewährleistet (BGE 127 II 122, Erw. 3c; 124 II 559, Erw. 3d, je m.w.H.). Dies kann namentlich der Fall sein, wenn es sich um einen "starken" Konsumenten von Cannabis handelt und weitere Indizien auf verkehrsgefährdendes Verhalten hinweisen (BGE 127 II 122, Erw. 4b; 124 II 559, Erw. 4a g, je m.w.H.). Es entspricht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis, dass der Cannabisrausch die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt. Der gelegent liche Cannabiskonsument, der nicht mit Alkohol anderen Dro gen mischt, ist jedoch in der Regel in der Lage, konsumbedingte Leistungseinbussen als solche zu erkennen und danach zu handeln. Demgegenüber ist bei andauerndem bzw. regelmässigem und gleich zeitig hohem Konsum von einer mindestens geringen Bereitschaft und Fähigkeit auszugehen, zuverlässig zwischen dem Drogenkonsum und der Teilnahme am Strassenverkehr zu trennen (Entscheidung des
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Bundesverfassungsgerichts [BVerfG], 1 BvR 2062/96 vom 20. Juni 2002, Absätze 33 ff.). Die Neigung, unter Substanzeinfluss zu fahren, verstärkt sich mit zunehmendem Konsum. Deshalb kann regel- gar gewohnheitsmässiger Cannabiskonsum zumindest berechtigte Zweifel an der Fahreignung begründen, die gegebenenfalls weitere Abklärungen im Rahmen einer Eignungsprüfung (oder von Auf lagen) rechtfertigen. Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, ist eine möglichst rechtsgleiche Praxis im Vergleich zum Alkohol missbrauch am Steuer anzustreben, weshalb nicht bei jedem Canna biskonsumenten ohne weiteres eine mangelnde Fahreignung vermu tet und eine entsprechende verkehrsmedizinische Abklärung ange ordnet werden darf (Entscheid des Bundesgerichts vom 27. Novem ber 2002 [6A.65/2002]). 3.2. Bei einem zugestandenen monatlichen Konsum von drei bis vier Gramm Marihuana - entsprechend einem bis zwei Joints 0,5 mg pro Woche - kann zweifellos nicht von einem starken Konsu menten von Cannabis i.S. der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gesprochen werden. Der Beschwerdeführer ist nie mit Drogen im Strassenverkehr auffällig geworden. Bei dieser Ausgangslage ist da von auszugehen, dass es sich bei ihm um einen Fall von regelmässi gem, aber kontrolliertem und mässigem Cannabiskonsum handelt, der für sich allein noch nicht den Schluss auf eine fehlende Fahreig nung zulässt (BGE 127 II 122, Erw. 4b). Es liegen auch keine Indi zien dafür vor, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sein könnte, Cannabiskonsum und Strassenverkehr ausreichend zu tren nen. Auch sind in casu keine Indizien für die zusätzliche Einnahme anderer Drogen ersichtlich. Zusammenfassend besteht somit auf grund der Aktenlage kein genügender Anlass, den Beschwerdeführer zu einer medizinischen Fahreignungsabklärung zu verpflichten. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen.
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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