[...]
58 Vollstreckung von Ansprüchen aus Verwaltungsvertrag - Keine provisorische Rechtsöffnung für öffentlich-rechtliche Forde- rungen
Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 28. Juli 2009 in Sachen C. I. AG gegen Einwohnergemeinde X. (WKL.2008.1).
Aus den Erwägungen
4.2.5 Die Vollstreckung von Ansprüchen aus verwaltungsrechtlichen Verträgen ist im kantonalen Recht nicht ausdrücklich geregelt (§ 75 aVRPG) und verwaltungsrechtliche Verträge schaffen in der Regel keinen provisorischen Rechtsöffnungstitel (AGVE 1977, S. 59; AGVE 1979 S. 59 f.; Staehelin Adrian / Bauer Thomas / Staehelin Daniel, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG I, Basel 1998, Art. 82 N 46; Karl Spühler, Probleme bei der Schuldbetreibung für öffentlich-rechtliche Geld forderungen, in: ZBl 1999, S. 254 ff. [262] mit Hinweis). Ent sprechend wird in Art. 83 Abs. 2 SchKG für die Aberkennungsklage, im Unterschied zur Anerkennungsklage gemäss Art. 79 Abs. 1 SchKG, nur der ordentliche Zivilweg erwähnt.
Für öffentlich-rechtliche Forderungen ist die provisorische Rechtsöffnung grundsätzlich ausgeschlossen und das Gemeinwesen hat zur Fortsetzung der Betreibung einen verwaltungsrechtlich voll streckbaren Entscheid - einen definitiven Vollstreckungstitel (Art. 80 Abs. 2 Ziffer 3 SchKG und Art. 79 SchKG i.V.m. § 75 aVRPG) - im Anerkennungsverfahren zu erwirken. Vor allem in Bereichen, in denen die Verwaltung nicht verfügen kann, ist der Anspruch durch eine verwaltungsgerichtliche Klage geltend zu machen (§ 60 Ziffer 1 aVRPG; Tschannen Pierre / Zimmerli Ulrich, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Bern 2005, § 35 Rz. 14; Peter Stücheli, Die Rechtsöffnung, Zürich 2000, S. 300 ff.; Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage, Zürich 2006, Rz. 1131b). Die in einer (älteren) Lehre vertretene Auffassung, wonach in jenen Streitsachen, in denen die Verwaltung nicht hoheitlich verfügen kann, sondern zur Geltendmachung ihrer Ansprüche das Verwaltungsgericht anzurufen hat, eine provisorische Rechtsöffnung mit anschliessender Aberkennungsklage vor dem kantonalen Verwaltungsgericht möglich sei (Blaise Knapp / Gérard Hertig, L'exécution forcée des actes cantonaux pécuniaires de droit public, in: BlSchK 1986, S. 125 f., S. 127 f. und S. 167), vermag angesichts der Bestimmung in § 75 aVRPG (siehe auch § 78 VRPG) nicht zu überzeugen (AGVE 1979, S. 59 f.). Die Vollstreckung von Forderungen, die auf Geld- und Sicherheitsleistungen gerichtet sind, wird abschliessend vom Bundesrecht geregelt und lässt für abweichende kantonale Vorschriften keinen Raum (Art. 38 Abs. 1 SchKG; BGE 108 II 180 Erw. 2.a mit Hinweis). Im Lichte dieser Grundsätze erweist sich daher der Entscheid des Gerichtspräsidiums Aarau, in dem der Beklagten die provisori sche Rechtsöffnung erteilt wurde, als unrichtig. Eine Verfügung ein verwaltungsgerichtliches Urteil über die Rechtmässigkeit der betriebenen Beitragsforderungen als Vollstreckungstitel fehlt. Ob der Entscheid nachgerade nichtig ist, ist nicht anzunehmen (siehe hiezu Staehelin Adrian / Bauer Thomas / Staehelin Daniel, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Ergänzungsband, Basel 2005, Art. 82 N 46 unter Hinweis auf ein Urteil des Obergerichts OW) und die Anfechtbarkeit muss, da dem
Verwaltungsgericht die sachliche Zuständigkeit zur Überprüfung von Rechtsöffnungsentscheiden fehlt (§§ 20, 21 und 23 des Einführungs gesetzes zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 22. Februar 2005 [EG SchKG; SAR 231.200] und §§ 301 und 335 lit. a ZPO), offen bleiben. Die Gefahr, dass die Beklagte eine Forderung gestützt auf den Zahlungsbefehl durchsetzen wird, ist von der Klägerin nicht konkretisiert und ohnehin mehr als unwahr scheinlich. Ein solches Verhalten ist von einer öffentlichen Verwal tung nicht zu erwarten und kann von der Klägerin mit aufsichts rechtlichen Mitteln wirkungsvoll begegnet werden. Die Beklagte selbst bringt in der Duplik vor, dass der Grundsatz von Treu und Glauben im öffentlichen Recht ein solch widersprüchliches Verhalten verbietet. Zudem kann die Klägerin im betreibungsrechtlichen Ver fahren nach Art. 85a SchKG jederzeit den Nichtbestand der Schuld feststellen lassen.