E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2008 79)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2008 79: Verwaltungsgericht

Der Text handelt von einer gerichtlichen Entscheidung im Ausländerrecht aus dem Jahr 2008 bezüglich Zwangsmassnahmen wie Ausschaffungshaft und Durchsetzungshaft. Es wird diskutiert, ob eine Verlängerung der Ausschaffungshaft gerechtfertigt ist, wenn keine Vollzugsperspektive mehr besteht, insbesondere bei unkooperativem Verhalten des Betroffenen. Es wird erwähnt, dass die nigerianische Konsulin trotz Anerkennung als nigerianischer Staatsangehöriger kein Ersatzreisedokument ausstellt, da der Betroffene nicht freiwillig zurückkehren will. Aufgrund dieser Umstände wird die Verlängerung der Ausschaffungshaft als unzulässig erachtet. Es wird empfohlen zu prüfen, ob eine Durchsetzungshaft angeordnet werden soll.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2008 79

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2008 79
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2008 79 vom 29.08.2008 (AG)
Datum:29.08.2008
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:79 Ausschaffungshaft; Vollzugsperspektiven; Anordnung einer DurchsetzungshaftI.c. ist nicht ersichtlich, ob - und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen - ein Ersatzreisedokument ausgestellt wird, solange sich der Gesuchsgegner gegenüber der Vertretung seines Heimatlandes nicht rückkehrwillig zeigt....
Schlagwörter: Ausschaffung; Ausschaffungshaft; Ersatzreisedokument; Gesuchsgegner; Konsulin; Staatsangehörige; Vollzug; Migration; Migrationsamt; Vollzugs; Laissez-Passer; Ausländerrecht; Verlängerung; Person; Delegation; Botschaft; Zuführung; Anordnung; Durchsetzungshaft; Vollzugsperspektive; Staatsangehörigen; Heimatvertretung; Zwangsmassnahmen; Wahrscheinlichkeit; Voraussetzungen; Urteil; Rekursgericht; Anerkennung
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2008 79

2008 Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht 393

79 Ausschaffungshaft; Vollzugsperspektiven; Anordnung einer Durchset-
zungshaft
I.c. ist nicht ersichtlich, ob - und wenn ja, unter welchen Voraussetzun-
gen - ein Ersatzreisedokument ausgestellt wird, solange sich der Gesuchs-
gegner gegenüber der Vertretung seines Heimatlandes nicht rückkehr-
willig zeigt. Unter diesen Umständen ist nicht mehr mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bis zum Ablauf der maximal
zulässigen Dauer der Ausschaffungshaft ohne die Mitwirkung des Ge-
suchsgegners ein Ersatzreisedokument ausgestellt werden kann, weshalb
die Anordnung einer Durchsetzungshaft zu prüfen ist (E. II./1.-2.).

Entscheid des Präsidenten des Rekursgerichts im Ausländerrecht vom
29. August 2008 in Sachen Migrationsamt des Kantons Aargau gegen P.O.
betreffend Verlängerung Ausschaffungshaft / Anordnung Durchsetzungshaft
(1-HA.2008.82).



II. 1.1. Gemäss Art. 76 AuG kann die zuständige Behörde eine
Person unter bestimmten Voraussetzungen zur Sicherstellung des
Vollzugs der Weg- Ausweisung in Ausschaffungshaft nehmen
bzw. in Ausschaffungshaft belassen. Die Ausschaffungshaft ist je-
doch unter anderem zu beenden, wenn der Haftgrund entfällt oder
sich erweist, dass der Vollzug der Weg- Ausweisung aus rechtli-
chen tatsächlichen Gründen undurchführbar ist (vgl. Art. 80
Abs. 6 lit. a AuG). Mit anderen Worten ist eine Verlängerung der
Ausschaffungshaft dann zu verweigern, wenn keine Vollzugsper-
spektive mehr besteht.
1.2. Bereits mit Urteil vom 30. April 2008 (1-HA.2008.44) und
vom 13. Juni 2008 (1-HA.2008.61) wurde die Vollzugsperspektive
bezüglich zweier nigerianischer Staatsangehörigen verneint. In jenen
Fällen verhielten sich die Betroffenen derart unkooperativ, dass sie
nicht als nigerianische Staatsangehörige anerkannt wurden. Mit Ur-
teil vom 13. Juni 2008 (1-HA.2008.61, E. II/1.2.) wurde ausgeführt:
2008 Rekursgericht im Ausländerrecht 394

"Auch wenn die nigerianische Expertendelegation in der Vergangen-
heit auch schon unkooperative Personen als nigerianische Staatsangehörige
anerkannt hat und eine Anerkennung offenbar von der Zusammensetzung
der Delegation abhängt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Anerkennung nach
zweimaliger Ablehnung derart gering, dass nicht mehr von einer konkreten
Vollzugsperspektive im Sinne von Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG ausgegangen
werden kann. Eine Fortsetzung der Ausschaffungshaft ist damit nicht zuläs-
sig."
Mit Urteil vom 18. August 2008 wurde die Ausschaffungshaft
eines weiteren nigerianischen Staatsangehörigen verlängert, obschon
dieser bereits drei Mal der nigerianischen Botschaft zugeführt wor-
den war, ohne dass ein Ersatzreisedokument ausgestellt worden
wäre. Zur Vollzugsperspektive wurde Folgendes ausgeführt
(1 HA.2008.79, E. II/2.2.):
"Nachdem der Gesuchsgegner bereits mehrfach seiner Heimatvertre-
tung zugeführt wurde, ohne dass diese ein Ersatzreisedokument ausgestellt
hätte, ist fraglich, ob überhaupt noch Aussicht besteht, ein Laissez-Passer zu
erhalten und ob der Gesuchsgegner noch ausgeschafft werden kann. Der
Vertreter des Migrationsamtes führt diesbezüglich aus, aufgrund der Erfah-
rungen des Bundesamtes für Migration bestehe nach wie vor eine gute
Chance, ein Laissez-Passer zu erhalten. Es sei in der Vergangenheit schon
mehrfach vorgekommen, dass für einen Betroffenen, der sich nicht rück-
kehrwillig gezeigt hatte, erst nach mehrfacher Zuführung ein Ersatzreisedo-
kument ausgestellt worden sei. Damit ist aktuell nach wie vor von einer
- wenn auch eher vagen - Ausschaffungsmöglichkeit auszugehen. Da nicht
ersichtlich ist, aus welchem Grund die Botschaftsvertreterin nicht bereit ist,
ein Laissez-Passer auszustellen, hat das Migrationsamt unverzüglich - allen-
falls via BFM - bei der Heimatvertretung einen entsprechenden Bericht ein-
zuholen und dem Gericht sowie dem Rechtsvertreter zuzustellen. Sollte
keine Antwort der Heimatvertretung eingehen diese in Bezug auf die
Ausstellung eines Laissez-Passer negativ lauten, und damit klar werden,
dass die Ausschaffung wegen fehlendem Laissez-Passer nicht möglich ist,
wären die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.
Sollte das Migrationsamt zudem nach erneut erfolgloser Zuführung
zur Heimatvertretung eine weitere Verlängerung der Ausschaffungshaft be-
antragen, ist ein schriftlicher Bericht der Heimatvertretung beizubringen,
2008 Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht 395

aus dem hervorgeht, unter welchen Voraussetzungen und bis wann ein
Laissez-Passer ausgestellt wird. Inskünftig ist überdies ein entsprechender
Bericht bereits nach der zweiten erfolglosen Zuführung einzuholen. Andern-
falls kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass innert nützlicher
Frist ein Ersatzreisedokument vorliegen wird, womit sich nur noch die
Frage der Anordnung einer Durchsetzungshaft stellen würde."
Unmittelbar vor der heutigen Verhandlung wurde zudem - in ei-
nem vermeintlich gleich gelagerten Fall - die Verlängerung der Aus-
schaffungshaft bezüglich eines nigerianischen Staatsangehörigen
bewilligt (1-HA.2008.83). In jenem Fall verhielt es sich so, dass der
Betroffene ebenfalls im April 2008 durch die NIS-Delegation (Nige-
rian Immigration Services) provisorisch anerkannt wurde. Da der
Betroffene jedoch nicht zusätzlich der Botschaftsvertreterin zuge-
führt werden musste, konnte davon ausgegangen werden, dass ein
Ersatzreisedokument im Rahmen des üblichen Verfahrens ausgestellt
wird. Jener Fall lässt sich somit nicht mit dem vorliegenden verglei-
chen.
1.3. Der Gesuchsgegner wurde am 3. Dezember 2007 in Aus-
schaffungshaft genommen. Seit seiner Einreise in die Schweiz gab er
immer an, er sei nigerianischer Staatsangehöriger. Da er sich wei-
gerte, ein Formular auszufüllen, wonach er bereit sei, freiwillig nach
Nigeria zurückzukehren, wurde er am 29. Januar 2008 der nigeriani-
schen Konsulin vorgeführt. Diese anerkannte ihn gemäss Schreiben
des BFM vom 31. Januar 2008 zwar offenbar als nigerianischen
Staatsangehörigen, stellte jedoch kein Ersatzreisedokument aus, weil
der Gesuchsgegner nicht freiwillig nach Nigeria zurückkehren
wollte. Vielmehr verlangte die Konsulin die erneute Zuführung zur
Botschaft in drei Monaten.
Nachdem die Verlängerung der Ausschaffungshaft mit Urteil
vom 22. Februar 2008 um weitere sechs Monate bis zum 2. Septem-
ber 2008 bewilligt worden war (1-HA.2008.21), wurde der Gesuchs-
gegner am 23. April 2008 der NIS-Delegation zugeführt und gemäss
Schreiben des BFM vom 8. Mai 2008 provisorisch als nigerianischer
Staatsangehöriger anerkannt. Weshalb der Gesuchsgegner der NIS-
Delegation zugeführt wurde, ist nicht ersichtlich. Immerhin gab er
seit seiner Einreise an, er sei nigerianischer Staatsangehöriger und
2008 Rekursgericht im Ausländerrecht 396

wurde bereits durch die nigerianische Konsulin anerkannt. Dem
Newsletter Nr. 18/08 der Abteilung Rückkehr des BFM ist sodann zu
entnehmen, dass die NIS-Delegation primär die Aufgabe hat, Her-
kunftsabklärungen durchzuführen und nicht bereits anerkannte nige-
rianische Staatsangehörige erneut zu anerkennen.
Am 15. Juli 2008 wurde der Gesuchsgegner ein weiteres Mal
durch die nigerianische Konsulin angehört. Einem Schreiben des
BFM an das Migrationsamt vom 16. Juli 2008 ist zu entnehmen, dass
die nigerianische Konsulin den Gesuchsgegner in drei bis vier Mona-
ten erneut zu sehen wünsche, da dieser noch immer nicht reisewillig
sei. Eine weitere Anhörung sei auf den 14. Oktober 2008 geplant.
In einem ähnlich gelagerten Fall betreffend Ausstellung eines
Ersatzreisedokuments liess sich das BFM am 18. August 2008 wie
folgt vernehmen:
"Wir gehen nach wie vor davon aus, dass wir für die oben genannte
Person ein Reisedokument seitens der nigerianischen Botschaft erhalten
werden. Erfahrungsgemäss sind wiederholte Termine mit der nigerianischen
Konsulin durchaus keine Seltenheit. Es kommt praktisch nicht vor, dass wir
für eine Person, die nicht rückkehrwillig ist, schon anlässlich der ersten Be-
fragung die Zusicherung auf Ausstellung eines Laissez-Passer erhalten.
Meistens braucht es mehrere Termine, bis die Konsulin sich bereit erklärt,
für die Person ein Ersatzreisedokument auszustellen.
Zu wiederholten Terminen kommt es meistens, wenn eine Person
nicht rückkehrwillig und/oder nicht kooperativ ist."
Einer Aktennotiz des Migrationsamtes vom 28. August 2008
kann in Bezug auf den vorliegenden Fall entnommen werden, dass
die Länderkoordinatorin Zentral- und Ostafrika des BFM gemäss te-
lefonischer Auskunft die Frage, ob - und wenn ja, wann - ein Ersatz-
reisepapier auch gegen den Willen des Gesuchsgegners ausgestellt
werde, nicht beantworten konnte. Es könne sein, dass die Konsulin
am 14. Oktober 2008 wiederum kein Reisepapier ausstellen werde
und den Gesuchsgegner erneut sehen wolle.
Anlässlich der heutigen Verhandlung teilte der Vertreter des
Migrationsamtes mit, man erhalte von den nigerianischen Behörden
keine Auskunft darüber, weshalb für einen Betroffenen kein Ersatz-
reisedokument ausgestellt und dieser erneut angehört werde.
2008 Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht 397

1.4. Zusammenfassend weigert sich der Gesuchsgegner, in sein
Heimatland zurückzukehren und äussert dies offensichtlich jeweils
auch anlässlich seiner Vorsprachen gegenüber der nigerianischen
Konsulin mit dem Resultat, dass - trotz Anerkennung - kein Ersatz-
reisedokument ausgestellt wird. Vielmehr verlangt die Konsulin
- ohne ersichtlichen Grund - eine erneute Zuführung in drei bis vier
Monaten. Da nicht ersichtlich ist, ob - und wenn ja, unter welchen
Voraussetzungen - ein Ersatzreisedokument ausgestellt wird, solange
sich der Gesuchsgegner gegenüber der Konsulin nicht rückkehrwillig
zeigt, ist nicht mehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon
auszugehen, dass bis zum Ablauf der maximal zulässigen Dauer der
Ausschaffungshaft ein Ersatzreisedokument ausgestellt wird. Die
Verlängerung der Ausschaffungshaft ist deshalb mangels Vollzugs-
perspektiven gemäss Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG unzulässig.
2. Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die durch das Mi-
grationsamt eventualiter beantragte Durchsetzungshaft zu bewilligen
ist. [...]
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.