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57 Rechtliches Gehör. - Gewährung des rechtlichen Gehörs in dringenden Fällen.
Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 15. September 2008 in Sachen X. gegen den Regierungsrat (WBE.2008.220).
Aus den Erwägungen
1. 1.1. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung elementarer Verfahrensrechte geltend und verlangt die Wiedererteilung der auf schiebenden Wirkung wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs. Ihr sei keine Einsicht in sämtliche Akten gewährt worden und sie habe zur beabsichtigten Disziplinarmassnahme der Verwaltung nicht Stel lung nehmen können. Die Eröffnung der Massnahme an "Ort und Stelle" könne nicht als Gewährung des rechtlichen Gehörs bezeichnet werden.
1.2. Der Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör wird zu nächst durch die kantonalen Verfahrensvorschriften umschrieben. Erst wo sich dieser Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 BV folgenden bundesrechtlichen Mi nimalgarantien Platz (BGE 129 I 232 Erw. 3.2 mit Hinweisen; 124 I 241 Erw. 2; AGVE 2003, S. 155 mit Hinweisen). Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst insbesondere den Anspruch auf Anhörung vor Erlass einer Verfügung eines Ent scheids. Den Betroffenen ist Gelegenheit zu geben, sich in Kenntnis des Sachverhalts (§ 15 Abs. 2 VRPG) mündlich schriftlich zu äussern, wenn dies besonders vorgeschrieben ist wenn ihnen Nachteile erwachsen könnten, die durch nachträgliche Aufhebung der Verfügung des Entscheids nicht wieder zu beseitigen wären (§ 15 Abs. 1 VRPG). Der aus Art. 29 Abs. 2 BV abgeleitete Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst die Rechte der Parteien auf Teilnahme am Verfahren und auf Einflussnahme auf den Prozess der Entscheid findung. In diesem Sinne dient das rechtliche Gehör einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, der in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört auch das Recht, an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken sich zumin dest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 124 I 241 Erw. 2 mit Hinweisen). Das Äusserungsrecht hat eine Hinweis- und Warnfunktion, indem es vor überraschenden Entscheidungen schützt und so Ausdruck eines fairen Verfahrens ist (Michele Albertini, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Bern 2000, S. 259 mit Hinweisen; AGVE 2003, S. 155; 2000, S. 292, je mit Hinweisen). 1.3. Die Inspektion fand am 20. Juni 2008 in der Praxis der Be schwerdeführerin statt. Sie begann um 09.00 Uhr und dauerte bis 11.30 Uhr. Der Beschwerdeführerin wurde das Vorgehen bei Beginn erläutert und begründet. Die Beschwerdeführerin erklärte sich mit dem Vorgehen einverstanden. Nach der Besichtigung der Praxis-
räumlichkeiten fand die Befragung der Beschwerdeführerin durch den Kantonsarzt statt, eine Juristin des Rechtsdienstes des DGS be fragte die medizinische Praxisassistentin. Themen der Befragung der Beschwerdeführerin waren die Schwangerschaftsabbrüche in der Klinik Z. , die Operationen in der Praxis und in der Klinik sowie ein zelne Operationsberichte. Die Beschwerdeführerin hat sich zu den Vorhalten geäussert und auch zur Missachtung des Operationsverbots Stellung genommen. Mündlich eröffnete der Kantonsarzt der Be schwerdeführerin anschliessend die Einleitung des Disziplinarverfah rens und den vorsorglichen Entzug der Berufsausübungsbewilligung wie auch den Entzug der Suspensivwirkung einer allfälligen Be schwerde. Die angefochtene (schriftliche) Verfügung vom 20. Juni 2008 wurde der Beschwerdeführerin im Anschluss an die Praxisinspektion gleichentags per Fax zugestellt. 1.4. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Verfahrens garantien der Beschwerdeführerin gewahrt wurden. Sie konnte sich insbesondere zum massgeblichen Sachverhalt, die Missachtung des Verbotes jeglicher operativer Eingriffe, äussern und auch zum vor sorglichen Berufsausübungsverbot Stellung nehmen. Angesichts der in Frage stehenden Missachtung eines rechtskräftigen Verbots zur Durchführung operativer Tätigkeiten ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beschwerdeführerin die Praxisinspektion, deren Gegenstand und die allfällige Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht vor dem 20. Juni 2008 angekündigt wurde. Nachdem die Meldungen der Strafverfolgungsbehörden eindeutige Anhaltspunkte für eine Miss achtung des Operationsverbots enthielten, war die Praxisinspektion unangemeldet durchzuführen. Für die Gewährung des rechtlichen Gehörs und der Mitwirkungsrechte genügte es unter diesen Umstän den, dass die Beschwerdeführerin an der Praxisinspektion teilnehmen und sich zu den Feststellungen des Kantonsarztes, zum vorgesehenen vorsorglichen Verbot der Berufsausübung sowie zum Entzug des Suspensiveffekts äussern konnte (vgl. BGE 113 Ia 81 Erw. 3a mit Hinweisen; § 15 Abs. 1 VRPG).
Anlässlich der Praxisinspektion ergab sich, dass die Operation der Patientin U. am 25. Juni 2008 in der Praxis geplant war, sodass die Aufsichtsbehörde zu "raschem Handeln" verpflichtet war. Die mündliche Eröffnung der vorgesehenen Massnahme und die Zustel lung der schriftlichen Verfügung - im Einverständnis der Beschwer deführerin mittels Telefax - am gleichen Tag sind daher nicht zu be anstanden. Steht eine Gefährdung, insbesondere von polizeilichen Schutzgütern unmittelbar bevor, kann eine vorgängige Anhörung unterbleiben (§ 15 Abs. 3 VRPG; Albertini, a.a.O., S. 308 f. mit Hinweisen).