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46 Kürzung der materiellen Hilfe - Grenze der Kürzung bei gebundenen Auslagen (§ 15 Abs. 2 SPV).
Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 23. Dezember 2008 in Sa- chen Einwohnergemeinde X. gegen das Bezirksamt Bremgarten
(WBE.2008.315).
Aus den Erwägungen
2.4. 2.4.1. Gemäss § 15 Abs. 2 SPV liegt die Grenze der zulässigen Kür zungen bei 65 % des Grundbedarfs, wobei diese Grenze auch bei der Kürzung von gebundenen Ausgaben nicht unterschritten werden darf. Vorliegend hat die Sozialbehörde auf eine Kürzung des Grund bedarfs II verzichtet, indessen für den Autoeinstellplatz (Fr. 110.--), für die Krankenversicherung nach VVG (Fr. 150.--), für drei Bastel räume (Fr. 360.--) und für Autobetriebskosten (Fr. 350.--) gebunde nen Ausgaben als (hypothetisches) Einkommen in der Höhe von Fr. 970.-- aufgerechnet und zudem bei der Bedarfsberechnung den Autoabzug (Fr. 350.--) eingesetzt. Begründet werden die Aufrech nungen im Wesentlichen mit nicht nachvollziehbaren Vermutungen zu Einkommen aus Teppichhandel "andern Geldquellen" und unklaren Angaben zu früheren neuen Bankkonten "Bar zahlungsverkehr". Die Begründung erstaunt vor allem, weil der So zialdienst im Beschluss vom 18. Dezember 2006 den geringen Ver-
mögenswert des Teppichlagers festgestellt und auf eine Verwertung verzichtet hatte. Die aufgerechneten Auslagen sind aber unbestritten Aufwand des Beschwerdegegners und belegen allenfalls eine zweckwidrige Verwendung der Sozialhilfe, können aber keinesfalls mit (hypothetischen) Einnahmen gleichgesetzt werden. Vorausset zungen für die Aufrechnung gebundener Ausgaben sind ent sprechende Anordnungen an die Hilfe suchenden Personen mittels Auflagen und Weisungen (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel A.8). Die Sozialbehörde hat somit die materielle Unterstützung an den Beschwerdegegner und seine Familie um insgesamt Fr. 1'320.- an gebundenen Auslagen gekürzt und mit der zusätzlichen Kürzung um 18 % des Grundbetrags (Fr. 377.--) die Kürzungsgrenze von Fr. 933.25 (Fr. 2'095.-- x 35 % + Fr. 200.-- Grundbedarf II) um Fr. 763.75 überschritten. Die Überprüfung der vorinstanzlichen Berechnung (Fr. 350.- Autoabzug; Fr. 438.-- gebundene Auslagen; 10 %-Kürzung Fr. 209.50) ergibt ein Total von Fr. 997.50 und liegt damit um Fr. 64.25 über der für die Existenzsicherung zulässigen Kürzung. 2.4.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanz wird die Miete für den (dritten) Bastelraum und für den Autoabstellplatz vom Bruder des Beschwerdegegners übernommen. Gemäss der Bestätigung vom 12. Februar 2008 bezahlt der Bruder diese Mietkosten. Zu den eigenen Mitteln gehören alle geldwerten Leistungen, u.a. alle Einkünfte und Forderungen sowie Zuwendungen aller Art (§ 11 Abs. 1 SPG). Zuwendungen im Sinne dieser Bestimmung sind freiwillige Leistungen Dritter mit einem wirtschaftlichen Wert, die ansonsten über den Grundbedarf zu decken sind (§ 11 Abs. 2 SPV). Ist tatsächlich davon auszugehen, dass die Mieten für den Abstell platz und einen Bastelraum vom Bruder des Beschwerdegegners be zahlt werden und Letzterem kostenlos zur Verfügung stehen, liegt eine private Leistung im Sinne der zitierten Bestimmung vor. Erfolgt die Leistung nicht in Bargeld bzw. kann sie nicht unmittelbar zur Be streitung des Lebensunterhalts herangezogen werden, so ist eine An rechnung als Einkommen nicht zulässig, zumal weder der Abstell platz noch der zusätzliche Bastelraum zum Grundbedarf des Be-
schwerdegegners und seiner Familie gehören. Die Sozialbehörden hatten schliesslich von den Bastelräumen des Beschwerdegegners seit 21. Juni 2006 Kenntnis, bis heute wurde dem Beschwerdegegner aber keine Auflage Weisung zur Kündigung der Mietverträge erteilt. Die Kürzungen der Vorinstanz sind somit nur in der Höhe von insgesamt Fr. 559.50 (Fr. 350.-- Autoabzug + Fr. 209.50 Kürzung Grundbetrag) rechtmässig. 2.5. (...) 2.6. Im Hinblick auf die Frage, ob in Zukunft nach rechtsgenügli cher Auflage bzw. Weisung und Verwarnung erneut eine Kürzung der materiellen Hilfe angeordnet werden könnte, sofern der Be schwerdegegner weiterhin die Bastelräume und den Abstellplatz mietet bzw. Mietkosten trägt, erscheinen folgende Aspekte wesent lich: 2.6.1. Vermuten die Sozialbehörden, der Beschwerdegegner verfüge über ein nicht deklariertes bzw. nicht nachweisbares Einkommen, mit welchem er diese andere Auslagen finanziert, so sind sie gehal ten, entsprechende Abklärungen zu treffen (§ 20 Abs. 1 VRPG). Es ist klarerweise nicht zulässig, die Unterstützungsleistungen allein aufgrund vermuteter, aber in keiner Art und Weise nachgewiesener Einkünfte zu kürzen einzustellen. Die erforderlichen Auskünfte können nötigenfalls mittels Verfügung eingeholt werden; werden sie verweigert, kann dies - nach entsprechender Verwarnung - mit einer Kürzung gegebenenfalls Verweigerung der Unterstützungslei stungen geahndet werden (§ 15 SPV). 2.6.2. Ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner solche Aus lagen durch eine Zweckentfremdung von Sozialhilfegeldern finan ziert, drängt sich gestützt auf § 13 SPG z.B. die Auflage bzw. Wei sung auf, die Mietverträge zu kündigen. Wird sie und die ent sprechende Verwarnung (§ 13 Abs. 2 SPG) nicht befolgt, rechtfertigt sich eine Kürzung gemäss § 15 SPV. Diese Massnahme ist indessen zu befristen an die auflösende Bedingung zu knüpfen, dass die
Kürzung dahin fällt, sobald die Auflage bzw. Weisung erfüllt ist. Dem Sozialhilfeempfänger soll schliesslich die Gelegenheit geboten werden, sich wiederum kooperativ zu verhalten (Felix Wolffers, Grundriss des Sozialhilferechts, 2. Auflage, Bern 1999, S. 169). 2.6.3. Eine Auflage Weisung im dargestellten Sinne erschiene im Übrigen auch dann vertretbar, wenn zwar solche Auslagen während der Dauer der Sozialhilfe vollumfänglich drittfinanziert wären, das Geld aber später zurückbezahlt werden müsste. Unter "Verhaltensre geln, die nach den Umständen angebracht erscheinen" (§ 14 lit. f SPV), lassen sich auch Anordnungen subsumieren, welche einer Ver schuldung entgegenwirken. 2.6.4. In jedem Fall ist es unabdingbar, dass die Sozialbehörden genau angeben, gestützt auf welchen Sachverhalt (nicht deklariertes Ein kommen [siehe vorne Erw. 2.6.1], Missbrauch der Sozialhilfe [siehe vorne Erw. 2.6.2] Zuwendung durch nicht unterstützungspflich tige Dritte [siehe vorne Erw. 2.6.3]) eine Kürzung der materiellen Hilfe erfolgt. Ansonsten wird gegen die Begründungspflicht (§ 23 Abs. 4 VRPG) verstossen.