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57 Kognition des Verwaltungsgerichts in Normenkontrollverfahren. - Rügen betreffend das Zustandekommen einer Norm dürfen nur ge- prüft werden, wenn der geltend gemachte inhaltliche Mangel beim Zustandekommen einer Norm dem höherrangigem Recht der Natur der Sache derart widerspricht, dass das Ergebnis in der ange- fochtenen Norm eine schwerwiegende Rechtsverletzung mit Nichtig- keitsfolge begründet (Präzisierung der Rechtsprechung).
Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 7. Dezember 2007 i.S. A. u. Mitb. gegen den Regierungsrat (WNO.2005.1).
Aus den Erwägungen
I. 1. (...) 2. 2.1. 2.1.1. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Bestimmung bloss hinsichtlich der vom Gesuchsteller ausdrücklich gerügten Rechtsmängel zu untersuchen (sog. Rügeprinzip). Zusätzlich ist es
nur verpflichtet, damit aus der Natur der Sache unmittelbar zusam menhängende sowie offensichtliche, ins Auge springende Verfas sungs- Gesetzwidrigkeiten zu berücksichtigen. Bei der Normenkontrolle wird ein Rechtssatz mit einem andern Rechtssatz verglichen; geprüft wird, ob der zu kontrollierende Rechtssatz der Massstabsnorm entspricht (Monika Fehlmann-Leut wyler, Die prinzipale Normenkontrolle nach aargauischem Recht, Aarau 1988, S. 85 ff.), d.h., ob übergeordnete Verfassungs- und Ge setzesbestimmungen verletzt sind (§ 68 VRPG; AGVE 1992, S. 168; 1988, S. 110). Geprüft wird - dies als Grundsatz - der Rechtssatz als Ergebnis des Rechtsetzungsverfahrens, nicht aber auch der Ablauf des Rechtsetzungsverfahrens (AGVE 1992, S. 168; 1985, S. 117). Das Gericht hat zu untersuchen, ob der Rechtssatz selbst verfas sungs- und gesetzmässig ist. Gestützt auf die bisherige Recht sprechung dürfen Rügen von Verfahrensfehlern beim Zustandekom men einer Norm (was nicht den Norminhalt betrifft) nur mit grosser Zurückhaltung überhaupt geprüft werden. So können im Normen kontrollverfahren nur schwere Verfahrensfehler, die zur Nichtigkeit einer Norm führen, berücksichtigt werden. Soweit im Folgenden von einem schweren Mangel die Rede ist, wird darunter ein zur Nichtig keit führender Mangel verstanden. II. 1. (...) 2. 2.1. Die Gesuchsteller beanstanden einzelne Parameter, die bei der Ermittlung des Prozentsatzes von 3,12 % im Rechtsetzungsverfahren berücksichtigt wurden, und ihre Rügen betreffen damit das Zustande kommen der beanstandeten Norm in Anhang IV Ziff. 6 LDLP. Auf solche Rügen kann das Verwaltungsgericht nur eintreten, wenn die gerügten Mängel einen schweren Fehler im Rechtssetzungsverfahren begründen. Entsprechend der Ergebnisprüfung im Normenkontroll verfahren ist dabei zu prüfen, ob der gerügte Mangel objektiv und unabhängig vom konkreten Fall zur Nichtanwendbarkeit einer Norm, ungeachtet ihres Inhalts, führen muss (siehe vorne Erw. I/2.1.1). In der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts waren insbe-
sondere Verfahrensrügen wie die Verletzung klarer Zuständigkeits vorschriften, die Verletzung von Vorschriften über die Mitwirkungs rechte des rechtlichen Gehörs Gegenstand dieser Prüfung (vgl. AGVE 1992, S. 169 mit Hinweisen; AGVE 1985, S. 119 mit Hin weisen; VGE I/41 vom 5. Juli 1995 [NO.1995.00001], S. 9). Vorlie gend handelt es sich nicht um Verfahrensmängel im Rechtsetzungs verfahren, sondern um die materiellen Grundlagen, die vom Dekrets geber für die Ausarbeitung der angefochtenen Norm verwendet bzw. berücksichtigt wurden. Diese Grundlagen sind weder formell noch materiell verbindlich, sondern sind Teil der Entstehungsgeschichte und haben damit im Normenkontrollverfahren die Bedeutung von Materialien. Wie bei den Verfahrensfehlern kann auch ein inhaltli cher Mangel bei der Entstehung einer Norm mit schwerwiegenden Auswirkungen auf das Ergebnis nicht zum vornherein ausgeschlos sen werden. Ein solcher Mangel kann sich aus der Natur der Sache ergeben, indem die Norm einen Sachverhalt regelt, welcher mit dem beabsichtigten Regelungsinhalt keinen sachlichen Zusammenhang hat (vgl. hiezu Sachverhalt in AGVE 2004, S. 99 ff.). Eine inhaltsbe stimmende Verletzung von übergeordnetem Recht beim Zustande kommen kann auch dazu führen, dass der Rechtsatz als Ergebnis ebenfalls mit dem übergeordneten Recht schlicht unvereinbar wird. In diesem Sinne ist in Präzisierung der bisherigen Rechtsprechung zu prüfen, ob der geltend gemachte inhaltliche Mangel beim Zustande kommen einer Norm dem höherrangigem Recht der Natur der Sache derart widerspricht, dass das Ergebnis in der angefochtenen Norm eine schwerwiegende Rechtsverletzung mit Nichtigkeitsfolge begründet.