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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2006 47)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2006 47: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht entschied in einem Fall von Sozialhilfe, dass Personen, die finanzielle Unterstützung erhalten haben, unter bestimmten Bedingungen zur Rückerstattung verpflichtet sind. Die Gemeinden können diese Rückerstattung mittels Vereinbarungen regeln, die auf Freiwilligkeit basieren. In einem konkreten Fall wurde eine solche Vereinbarung zwischen einer Gemeinde und einem Beschwerdeführer getroffen, die vom Gericht bestätigt wurde. Der Beschwerdeführer argumentierte, dass er sich geirrt habe, wem er einen bestimmten Betrag zurückgezahlt habe, jedoch wurde festgestellt, dass dieser Irrtum nicht relevant war. Letztendlich wurde die Beschwerde abgewiesen, da die Vereinbarung als rechtmässig angesehen wurde.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2006 47

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2006 47
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2006 47 vom 22.12.2005 (AG)
Datum:22.12.2005
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE 2006 47 S.237 2006 Sozialhilfe 237 [...] 47 Rückerstattung von Sozialhilfe. Vereinbarung über die Rückerstattung (Erw....
Schlagwörter: Vereinba; Vereinbarung; Rücker; Rückerstattung; Gemeinde; Irrtum; Verwaltung; Abschluss; Recht; Leistung; Sozialhilfe; Hilfe; Vermö; Schulden; Motivirrtum; Pflicht; Verhältnisse; Person; Vermögen; Verwaltungsgericht; Voraussetzung; Leistungen; Willen; Beschwer; Vereinbarungen
Rechtsnorm: Art. 23 OR ;Art. 24 OR ;
Referenz BGE:118 II 58;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2006 47

2006 Sozialhilfe 237

[...]

47 Rückerstattung von Sozialhilfe. - Vereinbarung über die Rückerstattung (Erw. 2). - Irrtumsanfechtung von Vereinbarungen über die Rückerstattung (Erw. 3).
Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 22. Dezember 2005 in Sa- chen M.S. gegen das Bezirksamt Baden.

Aus den Erwägungen
2. Wer materielle Hilfe bezogen hat, ist rückerstattungspflichtig, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse so weit gebessert haben, dass eine Rückerstattung ganz teilweise zugemutet werden kann (§ 20 Abs. 1 SPG). Die Gemeinde, die den Beschluss über die mate rielle Hilfe gefasst hat, klärt periodisch die Voraussetzungen der Rückerstattung ab und entscheidet darüber, sofern keine Vereinba rung mit der rückerstattungspflichtigen Person über die Rücker stattung und deren Modalitäten zustande kommt (§ 21 Abs. 2 und 3 SPG). Die Rückerstattungspflicht setzt voraus, dass sich die wirt schaftlichen Verhältnisse so weit gebessert haben, dass eine Rücker stattung ganz teilweise zugemutet werden kann (§ 20 Abs. 1 SPG). Bessere wirtschaftliche Verhältnisse liegen vor, wenn Vermö gen vorhanden ist, Vermögen gebildet wird Vermögen gebildet werden könnte (§ 20 Abs. 1 SPV). Die Gemeinden regeln die Rückerstattung in erster Linie mittels Vereinbarungen mit den rückerstattungspflichtigen Personen (§ 21
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Abs. 2 SPG). Diese werden auf der Basis der Freiwilligkeit abge schlossen, d.h. die Höhe der Zumutbarkeit (§ 20 Abs. 1 SPG) sowie die Modalitäten der Rückerstattung können vom Rückerstattungs pflichtigen mit der Gemeinde frei vereinbart werden. Bei Vorliegen einer Vereinbarung i.S.v. § 21 Abs. 2 SPG kann daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der vereinbarte Betrag für den Pflichtigen zumutbar ist, und eine Überprüfung der Einkommens Vermögensfreigrenzen ist nicht Voraussetzung für die Gültigkeit der Vereinbarung. Eine von der Gemeinde einseitig angeordnete Rückerstattung hat sich dagegen an die Schranken von § 21 Abs. 2 und 3 SPV zu halten. So ist bei der Rückerstattung aus Vermögen ein Vermögens freibetrag von Fr. 5'000.-- für eine Person, jedoch höchstens Fr. 15'000.-- für eine Unterstützungseinheit nach § 32 Abs. 1 SPV zu gewähren (§ 20 Abs. 2 SPV). Die Rückerstattung aus Einkommen er folgt auf der Basis des sozialen Existenzminimums (Grundbedarf I und II, situationsbedingte Leistungen) mit einem Zuschlag von 20 % und erweitert um die Auslagen für Steuern, Unterhaltsverpflichtun gen und Darlehenstilgung (§ 20 Abs. 3 SPV). 3.1. (...) 3.2. Die Gemeinde A und der Beschwerdeführer haben am 26. September 2003 eine Vereinbarung abgeschlossen, wonach der Beschwerdeführer zusätzlich zu den von der SVA Aargau an die Gemeinde A ausbezahlten Fr. 28'576.95 noch Fr. 17'215.05 an Letz tere abtrete. Den Akten sind keine Hinweise zu entnehmen, dass diese Vereinbarung nicht dem freien Willen des Beschwerdeführers entsprach. In der Vereinbarung wurde sogar explizit festgehalten, dass es sich um eine freiwillige Abtretung handelt. In der Folge stellte sich heraus, dass die SVA Aargau die Fr. 17'215.05 an den Be schwerdeführer auszahlen muss. Dies betrifft aber nur die Zah lungsmodalitäten und ändert nichts daran, dass zwischen dem Be schwerdeführer und der Gemeinde A am 26. September 2003 eine Vereinbarung über die Rückerstattung i.S.v. § 21 Abs. 2 SPG zu stande gekommen ist.
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Mit dem Zustandekommen der Vereinbarung entfällt die Ver bindlichkeit der Schranken von § 20 Abs. 2 und 3 SPV (siehe vorne Erw. 2). Insbesondere muss die vom Beschwerdeführer freiwillig eingegangene vertragliche Vereinbarung nicht auf ihre Vereinbarkeit mit § 20 Abs. 2 und 3 SPV überprüft werden. Soweit der Beschwer deführer geltend macht, es sei ihm ein Freibetrag zu gewähren und seine anderweitigen Schulden seien zu berücksichtigen, ist sein Ein wand damit unbeachtlich. 3.3. 3.3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe darüber geirrt, wem die von ihm zusätzlich zurückbezahlten Fr. 17'215.05 zukom men. Er wäre mit der Vereinbarung einverstanden gewesen, wenn es sich um die Tilgung der Schulden gegenüber der Gemeinde A ge handelt hätte; dies sei aber nicht der Fall gewesen, vielmehr habe der Beschwerdeführer auch von Bund und Kanton Leistungen erhalten. 3.3.2. Weist ein verwaltungsrechtlicher Vertrag Willensmängel (Irr tum, Täuschung Drohung beim Abschluss) auf, so finden die Bestimmungen der Art. 23 ff. OR analog Anwendung (Ulrich Häfelin / Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich / Basel / Genf 2002, Rz. 1118). Im Gegensatz zum Zivilrecht erweist sich das Vorliegen eines Motivirrtums (Art. 24 Abs. 2 OR) indessen regelmässig als rechtserheblich. Die Durchführung und der Vollzug des Gesetzes verlangen von der Verwaltung, dass die Fehler, die zu einer Diskrepanz zwischen Norm und Einzelakt führen, soweit möglich, korrigiert werden müssen. Vom demokratischen Bürger muss verlangt werden, dass er diese Durchsetzung des von ihm ge tragenen Gerechtigkeitsmassstabes - von Härtefällen einmal abgese hen - auch dann akzeptiert, wenn die Korrektur seinen augenblickli chen Individualinteressen zuwiderläuft (Detlev Dicke, Der Irrtum bei der Verwaltungsmassnahme, in: Zeitschrift für Schweizerisches Recht [ZSR] Neue Folge 103/I [1984], S. 531; Häfelin / Müller, a.a.O., Rz. 1119).


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3.3.3. Vorab ist festzuhalten, dass die Freiwilligkeit der Leistung in der Vereinbarung vom 26. September 2003 ausdrücklich festgehalten wurde. Mit keinem Wort hat der Beschwerdeführer erwähnt, er zahle nur, wenn das Geld schlussendlich an die Gemeinde A gehe. Soweit der Beschwerdeführer nun darauf abstellt, wem seine Leistungen zu kommen, sind seine Aussagen widersprüchlich. Im Übrigen ist die Auszahlung der Unterstützungsbeiträge aus weislich der Akten immer über die Gemeinde gelaufen. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern die interne Kostenaufteilung unter den öf fentlichrechtlichen Kostenträgern nach § 47 ff. SPG für den Be schwerdeführer bei Abschluss der Vereinbarung überhaupt von Be lang war, war sie für ihn doch gar nicht transparent. Der behauptete Irrtum des Beschwerdeführers erscheint vielmehr als vorgeschoben. 3.3.4. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Irrtum bezieht sich auf den Beweggrund zum Abschluss der Vereinbarung und stellt somit einen Motivirrtum i.S.v. Art. 24 Abs. 2 OR dar (Peter Gauch / Walter R. Schluep / Jörg Schmid / Heinz Rey, Schweizerisches Obli gationenrecht, Allgemeiner Teil, 8. Auflage, Zürich 2003, Rz. 768). Da es für die Rückerstattung der materiellen Hilfe gemäss § 20 SPG unbeachtlich ist, welchem Kostenträger der öffentlichen Hand das Geld schlussendlich zukommt, führt der vom Beschwerdeführer gel tend gemachte Motivirrtum nicht zu einer Diskrepanz von Gesetz und der Vereinbarung vom 26. September 2003. Ein solcher Moti virrtum wäre daher unbeachtlich. 3.4. Im Weiteren führt der Beschwerdeführer aus, er sei davon aus gegangen, die Vereinbarung vom 26. September 2003 umfasse ledig lich seine gesetzlichen Pflichten. Dieser Irrtum bezieht sich einerseits auf den Beweggrund zum Abschluss der Vereinbarung und stellt somit einen Motivirrtum dar (siehe vorne Erw. 3.3.2). Andererseits macht der Beschwerdeführer damit auch einen Rechtsirrtum geltend (vgl. BGE 118 II 58 Erw. 3 = Pra 82/1993 Nr. 142).
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Die Pflicht zur Rückerstattung materieller Hilfe ist - ähnlich der Pflicht zur Rückerstattung der unentgeltlichen Rechtspflege (§ 133 ZPO) - grundsätzlich, d.h. sie besteht nicht nur unter bestimmten Voraussetzungen bzw. ab einer bestimmten Höhe. Der vom Be schwerdeführer geltend gemachte Irrtum hat daher keinen Einfluss auf die Rechtmässigkeit der Vereinbarung vom 26. September 2003 und ist deshalb unbeachtlich (vgl. Dicke, a.a.O., S. 532). 3.5. Schliesslich führt der Beschwerdeführer aus, seine Familie habe noch weitere finanzielle Bedürfnisse und weitere Schulden. Es sei ihm daher eigentlich gar nicht möglich gewesen, die Fr. 17'215.05 zurückzuzahlen. Dies sei einzig aufgrund der Aufforderung vom 21. Oktober 2003 erfolgt, mit welcher der Beschwerdeführer zur irr tümlichen Leistung des fraglichen Betrags verleitet worden sei. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, er habe sich bei Abschluss der Vereinbarung vom 26. September 2003 in Bezug auf die Schulden seiner Familie im Irrtum befunden. Sie können daher keinen Anfechtungsgrund begründen. Die Behauptung, dass der Be schwerdeführer einzig aufgrund einer Aufforderung geleistet hat, ist im Übrigen aktenwidrig. 3.6. Zusammenfassend ist die Vereinbarung vom 26. September 2003 nicht mit Willensmängeln behaftet, und die Vorinstanz hat die Beschwerde zu Recht abgewiesen.
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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