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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2006 44)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2006 44: Verwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass eine alleinstehende Person, die Sozialhilfe beansprucht, verpflichtet ist, eine angemessene Wohnung zu suchen. Die Hilfe suchende Person kann keine höheren Ansprüche bei den Wohnkosten stellen als Familien oder Personen in knappen finanziellen Verhältnissen. Die Beschwerdeführerin wurde aufgefordert, eine günstigere Wohnung zu suchen, da die aktuellen Mietkosten als übermässig hoch angesehen wurden. Der Gemeinderat hatte Richtlinien für Wohnungsmieten erlassen, die jedoch nicht verbindlich waren. Die Beschwerdeführerin argumentierte gegen die Auflage zum Umzug in eine günstigere Wohnung, jedoch entschied das Gericht, dass die Differenz im Mietzins als angemessen angesehen wurde.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2006 44

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2006 44
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid AGVE 2006 44 vom 13.09.2006 (AG)
Datum:13.09.2006
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:AGVE 2006 44 S.229 2006 Sozialhilfe 229 [...] 44 Weisung, eine günstigere Wohnung zu suchen. Angemessenheit der Wohnungskosten....
Schlagwörter: Wohnung; Sozialhilfe; Mietzins; Auflage; Hilfe; Verwal; Richtwert; Richtlinien; Person; Richtwerte; Gemeinde; Verhältnis; SKOS-Richtli; Verwaltungsgericht; SKOS-Richtlinien; Wohnkosten; Personen; Kapitel; Umzug; Gemeinderat; Mietzinsdifferenz; Weisung; Wohnungsmieten; Subsidiarität
Rechtsnorm: Art. 8 BV ;
Referenz BGE:120 Ia 343; 129 I 113;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2006 44

2006 Sozialhilfe 229

[...]

44 Weisung, eine günstigere Wohnung zu suchen. - Angemessenheit der Wohnungskosten. - Bedeutung kommunaler Richtlinien für die Wohnungsmieten.
Urteil des Verwaltungsgerichts, 4. Kammer, vom 13. September 2006 in Sachen M.J. gegen das Bezirksamt Baden.

Aus den Erwägungen
2.1. Anspruch auf Sozialhilfe besteht, sofern die eigenen Mittel nicht genügen und andere Hilfeleistungen nicht rechtzeitig erhältlich
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sind nicht ausreichen (§ 5 Abs. 1 SPG). Damit wird der Grund satz der Subsidiarität der Sozialhilfe ausgedrückt. Die Hilfe suchende Person ist verpflichtet, sich nach Möglichkeit selbst zu helfen; sie muss alles Zumutbare unternehmen, um eine Notlage aus eigenen Kräften abzuwenden zu beheben (vgl. die gemäss § 10 Abs. 1 SPG i.V.m. § 10 Abs. 1 SPV für die Bemessung der materiellen Hilfe grundsätzlich verbindlichen Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe, hrsg. von der Schweizerischen Konfe renz für Sozialhilfe, vom Dezember 2000 [SKOS-Richtlinien], Ka pitel A.4). Ausdruck dieser Subsidiarität ist, dass Hilfe suchende Per sonen bei der Berechnung der Wohnkosten für die Sozialhilfe keine höhere Ansprüche stellen können als Familien Personen, die sich in knappen finanziellen Verhältnissen selber durchbringen und entsprechende Einschränkungen hinnehmen müssen (AGVE 2004, S. 253 f. mit Hinweisen). Auch zur Nachachtung des Subsidiaritätsprinzips kann die Ge währung materieller Hilfe mit Auflagen und Weisungen verbunden werden, welche die richtige Verwendung sichern die Lage der Hilfe suchenden Person und ihrer Angehörigen verbessern, nament lich durch Bestimmungen über die zweckmässige Verwendung der materiellen Hilfe, die Aufnahme zumutbarer Arbeit andere Ver haltensregeln, die nach den Umständen angebracht erscheinen (§ 13 Abs. 1 SPG; § 14 lit. d-f SPV). Werden Auflagen Weisungen, die unter Androhung der Folgen der Missachtung erlassen wurden, nicht befolgt, kann die materielle Hilfe gekürzt werden (§ 13 Abs. 2 SPG). Derartige Auflagen müssen die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere das Verhältnismässigkeitsprinzip, beachten. Personen, die Sozialhilfe beanspruchen, haben keinen Anspruch auf Über nahme der Mietkosten einer beliebigen Wohnung durch das Ge meinwesen (BGE vom 3. Juni 2005 [2P.143/2005], Erw. 2.2.). Es ist daher sachgerecht, im Falle übermässig hoher Mietkosten die Zu sprechung von Sozialhilfe mit der Auflage zu verbinden, eine günsti gere Wohnung zu suchen, andernfalls entsprechende Kürzungen bei den Wohnkosten vorgenommen werden (AGVE 1993, S. 619; SKOS-Richtlinien, Kapitel B.3).

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2.2. Bevor von den Sozialbehörden ein Umzug in eine günstigere Wohnung verlangt wird, ist die Situation im Einzelfall zu prüfen, insbesondere sind Grösse, Zusammensetzung der Familie, eine all fällige Verwurzelung an einem bestimmten Ort, das Alter und die Gesundheit der betroffenen Person sowie der Grad der sozialen Inte gration zu berücksichtigen (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel B.3). 2.3. Die Beschwerdeführerin ist allein stehend, weshalb eine 1- bis 1 ½-Zimmerwohnung eine angemessene Wohnsituation darstellt. Den Argumenten der Beschwerdeführerin, wonach sich ihr invalider Sohn an jedem Wochenende von Samstagmorgen bis Sonntagabend bei ihr aufhalte, kann nicht gefolgt werden. Ihr Sohn M. ist über 30 Jahre alt und hat in Zürich-Seebach eine Mietwohnung mit einer Bruttomiete von Fr. 731.--/Mt. Die Beschwerdeführerin ist gegen über ihrem Sohn auch nicht unterhalts- bzw. unterstützungspflichtig, und sie macht auch nicht geltend, der Sohn bedürfe aus gesundheitli chen Gründen einer Betreuung über das Wochenende. Die (sozialen) Kontakte des Sohnes zur Beschwerdeführerin und die Besorgung seiner Wäsche erfordern auch keinen zusätzlichen Wohnraum für ih ren Sohn in A. Die Sozialhilfe ist in erster Linie Existenzsicherung (§§ 4, 5 Abs. 2 SPG und § 3 Abs. 1 SPV) und hat nicht die Aufgabe, ideale Verhältnisse für die Angehörigen der Hilfe suchenden Personen zu schaffen, welche nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen bei der Bestimmung der angemessenen Wohnungsgrösse dem Familienkontakt der Be schwerdeführerin keine Relevanz beigemessen und den Richtwert für eine Einzelperson eingesetzt haben. 2.4. Die Auflage, eine Wohnung mit einem Mietzins von monatlich Fr. 750.-- zu suchen, ist weiter daraufhin zu prüfen, ob sie gemessen an den legitimen Interessen der Beschwerdeführerin angemessen, d.h. der Wohnungswechsel zumutbar ist, sowie ob die allgemeine Wohnungsmarktsituation tatsächlich den Umzug in eine ent sprechend günstige Wohnung zulässt (AGVE 1993, S. 619).
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In diesem Zusammenhang bestreitet die Beschwerdeführerin die Rechtmässigkeit der vom Gemeinderat angewandten Richtwerte für Wohnungsmieten für Sozialhilfebezüger und macht geltend, die in Frage stehende Mietzinsdifferenz zum Richtwert rechtfertige die angefochtene Auflage nicht. 2.4.1. Der Gemeinderat A hat, wie auch andere Gemeinden im Kan ton, Richtlinien für die Wohnungsmieten für unterstützte Personen nach SPG erlassen. Bei diesen Richtlinien handelt es sich nicht um verbindliche Rechtssätze, sondern um Verwaltungsverordnungen allgemeine Dienstanweisungen generell-abstrakter Natur (vgl. Ulrich Häfelin / Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich / Basel / Genf 2002, Rz. 123; Fritz Gygi, Bundes verwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, Bern 1983, S. 137 f.). Sie ent halten blosse Regeln für das verwaltungsinterne Verhalten der zu ständigen Sachbearbeiter und dienen einer vereinheitlichten Verwal tungspraxis, aber auch der erleichterten Rechtsanwendung durch die Behörden. Solche Verwaltungsverordnungen bedürfen keiner förmli chen gesetzlichen Ermächtigung, können aber, da sie von der Ver waltungsbehörde und nicht vom verfassungsmässigen Gesetzgeber stammen, keine von der gesetzlichen Ordnung abweichende Be stimmung vorsehen (BGE 120 Ia 343 Erw. 2a mit Hinweisen; Fritz Gygi, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 103 f.). Sie sind für die rechtsanwendenden Behörden, insbesondere auch für das Verwal tungsgericht, nicht verbindlich, werden aber mitberücksichtigt, so fern die Verwaltungsrichtlinien eine dem Einzelfall angepasste, sach gerechte Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen (AGVE 1995, S. 347 mit Hinweisen; Häfelin / Müller, a.a.O., Rz. 128). Insoweit geht die Beanstandung der Beschwerde führerin zur Gesetzmässigkeit der vom Gemeinderat A erlassenen Richtwerte an der Bedeutung und Wirksamkeit der Richtwerte vor bei. 2.4.2. Im vorliegenden Fall beanstandet die Beschwerdeführerin nicht, dass 1- bis 1 ½-Zimmerwohnungen in der Gemeinde A bzw. in der näheren Umgebung auf dem Wohnungsmarkt vorhanden sind. Die
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Höhe des angemessenen Mietzins von Fr. 750.-- ist auch nicht zu be anstanden, zumal die Vorinstanz gestützt auf die Nachweise der Ge meinde und einer stichweisen Überprüfung der Wohnungsangebote die Verfügbarkeit von Wohnungen für eine Einzelperson in diesem Preissegment geprüft hat. 2.4.3. Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, die Auflage zum Wohnungswechsel mache wirtschaftlich keinen Sinn, da die Be schwerdeführerin aktuell Wohnungskosten von Fr. 945.-- aufweise und die Mietzinsdifferenz zum Richtwert von Fr. 195.--/Monat in keinem Verhältnis zu den Umzugskosten und allfälligen Lagerungs kosten für die Möbel stehe. In der angefochtenen Verfügung wurde der monatliche Mietzins mit Fr. 933.-- angegeben, in der Vernehmlassung vor Vorinstanz führt der Gemeinderat aus, der aktuelle Mietzins betrage monatlich Fr. 1'149.--. Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren vor Bezirks amt einen Mietzins von Fr. 945.-- ab 1. August 2005 ausgewiesen. Zu beurteilen ist daher eine Mietzinsdifferenz von Fr. 195.-- pro Mo nat. Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass die Mietzins differenz von Fr. 195.--/Monat nicht auf einen übermässigen Miet zins schliessen lässt (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel B.3). Anderer seits ist zu beachten, dass die Auflage auf die Dauer der Ausrichtung der materiellen Hilfe an den Betroffenen ausgerichtet ist (vgl. AGVE 2005, S. 285), weshalb es für die Wirtschaftlichkeit und Verhältnis mässigkeit nicht auf die monatliche Differenz ankommt, sondern die voraussichtliche Dauer der materiellen Unterstützung mit zu berück sichtigen ist. Ist die Hilfe suchende Person voraussichtlich für län gere Zeit auf Sozialhilfe angewiesen, rechtfertigt daher bereits eine eher geringfügige Differenz des monatlichen Mietzinses zu den Richtwerten eine Auflage zum Wohnungswechsel. Die Richtwerte sind auch kein absoluter Massstab für die Unangemessenheit eines Mietzinses. Massgebend sind bei der Beurteilung der "Übermässig keit" der Wohnkosten immer auch die weiteren Umstände im kon kreten Fall, weshalb jede schematische Anwendung der Richtwerte zu vermeiden ist. Die Richtwerte dienen in erster Linie der rechts gleichen Rechtsanwendung (siehe vorne Erw. 2.4.1), und der Grund-
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satz der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV) verlangt in der Rechtsanwen dung auch, dass in den relevanten Punkten tatsächlich ungleiche Sachverhalte auch unterschiedlich behandelt werden (BGE 129 I 113 Erw. 5.1). Eine Mietzinsdifferenz von Fr. 195.-- pro Monat kann da her je nach den Umständen im Einzelfall übermässige Wohnkosten begründen. Die Rüge der Beschwerdeführerin, eine solche Mietzins differenz rechtfertige die Auflage zum Bezug einer günstigeren Wohnung schon im Grundsatz nicht, ist daher nicht zutreffend. Auch ein Vergleich mit allfälligen Umzugskosten Kosten für die Ein lagerung von Möbeln vermag daran nicht zu ändern. Bei diesen Kos ten sind im Rahmen der Sozialhilfe nur die notwendigen, den Be dürfnissen angemessenen Auslagen zu ersetzen (vgl. SKOS-Richtli nien, Kapitel C.8).

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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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