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V. Schulrecht
123 Schulrecht. Übertritt von der Primar- in die Bezirksschule - Übertritt auf Empfehlung der Lehrperson aufgrund bestandener Übertrittsprüfung (Erw. 3.a). - Sind die Eltern mit der Empfehlung der Lehrperson nicht einverstan- den, entscheidet die Schulpflege über den prüfungsfreien Übertritt (Erw. 3.a und 5). - Wird der verweigerte Übertritt in eine höhere Schulstufe aufgrund ei- ner dagegen erhobenen Beschwerde vorsorglich gestattet, dürfen die dort erbrachten Leistungen für den Entscheid über die Beschwerde grundsätzlich nicht berücksichtigt werden; Ausnahmen von diesem Grundsatz (Erw. 6).
Aus dem Entscheid des Regierungsrats vom 30. November 2005 i.S. M.M. gegen den Entscheid des Schulrats des Bezirks B.
Aus den Erwägungen:
3. a) Gemäss § 1 der Verordnung über die Übertrittsprüfungen in die Sekundar- und Bezirksschule vom 17. November 2004 (Über- trittsprüfungsverordnung; SAR 421.355) können Schülerinnen und Schüler von der Primarschule in die Bezirksschule übertreten, wenn sie eine entsprechende Empfehlung der zuständigen Lehrpersonen erhalten eine Übertrittsprüfung nach dieser Verordnung bestan- den haben. Weiter hält § 73 Abs. 2 des Schulgesetzes (SchulG; SAR 401.100) fest, dass die Schulpflege über die Zuweisung der Schülerinnen und Schüler in Stufen und Typen entscheidet, wenn sich die Inhaber der elterlichen Sorge der Beurteilung der Schule nicht anschliessen können. Dies bedeutet erstens, dass der Übertritt von der Primarschule in die Bezirksschule entweder auf Empfehlung der Lehrperson aufgrund bestandener Übertrittsprüfung erfolgt,
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und zweitens, dass die Schulpflege über den prüfungsfreien Übertritt entscheidet, wenn die Eltern mit der Empfehlung der Lehrperson nicht einverstanden sind. Für das Empfehlungsverfahren gelten die Weisungen des Erziehungsrats vom 1. Oktober 1973 betreffend Übertritt an die Sekundar- Bezirksschule, wonach die Empfeh- lung aufgrund der erbrachten Leistungen, der Arbeitsdisziplin und der Entwicklungsprognose zu erfolgen hat. Dabei sollen die Leistungsnoten nicht in erster Linie und allein für die Empfehlung als massgebend betrachtet werden, und die Eignung für die höhere Schulstufe ist weniger vom angelernten Wissen als von der gesamten geistigen Haltung her abzuklären. Zur prüfungsfreien Aufnahme in die Bezirksschule dürfen nur Schülerinnen und Schüler empfohlen werden, deren Verbleiben aus guten Gründen erwartet werden kann. Als Richtwert für einen prüfungsfreien Übertritt an die Be- zirksschule gilt im Kanton Aargau praxisgemäss die Durchschnitts- note 5,0 in den Promotionsfächern. Einen Übertrittsanspruch lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Der Übertrittsentscheid erfolgt nach Massgabe der erziehungsrätlichen Weisungen und stellt eine ganzheitliche Beurteilung dar. (...) 5. a) Das Instruktionsverfahren hat eindeutig ergeben, dass die Beschwerdeführerin weder von den beiden Lehrerinnen noch von der Schulleitung Schulpflege in irgendeiner Form darauf aufmerksam gemacht wurde, dass sie einen Entscheid der Schul- pflege zum prüfungsfreien Übertritt verlangen könne, falls sie mit der von den beiden Lehrerinnen abgegebenen Empfehlung nicht ein- verstanden ist. Vielmehr wurde ihr von der Schule mitgeteilt, die ein- zige Möglichkeit bestünde darin, die Übertrittsprüfung abzulegen. Unter diesen Umständen ist es nicht erstaunlich, dass die Be- schwerdeführerin erst im Beschwerdeverfahren gegen die nicht be- standene Übertrittsprüfung vor dem Schulrat den Antrag stellte, es sei ihr gestützt auf die Leistungen im zweiten Semester der 5. Klasse der Übertritt an die Bezirksschule zu gestatten. Der Bezirksschulrat trat darauf jedoch nicht ein mit der unzutreffenden Begründung, der Entscheid der zuständigen Schulpflege zum prüfungsfreien Übertritt sei in Rechtskraft erwachsen. Nachdem die Schulpflege B. gar nie ei-
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nen solchen Entscheid getroffen hat und die Mutter der Beschwerde- führerin von der Möglichkeit, von der Schulpflege einen Entscheid zum prüfungsfreien Übertritt verlangen zu können, erst im Zusam- menhang mit der Beschwerde an den Regierungsrat Kenntnis erhal- ten hat, ist der Beschwerdeführerin nachträglich Rechtsschutz zu ge- währen. Da die Schulpflege B. sich in ihrer Stellungnahme der Über- trittsempfehlung der beiden Lehrerinnen angeschlossen hat, wird da- von abgesehen, die Angelegenheit der Schulpflege zur formellen Be- schlussfassung zurückzugeben. Der Regierungsrat entscheidet im vorliegenden Verfahren über den prüfungsfreien Übertritt der Be- schwerdeführerin in die 1. Klasse der Bezirksschule. b) Aus den Akten geht hervor, dass die Beschwerdeführerin im Zeugnis des ersten Halbjahrs in den für den Übertritt zählenden Fächern Deutsch, Mathematik und Realien einen Notendurchschnitt von 4,83 erzielte und damit den Richtwert von 5,0 verpasst hat. Dies wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Zudem bestehen auch keine konkreten Anhaltspunkte, dass die von den beiden Lehre- rinnen vorgenommene Beurteilung der Leistungen und der Arbeits- haltung der Beschwerdeführerin unzutreffend wäre. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Übertrittsempfehlung der beiden Lehrerinnen an die Sekundarschule im Zeitpunkt ihrer Ausfällung Mitte Februar 2005 sachgerecht gewesen und deshalb nicht zu beanstanden ist. c) Weiter ist zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin - ih- rem Antrag entsprechend - aufgrund ihrer Leistungen im zweiten Se- mester der 5. Klasse der 1. Klasse der Bezirksschule zuzuweisen ist. (...) bb) Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin im zweiten Semester der 5. Klasse in mehreren Fächern eine Leistungssteige- rung verzeichnete und in den Promotionsfächern einen Notendurch- schnitt von 5,0 erzielen konnte. Die Durchschnittsnote 5,0 in den Promotionsfächern stellt für den Übertritt an die Bezirksschule praxisgemäss einen Richtwert dar. Einen Übertrittsanspruch lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Wie bereits oben in Ziffer 3 ausgeführt, hat die Empfehlung der Lehrperson aufgrund der erbrachten Leistungen, der Arbeitsdisziplin und der Entwicklungsprognose zu erfolgen. Die Eignung für die hö-
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here Schulstufe ist weniger vom angelernten Wissen als von der ge- samten geistigen Haltung her abzuklären. Zur prüfungsfreien Auf- nahme dürfen nur Schülerinnen und Schüler empfohlen werden, de- ren Verbleib in der oberen Schulstufe aus guten Gründen erwartet werden kann. Die beiden zuständigen Primarschullehrerinnen, welche auf- grund ihres täglichen Kontakts in der Schule und der langen Beobachtungszeit über die Möglichkeit verfügen, das schulische Po- tenzial der Beschwerdeführerin richtig einzuschätzen, gelangen in ih- rer Beurteilung zum Schluss, dass ein späterer Eintritt in die Bezirks- schule durchaus ein mögliches Ziel für die Beschwerdeführerin sei. Allerdings müssten dafür die Leistungen und die Konzentration kon- stant bleiben. Sie sähen das Sekundarschuljahr als eine Chance für die Beschwerdeführerin, ihre positive Veränderung zu bestätigen. Diese Einschätzung ist nachvollziehbar und verständlich. Aufgrund der Leistungssteigerung der Beschwerdeführerin im zweiten Se- mester wäre es nach Ansicht des Regierungsrats aber durchaus auch vertretbar gewesen, wenn die Schule auf ihre ursprüngliche Über- trittsempfehlung zurückgekommen wäre und die Beschwerdeführerin nachträglich an die Bezirksschule hätte übertreten lassen. Da jeden- falls nicht gesagt werden kann, dass sich die beiden Lehrerinnen und die Schulpflege bei ihrer Beurteilung von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen, so dass diese unter rechtsstaatlichen Gesichts- punkten als nicht mehr vertretbar erscheinen, sieht sich der Regie- rungsrat nicht veranlasst einzuschreiten, zumal er sich bei der Über- prüfung von Übertrittsempfehlungen praxisgemäss eine gewisse Zurückhaltung auferlegt. 6. a) Die während der Dauer eines Beschwerdeverfahrens nach einem vorsorglich gestatteten Übertritt in die beantragte höhere Schulstufe erbrachten Leistungen dürfen in der Regel keine Berück- sichtigung finden. Bei Promotionsentscheiden kann es grundsätzlich nur auf die im Aufnahmeverfahren erbrachten Leistungen ankom- men. Die vorsorgliche Ermöglichung des Schulbesuchs in einer höheren Klasse Stufe will lediglich den Anschluss für den Fall einer allfälligen Gutheissung der Beschwerde sicherstellen. Es ist grundsätzlich auf die Leistungen im Zeitpunkt des ursprünglichen
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angefochtenen Entscheids abzustellen, würde doch andernfalls die Durchsetzung der Promotionsbestimmungen in Frage gestellt. Der Grundsatz der Nichtberücksichtigung nachträglicher Leistungen kann indessen nicht ausnahmslos gelten. Es kann stossend sein, eine vorsorglich aufgenommene Schülerin, die sich durch besondere An- strengungen einen Verbleib in dieser Klasse zu erarbeiten erhofft und dabei nicht nur genügende sondern gute Leistungen erbringt, aus der Klasse wieder zu entlassen. Eine Mitberücksichtigung nachträglicher Leistungen lässt sich namentlich dort vertreten, wo der Übertritt nicht ausnahmslos eine bestandene Prüfung voraussetzt, sondern wo - wie dies vorliegend der Fall ist - auch ein prüfungsfreier Übertritt aufgrund einer Empfehlung der bisherigen Klassenlehrperson mög- lich ist und dementsprechend ein grosser Teil der Schülerinnen und Schüler ohne Aufnahmeprüfung in die gewünschte Schulstufe aufge- nommen wird. Bei diesem Aufnahmeverfahren kann nicht von einer ungerechten, systemwidrigen Privilegierung gesprochen werden, wenn in einzelnen Fällen statt der Notengebung und Empfehlung der früheren Klassenlehrperson eine entsprechende Beurteilung späterer Leistungen durch die Lehrpersonen der oberen Schulstufe zur Auf- nahme führt. Wie bereits erwähnt, kann aus nahe liegenden Gründen die Berücksichtigung solcher nachträglich erbrachter Leistungen nur ausnahmsweise zulässig sein, soll das ordentliche Aufnahmeverfah- ren nicht seinen Sinn verlieren (vgl. zum Ganzen AGVE 1990 S. 493 ff. mit weiteren Hinweisen; RRB Nr. 1544 vom 12. Juli 1995 i.S. D.M., mit weiteren Hinweisen; RRB Nr. 1591 vom 16. August 2000 i.S. L.M.). b) Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die Lehrpersonen der Bezirksschule, welche die Beschwerdeführerin seit den Sommer- ferien unterrichten, erleben sie als fleissig, aktiv und anständig; sie arbeite zwar noch etwas langsam und sei zuweilen vergesslich. Aufgrund der bisher erzielten Noten sei sie in der Klasse vor der Mitte einzuordnen. Wenn sie lerne, ihr Arbeitstempo zu steigern und ihren Lernfleiss hochhalten könne, dann sei sie in ihren Augen eine Bezirksschülerin. Im ersten Quartal erzielte die Beschwerdeführerin in den Promotionsfächern je nach Rundung einen Durchschnitt zwi- schen 4,77 und 4,94 in Punkten ausgedrückt ein Punktetotal
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zwischen 43 und 44,5 Punkten. Gemäss § 24 der Promotionsordnung für die Volksschule vom 16. Juli 1990 (SAR 421.351) ist für die defi- nitive Aufnahme in die Bezirksschule in den Promotionsfächern ein Notendurchschnitt von 4,0 bzw. sind 36 Punkte erforderlich. Diese Werte hat die Beschwerdeführerin deutlich übertroffen. In Anbet- racht der bisher guten Leistungen sowie der positiven Einstellung und Arbeitshaltung der Beschwerdeführerin hat sie reelle Chancen, die Bezirkschule erfolgreich zu absolvieren. Dies sehen auch der Klassenlehrer und die übrigen Lehrpersonen so, setzen aber voraus, dass die Beschwerdeführerin ihren Einsatzwillen beibehält. Weil die Beschwerdeführerin bereits am Ende der 5. Klasse von ihren Leistungen her ein Grenzfall gewesen ist und im laufenden Schuljahr gezeigt hat, dass sie den Anforderungen der Bezirksschule bis jetzt gut gewachsen ist, wäre es nicht sinnvoll, sie in die Sekundarschule umzuteilen. Der Beschwerdeführerin ist deshalb der weitere Verbleib in der Bezirksschule zu gestatten. (...)
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